Wolfgang Zängl 10.9.2012; aktualisiert 25.9.2012
In der Schweiz haben sich – aus steuerlichen und vereinsrechtlichen Gründen – 39 Internationale Sportverbände angesiedelt (www.sportobs.ch), darunter die drei wichtigsten: das IOC in Lausanne, die Fifa in Zürich, die Uefa in Nyon. Allein im Kanton Vaud/Waadt haben 31 ihren Sitz (ifsports-guide.ch). Dieser Kanton wirbt förmlich um deren Ansiedlung und bietet günstigste Bedingungen. Vergleiche hierzu: Die Sport-Paläste
Im Verbund mit dem Schweizer Sport-Dachverband Swiss Olympic bestehen für das IOC vielfältige Möglichkeiten, auf Regierung, Kantone und Kommunen Einfluss zu nehmen – wie im Fall der Bewerbung um Olympische Winterspiele Graubünden 2022.
Aber es gibt auch Widerstand: http://www.umwelt-graubuenden.ch/olympi-ade.html
1 Zur Historie: „Nie mehr Olympische Winterspiele in der Schweiz?“
Bereits 2002 veröffentlichte Prof. Hansruedi Müller vom Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus der Universität Bern sieben Thesen, warum für die Schweiz moderne Olympische Winterspiele problematisch sind (Müller 4.11.2002):
1 Suboptimaler Makrostandort durch relativ kleine Großstädte, große Distanzen in der Bergwelt.
2 Imagenachteil der Schweiz durch Isolationshandicap inmitten der EU, Übervertretung im IOC und geringem Entwicklungspotential
3 Volksentscheid mit Nachwirkungen durch die Ablehnung von Bern 2010: „Die basis-demokratischen Entscheidstrukturen in der Schweiz sind zu kompliziert.“
4 Jekami-Ansatz (Jeder kann mitmachen) hat versagt: Durch Föderalismus kommen nur „suboptimale Kandidaturen“ zustande: Die Kandidaturen waren „zu verzettelt, zu politisch ausgelegt, zu ambitionslos, zu schwachbrüstig“. Und außerdem: „Sie kosten viel Geld, das dem Schweizer Sport fehlt.“
5 Stimmenmehrheit im IOC als oberstes Ziel ist nur möglich bei besten Voraussetzungen für sportliche Wettkämpfe, einem „stimmungsvollen Fest“ und wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit.
6 geht auf die Bedeutung von Swiss Olympic, die Intercontinental-Flughäfen, die infrastrukturstarken Metropolen und die finanzielle Absicherung durch internationale Konzerne ein.
7 Widersprüche vorprogrammiert: „Das Vorgehen zu einer für die Schweiz bestmöglichen Kandidatur mit hoher Erfolgsaussicht würde im Widerspruch zu den schweizerischen Gepflogenheiten stehen.“
2 „Der Irrweg zurück in die olympische Zukunft“
So nannte der Autor Benjamin Muschg seinen Beitrag in der Basler Zeitung vom August 2011, der sich mit der Entscheidung des Sport-Dachverbandes Swiss Olympic am 11.8.2011 für eine Bewerbung 2022 befasst (Muschg 10.8.2011). Muschg konstatiert, dass Swiss Olympic diese Entscheidung längst gefällt hat. Sein Präsident Jörg Schild hat mit Sportminister Ueli Maurer die Kandidatur so beschrieben: „weg vom Gigantismus, raus aus den Städten und zurück in die Wintersportorte, kompakte Spiele mit möglichst kurzen Wegen“.
Muschg: „Angesichts der schwierigen Wirtschaftslage dürfte generell die Skepsis wachsen, ob sich die Schweiz ein Prestigeobjekt wie Olympia leisten soll… Von nostalgischen Argumenten dürften sich aber die alten Herren vom IOK kaum überzeugen lassen. Olympia hat sich seither von einem gemütlichen Treffen zu einem riesigen Event gewandelt. Chancen könnte die Schweiz trotzdem haben – weil dem IOK für die Winterspiele die Kandidaten ausgehen. Sion war noch eine von neun Bewerberstädten für 2002 und eine von sechs für 2006. Pyeongchang musste sich nun nur gegen zwei Konkurrenten durchsetzen. Für 2022 dürfte es nicht mehr Bewerbungen geben.“
Muschg erklärte auch die „Zurück-zu-den-Wurzeln“-Kampagne der Schweiz für illusorisch: „Dass die Schweiz den Gigantismus bekämpfen will, indem sie die Spiele aus den Städten und zurück in die Idylle kleinerer Wintersportorte bringt, ist aber unabhängig von den Wahlchancen beim IOK ein Irrweg. Tatsächlich bringt sie damit statt nur eines Teils gleich den ganzen Gigantismus in die empfindliche Bergwelt.“ (Hervorhebungen WZ)
Marco Blatter war 16 Jahre Präsident von Swiss Olympic. Nach dem Besuch in Turin 2006, das sich gegen die Bewerbung von Sion durchgesetzt hatte, urteilte Blatter, „dass es ein großes Glück war, dass wir die Winter-Olympiade damals nicht bekommen haben“. Er äußerte im Januar 2011 im Interview, derzeitige Olympische Spiele wie Sotschi 2014 seien für die Schweiz „mindestens eine Schuhnummer zu groß“ (Walliser Bote 11.1.2011). Das IOC müsste vom Gigantismus wegkommen, es sei aber fraglich, ob dies im IOC mehrheitsfähig sei: „Noch stünden die Winter-Olympiaden im Zeichen des Gigantismus“ (Ebenda).
3 Wer sorgt für Bewerbungen?
Eine Hauptaufgabe von IOC-Mitgliedern, Nationalen Olympischen Komitees und Internationalen Sportverbänden ist die Werbung für Olympische Spiele und deren Akquirierung. Wenige Kandidaten lassen auf ein Desinteresse von Bewerbern schließen; also werden vom IOC und den Sportfunktionären alle möglichen und unmöglichen Kandidaten erfreut zur Kenntnis genommen, gelobt, gehätschelt.
Für die Olympischen Winterspiele 2022 stehen theoretisch parat: Lviv (Lemberg)/Ukraine, Oslo/Norwegen, Barcelona (Spanien) – und eventuell Graubünden 2022 mit St. Moritz und Davos als Hauptaustragungsorte.
Wenn DOSB-Präsident Thomas Bach im September 2013 weiß, dass er nicht IOC-Präsident geworden ist, käme vielleicht noch München 2022 dazu. Die olympischen Kaffeesatzleser wie „IOC-Kenner“ Peter A. Frei (vgl. Capodici 5.9.2012) haben ab sofort Hochkonjunktur.
Die Arbeitsgruppe Graubünden 2022
Die “Arbeitsgruppe XXIV. Olympische Winterspiele Graubünden 2022″ lobte in ihrer PM vom 30.3.2011 “Bündnerisch, mutig, anders – Olympia 2022 als Wegmarke” die Projektskizze für die Kandidatur Graubündens an den Orten Davos und St. Moritz, die dann beim Dachverband Swiss Olympic eingereicht wurde. Die Kandidatur hatten sich – wie immer – nur wenige ausgedacht. Die Arbeitsgruppe bestand aus Tarzisius Caviezel, damals Bündner Nationalrat und Verwaltungsratspräsident des Eishockey-Clubs HC Davos; Hansjörg Trachsel, Regierungsrat des Kantons Graubünden (Vizeweltmeister im Bobfahren 1977, Mitglied der Bob-Nationalmannschaft 1974-1980); Sigi Aspiron, Gemeindepräsident St. Moritz; Hugo Wetzel, Tourismusorganisation Engadin und Gaudenz F. Domenig, Projektleiter AG und Vizepräsident des Hockey Club Davos.
Am 11.8.2012 setzte sich die Bewerbung von St. Moritz und Davos mit 8 zu 4 gegen die Bewerbung von Genf durch.
Nach dem Willen von wenigen, aber einflussreichen Sportfunktionären und Politikern sollen die olympischen Winterspiele 2022 vom 11.2. bis 27.2.2022 in St. Moritz, Davos und anderen Graubündner Austragungsorten stattfinden. Hier leistet vor allem der Schweizer Sport-Dachverband Swiss Olympic die Vorarbeit. Dazu kommt inzwischen der private „Verein Graubünden 2022“, der im Dezember 2011 in Anwesenheit von Sportminister Ueli Maurer gegründet und dessen Präsident der im Oktober 2011 abgewählte Nationalrat Tarzisius Caviezel (FDP) wurde.
