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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Oktober 2012

 
Zuletzt geändert am 27.03.2014 @ 17:41

Webseite-Besucher

Im September 2012 besuchten 10.525 Internet-Nutzer unsere Nolympia-Webseite. Von Februar 2010 bis einschließlich September 2012 waren es damit über 414.000 Besucher. Wir bedanken uns für das anhaltende Interesse.

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Zitat des Monats:

Der Standard:In Schladming ist viel von Nachhaltigkeit die Rede.“

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel: „Von dem Wort halte ich gar nichts. Nachhaltig? Was ist nachhaltig? Wenn ich eine Fliege erschlage, dann ist sie nachhaltig tot“ („Nachhaltig? Was ist nachhaltig?“, Interview Krutzler, David, Zelsacher, Benno, in Der Standard 19.10.2012)

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Zwischenbilanz unter Aktuelles

Die angekündigte Zwischenbilanz hat den Titel „Von Brot und Spiele zu Fernsehen und Sport-Events“ und ist hier zu finden.

Olympische Ausgrabungen: 80 Jahre Verdrängen

Der opulente Band zur Ausstellung „Mythos Olympia. Kult und Spiele“ im Berliner Martin-Gropius-Bau ist erschienen. Nun hat ja Katar die heikle Neuzeit des IOC stromlinienförmig übernommen (vergleiche hier), und eigentlich galt das antike Thema eher als unproblematisch und als „politisch entschärft“. Da rügte Erik Eggers, dass über Hitlers Chefausgraber in Olympia, den Archäologen Hans Schleif, nichts zu finden ist (Eggers, Erik, Ein Kapitel, das fehlt, in dradio.de 9.10.2012). Schleif (* 1902,1945) arbeitete zwischen 1927 und 1931 mit dem berühmten Archäologen Wilhelm Dörpfeld in Olympia. Er wurde 1935 SS-Mitglied, von Heinrich Himmler persönlich protegiert. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin verkündete Hitler die Wiederaufnahme und Finanzierung der Ausgrabungen im Zeusheiligtum von Olympia. Seit 1938 war Schleif für diese „Führergrabung“ zuständig. 1941/42 führte er dort letztmalig Grabungen durch (Wikipedia).
Der Archäologe Stefan Lehmann hatte recherchiert, dass Schleif 1941 in einem SD-Kommando eingesetzt und 1944 SS-Standartenführer wurde.“Auch angesichts anderer SS-Aktivitäten besteht laut Lehmann kein Zweifel, dass Schleif ‚von den Verbrechen der SS nicht nur wusste, sondern an ihnen auch aktiv beteiligt war‘. Schleif, der 1945 Suizid beging, sei ein ‚technokratischer Kriegsverbrecher'“ (Eggers; Quelle: Lehmann, Stefan, Hans Schleif (1902 – 1945)- in: Brands, G., Maischberger, M. (Hrsg.): Klassische Archäologen und der Nationalsozialismus, Bd. 1, Rahden/Westfalen 2012).
Zur Ausstellung „Mythos Olympia“ vergleiche auch: Januar 2012, Februar 2012, Mai 2012
Nun sind die Ausstellungsmacher von „Mythos Olympia“ nicht die einzigen Verdränger der deutschen Olympia-Geschichte im Dritten Reich.

Sportärztetagung: 100 Jahre Verdrängen

Anfang Oktober 2012 feierte der deutsche Sportärztebund sein hundertjähriges Bestehen in Berlin mit dem Kongress „100 Jahre Sportmedizin“. Erik Eggers zeichnete in der FAZ auf, was die Festschrift der „Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention“ alles nicht erwähnt:
– Die wichtige Rolle des Sportmediziners Georg Friedrich Nicolai (1874 – 1964) wird übersehen: Historiker Ralf Schäfer betonte, dass Nicolai für gesundheitsfördernden Breitensport eintrat und den Wettkampf- und Hochleistungssport einschließlich der Olympischen Spiele kritisierte. „Der jüdische Sportmediziner, als Landesverräter beschimpft, emigrierte 1922 als ‚deutscher Dreyfus‘ nach Südamerika“ (Eggers, Erik, Das Schweigen der Professoren, in faz.net 2.10.2012).
– Erwähnt wurde Arthur Mallwitz (1880 – 1968); nicht erwähnt wurden seine rassehygienischen Vorstellungen.
– „Andere peinliche Details verschwiegen die Sportmediziner nach 1945 ebenfalls. Etwa die tragende Rolle, die führende Professoren wie Frowalt Heiss, Olympiaarzt 1928, 1936 und 1952, in der NS-Sportmedizin spielten. Heiss, erster Präsident des Sportärztebundes nach 1945, wird in der Festschrift als „Pionier“ gerühmt; dass er als Assistent des SS-Arztes Karl Gebhardt zumindest Kenntnisse über die Menschenversuche in Hohenlychen haben musste, davon liest man in der Festschrift nichts. Dass Hans Hoske (1900-1970), ein führender Sozialhygieniker und Sportärztebund-Vorstand nach dem Krieg, schon 1934 Sterilisierungen für „untaugliche“ Menschen in Betracht gezogen hatte, ebenso wenig“ (Ebenda).
Verschwiegen wird auch das Wirken des Freiburgers Armin Klümper, der die Sportmedizin in den 1970er und 80er Jahren in Verruf brachte: Seine Patientin Birgit Dressel, eine Leichtathletin, starb 1987. „Zur Todesursache wurde ermittelt, dass Dressel seit 1981 Patientin des Freiburger Sportmediziners Professor Armin Klümper war und zuletzt in 16 Monaten etwa 400 Spritzen erhalten hatte. Dressel bekam das Anabolikum Stromba und nahm am Schluss die Höchstdosis von sechs Tabletten wöchentlich ein. Im Februar 1987 hatte ihr Klümper 15 verschiedene Arzneimittel gespritzt, darunter tierische Zellpräparate, die zu Dauerimmunreaktionen des Körpers führten“ (Wikipedia).
Es fehlen auch die Freiburger Ärzte Lothar Heinrich und Georg Huber, die 2007 für den Doping-Skandal an der Freiburger Universität sorgten (Eggers).
Die Aufarbeitung der NS-Zeit und kritischer Ereignisse der jüngeren Vergangenheit scheint nicht nur bei den Sportfunktionären, sondern auch bei den Sportmedizinern verdrängt zu werden.
Vergleiche im Kritischen Olympischen Lexikon: Die NS-Sportfunktionäre; Doping
Thomas Kistner schrieb zum Doping-Thema: „Der Deutsche Olympische Sportbund gilt nicht gerade als Speerspitze der Dopingbekämpfung… Zwar verweisen die Funktionäre stolz auf einen Anhang am deutschen Arzneimittelgesetz, Betrugsexperten verstehen diesen jedoch eher als verdeckte Anleitung zum Dopen: Hierzulande kriegen Pharmabetrüger nur dann Ärger mit der Justiz, wenn sie eine erhebliche Menge verbotener Stoffe aufweisen. Die Menge ist so hoch angesetzt, dass ein Athlet, der sie im Körper hätte, mausetot wäre“ (Kistner, Thomas, Rätsel in Oberursel, in SZ 11.10.2012).
Zum Thema Doping siehe auch:

