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Eishockey-WM 2014

 
Zuletzt geändert am 22.05.2012 @ 20:12

Beim weißrussischen Diktator Lukaschenko zuhause
Nicht nur das IOC kooperiert häufig mit Diktaturen und autoritären Regimes (vergleiche hier) – siehe als jüngste Beispiele Olympische Spiele 2008 in Peking und 2014 in Sotschi. Auch seine großen Internationalen Mitgliedsverbände tun dies ohne Not: Fußball-EM 2012 in der Ukraine, Fußball-WM 2018 in Russland und 2022 in Katar, Bahnrad-WM 2013 und Eishockey-WM 2014 in Weißrussland, Handball-WM 2015 in Katar. Usw.

Der jüngste Fall ist Weißrussland, wo mit Alexander Lukaschenko seit 1994 der letzte Diktator Europas herrscht. Seine erste Wahl 1994 und alle weiteren (2001, 2006 und 2010) gelten als gefälscht. 2006 beschloss die EU, alle Konten von Lukaschenko und 35 weiteren Regierungsmitgliedern einzufrieren. 2012 zog die EU alle Botschafter aus Weißrussland zurück und verschärfte ihre Sanktionen (Wikipedia).

Oppositionelle wie Mikalai Statkevich, der Anführer der Sozialdemokratie und Kritiker Lukaschenkos sitzen in grausamen Gefängnissen als politische Gefangene und werden mit Schwerkriminellen zusammengesperrt (Dynko SZ 12.5.2012). Wer bei Lukaschenko frei kommen will, muss ein erniedrigendes Gnadengesuch an ihn persönlich schicken. Als die EU zur Freilassung des weißrussischen Oppositionellen Andrej Sannikau im April 2012 beitragen konnte, verkündete Lukaschenko: “Noch so ein  Versuch, uns unter Druck zu setzen, und all diese freigelassenen Windbeutel kommen zurück in die Strafkolonie” (Dynko 12.5.2012).
Mitte März 2012 ließ die weißrussische Regierung zwei angebliche Attentäter auf die Metro von Minsk nach einem dubiosen Prozess erschießen. Die Grünen-Politikerin Marieluise Beck sagte dazu: „In diesem Schauprozess nach stalinistischer Manier ging es nicht um die Ermittlung der wahren Täter und deren Bestrafung, sondern darum, Spuren zu verwischen, die in das Zentrum von Lukaschenkos Regime selber weisen” (zeitonline 17.3.2012).

Bundesaußenminister Guido Westerwelle schrieb dazu: “Ich verurteile die Vollstreckung der Todesstrafe (…)  und bedauere, dass Präsident Lukaschenko alle internationalen Appelle, das Todesurteil nicht zu vollstrecken, ignoriert hat.” Kanzleramtsminister Ronald Pofalla warnte vor einer weiteren Verschlechterung der sowieso schon schwer belasteten Beziehungen zwischen Weißrussland und Europa (Ebenda). Auch die EU-Außenministerin Catherine Ashton kritisierte die Weißrussische Regierung scharf (spiegelonline 18.3.2012).

Deutschlands Politik knickt vor dem Sport ein
Lukaschenko ist Eishockey-Fan. Im Jahr 2009 hatte der Internationale Eislaufverband IIHF (zu finden unter Die Sport-Paläste) die Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 nach Weißrussland vergeben. Nach den Minsker Erschießungen im März 2012 formierte sich Anfang Mai bei den im Bundestag parteiübergreifend der Widerstand bei SPD und Grünen sowie Union und FDP gegen die Austragung der Eishockey-WM 2014 in Weißrussland. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) äußerte: „Aus meiner Sicht ist die  Vorstellung unerträglich, dass dieses Unrechtsregime, das einsperrt und hinrichtet, durch die Austragung der Eishockey-Weltmeisterschaft im Jahr 2014 eine besondere Auszeichnung erfährt“ (Bannas 10.5.2012).

Umgehend lehnte dies Anfang Mai 2012 der Präsident der IIHF, der Schweizer René Fasel, ab und verwies auf die „Neutralität des Sports“ (Brössler, Neudecker SZ 3.5.2012). Fasel ist seit 1994 Präsident der IIHF und seit 1995 IOC-Mitglied. Der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), Uwe Harnos sagte immerhin, der Sport könne sich „nicht darauf zurückziehen, dass er unpolitisch ist“ (Ebenda).

Kurz danach rückten Union und FDP von einer gemeinsamen Entschließung ab. Insbesondere zwei Abgeordnete des Bundestages opponierten. Der Thüringer Patrick Kurth (FDP) äußerte, eine Verlagerung der Eishockey-WM sei allein Sache der Sportverbände. Und der Berliner Karl Georg Wellmann (CDU) brachte das hinlänglich vom IOC und DOSB bekannte „Argument“, dass gerade durch die Vergabe solcher Sportereignisse die innenpolitischen Zustände beleuchtet würden (Bannas 10.5.2012).
Das ist eine völlige Verdrehung der konkreten historischen Entwicklungen bei Olympischen Spielen und anderen Sport-Großevents.