4 Das „Sportparlament“
Das Schweizer „Sportparlament“ ist kein staatliches Parlament, wie der Name suggerieren soll, sondern der Zusammenschluss von 76 Sportverbänden. Diese trafen sich am 24.5.2012 im „Haus des Sports“ in Ittingen und stimmten mit (natürlich) 76 Stimmen für die Machbarkeitsstudie vom Herbst 2011 und damit für eine Bewerbung Graubünden 2022 ab (Verein Graubünden 2022, 24.5.2012). Auch sechs von sieben Bündner Bundesparlamentarier stimmten für eine Bewerbung; nur Silva Semanedi verweigerte die Unterstützung (suedostschweiz 24.5.2012; tagesanzeiger.ch 25.5.2012). Im Mai 2012 wurden die Bewerbungskosten noch mit 36 Millionen Franken angegeben.
5 Kosten der Bewerbung: steigend
Der Präsident von Swiss Olympic, Jörg Schild, kündigte schon Mitte Juni 2012 an, dass die Bewerbungskosten für St. Moritz 2022 von ursprünglich genannten 36 Millionen Franken auf bis zu 50 Millionen Franken gestiegen seien (nzz.ch 21.6.2012). Im Juli 2012 nannte der Sprecher des Bundesrats, André Simonazzi, bereits die Summe von 60 Millionen Franken (nzz.ch 4.7.2012).
Selbstherrlich agierten die Olympiafreunde: „Der Vorstand des Vereins Graubünden 2022 verabschiedete ein Kandidatenbudget von 60 Millionen Franken. Es wird für die Projektierung Olympischer Winterspiele, die Erstellung der Bewerbung sowie die Kommunikation in der Schweiz und bei internationalen Entscheidungsträgern des IOC aufgewendet“ (www.gr2022.ch 5.7.2012).
So initiiert ein privater Verein – Graubünden 2022 -, eine zweistellige Millionensumme aus Steuergeldern. Allein die unersetzbaren olympischen Spin Doctors (Bid-Book-Schreiber, Kommunikationsstrategen, IOC-Kontakthalter etc.) arbeiten für Tagessätze bis zu 10.000 Euro.
Vor nicht allzu langer Zeit fielen übrigens auch die IOC-Mitglieder selbst als nicht geringer Ausgabenposten an, siehe Salt Lake City 2002. Es kann nur spekuliert werden, ob diese Zeit vorbei ist. In diesem Zusammenhang muss an den Schweizer Marc Hodler erinnert werden, der zwei Jahrzehnte für olympische Bewerbungen zuständig war. Am 11.12.1998 sprach Marc Hodler in der IOC-Zentrale in Lausanne über Bestechungen und löste die größte Krise der olympischen Bewegung aus: Er berichtete über „klare Korruption“, über „organisierten Stimmenkauf, schmutzige Werbekampagnen und sagte: „Er kenne keine Stadt, die Olympische Spiele auf ‚unangreifbare Weise’ erhalten habe“ (Brinkbäumer, Geyer 21.12.1998).
Von den 60 Millionen Franken sollen 30 Millionen vom Bund getragen werden, Kanton und Gemeinden sollen 15 Millionen tragen, der Rest soll von Sponsoren kommen (nzz.ch 5.7.2012). Das sei aber nun “eine Vollkostenrechnung”, versprach das Organisationskomitee: Die 36 Millionen Franken seien nur eine „Grobschätzung“ gewesen.
6 Der Verein Graubünden 2022 rechnet
Im Juli 2012 bezifferte der „Verein Graubünden 2022“ die Gesamtkosten auf 2,8 Milliarden Franken (www.gr2022.ch, 5.7.2012). Die Einnahmen werden mit 1,5 Milliarden Franken beziffert: Es würde ein Defizit von 1,3 Milliarden Franken entstehen. Der Verein bezeichnet seine Berechnung als „vorsichtiges, aber realistisches Szenario“.
„Vorsichtig, aber realistisch“: Das scheint ein EDV-Satzbaustein des IOC für Bewerber zu sein – auch die Bewerbung München 2018 bediente sich hier.
Wie sieht es wirklich aus? Vom Mai 2012 bis Juli 2012 stiegen die Bewebungskosten laut Verein Graubünden 2022 von 36 auf 60 Millionen Franken, das sind 166 Prozent. Bei ähnlicher Steigerung der Durchführungskosten von 2,8 Milliarden Franken käme man schon auf 4,6 Milliarden Franken. Soviel zu dem „vorsichtigen, aber realistischen Szenario“.
Zur Erinnerung: Turin 2006 lag offiziell bei rund 4,6 Milliarden Franken, Vancouver 2010 bei rund 6 Milliarden Franken und Sotschi 2014 bei 13 Milliarden (Muschg, Brüngger 21.11.2010), Insgeheim wird bei Sotschi schon von 30 Milliarden Dollar gesprochen. Pyeongchang 2018 investierte bereits nur in drei Bewerbungen 150 Millionen Dollar – die Endsumme wird sicher bei über 10 Milliarden Dollar liegen.
Das übliche Verschleierungsspiel beginnt: Die 2,8 Milliarden Franken sind das sogenannte OCOG-Budget (Durchführungsbudget). Die 1,5 Milliarden Franken zählen zum Non-OCOG-Budget (das Investitionsbudget, in das alles hineingepackt wird, was im OCOG-Budget stört oder als zu hoch erscheint). Diese 1,5 Milliarden Investitions- und sonstige Kosten sind nicht in den Gesamtkosten enthalten.
Bei Olympischen Winterspielen ist die erste Kostenschätzung nach den bisherigen Erfahrungen mit dem Faktor drei- bis sechs zu multiplizieren, um realistische Endkosten zu erhalten. Natürlich wird Swiss Olympic, der „Verein Graubünden 2022“ oder die Regierung später behaupten, dass dies nicht vorherzusehen war.
Übrigens sind auch bei der Schweizer Bewerbung die Kosten für Sicherheit wesentlich zu niedrig angesetzt: „Nicht im operativen Budget der Spiele erscheinen die Sicherheitsleistungen der öffentlichen Hand: Für diese Leistungen durch Polizeikorps, Militär und andere Bundesstellen sind 250 Millionen Franken veranschlagt“ (Ebenda). Deshalb antwortete Gian Gilli auf die Frage, ob die öffentliche Hand die Sicherheitskosten übernimmt: „Das ist so vorgesehen“ (Berger 8.9.2012).
Auch die Kosten für Sicherheit sind wesentlich zu niedrig angesetzt: Vancouver 2010 lag bei über 700 Millionen Dollar, London 2012 bei 1,3 Milliarden Pfund. Bei München 2018 waren sie gerade einmal mit 37 (!) Millionen im Bid Book angegeben!
Graubünden 2022: „Die Kostenschätzung für die Durchführung von Olympischen Winterspielen in der Schweiz wurde von Fachleuten des Vereins zusammen mit Finanzexperten von PricewaterhouseCoopers (Pwc) erstellt, welche große internationale Erfahrung mit der Kalkulation von Olympischen Spielen und anderen Großveranstaltungen haben“ (Ebenda).
PricewaterhouseCoopers gehört mit Deloitte, KPMG und Ernst&Young zu den „Big Four“ der Wirtschaftsprüfer. Deloitte zeichnete für die falschen Kalkulationen von Vancouver 2010 und London 2012 verantwortlich.
Und schon rührte David Dellea von PricewaterhouseCoopers anlässlich der Olympischen Sommerspiele 2012 in London die Werbetrommel: „St. Moritz und Davos sind zwei sehr starke Markennamen… Wir müssen dem ganzen Land Inspiration und Motivation vermitteln… Wir sind davon überzeugt, dass die Schweizer Regierung dieses Projekt haben möchte“ (Warshaw 5.8.2012).
7 Gian Gilli: Sportfunktionär und Olympiafan
Gian Gilli ist nicht nur Sportdirektor von Swiss Olympic und Chef de Mission der Schweizer Delegation bei London 2012: Er ist auch Graubündner und wurde – vermutlich nicht zuletzt deswegen – Operativer Leiter des Vereins „Olympische Winterspiele Graubünden 2022“. Gilli: „Ich werde deshalb alles dafür tun, um in unserem Land und insbesondere im Kanton Graubünden die Olympiabegeisterung zu entfachen“ (www.swissolympic.ch 5.1.2012).
Da hat Gilli viel zu tun: Die Schweizer Kandidatur für Olympische Winterspiele von Chur für 1988 fiel mit 77 Prozent Nein-Stimmen durch; die von Bern für 2010 mit 78 Prozent (Birrer 5.9.2012).
