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Avery Brundage

 
Zuletzt geändert am 13.02.2017 @ 17:31

Avery Brundage (* 1887, † 1975) war ein amerikanischer Bauunternehmer und Millionär (Hoffmann 28.9.2012). Er wurde 1928 Präsident der Amateur Athletic Union (AAU), 1929 Präsident des United States Olympic Committee und 1930 Vizepräsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF. 1936 wurde er IOC-Mitglied, 1945 IOC-Vizepräsident; von 1952 bis 1972 war er IOC-Präsident.

Brundage beeinflusst die Haltung Amerikas
Im American Olympic Committee (AOC) wurde 1934 ein Boykott der Olympischen Spiele in Berlin 1936 wegen des „Dritten Reiches“ diskutiert. Brundage äußerte bezeichnenderweise im Dezember 1934 zur Diskriminierung von Juden in Deutschland, dass die Stellung der Neger in den USA bei den Olympischen Spielen 1932 auch nicht viel anders gewesen sei (Krüger S. 48). Er witterte eine „jüdisch-kommunistische Verschwörung“ und organisierte eine Verschiebung der Abstimmung, um die Teilnahme der USA zu erreichen. „Mit politischen Roßtäuschertricks gelang es schließlich Brundage, eine ganz knappe 2,5-Stimmen-Mehrheit für die amerikanische Olympiateilnahme herbeizuführen“ (A.a.O., S. 49) Brundage überredete den IOC-Präsidenten Graf Henri de Baillet-Latour, dass amerikanische Leichtathleten auch ohne Unterschrift der AAU antreten konnten. Dann „zitierte Brundage über Nacht telegrafisch einige Freunde herbei, um sich die Mehrheit zu sichern… Für Brundages Antrag stimmten der deutsche Agent von der ‚German Athletic Union‘, der hitlerfreundliche Vertreter des ‚American Turnerbund‘ und der Verbandsfunktionär der Berufsradfahrer“ (Ebenda).

Brundage als Antisemit
Brundage traf sich dann mit Vertretern von NS-Funktionären und jüdischen Sportverbänden in Berlin: Als feststand, dass jüdische Sportler nicht Mitglied in deutschen Sportvereinen sein konnten, sagte Brundage, dass dies in seinem Club in Chikago auch nicht möglich sei und sah darin keine Diskriminierung: „In my club in Chicago Jews are not permitted either“ (Bericht des deutschen jüdischen Sportfunktiomärs Robert Atlasz, zitiert in Ostler u. a. S. 54).
Seinen positiven Bericht zur Situation jüdischer Sportler in Deutschland hatte er bereits vor seiner Reise verfasst: Wie erwartet stimmte das AOC dann für die Teilnahme. – „Brundage agitierte beispielsweise mit Erfolg gegen die in den USA weitverbreiteten Bestrebungen, die Berliner Propaganda-Spiele zu boykottieren. Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang nicht unerheblich, dass dem schwerreichen Bauunternehmer angeboten wurde, eine neue deutsche Botschaft in Washington zu errichten. Diese Geschäftsbeziehungen mit Nazi-Deutschland könnten auch erklären, weshalb in Berlin zwei ursprünglich für die US-Staffel nominierte jüdische Sprinter kurzfristig gestrichen wurden – von Brundage“ (Herrmann 25.10.2014).
1935 verfasste Brundage eine antisemitische Schrift und setzte sich auch für die Ersetzung von zwei jüdischen Sprintern durch nichtjüdische im US-Team ein. „Im Dezember 1935 gelang es ihm, bei der Abstimmung der AAU eine knappe Mehrheit von 58 zu 56 Stimmen mit unlauteren Mitteln auf seine Seite zu ziehen. Brundage hatte sich mit der NS-Diktatur arrangiert und die deutsche Judenpolitik gebilligt“ (Ostler u. a. S. 49).