Lance Armstrong: Das Ende einer Dopingkarriere

Am 10. Oktober 2012 stellte die amerikanische Anti-Dopingagentur Usada 202 Seiten ihres Berichtes zum Fall des Radrennfahrers Lance Armstrong in das Internet, dazu 800 Seiten Material. 26 Zeugen sagten unter Eid aus, davon 15 Radfahrer. Das Dopingsystem Armstrong war hoch effizient und kriminell. Am deprimierendsten:
– Schon 1999, beim ersten seiner sieben Siege bei der Tour de France, war Armstrong gedopt.
– Armstrongs Teamkollegen wurden gezwungen, ebenfalls zu dopen. Besonders tragisch ist der Fall des damals 24 Jahre alten Radprofis David Zabriskie: „Sein Vater hatte sich mit Drogen bis zum Tod selbst zerstört; er wollte deshalb niemals dopen. Teamchef Johan Bruyneel habe ihm 2003 versichert: ‚Jeder tut es'“ (Burkert, Andreas, Lebenslüge eines gewieften Tyrannen, in sueddeutsche.de 11.10.2012). Der frühere Teamkollege und Mit-Doper von Armstrong, Matt White, schrieb in einer Mitteilung: „Es macht mich traurig zu bekennen, dass ich Teil einer Mannschaft war, in der Doping Bestandteil der Teamstrategie war“ (White gesteht Doping, Hamilton belastet UCI, in spiegelonline 13.10.2012). White entschuldigte sich am 12.10.2012 auch bei den früheren Gegnern, die bewusst auf Doping verzichtet haben.
Das sollten sich einmal all jene Verirrte vor Augen halten, die für eine Freigabe der Dopingmittel plädieren: Dann würde und müsste jeder an der Nadel (oder am Gentropf) hängen, der beim Profisport mithalten will.
– Das US Postal Team von Armstrong verbrauchte Millionen Dollar aus Steuergeldern. Der Staatskonzern US Post ist inzwischen mit einer zweistelligen Milliardensumme verschuldet und stand mehrmals kurz vor der Insolvenz.
– Ein „Motoman“ brachte die Dopingmittel und Blutbeutel zu dem Postal-Team. Die Spritzen wurden in Cola-Dosen „entsorgt“. Armstrongs Teamchef Johan Bruyneel wusste stets, wann die Kontrolleure der UCI kamen (Burkert, Andreas, Spritzen in Cola-Dosen, in SZ 13.10.2012).
– So aktiv die Usada war, so passiv verhielt sich die amerikanische Justiz.
– Der Internationale Radsport-Weltverband UCI deckte über Jahre Armstrongs Dopingsystem. Eine positive Probe aus dem Jahr 2001 wurde gegen Zahlung von 125.000 Dollar von der UCI vertuscht.
Zum Statement von Usada-CEO Travis Tygart: hier
Konsequenzen aus dem Fall Armstrong
– Die bayerische Justizministerin Beate Merk erneuerte ihre Bemühungen, eine Gesetzesänderung zu erreichen: „Der Fall zeigt deutlich: Die richtige Handhabe, um die Szene zu knacken, ist eine Kronzeugenregelung – kombiniert mit der Strafbarkeit des dopenden Sportlers selbst ab dem Besitz des ersten Milligramms“ (Reaktionen auf den Fall Armstrong, in SZ 13.10.2012). Bisher wurden ihre Bemühungen vom Bundesinnenministerium und vom DOSB abgeblockt.
– Der deutsche Dopingexperte Werner Franke sagte in Zusammenhang mit den Ermittlungen der amerikanischen Anti-Doping-Behörde Usada im Fall Armstrong: „Deutschland ist ein sehr scheinheiliges Land. Es gibt hier nie große Fälle“ (Armstrong-Ermittlungen für Franke beispielhaft, in SZ 16.10.2012).
– Die Gegner dieser Verschärfung sind bekannt: „Bisher wehren sich in Berlin allerdings CDU/CSU und FDP sowie der Deutsche Olympische Sportbund gegen ein schärferes Anti-Doping-Gesetz“ (Ebenda; Hervorhebung WZ).
– Der frühere Wada-Chef Richard Pound äußerte zum Verhalten des IOC bezüglich der UCI: „Meine Vermutung ist aber, dass in einem Wahljahr (2013 wird ein neuer IOC-Präsident gewählt) viele Führungsleute oder Anwärter noch mehr als sonst zögern werden, hier eine starke Position zu vertreten“ (Kistner, Thomas, „Das interessiert die Kriminalbehörden“, in SZ 19.10.2012).
Vor allem, wenn der neue IOC-Präsident aus Deutschland kommen sollte: Der DOSB bügelt seit Jahren mit dem Verweis auf das „Arzneimittelgesetz“ jede schärfere Dopingkontrolle ab. Siehe die Bemühungen von Beate Merk oben.
Ausstieg der Armstrong-Sponsoren
– Zunächst blieb Nike Armstrong treu: „Nike teilte mit, man werde die Zusammenarbeit mit Lance Armstrong und dessen Krebs-Stiftung fortsetzen“ (Aumüller, Johannes, Ein Fall für den Staatsanwalt, in SZ 12.10.2012). Dann kündigte der Sportkonzern doch die Zusammenarbeit, ebenso der Fahrradhersteller Trek, die Brauerei Anheuser-Busch, die Fitness-Kette „24 Hour Fitness“, das Energy-Drink-Unternehmen FRS und der Sportnahrungshersteller Honey Stinger (Sponsoren kündigen, in SZ 19.10.2012; Armstrong verliert weitere Sponsoren, in spiegelonline 18.10.2012).
– Der amerikanische Versicherungskonzern SCA will mehr als fünf Millionen US-Dollar von Armstrong zurück, die als Prämie für die Tour-Siege 2002 bis 2004 bezahlt wurden (SZ 16.10.2012).
In „Cycling News“ stand am 17. Oktober 2012 folgende Meldung: Kathy LeMond bezeugte 2006 unter Eid, ein Mechaniker aus Armstrongs Team habe berichtet, dass Nike 500.000 Dollar auf ein Konto von Hein Verbruggen auf einer Schweizer Bank überwiesen hätte, um die positive Dopingprobe zu vertuschen (Report: Did Nike pay $ 500.000 to Verbruggen to cover up Armstrong positive?, 17.10.2012).
– Die niederländische Rabobank unterstützte bisher den Rennstall „Team Rabobank“ und brachte 15 Millionen Euro für Spitzen- und Breitensport auf. Nunmehr zieht sich die Rabobank nach 17 Jahren Unterstützung aus dem Radsport zurück und nannte als Begründung das fehlende Vertrauen in Gegenwart und Zukunft des Radsports. Sie will künftig nicht mehr den Spitzen-, sondern nur noch den Breitensport fördern (Ebenda).
Der Vorsitzende Bert Bruggink sagte im Herbst 2012: „Wir sind nicht mehr überzeugt, dass der Profiradsport zu einem sauberen und fairen Sport werden kann“ (Niermann gesteht jahrelanges Epo-Doping, in spiegelonline 28.1.2013).
Armstrong soll bisher pro Jahr rund 17,5 Millionen Dollar (13,4 Millionen Euro) durch Sponsoren eingenommen haben, dazu Millionen durch Vorträge. Sein Vermögen wird von der „New York Daily Post“ auf über 100 Millionen Dollar geschätzt (Rilke, Lukas, Was Armstrong jetzt droht, in spiegelonline 22.10.2012).

Die UCI muss umschwenken

Noch am 13.7.2012 hatte der umstrittene UCI-Präsident Pat McQuaid des umstrittenen Weltradverbandes UCI von der Usada das gesamte Material angefordert und schrieb: „Die UCI möchte, dass der gesamte Fall mit all seinen Beweisen an eine unabhängige Jury geht, die dann entscheidet, ob die Befragten sich verantworten müssen“ (Paul, Christian, Ohne Ausweg, in spiegelonline 22.10.2012). Der Usada-Anwalt Bill Bock äußerte dazu, die UCI in das Ergebnismanagement zu involvieren bedeute: „Der Fuchs bewacht den Hühnerstall“ (Ebenda).
Wada-Präsident John Fahey merkte zur UCI an: „Niemand, der in Armstrongs Jahren bei der UCI an verantwortlicher Stelle tätig war, kann noch rechtfertigen, weiterhin an der gleichen oder einer ähnlichen Stelle zu sein… Es gab eine Zeit, in der Doping für jeden Fahrer dazugehörte. und wenn Doping so verbreitet war, muss man Fragen stellen: Wer wollte das stoppen? Wer hat dagegen gearbeitet? Warum ist es nicht gestoppt worden?“ (Wada fordert Konsequenzen vom Weltverband, in spiegelonline 23.10.2012). Tyler Hamilton forderte den Rücktritt von McQuaid: „McQuaids Kommentare belegen seine heuchlerische Führung und unterstreichen, dass er zu einem bedeutsamen Neuanfang nicht in der Lage ist“ (Ebenda).
Am 22.10.2012 kam der Weltradverband UCI dann nicht mehr darum herum, Armstrong die sieben Tourtitel abzuerkennen. McQuaid lehnte einen Rücktritt ab: “Der Radsport hat eine Zukunft… Natürlich kann man in der Rückschau immer sagen, man hätte mehr tun können. Aber man kann nur so viel tun, wie das System, das in Kraft ist, zulässt” (spiegelonline 22.10.2012; Hervorhebung WZ).
Der luxemburgische Radsportpräsident Jean Regenwetter sagte: „Ohne die Usada würde die UCI Armstrong heiligsprechen“ (Giannakoulis, Stefan, Von Drecksäcken und gefallenen Helden, in n-tv 23.10.2012). Usada-Chef Travis Tygart stellte selbst fest: „Die UCI und die Beteiligten der Verschwörung, die den Sport mit gefährlichen, leistungsfördernden Drogen betrogen haben, um zu gewinnen, haben ein großes Interesse daran, das zu verschleiern“ (Ebenda).
Bei der Pressekonferenz am 22-10.2012 sagte McQuaid über die Kronzeugen Floyd Landis und Tyler Hamilton: „Beide sind weit davon entfernt, Helden zu sein. Sie sind Drecksäcke“ (Burkert, Andreas, Flüche im Hinterzimmer, in SZ 24.10.2012; Hervorhebung WZ). Die UCI hatte sich nie für Zeugen des Dopingsystems interessiert, die sich zur Verfügung stellten. Am Abend dieser Pressekonferenz sagte McQuaid dann: „Die UCI hat sich sowieso für nichts zu entschuldigen“ (Ebenda).
Als McQuaid die Nichtvergabe von Armstrongs Tourtitel 1999 bis 2005 verkündete, setzte er das Gesundbeten des Radrennsports fort: „Heute ist der Radsport ein völlig anderer Sport als noch in der Zeit von 1998 bis 2005. Die Fahrer unterliegen nun den innovativsten und effektivsten Anti-Doping-Maßnahmen und -Regularien des Sports“ (Armstrongs Tour-Titel werden nicht neu vergeben, in spiegelonline 26.10.2012).
Greg LeMond, dreifacher Toursieger (1986, 1989, 1990) griff McQuaid in einem offenen Brief an: „Ich habe in der Geschichte des Radsports noch nie einen solchen Missbrauch von Macht gesehen… Meiner Meinung nach sind Sie und Hein Verbruggen der korrupte Teil des Sports… Das Problem des Sports ist nicht Doping, sondern es ist Korruption. Sie sind der Inbegriff des Wortes Korruption“ („Sie sind der korrupte Teil“, in SZ 26.10.2012).
Hein Verbruggen erklärte noch nach Veröffentlichung des Usada-Berichts am 18. Oktober 2012 in der Zeitung „De Telegraaf“: „Alles, was ich sagen kann, ist, dass es viele Geschichten und Verdächtigungen gibt, aber keine Spur von Beweisen. Es gibt keine. Lance Armstrong ist niemals positiv getestet worden, auch nicht durch die Usada“ (Paul 22.10.2012; Hervorhebung WZ). Verbruggen war UCI-Präsident (1991-2005) und IOC-Mitglied (1996-2005) und ist nach wie vor IOC-Ehrenmitglied (seit 2008), UCI-Ehrenpräsident und Intimus von IOC-Chef Rogge (Ebenda).
Pat McQuaid
ist IOC-Mitglied (seit 2010). Vergleiche auch die UCI-Erklärung: The UCI recognises USADA decision in Armstrong case, in www.uci.ch 22.10.2012. Hier steht der Satz: „Die heutigen jungen Radrennfahrer haben es nicht verdient, von der Vergangenheit gebrandmarkt oder beschmutzt zu werden oder den Preis für die Armstrong-Ära zu bezahlen. Radfahren hat eine Zukunft…“
Christian Paul stellte in spiegelonline fest: „Der Weltverband hat im Fall Armstrong nichts zur Aufklärung beigetragen. Im Gegenteil. Der Usada-Bericht suggeriert, die UCI habe von Armstrongs Praktiken gewusst – und sie zu verdecken versucht“ (Ebenda).
Das unkritisches Statement der UCI legt die Perspektive nahe: weiter so, Armstrong war es, der ist weg, nun ist alles ok.
Und ganz zum Schluss, als die Schlacht von der Usada bravourös geschlagen war, meldete sich Multi-Sportfunktionär Thomas Bach in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der juristischen Kommission des IOC und kündigte Beratungen über die Aberkennung der olympischen Bronzemedaille aus dem Jahr 2000 an (Armstrong droht auch Verlust von Olympia-Bronze, in spiegelonline 22.10.2012).