Der Graubündner Regierungsdirektor (und Gründungsmitglied der „Arbeitsgruppe“, siehe oben), Hansjörg Trachsel meinte dazu: „Es wird eine Knochenarbeit, die Leute zu überzeugen“ Krummenacher 21.1.2012).
Laut Gilli sollen die Spiele „retour à la nature“ werden, die zu 80 Prozent auf vorhandenen Sportanlagen stattfinden sollen. Es müssten also „praktisch keine neuen, teuren Anlagen gebaut werden” (suedostschweiz.ch 6.7.2012). Dagegen stellte Olivier Berger im März 2011 fest: „Ohne Aus- und Neubauten wäre Olympia in Graubünden nicht durchführbar“; olympiatauglich seien lediglich die Anlagen für Ski Alpin, Bob, Skeleton und Schlitten in St. Moritz und für Ski nordisch in Davos. Gebaut werden müssten temporäre Eishallen, ein temporäres Hauptstadion in Davos, eine 120-Meter-Schanze etc. (Berger 31.3.2011; 8.9.2012).
Auch die Behauptung „alles vorhanden“, gehört zu den Satzbausteinen des IOC: Bei München 2018 wurde ähnliches behauptet; dabei waren von 13 Sportanlagen gerade sechs existent, allerdings hätten diese nicht den heutigen Maßstäben genügt. Und bei der Ski-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen wurde plötzlich eine zweite Abfahrtspiste gefordert – und gebaut. So würde sehr wahrscheinlich die Bobbahn in St. Moritz nicht den neuesten Bedingungen des IOC von 2022 genügen.
Der öffentliche Verkehr soll verbessert werden, die Olympischen Dörfer sollen mit erschwinglichen Preisen (!) die Wohnungsnot lindern (Krummenacher 21.1.2012). Dabei ist die Immobiliensituation hier schon jetzt äußerst dramatisch: In St. Moritz werden Quadratmeterpreise bis zu 59.000 Euro bezahlt (Wohnimmobilien in St. Moritz auf Höhenflug, in SZ 10.2.2012).
Dann gab Gilli noch das mit Sicherheit unhaltbare Versprechen ab, dass nach den Spielen die Öffentliche Hand keinen Schuldenberg abzutragen hätte (suedostschweiz.ch 5.1.2012).
Vergleiche auch: St. Moritz 2022?
Im Juli 2012 erklärte Gilli, dass die Abweichung des olympischen Budgets 20 bis 25 Prozent betragen könne (suedostschweiz.ch 7.7.2012).
Das wären bei geplanten 2,8 Milliarden Franken dann immerhin schon 3,3 bis 3,5 Milliarden Franken: immer noch zu kurz gesprungen! Man muss nach den Erfahrungen der letzten Austragungsorte von 8 bis 12 Milliarden Franken ausgehen.
Gilli behauptete, dass sich die Investition von über vier Milliarden Franken auszahlen würde (Ebenda).
Wo schon für London 2012 einige Wirtschaftsforscher gezeigt haben, dass der Nutzen für London ohne Olympische Spiele wesentlich billiger hätte erreicht werden können.
„Die Millionen lohnen sich laut Gilli, weil mit den Mitteln eine ‚riesige Bewegung’ in Gang gesetzt wird“ (Ebenda).
Diese „Bewegung“ wird einen riesigen Schuldenberg hervorbringen..
„Land und Kanton rückten wieder nahe zusammen und arbeiten gemeinsam an etwas Großem“ (Ebenda).
Braucht die Schweiz, die ich seit Jahrzehnten in vielerlei Hinsicht – nicht nur wegen unseres Gletscherprojektes (siehe www.gletscherarchiv.de) – sehr schätze, wirklich ein milliardenteures olympisches Therapieprogramm?
Das Engagement von Gilli bei Graubünden 2022 ist bis zur Volksabstimmung im Kanton beschränkt (swissolympic.ch 5.1.2012). Danach wird er mit Sicherheit auf seine diversen Posten bei Swiss Olympic zurückkehren.
Denn die Verantwortlichen bei Bewerbungen gehen kein Risiko ein: Auch Bernhard Schwank, der Bewerbungschef von München 2018, ist wieder Direktor des Geschäftsbereichs Leistungssport beim DOSB.
8 Wie üblich: alles nachhaltig
Laut Gilli soll es keine Bauruinen geben (Capodici 5.9.2012). Gilli gibt aber zu bedenken: „Temporäre Bauten für Sportstätten und olympische Dörfer machen noch einen hohen Anteil unseres Konzeptes aus“ (www.gr2022, 5.7.2012)
Das stimmt! Temporär soll nach einem Zwischenstand gebaut werden: Eishockeystadion Davos und Eiskunstlaufhalle Samedan (je 10.000 Besucher), 120-Meter-Skiprungschanze St. Moritz, Curling-Halle Klosters, Trainingshalle Engadin.
Temporär gilt in olympischen, Fifa- und Uefa-Kreisen als: nachhaltig, umweltfreundlich, wieder verwendbar. Die Dimensionen der Sport-Großereignisse sind so riesig geworden sind, dass dafür gebaute Sportstätten nachher nicht weitergenutzt werden können. Beispiele dafür gibt es unzählige.
Vergleiche dazu im Kritischen Olympischen Lexikon: White Elephants, Nachhaltigkeit
Nun kommen temporäre Sportstätten, die wie die Fußball-Stadien der WM in Katar – danach abgebaut und verschenkt werden sollen. Wer’s glaubt…
Laut Gilli „beginnt schon heute in Davos der Innovationsdialog für die Entwicklung des Olympischen Dorfes, welches nach 2022 bestehen bleiben könnte (Ebenda).
Die Immobilienbranche wartet nur darauf.
Vergleiche für die Bewerbung München 2018: Immo-Welt 2018.
Apropos: In diesem Zusammenhang haben „Bündner Umweltorganisationen und die Initianten der Zweitwohnungsinitiative massive Kritik an den geplanten Neubauten geäußert“ (Birrer 5.9.2012). Vera Weber von der Initiative kommentierte dies so: „Für die olympischen Spiele müsste in der Bergwelt viel gebaut werden. Die Schweizer Bevölkerung hat sich mit der Zweitwohnungsinitiative aber klar für deren Schutz ausgesprochen“ (Tuchschmid 19.8.2012). Und zu den Olympischen Dörfern: „Alle Wohnungen wird man nicht als Erstwohnungen verkaufen können. Wenn daraus Zweitwohnungen werden sollen, widerspricht das ganz klar unserer Initiative“ (Ebenda).
9 Umstrittener Auftrag für InfrontRingier
Anfang September 2012 wurde bekannt, dass Swiss Olympic als offiziellen Vermarktungs-Partner, aber auch als Berater für Graubünden 2022 InfrontRingier beauftragt hat. Die Agentur gehört zur Hälfte zum Ringier-Konzern. Der Medienethiker Peter Studer äußerte zu einer möglichen Einflussnahme auf die Berichterstattung der Journalisten: „Es gibt Indizien, dass bei Ringier in Einzelfällen Einfluss genommen wurde“ (Berger 1.9.2012). Der Schweizer Nationalrat Felix Müri sorgte sich deshalb um die journalistische Unabhängigkeit der Presseorgane von Ringier.
Der Präsident von Graubünden 2022, Caviezel, sagte dazu: „Der Verein hat mit diesen Verträgen nichts zu tun“ – die Vereinbarung betreffe lediglich Swiss Olympic (Ebenda).
Das stimmt nun so nicht. Laut Webseite ist der Generalsekretär Sven Zehnder. Er hat schon für die vormalige Skandalfirma ISL gearbeitet, einer Sportrechte-Vermarktungsagentur, von der InfrontRingier Vermarktungsrechte übernommen hat (Ebenda). Zehnder war dann Projektleiter für die Olympiakandidatur und ist seit Gründung des Vereins Graubünden 2022 dessen Generalsekretär (Ornigramm www.gr2022.ch).
Nationalrat Roland Büchel stellte infrage, “ob man mit einer Agentur zusammenspannen solle, die auch Rechte innehabe, die einst der zusammengebrochenen Sportmarketingfirma ISL gehörten… Schließlich operiere “InfrontRingier” aus demselben Zuger Büro heraus wie die ISL, die mindestens zwei aktuelle IOC-Mitglieder bestochen hat” (Tischhauser 12.2.2012).
