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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Juni 2011

 
Zuletzt geändert am 27.03.2014 @ 17:41

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Kleine Nachlese zum neuerlichen Fifa-Skandal

„Eine Garde alter Männer bestätigte innerhalb weniger Tage sämtliche Vorbehalte gegen einen Verband, der als Monopolist mit seinem einzig bedeutsamen Gut, der Weltmeisterschaft, jährlich über eine Milliarde Dollar umsetzt, dreistellige Millionengewinne macht und sich außerhalb der ‚Fußballfamilie‘ nichts und niemandem verpflichtet zu fühlen scheint: keinem Strafrecht, keinem Steuerrecht, keiner Geschäftsethik. Und immer wieder geht es um denselben Verdacht: Bestechung oder Bestechlichkeit“ (Weinreich, Jens, Wulzinger, Michael, Tiefe Taschen, in Der Spiegel 23/6.6.2011).
In der Chronologie Mai 2011 steht schon am Schluss unter „Sepp the Ripper“ der Bericht über die skandalöse Vorgeschichte und die noch skandalösere Wahl des Fifa-Paten Blatter zum ewigen Präsidenten. Schließlich sägte Blatter Mitte Juni 2011 auch noch seinen Vizepräsidenten Jack Warner endgültig ab – mit dem zynischen Nachruf: „Sein Rückzug wurde von der Weltregierung des Fußballs akzeptiert…“ (Jack Warner tritt zurück, in SZ 211.6.2011).
Die „Weltregierung des Fußballs“ – synonym für den Fifa-Größenwahn.