Kleine Aufstellung der gedopten Tourgewinner 1999 bis 2005:
(Quelle: DAPD, Doper auf dem Podium, in SZ 23.10.2012)
1999: 1. Lance Armstrong (lebenslange Dopingsperre), 2. Alex Zülle (Dopingsperre Festina-Skandal), 3. Fernando Escartin (Kunde des Doping-Arztes Michele Ferrari)
2000: 1. Lance Armstrong (siehe oben), 2. Jan Ullrich (6 Monate Dopingsperre wegen Amphetamin-Missbrauch, 2 Jahre Dopingsperre als Kunde von Dopingarzt Eufemiano Fuentes), 3. Joseba Beloki (Kunde von Fuentes)
2001: 1. Lance Armstrong (siehe oben), 2. Jan Ullrich (siehe oben) 3. Joseba Beloki (siehe oben)
2002: 1. Lance Armstrong (siehe oben), 2. Joseba Beloki (siehe oben), 3. Raimondas Rumsas (einjährige Sperre wegen Epo-Doping)
2003: 1. Lance Armstrong (siehe oben), 2. Jan Ullrich (siehe oben), 3. Alexander Winokurow (2 Jahre Dopingsperre wegen Fremdblutdoping; olympische Goldmedaille in London 2012!)
2004: 1. Lance Armstrong (siehe oben), 2. Andreas Klöden (Verwicklung in Telekom-Skandal), 3. Ivan Basso (2 Jahre Dopingsperre im Fuentes-Skandal)
2005: 1. Lance Armstrong (siehe oben), 2. Ivan Basso (siehe oben), 3. Jan Ullrich
(siehe oben)

Auch aus diese Grund hat die UCI Armstrongs Tourtitel nicht neu vergeben: „Die Zweitplatzierten zwischen 1999 und 2005 sind entweder wegen Dopings schuldig gesprochen (Jan Ullrich), des Dopings verdächtig (Ivan Basso, Andreas Klöde, Joseba Beloki) oder geständig (Axel Zülle)“ (Armstrongs Tour-Titel werden nicht neu vergeben, in spiegelonline 26.10.2012).

Kommentar von Hajo Seppelt/WDR in den Tagesthemen vom 22.10.201
„Die Tour de France ist eines der größten Sportereignisse der Welt. Viele Jahre haben wir vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen etliche Millionen Ihrer Gebührengelder in dieses dreiwöchige Spektakel investiert, die schier übermenschlichen Leistungen bewundert, die Fahrer oft mit naiver Freude verehrt. Viele andere Medien machten das kaum anders.
Aber was haben wir Ihnen da eigentlich geboten? Den größten Sportbetrug aller Zeiten, stundenlang und live. Das gibt jetzt der Weltradsportverband offen zu. Ihre Gebührengelder, auch wenn es natürlich keiner so beabsichtigt hatte, sind letztlich indirekt in ein kriminelles System von Doping und Korruption geflossen, denn die immensen TV-Gelder und die lange Sponsorenpräsenz auf dem Bildschirm sicherten der verlogenen Branche hohen Profit.
Jetzt aber wird mal wieder suggieriert, es sei nur der ruchlose Einzeltäter gewesen, also der Bösewicht Armstrong. Alles Quatsch. Doping ist ein Systemproblem des Spitzensports, beileibe nicht nur des Radsports…
Es ist die Lebenslüge des kommerzialisierten Sports, Ethos und Moral zu predigen und von einer Vorbildfunktion zu sprechen…“

Vergleiche zu Lance Armstrong auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Doping; Armstrong, Lance
und unter „Aktuelles“:uci/"> Das Ende einer Doping-Karriere;
Hein Verbruggen, Pat McQuaid und die UCI

IOC: keine Sanktionen gegen UCI

Das IOC schloss am selben Tag Sanktionen gegen den Weltradsportverband aus: „Es wäre unfair, die große Mehrheit sauberer Athleten zu bestrafen, wenn man die UCI von Olympischen Spielen verbannen würde.“ Zwar war die UCI „traurigerweise oft in hochkarätige Dopingfälle verwickelt, deshalb notwendigerweise aber auch einer der Vorkämpfer im Kampf gegen Doping gewesen“ (IOC schließt Sanktionen gegen UCI vorerst aus, in spiegelonline 23.10.2012).
Ganz im Gegenteil: Die UCI hat das Dopingsystem gedeckt bis zum Schluss!
Die Dokumente der Usada lieferten keine Beweise für solche Sanktionen. Demnächst will das IOC klären, ob Armstrongs olympische Bronzemedaille aus dem Jahr 2000 aberkannt wird (IOC wartet ab, in SZ 24.10.2012).

Doping in Deutschland
Dopingexperte Prof. Perikles Simon äußerte am 23.10.2012 im ZDF-Interview: „Wir müssen davon ausgehen, dass rund 20 bis 60 Prozent der deutschen Hochleistungssportler dopen“ (Bartz, Joachim, Purschke, Thomas, Reichart, Thomas, Kampf gegen Doping. in zdf.de 23.6.2012). Er bezog sich auf Eigenauskünfte von anonym befragten Athleten. Laut Simon waren im Jahr 2010 nur ein Prozent der Dopingtests positiv, bei Trainingskontrollen nur 01 Prozent: Das sind die niedrigsten Werte weltweit.
Perikles kritisierte auch, dass in Deutschland Verbandsärzte gleichzeitig für die Nada arbeiten könnten und im Fall von nachgewiesenem Doping ihre Approbation nicht verlieren würden; außerdem bleiben die Lügen von Dopingsündern vor Gericht unbestraft. All dies wäre in den USA nicht möglich (Ebenda).
Dopingexperte Prof. Werner Franke sagte im ZDF: „Wenn Sie heute mit sieben Ampullen Wachstumshormonen irgendwo durchgehen, das gilt als Eigenbedarf. Mit sieben Ampullen Wachstumshormonen kann ich eine ganze Fußballmannschaft ein Jahr dopen“ (Ebenda).
Die bayerische Justizministerin Beate Merk ließ einen Entwurf zur Änderung des Arzneimittelgesetzes erarbeiten und forderte erneut die Strafbarkeit des Besitzes von Dopingmittel ab dem ersten Milligramm (Ebenda).
Laut Sylvia Schenk, der früheren Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer (2001 bis 2004) und nun bei Transparency International, fehlt es in Deutschland bei der Dopingbekämpfung nicht unbedingt am Geld: „Vor allem fehlt der Wille“ (Diekmann, Nicolas, „In Deutschland fehlt nicht das Geld, es fehlt der Wille“, in tagesspiegel.de 23.10.2012).
Das Bundesinnen- und das Gesundheitsministerium behaupteten im Oktober 2012 auf 53 Seiten, das Gesetz zur „Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport“ vom 1.11.2007 habe sich bewährt und zur erheblichen Verbesserung der Strafverfolgung geführt (Hecker, Anno, Kein Einsatz, Herr Kommissar! in faz.net 31.10.2012). Dabei ist vor allem das Dealen mit Dopingmittel strafbar. „Denn der Besitz von hartem Stoff zum Eigenbedarf ist straffrei. Selbstversorger haben vom Staat nichts zu fürchten… Die Aufklärungsquote im deutschen Spitzensport ist mit Hilfe des Gesetzes kaum gestiegen… Aber ohne eine Verschärfung des Gesetzes bleibt der Spielraum für Doper unangetastet. Engagierte Staatsanwälte werden bei ihrer Sicht bleiben: An die Athleten kommen wir kaum ran. Und der Sport will das so“ (Ebenda); Hervorhebung WZ).