Vergleiche auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Infront
10 Komitee Olympiakritisches Graubünden
Das Komitee ist ein Zusammenschluss der Bündner Umweltorganisationen Pro Natura, WWF, VCS, Greenpeace, Stiftung Landschaftsschutz, Mountain Wilderness, CIPRA, dazu die Graubündner SP und Grüne und diverse weitere Vereine und Parteigruppierungen. Im Juli 2012 wurde ein „Argumentarium gegen Olympische Winterspiele ‚Graubünden 2022’ veröffentlicht. Einige Argumente daraus:
– Das Ausmaß heutiger Olympischer Winterspiele ist für die Alpen nicht mehr tragbar.
– Die Verträge des IOC sind knallhart und können jederzeit einseitig verändert werden. (Als Beispiel für den Host City Contract/Vertrag mit der Gastgeberstadt 2018 siehe hier)
– Versprechen des IOC für Nachhaltigkeit werden schnell Makulatur.
– Das Bewerbungsdossier kann einseitig durch das IOC verändert werden.
– Die einzig bestehende Anlage ohne nötigen Ausbau ist der Flughafen Zürich.
– Die von Swiss Olympic versprochenen „Spiele ohne Gigantismus“ sind heute nicht mehr möglich, da die Anzahl der Disziplinen, Sportler, Betreuer, Journalisten ständig wächst.
– Außerdem wären solche Spiele nicht im kommerziellen Sinn des IOC.
– Die Kosten Olympischer Winterspiele steigen kontinuierlich.
– „Weiße“ Spiele sind eine Fiktion und Beschneiungsanlagen auch im Engadin notwendig.
– Die bestehenden Anlagen genügen nicht den Auflagen des IOC.
– Olympische Winterspiele bedeuten Schulden: Das austragende Land bezahlt die Milliardenrechnung, und das IOC kassiert Milliardengewinne.
Fazit: Finger weg von Winterolympiaden!
In einem Beitrag vom 11.9.2012 merkte Stefan Grass an, dass nur eine Machbarkeitsstudie vorgelegt wurde – keine Detailplanung: Diese soll erst nach der Abstimmung am 3.3.2013 begonnen werden. „Der Große Rat und das Volk werden also entscheiden müssen, ohne genau zu wissen, was auf uns zukommt“, so Grass (Handschin 11.9.2012). Nach der Vergabe wird das IOC mit dem Austragungsort die Verträge abschließen: „Unsere große Angst ist, dass von den schönen Plänen nachhaltiger Spiele nicht mehr viel übrig bleiben wird“ (Ebenda).
Der Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz, Raimund Rodewald, erklärte: „Olympische Spiele haben eine Größenordnung erreicht, die mit der kleinräumigen Schweiz nicht zu vereinbaren sind“ (Ebenda). Durch die rigide Vertragsgestaltung der Internationalen Sportverbände sei die Stiftung Landschaftsschutz häufig gescheitert bei Bemühungen, die Groß-Sportereignisse zur Zurückhaltung zu bewegen. Auch ein positiver Wirtschafts-Faktor liege nicht vor, wie man bei London 2012 gesehen hat: „Volkswirtschaftlich gesehen ist es ein Unsinn“ (Ebenda).
Wie Rodewald auch beobachten musste, seien nach der Ski-WM 2003 in St. Moritz „Zweitwohnungen auf Teufel komm raus gebaut worden“. Rodewald hält die Darstellung von „kleinen und feinen“ Spielen für „PR-Phrasen“ (Ebenda).
Links:
News: www.umwelt-graubuenden.ch
Widerstand: www.umwelt-graubuenden.ch/olympi-ade.html
Dokumentation: www.umwelt-graubuenden.ch/olympiaden.html
Webseite ab 1.10.2012: www.olympia-nein.ch
11 Die Einbindung der Umweltverbände durch Swiss Olympic
Wie bei München 2018 und allen anderen Bewerbern versuchen die olympischen Funktionäre, die Umweltgruppen einzubinden – „damit das Konzept noch umweltfreundlicher wird“.
Zur Erinnerung an München 2018: Von zunächst eingeladenen rund vierzig Naturschutzverbänden und Umweltgruppen haben nach reiflicher Überlegung alle bis auf zwei ihre Mitarbeit gekündigt: Und die zwei wurden mit millionenschweren Projekten bis zum Schluss geködert.
Die Einbindung der Naturschutzverbände ist nur ein Placebo-Angebot, um die konsequenzlosen Pro-Forma-Umweltregeln des IOC zu erfüllen. Mit dem Näherrücken der Spiele wächst der zeitliche und finanzielle Druck und damit die Bereitschaft, alles über den Haufen zu werfen, was als abgesprochen galt.
Stefan Grass vom Komitee Olympiakritisches Graubünden sagte in der Sonntagszeitung: „Reden kann man immer, aber eine Zusammenarbeit wird es nicht geben. Wir wollen die Spiele nicht“ (Tuchschmid 19.8.2012). Begründung: „In Graubünden lässt sich keine Umweltorganisation in eine Olympiakandidatur einbinden, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass das IOC keinerlei Zugeständnisse macht“ (Muschg, Brüngger 21.11.2010).
12 Bundesrat unterstützt Graubünden 2022
Am 5.9.2012 sprach sich der Schweizer Bundesrat dafür aus, für die Bewerbung “Graubünden 2022″ eine Defizitgarantie über eine Milliarde Franken für die Kosten der Spiele selbst zu übernehmen. Gleichzeitig berichtet der Sportminister Ueli Maurer (SVP), dass rund 300 Millionen nach heutiger Rechnung ungedeckt blieben (Jürgensen 5.9.2012).
Warum dann eine Defizitgarantie über eine Milliarde Franken?
Maurers Parteikollege Roland Büchel erklärte, er sei „sehr kritisch“: „Eine Milliarde sei schon sehr viel, da werde man gut erklären müssen, wie sich die zusammensetzt“ (Meier 6.9.2012). Büchel weiter: „Das IOC macht den großen Gewinn, und die Veranstalter tragen die Kosten“ (Ebenda).
Dazu will Maurer 30 Millionen Franken Steuergelder für die Kandidatur Graubünden 2022 mit St. Moritz und Davos als Austragungsort bereitstellen. Die Gesamtkosten der Bewerbung werden mit 60 Millionen Franken angegeben, von den verbleibenden 30 Millionen Franken sollen 9 vom Kanton Graubünden, fünf von St. Moritz und zwei von Davos kommen; die restlichen 15 Millionen Franken sollen – bislang ungenannte – Sponsoren aufbringen (Burger 8.9.2012).
Bei der Bewerbung München 2018 kamen schließlich über die Hälfte der mindestens 33 Millionen Euro Bewerbungskosten von (zwangsverpflichteten) Unternehmen der Öffentlichen Hand – Flughafen München, Lotto Bayern, Deutsche Bahn, Deutsche Post, Stadtwerke München, Messe München, Olympiapark München etc.: Ob das bei Graubünden 2022 ähnlich läuft?!
Sportminister Ueli Maurer sagte: „Wir können nur eine Alternative zum Gigantismus bieten“ (tagesanzeiger.ch 5.9.2012).
An dieser „Alternative zum Gigantismus“ kann das IOC aufgrund der kommerziellen Verwertung der Olympischen Spiele natürlich nicht interessiert sein. „Kleine, aber feine, weisse und nachhaltige Spiele will Graubünden ausrichten… Und da liegt der Hund begraben: Das Internationale Olympische Komitee IOC zeigt bis jetzt keine Anzeichen eines Mentalitätswandels – Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung wiegen dort einfach weniger als gefüllte Bankkonten. Kleinere Spiele aber würden IOC und nationalen Verbänden weniger Geld in die Kasse spülen“ (Faki 6.9.2012)
Der Berner Tourismus-Professor Hansruedi Müller stellte zwei klare Tendenzen beim IOC fest: „Man wollte immer noch größere Spiele. Und man wollte in die Wachstumsmärkte gehen“ (Muschg, Brüngger 21.11.2010) Müller weiter: „Aber es ist sinnlos, wenn wir Schweizer sagen: Wir diktieren, wie der globalisierte Sport in Form des IOC zu entscheiden hat“ (Ebenda).
Siehe dazu auch den eingangs erwähnten Artikel von Musch, der zudem noch warnte: „Tatsächlich bringt sie damit statt nur eines Teils gleich den ganzen Gigantismus in die empfindliche Bergwelt.“
Maurer lieferte noch einen pikanten Nebensatz: Es sei für die Schweiz eine gute Chance, „sich einmal positiv zu verkaufen“ (Jürgensen 5.9.2012; Hervorhebung WZ).