Welche Lektion hat Blatter der Weltöffentlichkeit, der Weltpresse und nicht zuletzt den weltweiten Fußball-Fans erteilt?
1) Ruf ruinieren
Es ist ihm und der Fifa herzlich egal, welche Reputation sie genießt: Hauptsache, der Kontenstand stimmt. Motto: „Und ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt sichs gänzlich ungeniert.“ Den Ruf hat Blatter spätestens 1998 bei seiner Erstwahl ruiniert, wo Kouverts mit Geld unter Hoteltüren verschoben wurden. Seither verhält sich die Fifa rufmäßig ungeniert. Evi Simeoni schrieb zum vergleichbaren Salt Lake City-Skandal des IOC von 1999: „Es gibt nur eine Sportgroßmacht auf dieser Welt, die in der Lage ist, das IOC-Glaubwürdigkeitsdesaster zu übertrumpfen: der Internationale Fußballverband (Fifa). Und er hat es geschafft“ (Simeoni, Evi, Das Jahr, als der Olymp wankte, in faz.net 9.6.2011).
2) Von der Demokratie zur Sport-Demokratur
Blatter schreckte nicht einmal davor zurück, im März 2011 in die Militärdiktatur Birma zu reisen und sich mit den Junta-Herrschern abbilden zu lassen. Der dortige Fußball-Verbandschef Zaw Zaw und sein Firmenkonglomerat Max Myanmar erhielt von der Fifa 400.000 Dollar zur Neugestaltung eines Jugendcamps. Zaw Zaw geriet wegen seiner engen Beziehungen zur Junta um General Than Shwe auf die Sanktionsliste der Schweiz: Das Berner Staatssekretariat für Wirtschaft überprüft nun, warum sich die Fifa als Verein nach Schweizer Recht nicht an die Sanktionsbestimmungen gehalten hat (Kistner, Thomas, Wahlkampf mit Junta, in SZ 28.3.2011).
Unnötig zu spekulieren, ob der Vertreter der birmanischen Generäle am 1.6.2011 in Zürich Blatter gewählt hat.
Das Fifa-IOC-Internationale Sportverbände-Prinzip funktioniert so: Man schafft globale, auf den ersten Blick demokratisch wirkende Vertretungsstrukturen mit Verbandsvertretern aus vielen Ländern und kleinen Inselstaaten: 208, mehr als die UNO. Das Prinzip: Ein Land, eine Stimme. Gabun hat eine Stimme wie die USA. Birma hat eine wie Deutschland. Damit soll NICHTS gegen kleine Länder gesagt werden, sondern gegen das Fifa-IOC-Prinzip.
„In der Zeit, seit Blatter in der Fifa wirkt, ist die Zahl der gleichberechtigten Nationalverbände von 139 auf 208 angestiegen“ (Affentranger, Bruno, Und immer siegt der Teufel, in Die Zeit 9.6.2011). Und die Vertreter dieser kleinen, aber auch die vieler großen Länder, werden nicht demokratisch legitimiert, sondern vorgeschlagen, akklamiert, abgesegnet.
3) Kommission gründen
Nun soll im Mai 2011 Blatters Herausforderer Mohamed bin Hammam 25 Funktionäre des karibischen Fußballverbandes CFU in Trinidad mit je 25.000 Dollar bestochen haben (macht eine Million US-Dollar). Blatter hat nun Concacaf, dem Kontinentalverband von Nord- und Zentralamerika, Anfang Mai 2011 ebenfalls eine Million US-Dollar „geschenkt“, die er als „Entwicklungshilfe“ deklarierte. Bin Hammam wurde verklagt, Blatter zunächst ebenso vor die Ethik-Kommission geladen (Kistner, Thomas, Das Rätsel aus der Karibik, in SZ 9.6.2011).
Wird die Situation eng für IOC und Fifa und die anderen großen Internationalen Sportverbände, gründet man eine Kommission, zum Beispiel eine Ethik-Kommission. Darin werden – in diesem Fall vom Fifa-Präsidenten eigenhändig ausgesucht -, über Jahrzehnte verlässlich agierende Sportfunktionäre platziert, die dann wie im Fall Blatter Ende Mai 2011 verlässliche Urteile fällen: Präsident entlastet, Konkurrenten belastet.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Besetzung der 13-köpfigen Ethik-Kommission: So kommt der stellvertretende Vorsitzende Petrus Damaseb aus Namibia; Mitglied sind u.a. Robert Torres von der kleinen Insel Guam im Westpazifik; Juan Pedro Damiani aus Uruguay, Abdoulaye Mokhtar Diop aus dem Senegal und Roosje Suwae aus Papua-Neuguinea (Kistner, Thomas, Das Rätsel aus der Karibik, in SZ 9.6.2011; fifa.com, Ethikkomission, Stand 12.6.2011).
Neueste Idee von Sepp the Ripper: Man gründet ein neues „Lösungskomitee der Fifa“ – mit dem Tenor Placido Domingo als Berater („Beckenbauer hat vier Jahre den Mund nicht aufbekommen“, in spiegelonline 12.6.2011).
4) His Master’s Voice
Diese und andere handverlesene und auserwählte internationale Sport-Funktionäre hatten früher das Hohe Lied von Samaranch und Nebiolo, jetzt von Rogge, Blatter, Diack und Co. zu singen. Und alles wird gut. Bis zum nächsten Mal.
In Zürich war einer von Blatters Master’s Voice der DFB-Präsident Theo Zwanziger, frisch im 24-köpfigen Fifa-Exekutivkomitee angekommen. Schon vor der Wahl erklärte er: „Dinge wie Korruption, die mit ihm in Verbindung gebracht werden, kann ich nicht beurteilen. Zumindest beim Fifa-Präsidenten erkenne ich das nicht“ (Zwanziger verteidigt DFB-Unterstützung für Blatter, in handelsblatt.de 6.5.2011).
Wer nicht erkennen will, erkennt auch nicht.
Nach der Wahl lieferte Zwanziger eine Lobeshymne auf die Fifa und ihren Präsidenten ab: „Es gab Verdachtsmomente gegen Blatter, die hat die Ethikkommission ausgeräumt“ (Fritsch, Oliver, Der DFB ist ein Mittäter, in zeitde 1.6.2011) Dabei ist die Ethikkommission der Fifa „ein bestellter Haufen von Jasagern“ (Ebenda).
Zwanziger zu den Korruptionsvorwürfen: „Klar ist jedoch auch: Korruptionsverdacht allein reicht nicht, es müssen auch mal Beweise auf den Tisch“ (Straten, Walter M., Herr Zwanziger, warum haben Sie Blatter gewählt? in bild.de 2.6.2011). Auch Franz Beckenbauer lobhudelte: „It is not easy to handle, but I think Blatter and his staff are doing a wonderful job“ (Zitat Radio Five Live’s Sportsweek, Blatter doing good job – Beckenbauer, sportinglife.com 10.6.2011).
Jens Weinreich schrieb dazu: „Deutsche Sportfunktionäre und Sportpolitiker müssen einfach nur handeln. Sie hätten schon längst handeln können. Aber sie tun (fast) nichts“ (Weinreich, Jens, Irreführung mit System, in dradio.de 5.6.2011).
Der DFB verschläft die Skandale nicht, er macht dabei mit.
Eine rühmliche Ausnahme ist der jetzige Präsident des FC Bayern, Uli Hoeneß: „Das war doch alles erst die Spitze des Eisbergs. Ich bin überzeugt, dass nun alle Missstände scheibchenweise ans Licht kommen werden. Da werden noch Dinge rauskommen, die wir uns noch gar nicht vorstellen können. Bei der Fifa muss der ganze Verband neu aufgestellt werden. Der ganze Saustall gehört ausgemistet!“ (Hoeneß greift Zwanziger an, in SZ 9.6.2011). Und: „Ich bin enttäuscht, dass der DFB vor diesen unseriösen Machenschaften die Augen verschließt und nicht gegen Blatter Druck macht“ (Nicht nur draufhauen“, in SZ 18.6.2011).
Auch nach der Kritik von Hoeneß sprach Zwanziger weiterhin Blatter sein uneingeschränktes Vertrauen aus: „Er ist viel zu klug, um sich korrumpieren zu lassen“ (Ebenda).
5) Blatter = IOC, IOC = Blatter
Was hat das alles mit Olympischen Spielen und dem IOC zu tun? Fifa-Präsident Blatter ist in dieser Funktion natürlich auch langjähriges Mitglied im IOC. Was bei der Fifa an offenen Geld- und Posten-Schiebereien derzeit in der Öffentlichkeit bekannt wird, ist ähnlich vorstellbar und auch passiert beim IOC, siehe den Salt Lake City Skandal. Derzeit ist das IOC nur nicht so laut. Internationale Sportfunktionäre arbeiten leider überall nach ähnlichen Regeln.