100. Tour de France 2013

Am 24.10.2013 versammelte sich die Crème de la Crème des Radsports, um den Verlauf der 100. Tour de France 2013 kennenzulernen. „Die Größen der Zunft, die nicht, noch nicht oder nicht mehr gesperrt sind wegen Dopings, haben ihr Kommen zugesagt“ (Burkert, Andreas, Im Illusionstheater, in SZ 24.10.2012).
Zwei Tage nach der Trennung von Lance Armstrong lieferte Tourchef Christian Proudhomme einen eifrigen Anti-Doping-Appell ab. Aber: „Anschließend enthüllte er eine Jubiläumsstrecke, die spektakulärer und körperlich noch anstrengender ist als alle Rennen zuvor… So trägt das neue Programm Züge einer Realsatire: Gleich zweimal müssen die Radprofis auf der 18. Etappe der Tour 2013 hinauf nach L’Alpe d’Huez. Am französischen Nationalfeiertag wartet der Mont Ventoux… Dies phänomenale Programm soll offenbar auf der neuen Energiebasis von Wasser, Wurst und Weißbrot erreicht werden“ (Kistner, Thomas, Anstrengender als je zuvor, in SZ 25.10.2012; Hervorhebung WZ).

Behinderte Sportsoldaten

Am 8.10.2012 empfing Verteidigungsminister de Maizière 120 Sportsoldaten der Bundeswehr im Bendlerblock: natürlich in Anwesenheit von DOSB-Generaldirektor Vesper. „Im Rahmen der Sportler-Ehrung stellte der Minister eine besondere Idee vor: Eine eigene Sportfördergruppe für Sportler mit Behinderung, die dann an den Paralympics teilnehmen könnten… ‚Und da habe ich einen großen Traum, dass ein oder zwei verwundete Soldaten dabei sein könnten, die etwas für sich und uns erreichen‘, sagte de Maizière“ (Bundesministerium der Verteidigung, Ehrung im Ministerium: Uniform statt Sportlerdress, 9.10.2012).
Dazu fällt dem Chronisten nichts mehr ein.
Vergleiche auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Sportsoldaten

Alles wird gut im Fall Nadja Drygalla?

Nach einem Gespräch mit DOSB-Generaldirektor Vesper musste die Ruderin Nadja Drygalla die deutsche Mannschaft bei London 2012 verlassen und heimreisen, als bekannt wurde, dass ihr Freund NPD-Mitglied war (soll er inzwischen nicht mehr sein). Dieser hatte sogar bei der letzten Wahl für den Landtag kandidiert.
Bekannt war dies allerdings schon seit September 2011. Drygalla war nämlich bis dahin Mitglied der Sportfördergruppe der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern – bis ihre Liaison mit dem NPD-Kandidaten bekannt wurde. Dann musste Drygalla aus dem Polizeidienst ausscheiden.
„Drygalla hofft nun auf eine Aufnahme in das Sportförderprogramm der Bundeswehr. Der DOSB hat seine Stellungnahme zur Aufnahme der Ruderin eingereicht. Damit liegen alle Materialien vor, die für eine Prüfung des vom DRV gestellten Antrags benötigt werden. Das Verteidigungsministerium schließt nicht aus, dass Drygalla schon bald Sportsoldatin werden könnte“ (Ruderverband gibt Drygalla Rückendeckung, in spiegelonline 18.9.2012).
Drygalla wird nun zum 1.11.2012 als Sportsoldatin in die Sportförderung der Bundeswehr aufgenommen: Deren Prüfung erfolgte „unter Berücksichtigung der sportlichen Bewertung des DOSB und des Deutschen Ruder-Verbandes“ (Drygalla rehabilitiert, in SZ 19.10.2012). Vesper erklärte dazu: „Ich begrüße, dass sie nun als Sportsoldatin weiterhin auf Spitzenniveau rudern kann.“ Drygalla sei freiwillig aus London abgereist. Der DOSB wusste angeblich nichts vom rechtsradikalem Hintergrund: „Dazu muss man es (das Problem; WZ) aber kennen, und wir haben erst durch eine Presseanfrage davon erfahren“ („Die beste Lösung, in Der Spiegel 43/22.10.2012).
Alles sehr merkwürdig.
Vergleiche im Kritischen Olympischen Lexikon: Sportsoldaten

Was soll „München PRO 2022“?

Am 10.10.2012 stellte der Münchner CSU-Stadtrat Mario Schmidbauer (ohne Absprache mit der CSU-Fraktion und nicht als Stadtrat, sondern als Bürger) seine Pläne für ein Bürgerbegehren in München und Garmisch-Partenkirchen „PRO Olympische Winterspiele 2022“ vor. Unterstützer seien „Sportvereine und Leute aus der Industrie“ (Lode, Silke, Mayer, Christian, Neuer Anlauf für Olympia, in SZ 11.10.2012). Schmidbauer müsste dafür in München 34.000 Stimmen sammeln.
„Die treibenden Kräfte hinter der gescheiterten Olympiabewerbung für 2018 wirkten im Vorfeld nicht begeistert“ (Ude kündigt Bürgerentscheid an, in br.de 17.10.2012).
Die Wahl des IOC-Präsidenten (mit dem Kandidaten Thomas Bach) ist Mitte September 2013. Die Bewerbung für 2022 muss beim IOC spätestens bis 14.11.2013 eingereicht werden: Die Zeitspanne dazwischen sei für ein Bügerbegehren zu kurz. Schmidbauer: „Fast 700.000 Münchner treiben Sport, es gibt 700 Vereine… Die Bürger haben Lust darauf“ („Ohne Bürgerentscheid ist Olympia 2022 gescheitert, in Münchner Merkur 17.10.2012)
Die Bürger werden zwischen dem grenzenlos geförderten olympischen Spitzensport und dem darunter leidenden Breitensport zu unterscheiden wissen!
Eine Richtigstellung im Münchner Merkur ergab dann 480.000 Münchner, die in 634 Sportvereinen organisiert sind: Zum Unterstützerteam von Pro22 gehört auch Hans Ulrich Hesse, der Münchner „Präsident“ im Bayerischen Landessportverband (Olympia 2022: „Fatal, wenn sich München nicht bewirbt“, in Münchner Merkur 17.10.2012).
Vielleicht sollte sich Herr Hesse daran erinnern, dass anlässlich London 2012 Unsummen in den englischen Leistungssport gepumpt wurden – und die Schulsport-Stunden zusammengestrichen wurden! Nachzulesen hier
Übrigens gehört zum Unterstützerteam von München Pro22 Knut Föckler, der Vorstandsvorsitzende des gemeinnützigen Fördervereins KEINE MACHT DEN DROGEN e.V.: Ob er weiß, mit wem er sich da beim Spitzensport einlässt – siehe Bronzemedaillengewinner Lance Armstrong!
Der München-2018-Fan Peter Fahrenholz unterstützte sofort München 2022 im SZ-Kommentar: „München sollte seine Chance wahren“ (Die Chance wahren, in SZ 11.10.2012). Der stellvertretende Geschäftsführer des Olympiaparks, Arno Hartung, signalisierte ebenfalls Zustimmung: „Jede Initiative, die in Richtung einer neuen Bewerbung geht, ist interessant“ (Sportpolitik – Olympia: München: Stadtrat will Bürgerbegehren für Olympia, in sueddeutsche.de 10.10.2012). Auch der bayerische „Sportminister“ Ludwig Spaenle begrüßte die Initiative (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Pressemitteilung Nr. 247, 11.10.2012).
Der Garmisch-Partenkirchner Bürgermeister Thomas Schmid würde mitziehen (Garmisch unterstützt Olympia-Entscheid, in SZ 12.10.2012). Als günstigen Termin sieht Schmid März oder April 2013 an, da dann das Neujahrsspringen, die Special Olympics und die Weltcuprennen den Boden bereitet hätten. Schmid hofft auch noch auf die bei München 2018 geplanten Straßenbauten: „Die Einstellung der Bauarbeiten am Kramertunnel und bei der Ortsumfahrung Oberau habe einigen die Augen geöffnet“ (Reinbold, Peter, Schmid empfiehlt das Ratsbegehren, in Garnisch-Partenkirchner Tagblatt 15.10.2012).
Würden die Wassereinbrüche am Kramertunnel schlagartig aufhören, wenn München 2022 käme?