Die Tendenz wird durchgängig, angesichts von Großevents im Sport diktatorische Regimes hinzunehmen und zu verharmlosen: Die Sportverbände geben diese Linie vor, und die Politiker folgen ihr. So nahm Cornelia Pieper (FDP), Staatsministerium im Auswärtigen Amt, zur Eishockey-WM 2014 in Weißrussland Stellung und bewegte sich auf der DOSB-Linie ihres Parteifreundes Thomas Bach: „Man sollte Sport und Politik voneinander trennen.“ – „Ich bin kein Fan davon, dass man Sport zum Mittel der Politik macht“ (Jonas Reese, „Weißrussland ist ein Grenzfall, in dradio.de 19.5.2012)
Und so macht der Sport die Politik.

Der Sport macht, was er will
„In der Opposition wurde wahrgenommen, die Koalitionsfraktionen und vor allem die FDP hätten im Sinne des Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Bach, gehandelt, der Mitglied der FDP und zudem Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) – mit angeblich weitergehenden Ambitionen – sei. Bach hatte im April vor einer Überforderung des Sports gewarnt. ‚Der Sport ist nicht in der Lage, für die Einhaltung und Umsetzung der Charta der Vereinten Nationen zu sorgen. Dies ist Aufgabe der Politik’“ (Bannas 10.5.2012).
Der Staat bezahlt den Spitzensport, der sich nicht um Demokratiefragen schert.

Mitte Mai 2012 fand in Helsinki ein IIHF-Kongress statt. Präsident René Fasel verteidigte aggressiv seinen Standpunkt: „Es ist nicht die Aufgabe  von Sportorganisationen und Athleten, den Job von Politikern zu machen.“ Eine Entscheidung gegen die WM in Weißrussland würde „die falschen Leute bestrafen, nämlich die Fans in Weißrussland und die Athleten“ (Aumüller, Neudecker 19.5.2012).
Auch eine gern eingeübte Floskel von Profisport-Funktionären. Vergleiche Die Profisport-Funktionäre

Nach Fasels Eröffnungsbeitrag auf dem IIHF-Kongress lieferte die weißrussische Delegation ihre WM-Präsentation ab. Auf die Frage zur politischen Situation in Weißrussland antwortete eine Sprecherin des weißrussischen Eishockey-Verbandes: Wir konzentrieren uns auf den Sport, nicht auf die Politik“ (Ebenda).
Das war bei den Olympischen Sommerspielen Berlin 1936 im faschistischen Hitler-Deutschland auch schon die Argumentation der Sportfunktionäre.

Bei der Diskussion meldete sich DEB-Präsident Harnos als einziger zu Wort und wandte sich gegen eine Absage; man müsse aber vor Ort  klar seine Meinung äußern, mit der Bevölkerung in Kontakt treten und auf Missstände hinweisen.“ Was erfolgte auf den Beitrag von Harnos auf dem Kongress: keinerlei Reaktion (Ebenda).

Bahnsport-WM 2013 zu Gast in Weißrussland
Als nächster Internationaler Sportverband wird der Weltradsportverband UCI Weißrussland beehren. (Auch die UCI ist zu finden unter Die Sport-Paläste).  Kurz nach den Hinrichtungen im März 2012 beschloss die UCI im April  2012, die Bahnrad-WM 2013 in Minsk durchzuführen. UCI-Sprecher Enrico Carvani wies darauf hin, dass Weißrussland die Junioren-EM 2009 bestens ausgerichtet habe. Auf die Frage zur Lukaschenko-Diktatur sagte Carvani: „Für uns spielen politische Gründe nie eine Rolle.“ Es gebe „keinen Grund, Weißrussland diese WM zu verweigern“ (Ebenda).

Die Sportdemokratur ist eben eine ganz spezielle: Erschreckend – und mit Sicherheit nicht demokratisch.

Quellen:
Aumüller, Johannes, Neudecker, Michael, Schweigen statt diskutieren, in SZ  19.5.2012
Bannas, Günter, Die Abgeordneten und der überforderte Sport, in faz.net 10.5.2012
Brössler, Daniel, Neudecker, Michael, Weißrussland „kein würdiger Gastgeber“, in SZ 3.5.2012
Dynko, Andrej, Das System der Demütigung, in SZ 12.5.2012
Käppner, Joachim, Fest der Völker? In SZ 12.5.2012
Kreuzer, Heinz-Peter, Außer Konkurrenz: Menschenrechte, in dradio.de 12.5.2012
Mutmaßlicher Metro-Attentäter von Minsk hingerichtet, in zeitonline 17.3.2012
Weißrussland richtet zweiten  Metro-Attentäter hin, in spiegelonline 18.3.2012
Wikipedia


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