Die Absahner der 2. Stammstrecke

Zurück zu München 2018: Inzwischen wird auch Norddeutschland über die Absahner aus München sauer. Dort ist der Ausbau der S 4 zwischen Hamburg und Ahrensburg (350 Millionen Euro) gefährdet: Denn die 810 Millionen Euro für die 2. Stammstrecke in München sind ein Vielfaches der Summe, die Bayern nach dem Verteilungsschlüssel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zusteht (Sulanke, Alexander, Popien, Matthias, Hängt ein Bayer den Norden ab? in abendblatt.de 7.6.2011).
Der schnelle Ausbau – trotz fehlender Genehmigungen und Finanzierung – wurde mit München 2018 gekoppelt. OB Ude kann das fragwürdige Privileg für sich in Anspruch nehmen, dass er in vorauseilendem Olympia-Zuschlagswahn den Marienhof noch vor der Entscheidung am 6.7. auf unabsehbare Zeit zerstört hat. Die 1987 gepflanzten und nunmehr extrem gestutzten japanischen Schnur-Bäume werden nie mehr den Platz in der bisherigen Weise gestalten. Der Architekt Stephan Braunfels sieht die Grabungen als „Vorwand für vollendete Untaten“ und äußerte: „Der Platz hatte endlich und erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ein Gesicht – alles vorbei“ (Isfort, Volker, Lärm in der Oase der Ruhe, in abendzeitung-muenchen-.de 10.6.2011).

Als Dank an OB Ude schlagen wir eine Umbenennung des Marienhofes in „Christian-Ude-Hof“ vor, siehe hier.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer spielte unterdessen auf Zeit: Seit vier Monaten gab es keine Verhandlungen wegen der S 4 mehr, da Ramsauer erst die Entscheidung am 6.7.2011 in Durban abwarten will (Das Bundesverkehrsministerium hat keine Zeit für die S 4, in abendblatt.de 21.6.2011).
Zum 2. S-Bahn-Tunnel vergleiche unter „Aktuelles“ hier.

Favorit München?

Die IOC-Beobachterorganisation „insidethegames“ meldete Anfang Juni 2011, dass im Rennen um die Olympischen Winterspiele überraschenderweise München mit 83 von 100 möglichen Punkten vor Pyeongchang (79) und Annecy (69) führen würde. Als Gründe wurde der (nur knapp gewonnene) Bürgerentscheid in Garmisch-Partenkirchen und die vertragliche Fixierung des Kandahar-Grundstückes genannt. Dass alle weiteren 63 Grundstücke fehlen, von denen mehr als zehn essentiell wichtig sind, wurde nicht zur Kenntnis genommen, siehe hier.
Ebenso wenig zur Kenntnis genommen wurde die Bewertung von Gamesbids: mit Annecy 53.85, München 64,99 und Pyeongchang 66,29 Punkten. (gamesbids)
Nicht zur Kenntnis genommen wurde auch die Abstimmung auf der Webseite von „insidethegames“: Am 18.6.2011 waren für Annecy 50 % (39.815 Stimmen), für München ganze 2,8 % (2.200 Stimmen) und für Pyeongchang 47,3 % (37.683 Stimmen); siehe hier.
Leider gab es nicht die Möglichkeit der Wahl: „Keine Olympischen Winterspiele 2018“.