Wer ist unter anderem dagegen?
DOSB-Präsident Bach: Er möchte im September 2013 IOC-Präsident werden. Der DOSB hat am 3.12.2011 beschlossen, von einer Münchner Kandidatur 2022 abzusehen.
– Die Münchner CSU-Stadtratsfraktion lehnt ein Ratsbegehren für München 2022 ab (CSU verzichtet auf Ratsbegehren, in SZ 16.10.2012).
– Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer ist/war ebenfalls gegen ein Bürgerbegehren. Interessante Begründung eines Sprechers der Staatskanzlei: „Es gibt eine genaue Schrittfolge, und die heißt: Zunächst muss sich der Sport entscheiden, dann die Kommune, dann müssen die Bürger befragt werden, und dann steht die Politik inklusive des Freistaats in der Verantwortung, das Ganze  anzuschieben“ (Seehofer gegen Olympia-Bürgerbegehren, in SZ 17.10.2012).
Zwei Bemerkungen: Diese Reihenfolge ist zwar anders als bei München 2018, wo im Hinterstübchen die Bewerbung ausgemauschelt wurde. Jetzt soll der Sport das Primat der Entscheidung haben – wieder ohne finanzielle Beteiligung: Die Rechnung muss der Steuerzahler tragen.
Am Mittwoch (17.10.), einen Tag später, machte Seehofer dann im Bayrischen Landtag den „Seehofer“ und hielt es nun für richtig, „zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Bevölkerung zu fragen und nicht am Ende des Verfahrens“ (Hutter, Dominik, Lode, Silke, Müller, Frank, Ude will Ratsbegehren 2013, in sueddeutsche.de 17.10.2012).
Hallo, ihr diversen Fraktionen der Olympiafreunde München 2022: Ihr verwirrt die interessierte Öffentlichkeit dermaßen, dass inzwischen schon renommierte Presseorgane bei Nolympia anrufen, um nachzufragen, was bei euch eigentlich los ist! Woher sollen wir das wissen?
– OB Ude: Er möchte im September 2013 bayerischer Ministerpräsident werden und bezeichnete Schmidbauers Vorgehen als „bloße Wichtigtuerei“ (Ude noch gegen Bürgerbegehren, in focus.de 10.10.2012). „Ein Bürgerbegehren zum jetzigen Zeitpunkt würde deshalb überhaupt nichts positiv bewirken, aber sehr wohl Schaden stiften“ (Ude kritisiert Bürgerbegehren für Olympia 2022, in welt.de 10.10.2012). Zum Stimmensammeln sagte er: „Ich wette, dass das im April und Mai (2013) noch nicht geschafft ist“ („Ich verstehe überhaupt nicht, warum der Bewerbungsprozess zersplittert werden soll“, Gespräch mit Moritz Küpper in dradio.de 13.10.2012). Siehe auch unten – zum 10.11.2013.
– SPD-Fraktionsvorsitzender Alexander Reissl: „Es macht keinen Sinn, die Bürger zu befragen, wenn unklar ist, ob der DOSB eine Münchner Bewerbung will“ (Stuhlweissenburg, Bettina, Bürgerbegehren für Olympiabewerbung, in merkur-online.de 11.12.2012). Reissl fügte noch an: „Es gibt viele Leute, für die sind Olympia und das IOC so etwas wie die dritte Startbahn“ (Lode, Silke, Der olympische Wahlkampf, in SZ 15.10.2012).
Die Grünen-Fraktionschefin im Münchner Stadtrat, Gülseren Demirel äußerte klar: „Wir wollen keine weitere Olympia-Bewerbung“ (Lode, Silke, Mayer, Christian, Neuer Anlauf für Olympia, in SZ 11.10.2012).
NOlympia ist natürlich genauso gegen München 2022 (und München 2026, 2030…) wie gegen München 2018. An unseren Begründungen hat sich nichts geändert, und der Klimawandel wird sich bis 2022 noch weiter verschärfen.
– Der Münchner Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz, Christian Hierneis, erläuterte dazu: „Wir lehnen Olympia nach wie vor ab. Denn das Ganze bringt eine Natur- und Umweltzerstörung in großem Ausmaß mit sich, es ist ein finanzieller Aufwand ohne Gegenleistung, und wir haben schon bei der Bewerbung für 2018 die Knebelverträge des IOC kritisiert“ (Für die Umwelt und die Kasse, in SZ 18.10.2012).
Peter Fischer, Organisationschef der Ski-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen, hält es für nicht sinnvoll, „über ungelegte Eier abzustimmen… Wenn ich über etwas abstimme, muss ich wissen, über was.“ – „Wer gibt denn heutzutage einen Freibrief für eine Großveranstaltung?“ (Effern, Heiner, Freibrief gesucht, in SZ 18.10.2012).
Auch für den Garmisch-Partenkirchner Kreisvorsitzenden des Bund Naturschutz, Axel Doering, stellt so eine Abstimmung einen Freibrief dar, ohne zu wissen, welche Kosten entstünden und wie groß die Eingriffe in die Natur sein würden (Ebenda).

Eine OnlineUmfrage des Münchner Merkur erbrachte am 22.10.2012 folgendes Ergebnis:
25 Prozent Zustimmung, 3 Prozent Skepsis, 73 Prozent Ablehnung ( Olympia-Bewerbung: So denken die User, in Münchner Merkur 22.12.2012).

Demokratische Illusion Bürgerbegehren

Im Fall eines Bürgerbegehrens über Olympische Spiele herrscht keine Chancengleichheit zwischen Befürwortern und Gegnern – im Gegenteil. Das hat das Bürgerbegehren im Frühjahr 2011 in Garmisch-Partenkirchen gezeigt, :
– Die beiden Wintersportvereine haben extrem mobilisiert.
– Die Wirtschaft hat viel Geld in die Öffentlichkeitsarbeit gepumpt.
– Fast alle Ratsmitglieder waren dafür, fast alle Parteien.
– Die Stadt hat personelle und finanzielle Hilfestellung geleistet.
– Der Freistaat hat ebenfalls Unterstützung geleistet.
– Als Konsequenz überstiegen die materiellen und personellen Möglichkeiten der Befürworter die der Gegner um ein Mehrfaches.
– Das Ergebnis war trotzdem sehr knapp…
– Die Printmedien standen bei München 2018 mehrheitlich auf Seiten der Befürworter, ebenso das Fernsehen – mit einigem Druck von oben.
Auch in München ist die Sport-Basis groß: „München ist eine Stadt des Sports, mit hunderten Sportvereinen, mit hunderttausenden begeisterten Sportlern, die solch ein Vorhaben unterstützen und dafür werben könnten“ (Schäfer, Ulrich, Bewegung von unten, in SZ 15.10.2012). Und so schreibt der Kommentator in der SZ, man könne Mario Schmidbauer „nur eine glückliche Hand wünschen“ (Ebenda).
Es ist unlauter, hier mit „Demokratie“ zu argumentieren oder mit dem wahren und wirklichen Willen der Bürger, wenn in der Realität Manipulationsmöglichkeiten und die Ungleichheit der Voraussetzungen reichlich vorhanden sind und auch ausgenutzt werden. Wie und wer soll die Sportbegeisterten informieren, dass Olympische Spiele vor allem den Spitzensport fördern und den Breitensport eher benachteiligen, dass die ökologischen Schäden untragbar und die ökonomischen Kosten nicht vertretbar sind?