Zur Bewerbung Graubünden 2022 warnte die Bündner SP-Nationalrätin und Präsidentin von Pro Natura, Silva Semadeni im Interview vor der steigenden Zahl der Disziplinen, der Athleten und Betreuer und den steigenden Kosten: „Die Vorgaben an die Infrastruktur sind gegeben, die kann man nicht ändern“ (Furter 7.9.2012). Der Bundesrat müsse mehr als zunächst geplant zahlen, weil die Zusagen von Sponsoren fehlten. „Mit der Bundesmilliarde lassen sich nicht alle Kosten decken, welche von den Olympischen Winterspielen verursacht würden… Der Kanton Graubünden braucht aber nicht mehr Betten, das ist allen Tourismusexperten klar, sondern mehr Gäste. Olympische Spiele bringen aber nicht mehr Gäste, wie die Erfahrungen anderer Host Cities zeigen“ (Ebenda).
13 Kanton Graubünden unterstützt Bewerbung: Pressemitteilung Regierung Graubünden vom 10.9.2012
(Bündner Regierung befürwortet Olympische Winterspiele in Graubünden, 10.9.2012).
Am 10.9.2012 verkündete der Kanton die Befürwortung Olympischer Spiele in Graubünden. Die oben erwähnten Olympia-Initianten werden so vorgestellt: „Verschiedene Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Sport haben gemeinsam die Tragfähigkeit einer Olympia-Kandidatur ausgelotet“ (Bündner Regierung 10.9.2012) – und kamen zu dem Schluss, dass die Machbarkeitsstudie machbar ist. Die Bündner Regierung lobte die Chancen für Graubünden, die „innovativen und nachhaltigen Spiele“, den „Respekt vor Mensch und Natur“, die Nachhaltigkeit, etc.
Also alles, was alle Regierungen von Kandidatenstädten so zu formulieren pflegen.
Die Bündner Regierung beantragte am 10.9.2012 einen Verpflichtungskredit in Höhe von acht Millionen Franken zur Finanzierung der Kandidatur sowie die Bildung von Reserven in Höhe von 300 Millionen Franken für Investitionsprojekte im Zusammenhang mit der Durchführung der Spiele. Der Bundesrat wird gemäß Beschluss vom 5.9.2012 ein maximales Defizit von einer Milliarde Franken tragen. Der Kanton Graubünden wird kein Defizitrisiko übernehmen.
Als Auskunftsperson der Regierung ist der Regierungsrat Hansjörg Trachsel, angegeben. Er ist nicht nur Vorsteher Departement für Volkswirtschaft und Soziales, sondern war auch Mitglied der oben schon erwähnten „Arbeitsgruppe XXIV. Olympische Winterspiele Graubünden 2022″ und ist damit ein expliziter Verfechter der Bewerbung kenntlich (suedostschweiz 10.9.2012). Ob diese Doppelfunktion – persönlich engagierter Olympiapromotor von Graubünden 2022 einerseits, offiziell mit dem Thema befasster Volkswirtschaftsdirektor der Bündner Regierung andererseits -, thematisiert wird, ist unbekannt. Bei einer Pressekonferenz am 10.9.2012 trat neben Trachsel auch Sigi Aspiron auf. Aspiron ist Gemeindepräsident von St. Moritz und Kollege von Trachsel bei der „Arbeitsgruppe XXIV. Olympische Winterspiele Graubünden 2022″, siehe oben.
Am 11.9.2012 äußerte Trachsel zum Volksentscheid im Interview: „Der Kantonskasse wird für die Unterstützung der Kandidaten kein einziger Franken entnommen. Die Pro-Kampagne wird ausschließlich mit privaten Mitteln finanziert werden“ (suedostschweiz.ch 11.2012)
Gian Gilli bezifferte dagegen noch am 8.9.2012 den Betrag von Graubünden 2022 für die Abstimmung am 3.3.2013 mit einem „sehr kleinen, sechsstelliger Betrag“, siehe unten. Dieses Geld kommt aus dem Budget von Graubünden 2022, das schon jetzt aus öffentlichen Kassen gespeist wird. Allerdings ist hier eine Umdeklarierung öffentlicher Mittel in private Sponsorengelder zu erwarten.
14 Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, Chur, 5.9.2012
Ausgewählte Punkte:
– Die 47 Seiten sind angefüllt mit IOC-freundlichen Formulierungen wie z.B. „Die olympische Bewegung will zur Schaffung einer friedlichen und besseren Welt beitragen“ (S. 702). Dies darf stark bezweifelt werden.
– „Eine vom Bundesrat eingesetzte interdepartementale Arbeitsgruppe des Bundes kommt zum Schluss, dass die Machbarkeitsstudie
seriös durchgeführt und die gemäss dem aktuellen Projekt anfallenden Kosten transparent ausgewiesen wurden“ (S. 699).
Die Machbarkeitsstudie ist eine Auftragsarbeit für den Verein Graubünden 2022, wie auf S. 706 steht: „Gestützt darauf, dass die Machbarkeitsstudie basierend auf verschiedenen Studien des Vereins Olympische Winterspiele Graubünden 2022 als gegeben beurteilt werden kann…“ Die Autoren bleiben ungenannt, sind vermutlich Mitglieder des Vereins Graubünden 2022, siehe unten.
– Die Kosten sind – wie bei olympischen Bewerbungen üblich – weitaus zu niedrig angesetzt.
– Als Zeitplan wird angegeben:
Dezember 2012: Behandlung im Grossen Rat
3. März 2012: Volksabstimmung in Graubünden, Davos und St. Moritz; falls diese positiv verläuft:
September 2013: Anmeldung der Kandidatur
1. Quartal 2014: Einreichung Mini Bid Book
4. Quartal 2014: Entscheid des IOC betreffend Zulassung Kandidatur
Juni 2015: Vergabe der Olympischen Winterspiele 2022
Konzept der Kandidatur: „Kernstück der Bewerbung ist daher die Vision im Sinne von Nachhaltigkeit und Innovation“ (S. 709).
Dies wird das IOC anders sehen!
Als Schwerpunkte sollen bearbeitet werden: Nachhaltigkeit, Leben in den Bergen und „Jugend, Sport und olympische Werte“ (S. 712).
-Private Grundstücke:
„Sowohl in St. Moritz als auch in Davos sind von den Erweiterungen im Bereich der Sportanlagen teils private Grundstücke betroffen. Erste Kontakte zeigen, dass die Eigentümer dem Projekt offen oder positiv gegenüber stehen und große Gesprächsbereitschaft besteht“ (S. 715).
Bei von der Bewerbung München 2018 wurde im Hinblick auf die Bauern und Grundeigentümer in Garmisch-Partenkirchen stets behauptet, alle nötigen Grundstücke seien verfügbar. Der Anwalt der Grundeigentümer, Ludwig Seitz, stellte aber vor der IOC-Evaluierungskommission klar, dass keine der betroffenen Grundstücke zur Verfügung stehe, siehe dazu auch hier. Daraufhin wurde mit Enteignung gedroht.
„In einem nächsten Schritt werden die Planungen konkretisiert und unter Abwägung aller Interessen und Einbezug der Umweltorganisationen im Einzelfall tragbare Lösungen ausgearbeitet“ (S. 715f).
Die betreffenden Schweizer Umweltorganisationen haben bereits die Zusammenarbeit verweigert, auch weil die Durchsetzung der IOC-Interessen keine fruchtbare Kooperation zulässt.
– Das Olympische Dorf in Davos soll temporär geplant werden: Die dadurch anfallenden Kosten einschließlich der notwendigen Absenkung des Davoser Sees seien aber zu hoch (s. 717).
– „Für die Dauer der olympischen Spiele wird der Individualverkehr … eingeschränkt“ (S. 720).
Das gilt üblicherweise auch für einen Zeitraum vor und nach den Spielen. Einheimische und Berechtigte sollen eine Vignette erhalten.
– „Bei den gegebenen Platzverhältnissen und den zur Verfügung stehenden Infrastrukturen können großräumige Anforderungen des IOC an eigene Fahrspuren für bestimmte Gruppen, z.B. für IOC-Funktionäre oder Polizei—und Rettungskräfte, somit nicht erfüllt werden“ (S. 723).
Das wird das IOC aber gar nicht freuen: keine Kreml-Spuren!
– Zur Gewährleistung der Sicherheit sollen 2500 Polizisten, 5000 Angehörige der Armee, 800 Angehörige des Zivilschutzes, Vertreter der Sicherheitsorganisationen des Bundes, des Grenzwachtkorps und private Sicherheitsdienste eingesetzt werden (S. 723). Insgesamt kosten Planung, Vorbereitung und Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen 406 Millionen Franken, davon tragen „Bund und Kantone, insbesondere Graubünden“ 250 Millionen Franken (S. 724).