Die Bewerbungsgesellschaft und OB Ude bejubelten den angeblichen „Erfolg“. Ude war sich nicht zu schade, die japanische Tragödie vom März 2011 mit Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe als Argument für die Münchner Bewerbung einzusetzen: Da sich Tokio für die Olympischen Sommerspiele 2020 bewerben wolle und Japan „viel durchgemacht“ hätte, würden die Chancen von Tokio beim Zuschlag an das asiatische Pyeongchang „nicht gerade steigen“ (Fahrenholz, Peter, Riedel, Katja, München in der Favoritenrolle, in SZ 8.6.2011).
Und ein Kommentator in der SZ lobte die Münchner Bewerbung und hoffte „auf die Weisheit des IOC“ (Mayer, Christian, Gedämpfter Optimimus, in SZ 8.6.2011).
Dass das IOC über viel Geld verfügt, ist lange schon bekannt, Dass das IOC auch über Weisheit verfügen soll, ist neu. Aber die SZ ist ja schließlich offizieller „Medienpartner“ von München 2018.

NBC bezahlt das IOC

Anfang Juni 2011 gaben das IOC und der amerikanische Fernsehsender NBC bekannt, dass NBC für die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi, 2016 in Rio, 2018 (unbekannt) und 2020 (ebenfalls unbekannt) die Fernseh-Rechte für Nordamerika für 4,382 Milliarden US-Dollar (2,98 Milliarden Euro) erworben hat. Für Vancouver 2010 hatte NBC noch 820 Millionen Dollar bezahlt; Sotschi liegt bei 775 Millionen Dollar; die Spiele 2018 werden mit 963 Millionen Euro bewertet (Deister, Günther, dpa-Meldung 8.6.2011; NBC kauft Olympia-Rechte, in SZ 9.6.2011).

Stadtrat genehmigt Olympisches Dorf

Im wie üblich vorauseilendem Gehorsam genehmigte Anfang Juni 2011 die olympiafreundliche Mehrheit des rotgrünen Münchner Stadtrat einen Beschluss des Planungsausschusses vom Mai. Damit soll der rechtzeitige Baubeginn des Olympischen Dorfes an der Dachauerstraße gewährleistet werden (Olympisches Dorf kann gebaut werden, in SZ 9.6.2011).

Das Kettensägenmassaker an 1275 erhaltenswerten und hunderten weiterer Bäumen steht im krassen Widerspruch zur Münchner Baumschutzverordnung: kein Thema. Der Abriss prämierter und völlig  intakter Bürogebäude: Aber auch das war kein Thema. Der wahrscheinliche Verlust von fast 1000 Arbeitsplätzen der Bundeswehr: ebenfalls kein Thema. Großartige Ja-Sager im Münchner Stadtrat bei viel zu wenigen Nein-Sagern: Und der olympische Rausch schreitet voran.

Stellungnahme zum Bid Book

Am 9.6.2011 veröffentlichte Christian Hierneis im Auftrag der Gesellschaft für ökologische Forschung (GÖF) und des Bund Naturschutz in Bayern (BN) eine umfangreiche Stellungnahme zum Bid Book, die schonungslos alle Mängel und Fehlinformationen von München 2018 auflistet. Koautoren sind Dr. Andreas Keller und Sylvia Hamberger. Die ausführliche Stellungnahme hat 58 Seiten und ist hier zu finden. Aus der Pressemitteilung:

„Dem IOC und auch der Öffentlichkeit werden Dinge vorgegaukelt, die bei näherem Hinsehen an Märchen erinnern“, sagt Christian Hierneis, der Hauptautor der Stellungnahme. „Zudem konnten wir feststellen, dass dem IOC wie auch der Öffentlichkeit viele Fakten verschwiegen werden. Dazu bedurfte es genauer Recherchen auch in weiteren Papieren wie „Host City Vertrag“ oder „Multi Party Agreement“, die neben einigen weiteren Unterlagen nach wie vor geheim gehalten werden. Nur so ergibt sich ein Gesamtbild auch aller Belastungen und Risiken, die wir in der Stellungnahme dargestellt haben. Wir sind gespannt, wie die Bewerber bis zur Entscheidung am 6. Juli versuchen werden, Gegenargumente gegen unsere fundierte und mit nachprüfbaren Fakten gespickte Stellungnahme zu finden.“ – „Warum bei allen vorhandenen Problemen wie z.B. den schlechten Umfragewerten und der fehlenden Olympiabegeisterung in der Region (Kapitel 3.11), den nach wie vor ungelösten Grundstücksfragen in Garmisch-Partenkirchen (Kapitel 9.12), der drohenden Fällung von 2.000 Bäumen alleine in München (Kapitel 11) oder dem nichtssagenden Umweltkonzept (Kapitel 6.10), dem inzwischen galoppierenden Klimawandel und vielen weiteren negativen Aspekten die Bewerber für München so optimistisch ins Rennen gehen, ist nicht nachvollziehbar und erscheint eher als Reklametrick.“
„Kompakt zusammengefasst steht hier alles, was auch die Bürger von Garmisch-Partenkirchen über das drohende Unheil für ihre Heimat wissen sollten“, ergänzt Axel Doering, Vorsitzender des Bundes Naturschutz in der Marktgemeinde. “Viele Aussagen im Bid Book entsprechen nicht den Tatsachen, wie z.B. die Behauptung alle Grundstücke stünden zur Verfügung.“
Christian Hierneis resumiert: „Der Olympiatraum wird böse enden“ (Vgl. auch Kemnitzer, Sebastian, Ökologisch höchst unkorrekt, in taz.de 10.6.2011).