Olympische Spaltung

Die Befürworter Olympischer Winterspiele 2022 in München sind gespalten. Stadtrat Schmidbauer (CSU, München Pro 22) kündigte am 17.10.2012 den Beginn des Stimmensammelns an und will bis 15. Januar 2013 die nötigen 35.000 Stimmen für ein Bürgerbegehren zusammenhaben und über dieses dann im März oder April 2013 abstimmen lassen.
OB Ude kündigte am selben Tag einen Bürgerentscheid für den 10. November 2013 an – vier Tage vor Ende der Bewerbungsfrist des IOC über die Vergabe 2022 (Ude kündigt Bürgerentscheid an, in br.de 17.10.2012).
Was wohl der Bürger darüber denkt?
Ude urteilte über Schmidauers Initiative, ein solches Begehren würde derzeit „überhaupt nichts bringen, aber Schaden stiften“ (Olympiabewerbung: Bürgerbegehren soll München Beine machen, in Münchner Merkur 16.10.2012) und sprach von „gebündeltem Dilettantismus“ (Hutter, Dominik, Lode, Silke, Müller, Frank, Ude will Olympia-Ratsbegehren Ende 2013, in SZ 18.10.2012). Er warnte vor der Initiative von Schmidbauer, sie könne „die Zahl der Befürworter gefährlich schrumpfen lassen“. Immerhin räumte er finanzielle Probleme ein: „Wir haben keine einzige Sponsoren-Zusage“ (Schmidt, Thomas, „Kein Olympia ohne Stammstrecke, in Münchner Merkur 22.10.2012).
Ansonsten vertrat Ude seine alten Positionen: „Dass die Münchner Bevölkerung mehrheitlich für Olympia ist, weiß jeder aus den Umfragen.“ Zum Junktim von Olympischen Spielen und Udes berüchtigter zweiter Stammstrecke sagte er: „Aber ich bin überzeugt, dass beides kommt, wenn man keine trottelhaften Fehler macht“ (Ebenda).
Die Münchner FDP will schon im Oktober 2013 abstimmen lassen (FDP will früheres Olympia-Ratsbegehren, in SZ 25.10.2012).

Auf und zu

Vom Marienhof zum Christian-Ude-Hof und zurück: Ab April 2011 wurde der Marienhof auf Geheiß von OB Ude für den zweiten S-Bahn-Tunnel zerstört: Angeblich sei dieser unabdingbar mit Olympischen Winterspielen München 2018 verbunden. Die schönen japanischen Schnurbäume wurden gestutzt und im Juni 2011 ausgegraben. Kurz danach, am 6.7.2011, fingen sich die München-2018-Fans eine krachende Niederlage ein. Dann buddelten Archäologen in der Grube herum, die die Bundesbahn seit Ende Oktober 2012 wieder zuschütten lässt. Gleichzeitig wollen OB Ude, Ministerpräsident Horst Seehofer und alle möglichen weiteren nach wie vor die zweite Stammstrecke, siehe oben.
Auf und nieder, immer wieder…

Bundeswehr bleibt

Zur Erinnerung: Auf dem Gelände der Bundeswehr an der Dachauerstraße sollten für das „Olympische Dorf“ der Bewerbung München 2018 über 1500 alte Bäume abgeholzt werden, die unter die Baumschutzverordnung fallen.
Nun teilte die Bundeswehr mit, dass in die dortigen Gebäude ein neues Karrierecenter mit 220 Stellen zunächst interimsmäßig, später möglicherweise ganz angesiedelt wird. Bis mindestens 2020 wird die Bundeswehr dort bleiben (Bundeswehr bleibt bis 2020 am Olympiapark, in SZ 11.10.2012).
Auch das würde etwas knapp für München 2022, Herr Schmidbauer!
Vergleiche: Der Park der Bundeswehr; Olympische Hochbunker; Das Olympische Dorf München 2018
Das Bayerische Landesamt für Denkmalschutz überprüft auch, ob das gesamte Ensemble unter Denkmalschutz gestellt wird. Die eigentliche Entscheidung trifft die Untere Denkmalschutzbehörde: In München ist dies die Lokalbaukommission (Riedel, Katja, Denkmal statt Wohnungen, in SZ 12.10.2012).
Ob sich die LBK das traut?

Sportler contra DOSB

Diskuswerfer und Olympiasieger London 2012, Robert Harting zu den Zielvereinbarungen: „So etwas können sich nur ein paar Bürokraten ausgedacht haben, die vom Sport wenig Ahnung haben… Statt mit uns zu diskutieren, setzt der Sportbund auf den ‚Beirat der Aktiven‘. Das sind ehemalige Sportler, die früher mal bei einem Wettkampf dabei sein durften und heute schön Spesen abkassieren. Da züchtet der Verband doch nur seinen eigenen kranken Funktionärsbaum hoch.“ Zu Zielvereinbarungen vergleiche hier.
DOSB-Athletensprecher Christian Breuer über Harting: „… der Herr ist sich zu fein, sich hier an der Diskussion der Athleten zu beteiligen. Man sieht, Gold allein macht noch keinen großen Sportler und löst das Problem der Leistungssportförderung in keiner Weise“ (Olympiasieger üben harsche Kritik an DOSB und Bach, in focus.de 13.10.2012).
Ruderer und Goldmedaillengewinner London 2012, Kristof Wilke: „Diese Zielvereinbarungen, die etliche Jahre vor dem Großereignis beschlossen werden, sind doch albern… Je mehr ein Verband verspricht, desto mehr Geld bekommt er.“
Beachvolleyballer und Olympiasieger London 2012, Julius Brink: „Der einzige Kontakt, den ich mit Thomas Bach hatte, war nach meinem Olympiasieg… Grotesk finde ich es zudem, dass die Veröffentlichung der Zielvereinbarungen von Journalisten eingeklagt werden musste. Es sind öffentliche Gelder, die in den Sport fließen und uns unterstützen. Deshalb erwarte ich von allen Beteiligten totale Transparenz.“
(Alle Zitate: Haslauer, Andreas, Der Aufstand der Gold-Jungs, in focus 15.10.2012)
Vergleiche auch: Deutscher Olympischer Geheimbund

Ausgelärmt

Am 23.10.2012 gab die Olympiapark GmbH bekannt, dass 2013 kein weiteres Rennen mehr im Olympiastadion stattfinden wird. Der Vertrag mit der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) wird aufgelöst. Die DTM-Autoraser ziehen nach Moskau weiter (Tögel, Ralf, Aus dem Rennen, in SZ 24.10.2012; Kronewiter, Thomas, Schluss mit dem Krach, in SZ 24.10.2012).
Herr Huber drohte mit den nächsten Renn-Spektakeln: „Auch in Zukunft wolle man Motorsport) im Olympiapark zeigen – dann vielleicht in einem etwas kleineren Maßstab“ (Schmidt, Thomas, München fliegt aus dem DTM-Kalender, in Münchner Merkur 23.10.2012).
Nachtrag: Im März 2013 wurde ein anderer Grund für das Ende der DTM bekannt: „Danach war es mitnichten die genervte Stadtspitze, deren Machtwort (…) den lärmenden Spuk ins Abseits beförderte. Vielmehr habe die Weigerung der Autofirmen, für das Show-Spektakel Wertungspunkte zu vergeben, die öffentlich-rechtlichen TV-Sender veranlasst, von Übertragungen Abstand zu nehmen“ (Kronewiter, Thomas, Das Ende der Boliden, in SZ 6.3.2013),

Staat alimentiert Nada

Bundessportminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wollte die Budgetlücke bei der Nada mit Beiträgen aus der Wirtschaft und von den Bundesländern füllen: Das hat er nicht geschafft. Also wurde am 24.10.2012 im Sportausschuss des Bundestages beschlossen, eine „einmalige Umschichtung“ von einer Million Euro für die Nada vorzunehmen. Da der Sportetat nicht aufgestockt wird, fehlt das Geld woanders. Viola von Cramon (Bündnis 90/Die Grümen) kritisierte dies: „Es handelt sich um eine typische Kurzschlusshandlung der Koalition. Nachhaltiger Anti-Doping-Kampf sieht anders aus“ (Herrmann, Boris, Nada-Etat gesichert, in SZ 25.10.2012).
Viel Geld dafür, dass die Nada kaum ermitteln darf/möchte/kann, siehe Freiburg, Erfurt, Saarbrücken…

Der Staat soll auch den DOSB noch mehr alimentieren. Dieser und der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderten nach einer gemeinsamen Sitzung mehr Geld für den Sport im Rahmen eines Konjunkturpakets, „um den bundesweiten Sanierungsbedarf der Sportstätten von 42 Milliarden Euro abzubauen“ (DOSB und DStGB fordern Konjunkturpaket Sport, in zeitonline 23.10.2012).

Preisausschreiben – mal was Neues

Da soeben das 140. Stichwort des Kritischen Olympischen Lexikons (Public Viewing) erchienen ist, gibt es ein Preisrätsel mit zehn Fragen zum Sport. Zu gewinnen sind drei schöne Bildbände über die Alpen:
1. Preis: Gletscher im Treibhaus, 2. Preis: Schöne neue Alpen, 3. Preis: Alpenglühn.
Zum Rätsel UND ZUR AUFLÖSUNG gehts hier.
Den 1. Preis gewann eine Stuttgarterin: Sie hatte acht richtige Antworten. In der Email schrieb sie: „Übrigens sehr interessante Fragen – ruhig öfters solch ein Quiz!“
Die Fragen waren diesmal sehr schwer. Das nächste olympische Preisrätsel wird leichter.