– Es soll ein „temporäres Olympiaschutzgesetz“ für den umfassenden Schutz der IOC-Marken im Eidgenössischen Parlament erlassen werden (S. 727).
– Zur Finanzierung der Bewerbung sollen St. Moritz 5 Millionen Franken, Davos 2 Millionen Franken und der Kanton Graubünden 8 Millionen Franken beitragen (S. 730).
– „Insgesamt entfällt auf den Kanton ein Kostenanteil von bis zu 370 Millionen Franken (Zwangsbedarf) bzw. bis zu 600 Millionen Franken (inkl. für Graubünden wünschenswerte Projekte) (S. 734).
Viele Ökonomen sind – auch bei London 2012 – der Ansicht, dass sich geplante Projekte ohne Olympische Spiele wesentlich kostengünstiger durchsetzen lassen.
– Dafür soll der Kanton Graubünden 300 Millionen Franken zurückstellen; hierfür müsste aber 2013 erst eine Rechtsgrundlage im Finanzhaushaltsgesetz geschaffen werden.
– Kommunale Abstimmungen: Sowohl der Kanton Graubünden als auch die Bürger von St. Moritz und Davos werden über Graubünden 2022 abstimmen (S. 741; suedostschweiz.ch 12.9.2012).
15 Verein Graubünden 2022: Machbarkeitsbeurteilung
Verein XXIV. Olympische Winterspiele 2022: Machbarkeitsbeurteilung (Bericht Phase 1), 10.9.2012 (Hervorhebungen WZ):
Es bleibt unklar, wer nun letztlich diese Machbarkeitsstudie verfasst hat. Auf Seite 4 steht: „Seit Januar 2012 arbeiten verschiedene Teams an der Abklärung der wichtigen Machbarkeitsaspekte für eine Kandidatur Graubünden 2022.“ Es ist anzunehmen, dass der Verein die Studie selbst erarbeitet hat.
– Infrastrukturkonzept Sport (S. 5-8; temporäre Bauten sind fett markiert):
Bob/Rennrodel/Skeleton: Olympia Bobrun, St. Moritz – Celerina
Curling: Sportzentrum, Klosters Serneus
Halle für 3.000 Zuschauer – wird nach den Spielen „teilweise zurückgebaut“
Eishockey:
Davos/Auf der Seewiese, Ersthalle für 10.000 Zuschauer: „Die Halle wird gänzlich temporär erstellt“
Davos/SeewieseVaillant Arena (Zweithalle): wird renoviert
Eisschnelllauf Speed Skating: Davos/Seewiese, Halle für 6.000 Zuschauer, „wird nur temporär erstellt“
Eisschnelllauf Shorttrack: Cho d’Punt (am Flugplatz), Samedan: Wettkampfhalle für 10.000 Zuschauer, Trainings- und Aufwärmhalle. „Wettkampfhalle und Aufwärmhalle werden temporär erstellt und zurückgebaut.“
Eiskunstlauf: Cho d’Punt (Flugplatz), Samedan
Ski Alpin: Alle Disziplinen: St. Moritz
Ski Freestyle: Aerials: Bolgen, Davos Platz; Moguls: Bolgen, Davos Platz
Ski Cross: Usser Isch, Jakobshorn, Davos; temporäres Zielstadion für 6.000 Zuschauer, wird wieder zurückgebaut
Ski nordisch Langlauf: Seewiese, Davos; temporäres neues Zielgelände
Skisprung: Olympiaschanze, St. Moritz; neue Schanzen mit 90 m, 60 m, 40 m, 15 m. „Für die olympischen Spiele wird temporär eine 120 m-Schanze gebaut. Sie wird nach den Spielen wieder entfernt.“
Nordische Kombination: Olympiaschanze, St. Moritz/Surlej, Silvaplana. „Am Ufer des Silvaplanersees wird eine temporäre Anlage erstellt, die danach vollständig zurückgebaut wird.“
Biathlon: Bual, Lantsch/Lenz; „Die Anlage wird für die Olympischen Wettkämpfe temporär auf 20.000 Zuschauer erweitert.“
Snowboard Halfpipe: Bolgen, Davos
Snowboard Cross: Usser Isch, Jakobshorn, Davos
Snowboard Giant Slalom: Usser Isch, Jakobshorn, Davos
– Infrastruktur Villages (S. 8):
Ein Dorf in St. Moritz (2.200 Personen), ein Dorf in Davos (.800 Personen). „In Davos wird ein Teil der Unterkünfte als temporäre Bauten erstellt.“
– Eröffnungs- und Schlusszeremonie (S. 8f):
„Die Eröffnungs- und Schlusszeremonie finden auf dem gefrorenen St. Moritzersee statt. Die Bühne wird in der ‚Meiereibucht’ an der Ostseite des Sees auf dem Eis erstellt. Optional kann die Bühne auf temporäre Pfählungen in den See gebaut werden. Die Zuschauertribünen werden temporär am Ostufer des Sees erstellt und nach den Spielen wieder entfernt. Die Anlage ist auf 35.000 Sitzplätze ausgelegt.“
Medal Plaza St. Moritz: Medaillenübergabe ist im alten Olympiastadion im Kulmpark.
Medal Plaza Davos: im Seehofseeli
Medienzentren (S. 9):
Hauptpressezentrum St. Moritz: auf 16.000 m2 in der Tennishalle „Corviglia Tennis Center“
Pressezentrum Davos: im Internationalen Kongresszentrum mit 16.000 m2
Internationales Fernsehzentrum Samedan: im Flughafenareal von Samedan in temporären Hallen auf 40.000 m2 sowie Außenfläche für Parabolspiegel mit 5.000 m2
Der hohe Anteil temporärer Bauten (oben fett markiert) ist schließlich den Verfassern selbst aufgefallen. Als „Lösung“ sehen sie ein Olympisches Dorf in Davos, „welches nach 2022 bestehen bleiben könnte“ (S 14).
– Verkehr (S. 10f):
Ab Landquart, Thusis/Tiefencastel und den Grenzübergängen Verkehr nur für Einheimische und Personen mit Vignette erlaubt. Der Öffentliche Verkehr soll einen Großteil des Transports übernehmen.
Eigene Fahrspuren für IOC-Funktionäre etc. können nicht im vollen Umfang ermöglicht werden.
– Unterkunft (S. 11f):
Im 90-Minuten-Umkreis von St. Moritz und Davos sowie dem Raum Zürich gibt es: 5-Stern: 3.400 Zimmer für 6.100 Gäste; 4-Stern: 8.800 Zimmer für 15.750 Gäste; gesamt: 35.300 Zimmer für 69.300 Gäste
Die Anforderungen des IOC von 22.800 Zimmer können erfüllt werden, „wenn entweder alle Hotels der 2*- bis 5*-Kategorie ihr gesamtes Kontingent zur Verfügung stellen“ oder Umschichtungen in den Kategorien erfolgen bzw. Ferienwohnungen einbezogen werden.
– Sicherheit (S. 12):
Nötig: „2500 Polizisten, 5000 Angehörige der Armee, Sicherheitsorganisationen des Bundes, des Grenzwachtkorps und von Blaulichtorganisationen“, dazu private Sicherheitskräfte und Freiwillige. Kosten: rund 410 Millionen Franken. Im Gegensatz hierzu steht auf S. 14: „Nicht im operativen Budget der Spiele erscheinen die Sicherheitsleistungen der öffentlichen Hand: Für diese Leistungen durch Polizeikorps, Militär und andere Bundesstellen sind 250 Millionen Franken veranschlagt.“
„Eine Verschärfung der Lage im Jahr 2022 hat zwingend Auswirkungen auf die notwendigen Ressourcen und die damit verbundenen Kosten.“
– Kosten und Investitionen (S. 13):
Kandidaturphase (2012 – 2015): 60 Millionen Franken
Operatives Budget (OCOG-Budget) für die Durchführung: 2,8 Milliarden Franken
Investitionsbudget (Non-OCOG-Budget) bei einer Durchführung: 1,5 Milliarden Franken
Die Infrastrukturinvestitionen von 1,5 Milliarden Franken „sind nicht Teil des Budgets der Organisatoren… wobei die Olympischen Winterspiele nicht der Grund, sondern lediglich der Auslöser der Investitionen sind, Die Anlagen … würden so oder so benötigt, die Investitionen für die Spiele aber vorgezogen“ (S. 15).