Brundage als Sportfunktionär
Nachdem der Sprinter Jesse Owens bei den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin vier Goldmedaillen gewann, „erklärte der des Rassismus nicht unverdächtige und mit dem Hitler-Regime sympathisierende Präsident des US-Leichtathletik-Verbandes AAU, Avery Brundage, seinen besten Athleten kurzerhand zum Profi“ (Gernandt 31.7.2011), da Owens angeblich ein Profiangebot angenommen habe. „1936 vertrieb der Chef der US-Leichtathletik, der Rassist Avery Brundage, den Helden von Berlin, Jesse Owens, aus dem Amateurlager. Owens sollte nach den Nazi-Spielen noch Länderkämpfe für die USA bestreiten, weigerte sich jedoch. Brundage vermutete: Der läuft andernorts für Bares. Der Weltverband sprach von ‚Verbrechen‘. Am Amateurismus“ (Gernandt 31.12.2015).
Owens hatte daraufhin große Mühe, seine Familie zu ernähren: Brundage hatte seine Sportkarriere ruiniert. „Belegen musste der Multifunktionär den Vorwurf nicht. Brundage hatte schon 1932 bei der Disqualifikation des finnischen Langstrecken-Heros Nurmi die Finger im Spiel gehabt und 1972, inzwischen IOC-Präsident, dem Skifahrer Karl Schranz das Olympia-Startrecht entzogen“ (Ebenda). – „Owens war 22 Jahre alt, als er in Berlin triumphierte. Seine Karriere ging trotzdem schnell zu Ende. Dafür hatte Brundage gesorgt. Weil sich der junge Familienvater Owens nicht für eine Vermarktungstour in Europa zur Verfügung stellen wollte, sondern direkt nach den Spielen zu Frau und Kind heimkehrte, entzog ihm Brundage den Amateurstatus. Damit konnte er keine offiziellen Rennen mehr bestreiten. Stattdessen arbeitete er in einer Reinigung, tourte mit einer Jazz-Band und sprintete zu Showzwecken gegen Rennpferde, Windhunde und Motorräder“ (Herrmann 25.10.2014).
Der damalige IOC-Präsident de Baillet-Latour verfolgte die Linie, dass das IOC die innenpolitischen Vorgänge im NS-Deutschland nichts angingen. Und sein Stellvertreter Sigfrid Edström schrieb noch am 8.2.1938 an Brundage: „Um die strikte Opposition der Nazis gegen das Judentum zu verstehen, muss man in Deutschland leben. In wichtigen Geschäftsfeldern waren die Juden in der Mehrheit und verhinderten, dass jemand anderes Zugang erhielt“ (Cassier 14.5.2012).

Brundage nach 1945
1967 gründete sich die Sportlerbewegung „Olympic Project for Human Rights“, die Brundage als Nazi-Sympathisanten und Rassisten („Slavery Avery“, vgl. Krauss 5.8.2008) anklagte und seinen Rücktritt forderte. Als Martin Luther King 1968 erschossen wurde, erklärten 63 schwarze Athleten ihren Olympia-Boykott für die Olympischen Sommerspiele in Mexiko 1968. Brundage behauptete, die schwarzen Sportler werde niemand vermissen. Daraufhin protestierten bei der Siegerehrung in Mexico City unter anderen die Goldmedaillengewinner Tommie Smith und John Carlos und die 400-Meter-Staffel der Herren: Sie wurden bestraft, verloren Akkreditierung und Visa und mussten Mexiko sofort verlassen. Brundage verurteilte den Protest als „hässliche Demonstration einiger Neger gegen die amerikanische Flagge“ (Andrew Jennings).

Brundage prägte 1972 nach dem Attentat von München den Spruch: „The games must go on.“ Noch 1971 betonte er: „The Berlin Games were the finest in modern history…I will accept no dispute over that fact“ (http://avery-brundage.inmemoriam.org/).

Siehe auch NS-Sportfunktionäre

Quellen:
Cassier, Philip, Ein Amerikaner verhinderte Olympia-Boykott 1936, in welt.de 14.5.2012
Churchill Jr., James E., The Olympic Story, Grolier Enterprises Inc. 1983
Creamer, Robert, The Embattled World of Avery Brundage, in SiVault 30.1.1956
Gernandt, Michael
– 17 Tage im August, in SZ 31.7.2011
– Kehrtwende im Rekordtempo, in SZ 31.12.2015
Herrmann, Boris, Künstliche Beatmung, in SZ 25.10.2014
Hoffmann,Eduard, Missionar der olympischen Idee, in dradio.de 28.9.2012
Hyde, Mariuna, Politics has always been the Games‘ main event, in The Guardian 14.2.2008
Jennings, Andrew, Das Olympia-Kartell, Reinbek 1996
Krauss, Martin, Armbänder statt Fäuste, in taz 5.8.2008
Ostler, Josef, Schwarz, Peter, Schwarzmüller, Alois, Wörndle, Franz, Die Kehrseite der Medaille – IV. Olympische Winterspiele Garmisch-Partenkirchen 1936, Garmisch-Partenkirchen 2016
Krüger, Arnd, Theodor Lewald, Sportführer ins Dritte Reich, Berlin 1975
Schmitt, Uwe, Wie Hitler Olympia-Gegner zum Schweigen brachte, in weltonline 8.5.2008
Simson, Vyv/Jennings, Andrew, Geld, Moral und Doping – Das Ende der olympischen Idee, München 1992
Wikipedia


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