Braunlage holzt und zahlt

Im Naturpark Harz will die Stadt Braunlage den 980 Meter hohen Wurmberg abholzen lassen, um einem Seilbahnbetreiber eine Skiabfahrt zu ermöglichen. Die Abholzungen begannen im Sommer und wurden durch eine Normenkontrollklage vom BUND Niedersachsen vorerst gestoppt. Braunlage (6000 Einwohner) will sich mit 1,1 Millionen Euro am teuren Ski-Ausbau beteiligen: Neun Monate ist der Wurmberg garantiert schneefrei – mindestens! (Schirrmeister, Benno, Wahnsinn am Wurmberg, in taz.de 7.9.2012). Geplant sind neue Skipisten, Flutlichtanlagen, Schneekanonen und 600 Parkplätze.
MdB Viola von Cramon hat am 31.10.2012 zu einer Begehung des Wurmbergs mit Experten eingeladen (von Cramon, Viola, PM 25.10.2012: Einladung zur Ortsbegehung: Folgen eines alpinen Skiprojekts im Harz).
Fotovergleich siehe hier.

DOSB diktiert Fahrplan 2022

Das DOSB-Präsidium erklärte am 30.10.2012: 1) Es begrüßt das Interesse an einer neuerlichen Olympiabewerbung – im Winter in München und Garmisch-Partenkirchen, im Sommer in Berlin und Hamburg. 2) Es ist vor einer Bewerbung die Zustimmung der Bevölkerung einzuholen. 3) Die Bewerbung muss „auf eine breite Zustimmung der Politik in Regierungs- und Oppositionsparteien“ treffen. 4) Nach Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2020 im September 2013 „kann dann verlässlicher beurteilt werden, welche Bewerbung in absehbarer Zeit aussichtsreich ist“. (Außerdem weiß man dann, ob Bach IOC-Präsident geworden ist; WZ.) 5) Die kommunalen Verantwortungsträger in den Austragungsorten müssen die Bewerbung „mit ganzer Kraft und voller Überzeugung unterstützen“. 6) Der DOSB muss mit einfachem Brief bis 14.11.2013 sein Interesse an einer Bewerbung bekunden. Er würde dann „auf das hochanerkannte Konzept der Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018 in München, Garmisch-Partenkirchen und dem Berchtesgadener Land zurückgreifen“. Das „Mini Bid Book“ wäre zum 14.3.2014, das „Bid Book“ im Januar 2015 abzugeben (Erklärung des DOSB zu einer möglichen Olympiabewerbung, dosb.de 30.10.2012).
Damit wäre die München-2018-Kritik von Nolympia auch schon fertig für München 2022!

Der Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen, Thomas Schmid, hörte sogleich „absolut positive Signale“ vom DOSB: weil Garmisch-Partenkirchen überhaupt erwähnt wurde (Holzapfel, Matthias, Olympia 2022: Bürgermeister Schmid sieht positive Signale, in Münchner Merkur 31.10.2012).
War da nicht irgendein Konflikt anlässlich München 2018 mit Grundeigentümern und Bauern in Garmisch-Partenkirchen?!

Plötzlich ist die Zustimmung der Bevölkerung wichtig, sogar für DOSB-Generaldirektor Vesper: „Eine Bewerbung wird es nur geben, wenn die Bevölkerung dies auch wirklich will“ (Vesper: Bevölkerung will Olympia-Bewerbung, in zeitonline 31.10.2012).
Zur Erinnerung: Die Befragung der Garmisch-Partenkirchner im Mai 2011 wurde erzwungen durch ein Bürgerbegehren der Olympiagegner – vorher hatten sich alle Verantwortlichen strikt dagegen gesträubt.

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Aktuelle Sportsplitter von IOC,
Fifa etc. im Oktober 2012

– „Unabhängiger Ausschuss“ für Graubünden 2022 gegründet: Der „unabhängige Ausschuss“ steht unter der Leitung des ehemaligen IOC-Generaldirektors Urs Lacotte. Der frühere Skirennfahrer war zunächst bei Swiss Olympic, dann von 2003 bis 2011 als IOC-Generaldirektor die rechte Hand von IOC-Präsident Jacques Rogge. Dieser äußerte beim Ausscheiden von Lacotte: „Das IOC ist glücklich, auch in Zukunft auf sein Engagement und seine Erfahrung zählen zu dürfen“ (Urs Lacotte tritt zurück, in swissolympic.ch 5.4.2011). Lacotte wurde Vorsitzender des Ausschusses für Nachhaltigkeit, Innovation und Vermächtnis (NIV) von Graubünden 2022 (Krummenacher, Jörg, Graubünden will nachhaltige Winterspiele, in nzz.vch 11.1.2013).
Unabhängigkeit sieht anders aus…
Im Übrigen verbreitet Graubünden 2022 die selben Plattitüden wie München 2018. Der Ausschuss soll unter dem Thema „Nachhaltigkeit – Innovation – Vermächtnis“ (NIV) lauter Ergebnisse erarbeiten, die das IOC sowieso nicht interessieren.

„60 Personen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Behörden und NGOs arbeiten in Arbeitsgruppen daran, die Kandidatur der Schweiz auf den Weg der Nachhaltigkeit zu bringen und mit innovativen Lösungen ein Vermächtnis der Olympischen Spiele zu schaffen, das weit über die Spiele hinausgeht, heisst es in einer Mitteilung“ (Unabhängiger Ausschuss für Graubünden 2022, in suedostschweiz.ch 4.10.2012).
Bleibt abzuwarten, ob die 60 Personen genauso unabhängig sind wie Herr Lacotte.
Vergleiche Graubünden 2022: Das IOC vereinnahmt die Schweiz

– Das Komitee Olympiakritisches Graubünden präsentiert sich: Präsidiert wird das Komitee von SP-Nationalrätin Silva Semadeni; Leiter ist Stefan Grass. Weitere Ansprechpersonen sind Hans F. Schneider von Pro Natura und Anita Mazzetta vom WWF Graubünden. „Das Ziel des Komitees ist klar: ein Nein in einer der drei Volksabstimmungen in Graubünden…“ (Waser, Norbert, Das Argumentarium des Olympiawiderstandes, in Die Südostschweiz 3.10.2012. Vgl. auch: Olympia-Gegner in Graubünden formieren sich, in suedostschweiz.ch 1.10.2012).
Das Komitee besteht aus den Mitgliederorganisationen SP Graubünden, Juso Graubünden, Verda Grünes Graubünden, Pro Natura Graubünden, WWF Graubünden, VCS Graubünden, ÄrztInnen für Umweltschutz, BVS Bündner Vogelschutz , Naturfreunde Graubünden, Pro Velo Graubünden, myblueplanet graubünden, Stiftung Bergwaldprojekt, SSES Regionalgruppe, IG Stopp Elektrosmog, Graubündner Tierschutzverein.
Siehe Webseite
Die drei Hauptbotschaften sind: „Vom Wunschtraum zum Albtraum“, „Von der Kandidatenkür zum IOC-Diktat“, „Vom Schanzentisch ins Millionenloch“. (Vgl. hier).
Stefan Grass fasste die Kritikpunkte in der „Südostschweiz“ noch einmal zusammen: „Nachhaltige Spiele ohne Gigantismus“ sind beim IOC unerwünscht; „kleinere Spiele“ kann es nicht geben, weil die Anzahl der Disziplinen vorgegeben sind; dazu kämen 10.000 Medienschaffende, 20.000 Freiwillige plus die „Olympische Familie; die Unterbringung ist nicht gelöst; „weiße Spiele“ sind Spiele im Kunstschnee mit großem Wasserbedarf und dem Bau von Speicherseen; die Verkehrsinfrastruktur wäre für ein solches Großereignis überfordert; für eine Milliarde Franken würden temporäre Sportstätten errichtet, die nach den Spielen wieder abgerissen würden. Dem Volk liegt für die Abstimmung am 3.3.2013 nur eine Machbarkeitsstudie vor, die mit der späteren Realität nichts zu tun hat. Die endgültige Gestaltung bestimmt einseitig das IOC mit unzähligen Vertragswerken und technischen Handbüchern. Das ökonomische Risiko ist immens. Das Fazit von Stefan Grass: „Am besten Finger weg von Olympischen Spielen!“ (Grass, Stefan, Olympische Spiele bleiben gigantisch, in Südostschweiz 18.10.2012).
Silva Semadeni nannte zehn Gründe für den Anti-Olympia-Kampf: 1 Die Begeisterung der Sporttfans allein genügt nicht; 2 weiße und nachhaltige Spiele sind illusorische Versprechungen, dabei sind Olympische Spiele eine Geldmaschine; 3 die Spiele sind zu groß für Graubünden; 4 die Erwartungen an die Wirtschaftlichkeit sind zu hoch; 5 Die Kosten sind gigantisch; 6 dazu droht eine Kostenexplosion; 7 viele Bauten werden nach den Spielen abgebrochen; 8 Eingriffe in Natur und Landschaft sind unvermeidlich; 9 Die bekannten Orte St. Moritz und Davos profitieren nicht vom Imagegewinn; 10 Das IOC bestimmt und diktiert:“Sie kaufen die Katze im Sack“ (Menzato, Nico, Ammann, Daniel, Bündner üben neue Sport-Disziplin, den Anti-Olympia-Kampf, in SonntagsBlick 14.10.2012).