Das steht so in allen olympischen Machbarkeitsstudien. Bei der Bewerbung München 2018 waren plötzlich drei Autobahntunnel in Planung, die im Bundesverkehrswegeplan unter ferner liefen standen. Dazu werden alle unliebsamen Kosten in das Investitions-Budget (Non-OCOG-Budget) verschoben.
16 Wirtschaftsforum: „Wunsch, Wille oder Wahn“
Am 7.9.2012 waren Olympische Winterspiele 2022 in Graubünden Thema bei der Churer Herbstmesse vom Wirtschaftsforum Südostschweiz (Waser 8.8.2012b) Zur Podiumsveranstaltung „Wunsch, Wille oder Wahn“ waren ausschließlich Befürworter eingeladen. Es sprachen:
Gian Gilli, Operativer Leiter des Vereins „Graubünden 2022“ und Sportdirektor von Swiss Olympic, Thema: „Wie man sanfte Spiele plant“
Das ist – gerade nach den letzten Olympischen Winterspielen und den nächsten in Sotschi 2014! – in der Tat eine interessante Frage!
René Fasel, seit 1995 IOC-Mitglied und Präsident der Internationalen Eishockey-Föderation (IIHF), Verfechter der Vergabe der WM 2014 nach Weißrussland zu Diktator Alexander Lukaschenko. Sein Thema: „Braucht der Schweizer Sport Olympische Spiele?“
Wo die Schweiz doch schon Dutzende Internationaler Sportverbände beherbergt.
Richard Kämpf, Leiter des Ressorts Tourismus im Staatssekretariat für Wirtschaft, Thema: „Der ökonomische Olympiafaktor“.
Ein Touristiker müsste NICHT ZWANGSWEISE Olympische Spiele empfehlen, siehe London 2012, Athen 2004 etc.: wo der traditionelle Tourismus krass zurückging.
Miriam Ott/Dario Cologna, Olympische Medaillengewinner, Thema: Mittendrin im Olympiazirkus“.
Keine schlechte Bezeichnung: Zirkus. Erinnert an Panem et Circenses, Brot und Spiele.
Gerold Bührer, Präsident Economiesuisse, Thema: „Die olympischen Ringe in Politik und Wirtschaft“.
Besserer Titel: Wie das IOC Politik und Wirtschaft eroberte.
Es war als reine Jubelveranstaltung für Wunsch und Wille geplant: Den Wahn sollte niemand thematisieren. Kritiker: Fehlanzeige. Stefan Grass vom Komitee olympiakritisches Graubünden: „Wir wurden von den Organisatoren gar nicht um eine Teilnahme angefragt“ (Waser 8.8.2012a).
Grass wurde dann doch noch gnädigerweise bei der Podiumsdiskussion der Platz eines durch einen Todesfall verhinderten Olympioniken eingeräumt.
17 Die Podiumsdiskussion: „Wunsch, Wille oder Wahn“
In der Podiumsdiskussion redete René Fasel wie Ueli Maurer davon, „dass kleine, feine Spiele machbar wären“ und erinnerte an Lillehammer 1994 (suedostschweiz 7.9.2012b)
An „kleinen, feinen Spielen“ ist aber das IOC aus kommerziellen Gründen nicht interessiert, siehe oben. Und die Spiele von Lillehammer wären angesichts der heutigen gigantischen Dimensionen nicht mehr möglich.
Fasel sagte auch: „Die Natur ist sehr, sehr wichtig, und der Kampf um Nachhaltigkeit trägt langsam Früchte“ (Wortwörtlich, in Bündner Tagblatt 8.9.2012).
Leider ist gerade bei Sport-Großveranstaltungen genau das Gegenteil der Fall: von Nachhaltigkeit keine Spur. Die ökologischen Zerstörungen werden weltweit immer größer, die Klimaerwärmung immer dramatischer. Nur das Greenwashing trägt Früchte.
Fasels Demokratieverständnis zeigt sich in seiner Haltung zur geforderten Verlegung der Eishockey-WM 2014, die beim Diktator Alexander Lukaschenko in Weißrussland stattfinden soll. Fasel, Präsident der Internationalen Eishockey-Föderation, lehnte dies mit Hinweis auf die „Neutralität des Sports“ ab (Brössler, Neudecker 3.5.2012). Später legte Fasel nach: „Es ist nicht Aufgabe von Sportorganisationen und Athleten, den Job von Politikern zu machen“ (Aumüller, Neudecker 19.5.2012). Fasel weiter: “Wir sollten uns nicht als Marionetten der Politiker oder Aktivisten benutzen lassen. Sport kann und sollte auch kein Instrument der Politik sein” (SZ 21.5.2012).
Der Staat wird aber auch im Fall Olympischer Winterspiele 2022 in Graubünden aufgefordert sein, zu zahlen und ein milliardenschwereres Engagement zu übernehmen.
Vergleiche: Der Sport ist politisch
Der Chef der Graubündner Kantonalbank, Alois Vinzens, bezog sich auf den „Wahn“: Es dürfe sogar „ein Hauch von Wahnsinn mit dabei sein“ (Morandi 8.9.2012).
Der Wahnsinn zeigt sich gerade bei Olympischen Winterspielen: durch Landschaftszerstörungen, Klimaerwärmung und Gigantismus. Das ist extrem bei Sotschi 2014 zu beobachten, aber auch bei Vancouver 2010 und Pyeongchang 2018.
Für Stefan Grass sind allein schon durch die Dimension Olympische Winterspiele das falsche Projekt für Graubünden. Er warnte auch vor den falschen ökonomischen Erwartungen: „Der Werbeeffekt von olympischen Spielen wird klar überschätzt“ (Ebenda).
18 Touristiker natürlich für Graubünden 2022
15 Bündner Touristiker und Verantwortliche von Transportunternehmen setzten sich Mitte September 2012 für Graubünden 2022 ein: “Olympische Spiele seien das größte Werbeprogramm für Graubünden in der Neuzeit” (suedostschweiz.ch 18.9.2012).
In Wirklichkeit sind Olymische Spiele das teuerste Werbeprogramm, das man sich vorstellen kann.
In diesem Zusammenhang: Davos sitzt schon jetzt auf einem Schuldenberg, der bis zum Jahr 2017 auf im schlechtesten Fall 189 Millionen Franken anwachsen kann. Geplant sind die Einführung einer Liegenschaftssteuer, Liegenschaftsverkäufe und Einsparungen (suedostschwez.ch 17.9.2012).
Vermutlich möchte sich der Ort mit der Bewerbung 2022 sanieren: Das hat aber noch nie geklappt, da jeder Austragungsort von Olympischen Winterspielen nachher noch höher verschuldet war.
19 Augenwischerei
Der frühere Chefredakteur des St. Galler Tagblatts, Gottlieb F. Höpli, schrieb dazu u.a.: “Kleine, feine Spiele, retour à la nature: Das ist natürlich Augenwischerei. Wie gross, wie umfangreich diese Mega-Events werden sollen, bestimmen nicht die Veranstalter, sondern das Internationale Olympische Komitee (IOC). Und das hat für die kommende Winterolympiade in Sotschi die Zahl der Disziplinen gerade eben von 86 auf 98 erhöht… Mit dem Bewerbungsdossier müssen sich die Veranstalter gegenüber dem IOC verpflichten, bevor die Baupläne von den Behörden bewilligt werden. Mit anderen Worten: Das IOC diktiert, der Veranstalter macht’s – und zahlt…
Jedem Vernunftwesen müsste klar werden, dass die Olympischen Spiele immer mehr Ähnlichkeiten mit den Dinosauriern aufweisen. Ihre gigantische Grösse, ihre Unbeweglichkeit sind mit einer Reduktion auf etwas kleinere Dinosaurier-Ausmasse nicht mehr zu retten…
Dabei ist der Begriff «Spiele» ja längst ein unglaubwürdiger Euphemismus. Nicht die Jugend der Welt, sondern von Kindsbeinen an spezialisierte und immer häufiger sogar genetisch gezielt gezüchtete Athleten bieten hier Leistungen dar, über die der Normalverbraucher nur noch ungläubig den Kopf schüttelt… Schon längst ist die nationale Medienberichterstattung zu einer ziemlich chauvinistischen Aufzählung der Erfolge und Misserfolge der eigenen Athleten pervertiert. Völkerverständigung sieht für mich anders aus” (Höpli, Gottlieb F., Die Schweiz braucht keine Olympischen Spiele, in nzz.ch 23.9.2012).