Halbe-Halbe: Umfragen der Zeitschriften „Südostschweiz“ und „Engadiner Post“ ergaben einen ähnlich hohen Anteil von Befürwortern und Gegnern (Alig, Denise, In Engadin stehts in der Olympia-Frage 50 zu 50, in suedostschweiz.ch 30.9.2012). Eine Gallup-Umfrage für die ganze Schweiz im Auftrag von „Blick“ ergab im Oktober 2012 eine Zustimmung von 54,6 Prozent und eine Ablehnung von 45,4 Prozent. Ein Graubündner Kommentar wies darauf hin, dass in Graubünden entschieden wird und damit „die ganze Schweiz umfassende Meinungsumfragen Muster fast ohne Wert sind“ (Sierber, David, Das Olympische Feuer brennt auf Sparflamme, in suedostschweiz.ch 30.10.2012).
Silva Semadeni, die Präsidentin vom Olympiakritischen Komitee Graubünden, sagte: „Auf nationaler Ebene hätte ich zu diesem Zeitpunkt eine größere Zustimmung vermutet“ (Menzato, Nico, Odermatt, Marcel, Schweizer wollen olympische Winterspiele, in blick.ch 28.10.2012).
Bei München 2018 war von den Befürwortern immer mit traumhaften Zustimmungswerten über 70 Prozent argumentiert worden – ohne je einen Nachweis zu liefern. In Garmisch-Partenkirchen wies das Ergebnis eines Bürgerbegehrens im Mai 2011 einen sehr knappen Vorsprung der Befürworter auf. Das IOC erwartet aber rauschende Zustimmungsraten! Halbe-Halbe reicht nicht.
Swiss-Olympic-Präsident Jörg Schild erklärte dagegen: „Das Vorhaben muss nun genau erklärt werden – dann steigt die Zustimmung weiter“ (Ebenda).
Eine nähere Vorstellung des Vorhabens wird notgedrungen zu höherer Ablehnung führen – wenn die Gesamtschäden und -kosten bekannt werden.

Bernhard Russi ist begeistert. Der ehemalige Skirennläufer und Olympiasiegerin in Sapporo 1972 ist derzeit als Pistenarchitekt in Sotschi 2014 unterwegs (und damit Mitverantwortlicher für die dortigen immensen Umweltzerstörungen). Er sprach sich in der Rundschau des Schweizer Fernsehens – wenig überraschend – für Graubünden 2022 aus. Bestechungsversuche bei der Wahl des Austragungsortes könne er ausschließen. Und nun kommt es: „Er warnte die Olympia-Promotoren um Gian Gilli jedoch davor, von Spielen ‚back to the roots‘ zu sprechen. ‚Das ist übertrieben. Man kann das Rad nicht zurückdrehen“ (Brotz, Sandro, „Chancen für Olympia waren noch nie so gut wie jetzt“, in tagesschau.sf 17.10.2012; Hervorhebung WZ).

Schweizer Parteien nicht unbedingt begeistert: Vor allem die Defizitgarantie stößt auf Kritik. In der garantierten Milliarde Franken sind die Investitionen in Verkehrswege noch nicht enthalten. Die Vernehmung hierzu wurde vom Bundesrat ohne schriftliches Verfahren auf eine Frist von zehn Tagen verkürzt. Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) von Ueli Maurer (SVP) soll bis Sommer 2013 eine Botschaft ausarbeiten.
Die FDP sah im Oktober zu viele Fragen offen. Die SVP hat das Verfahren boykottiert; Parteipräsident Toni Brunner bezeichnete das Vorgehen des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) als „unseriös“. Die Grünen lehnen grundsätzlich sportliche Großveranstaltungen in den Alpen ab. Sie erinnern an Chur 1980 mit 77 Prozent Nein-Stimmen; Lausanne entschied sich 1988 gegen Olympische Winterspiele; Bern lehnte 2002 mit 78 Prozent ab (PM Olympia muss vors Volk, www.gruene.ch 29.10.2012).
Die SP sieht die Summe von einer Milliarde Franken angesichts der Sparmaßnahmen in wichtigen Bereichen wie der Bildung als problematisch. Die CVP äußerte, Olympische Spiele könnten nicht durch Sparmaßnahmen in anderen Departementen finanziert werden (Olympia-Milliarde stösst bei Parteien auf Kritik, in tagesschau.sf 29.10.2012; Olympia-Milliarde stösst bei Parteien auf Kritik, in nzz.ch 29.10.2012).

Wunschgemäße Auftragsarbeit: Der Verein Graubünden 2022 hat eine Studie in Auftrag gegeben: „Volkswirtschaftliche Bedeutung Olympische Winterspiele Graubünden 2022“, die stolz am 30.10.2012 präsentiert wurde. Es steht genau das drin, was sich ein Verein Graubünden 2022 wünscht. Das ist nicht überraschend. Siehe dazu im November 2012

– Auch Sport-Spanien ist in Konkurs: 2013 sollen Handball- und Schwimm-WM in Spanien stattfinden, 2014 Basketball- und Rad-WM: Aber das Land ist so gut wie pleite. „Nach den Plänen der Regierung werden die Subventionen für die Sportverbände sukzessiv um die Hälfte gekürzt“ (Bucher, Georg, Weltmeisterschaften in Gefahr, in nzz.ch 5.10.2012).
Und was wird aus der Bewerbung von Madrid um Olympische Sommerspiele 2020? Und von Barcelona um Olympische Winterspiele 2022? Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld…

– Russische Rettung naht: Der Chef des Nationalen Russischen Olympischen Komitees, Alexander Zhukov, informierte Anfang Oktober 2012, dass sich Russland nach 2020 um die Olympischen Sommerspiele bewerben wird (Russia to Bid for Summer Olympics After 2020, in rsport.ru 5.10.2012.
Da gilt es dann wieder, viel Geld zu verteilen. Mutig, mutig.
Denn das Fußballstadion für die WM 2018 in St. Petersburg kostet statt 6,7 nunmehr 43 Milliarden Rubel (umgerechnet etwa eine Milliarde Euro): Das ist mehr als das sechsfache. Und die Kosten der Fußball-WM 2018 haben sich mit 15 Milliarden Euro mehr als verdoppelt – schon jetzt! (Aumüller, Johannes, So teuer wie Wembley, in SZ 31.10.2012). Da wird wohl wieder Putins Erdgaskonzern Gazprom einspringen müssen: Gazprom ist Sponsor vom FC Schalke 04 und neuer Sponsor der Champions League; Franz Beckenbauer wirbt für russisches Gas und den Sportstandort Russland (Sundermeyer, Olaf, Russland gibt Gas, in faz.net 25.10.2012).
– Sotschi hat den längsten: Der längste Fackellauf in der Geschichte der Olympischen Winterspiele wird von Sotschi 2014 veranstaltet. Er wird 65.000 Kilometer lang sein und beginnt in Moskau. Dann wird er von der westlichen Exklave Kaliningrad bis zu den (noch) gefrorenen Gegenden von Chukotka, Wladiwostok und Sibirien und zurück reichen. In 123 Tagen werden 83 Städte bis zur Eröffnung am 7.2.2014 in Sotschi besucht. Mehr als 114.000 Fackelträger und 30.000 Freiwillige werden das olympische Feuer begleiten – in Vancover waren es „nur“ 12.000 Fackelträger über eine Distanz von 45.000 Kilometer (Sochi 2014 Reveals Longest-Ever Torch Relay, in ria.ru 7.10.2012).
Was die Putin-Diktatur eben so aufzubieten in der Lage ist.

Proteste gegen Sotschi: Volker Pabst erinnerte im Oktober 2012 an die schwierige völkerrechtliche Situation in Tscherkessien, an die Bürgerkriege, die Eingriffe und Vertreibungen unter Stalin und die heutige Situation: Der Austragungsort „befindet sich aber wie die gesamte südliche Schwarzmeerküste Russlands im traditionellen Siedlungsgebiet der Tscherkessen… Die Stadt gilt als ‚letzte Hauptstadt des freien Tscherkessien’… Insbesondere Organisationen der Diaspora riefen nach der Wahl Sotschis für die Winterspiele 2014 zum Boykott auf. ‚Ihr fahrt Ski auf Massengräbern‘ ist eine der Losungen der Protestbewegung No Sotschi 2014, ‚Sotschi – Land des Genozids‘ eine andere… Sotschis südlichster Stadtteil Adler, in dem ein Großteil der olympischen Bauten entsteht, grenzt unmittelbar an Abchasien, das von Tbilissi (Tiflis; WZ) als georgisches Staatsgebiet betrachtet, von Russland seit dem Krieg von 2008 aber als unabhängiger Staat anerkannt wird“ (Pabst, Volker, Zwischen Syrien und Sotschi, in nzz.ch 16.10.2012).

„Lupenreine“ Demo


Laufende Chronologie der Olympischen Winterspiele 2018 in München +2 (wird laufend aktualisiert und ergänzt):
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Literatur zur NOlympia-Chronologie

Nolympia-Chronologie, komplett / Stand Mitte Juli 2010 als pdf-Datei