20 Die Bündner Bevölkerung entscheidet: am 3. März 2013
Eine Online-Umfrage der Zeitung Südostschweiz Ende März 2011 zum Thema Graubünden 2022 erbrachte 36 Prozent Zustimmung und 60 Prozent Ablehnung. Vergleiche: Graubünden
Hansjörg Trachsel benannte am 11.9.2012 im Interview den Text der Frage: „Soll Graubünden mit St. Moritz und Davos für die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2022 kandidieren?“ (suedostschweiz.ch 11.9.2012).
Sportminister Ueli Maurer stellte fest, lässt sich das Volk nicht überzeugen, wäre die Kandidatur „vom Tisch“ (Jürgensen 5.9.2012). Der Sprecher für Graubünden 2022, Christian Gartmann, äußerte: „Wenn eine der zwei Standortgemeinden Nein sagt, ist die Kandidatur gestorben“ (Feuz, Schürer 6.9.2012). Gian Gilli sieht die Bewerbung ebenfalls als beendet an, falls Davos, St. Moritz oder der Kanton Graubünden dagegen stimmen (Burger 8.9.2012). Gilli setzte den finanziellen Einsatz von Graubünden 2022 für die Abstimmung am 3.3.2013 so an: „Ein sehr kleiner, sechsstelliger Betrag“ (Berger 8.9.2012; Hervorhebung WZ).
Das sollte man nicht wörtlich nehmen. Bei der Bürgerbefragung in Garmisch-Partenkirchen zu Olympischen Winterspielen 2018 war das Budget der Befürworterseite im Vergleich zu den Gegnern der Bewerbung um ein Vielfaches höher: mit entsprechenden Auswirkungen. So konnten die Befürworter Plakatwände mieten, Anzeigen schalten, Infomaterial verteilen. Dazu kam die personelle und finanzielle Unterstützung der Stadt Garmisch-Partenkirchen etc.
Im Fall Graubünden 2022 könnten zudem die interessierte Immobilienwirtschaft und andere Wirtschaftszweige Millionen in eine Pro-Kampagne pumpen.
Auch Stefan Grass vom Komitee Olympiakritisches Graubünden stellte fest: „Wenn die Bündner Nein sagen, sind die Spiele vorzeitig gestorben“ (Tuchschmid 19.8.2012)
Damit hätte die Schweiz nicht nur 60 Millionen Franken (oder mehr) für die Bewerbung gespart, sondern auch im Fall eines Zuschlags Umweltzerstörungen im gigantischen Ausmaß, eine hohe Verschuldung in Milliardenhöhe und jede Menge Folgeschäden.
21 Graubündner Widerstand gegen Graubünden 2022
Ganz neu im Internet ist die Webseite der Graubündner Olympiagegner: http://www.olympia-nein.ch/
22 Knebelverträge des IOC
Im Schweizer Tagesanzeiger erschien der Artikel von Stefan Häne: Der “Knebelvertrag” von München droht auch den Bündnern, der die harten Auswirkungen der IOC–Verträge für das ausrichtende Land und den Gastgeberort aufzeigt.
Siehe hier.
23 Die Abstimmung: Graubünden 2022: Nein danke!
Siehe hier
Quellen:
Arbeitsgruppe XXIV. Olympische Winterspiele Graubünden 2022, PM “Bündnerisch, mutig, anders – Olympia 2022 als Wegmarke“, Medienmitteilung vom 30.3.2011
Argumentarium gegen Olympische Winterspiele „Graubünden 2022“: Olympische Winterspiele bedeuten Schulden!, Chur 19.7.2012
Aumüller, Johannes, Neudecker, Michael, Schweigen statt diskutieren, in SZ 19.5.2012
Berger, Hansruedi, Olympia: Der Bund müsste tief in die Tasche greifen, in suedostschweiz.ch 6.7.2012
Berger, Olivier
– Olympia-Pläne ohne Überraschungen, in Die Südostschweiz 31.3.2011
– Kanton und Gemeinden wollen es ohne Ringier-Geld packen, in suedostschweiz.ch 1.9.2012
Birrer, Raphaela, Der Bundesrat unterstützt die Bündner Winterspiele 2022, in tagesanzeiger.ch 5.9.2012
Brinkbäumer, Klaus/Geyer, Matthias/Wulzinger, Michael, Olympia – Rutschbahn vom Himmel, in Spiegel 52/21.12.1998
Brössler, Daniel, Neudecker, Michael, Weißrussland “kein würdiger Gastgeber“, in SZ 3.5.2012
Bündner Regierung befürwortet Olympische Winterspiele in Graubünden, 10.9.2012
Bündner Regierung, Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, Heft Nr. 11/2012-2013
Bundesrat informiert sich über Olympia-Kandidatur, in nzz.ch 4.7.2012
Bundesrat unterstützt Olympia-Kandidatur in Graubünden, in tagesanzeiger.ch 5.9.2012
Burger, Rudolf, „Olympia ist ein Impulsprogramm, das sehr viel bewegen kann“, in derbund.ch 8.9.2012
Capodici, Vicenzo, „Diese Kandidatur hätte bei den IOC-Mitgliedern gute Chancen“, in tagesanzeiger.ch 5.9.2012
Chancen für kleine Spiele steigen, in suedostschweiz.ch 7.9.2012a
Davos steht vor Schuldenberg, in suedostschwez.ch 17.9.2012
Ein kräftiges Ja für die Bündner Olympia-Pläne, in tagesanzeiger.ch 25.5.2012
„Eine Schuhnummer zu groß“, in Walliser Bote 11.1.2011
Faki, Sermîn, Eine Chance, das Versprechen zu halten, in suedostschweiz 6.9.2012
Feuz, Patrick, Schürer, Stefan, „Wenns ernst wird, stimmen sie Nein“, in tagesanzeiger 6.9.2012
Furter, Reto, Samadeni: „Nicht blenden lassen“, in suedostschweiz 7.9.2012
Gian Gilli: „Derzeit hätte Olympia bei einer Abstimmung wenig Chance, in suedostschweiz.ch 5.1.2012
Gian Gilli, „Olympia zahlt sich aus“, in suedostschweiz.ch 7.7.2012
Gian Gilli übernimmt die Leitung der Olympia-Kandidatur, in www.swissolympc.ch 5.1.2012
Häne, Stefan, Der „Knebelvertrag“ von München droht auch den Bündnern, in Tagesanzeiger 7.2.2013
Handschin, Ueli, Gegner bleiben dabei: ein „volkswirtschaftlicher Unsinn“, in Die Südostschweiz 11.9.2012
Höpli, Gottlieb F., Die Schweiz braucht keine Olympischen Spiele, in nzz.ch 23.9.2012
Jankovsky, Peter, „Weisse Spiele“ spalten das Volk, in nzz.ch 17.1.2013
Jürgensen, Nadine, Berner Startschuss für Olympia, in nzz.ch 5.9.2012
Kanton Graubünden, Botschaft der Regierung an den Großen Rat, Chur, 5.9.2012
Kräftiges Ja für Bündner Olympia-Pläne, in nzz.ch 24.5.2012
Kritik verworfen, in SZ 21.5.2012
Krummenacher, Jörg, Die Bündner Vision für Olympia ohne Größenwahn, in nzz.ch 21.1.2012
Meier, Dominik, Kritische Stimmen zur Olympia-Milliarde, in drs.ch 6.9.2012
Menzato, Nico, Odermatt, Marcel, Olympische Spiele 2022 in die Schweiz? in blick.ch 2.9.2012
Morandi, Dario, „Kleine, feine Spiele wären machbar“, in Die Südostschweiz 8.9.2012
Müller, Hansruedi, Nie mehr Olympische Winterspiele in der Schweiz? Universität Bern, 4.11.2002
Muschg, Benjamin, Der Irrweg zurück in die olympische Zukunft, in bazonline.ch 10.8.2011
Musch, Benjamin, Brüngger, Christan, Spiel mit dem olympischen Feuer, in Sonntagszeitung 21.11.2010
Observatorium Sport und Bewegung Schweiz: Indikator 6.5 Internationale Sportorganisationen und –verbände in der Schweiz, www.sportobs.ch
Olympia in Graubünden im Fokus des Wirtschaftsforums Südostschweiz, in suedostschweiz.ch 7.9.2012b
Olympia ist serviert, in suedostschweiz.ch 8.9.2012
Olympia-Kandidatur ist teurer als gedacht, in nzz.ch 5.7.2012
Olympia: Davos stimmt auch kommunal ab, in suedostschweiz.ch 12.9.2012
Olympia: St. Moritz soll Host City werden, in suedostschweiz.ch 21.12.2011
Olympische Winterspiele: 12.000 bis 15.000 Vollzeistellen in Graubünden, in suedostschweiz.ch 10.9.2012
Ringier vermarktet Bündner Oly