Tagung „Sportpolitik“

Anfang Juni 211 fand in Köln das Symposium „Sportpolitik“  statt. Einige Referenten kritisierten hier die „Allianz aus Parlamenten und Sport“ (Kreuzer, Heinz Peter, „Die Politik ist zu freigiebig“, in dradio.de 13.6.2011).
Der Hamburger Ökonomie-Professor Henning Vöpel wies auf die unterschiedlichen Auswirkungen von Olympischen Spielen hin – und dass in der Regel der Steuerzahler die Zeche zahle. „Profiteure sind jedoch immer Sportfunktionäre und Politiker, die zunehmend an Einfluss und Macht gewinnen, meint Professor Vöpel“ (Ebenda).
Der belgische Politikprofessor Hans Bruyninckx konstatierte: „Viele Länder in der Welt sind bereit, alles für ein Sport-Großereignis zu tun… Für lange Zeit hatten große Sportorganisationen wie das IOC, Fifa, Uefa oder der Leichtathletik-Weltverband sich sehr autonom organisiert. Dabei haben sie jegliche öffentliche Einflussnahme bei den Regeln und im wirtschaftlichen Bereich ferngehalten. Aber das ändert sich jetzt, aus verschiedenen Gründen, der vielleicht einleuchtendste für die breite Öffentlichkeit ist mit den Skandalen verbunden.“ (Gemeint ist die Vergabe der Fußball-WM 2022 nach Katar, Korruptionsvorwürfe bei der Fifa, die Wiederwahl Blatters im Juni 2011, siehe oben; W.Z.)
Bruyninckx drang auch auf die Beendigung der unheiligen Allianz zwischen Politik und Sport: „Aber die Sportwelt ist bis jetzt nicht für Transparenz und öffentliche Diskussionen bekannt, und unglücklicherweise haben viele Politiker sie dabei unterstützt. Sie sind mit den Top-Funktionären befreundet und helfen ihnen bei dieser Geheimpolitik. Wir müssen jetzt eingreifen und eine öffentliche Debatte einläuten“ (Ebenda).

 

Winter-Show-Programm im Juni

Johannes B. Kerner präsentierte unter dem Thema „Stars, die Winterspiele und du“ am 11.6.2011 sogenannte internationale Stars in der Allianz-Arena. „Für die Show verwandelt sich die Allianz-Arena am 11. Juni 2011 ab 17 Uhr in eine Winterlandschaft. 15 olympische Wintersport-Disziplinen und fünf paralympische Wintersportarten werden auf märchenhafte Weise inszeniert“ (PM München 2018: „Stars, die Winterspiele und Du! 15.4.2011). Der Frühsommer sollte zum „Wintermärchen“ werden.
Zumindest teuer war das Spektakel: mit haushohen Ballonfiguren und Lichteffekten in einer Schneelandschaft aus Plastikschwamm-Flocken. Die Botschaft war: „Wir sind bereit für die Winterspiele 2018“ (www.stars-die-Winterspiele-du, PM 12.6.2011).
Schaun mer mal…
Die Vorstandsvorsitzenden der Sponsoren Allianz und BayWa AG lobten höchstpersönlich die Veranstaltung.
Das mussten sie wohl auch – angesichts der Millionen an Sponsorengeldern, die Allianz und BayWa in München 2018 gepumpt hatten.
Der bayerische Staatsminister für Finanzen war ebenfalls persönlich anwesend.
Er dürfte im Fall des Zuschlags für München 2018 aufgrund Seehofers Garantien die meisten Schecks auszuschreiben haben.

Die Süddeutsche Zeitung lieferte – vermutlich im Rahmen ihrer Medienpartnerschaft mit München 2018 – einen ihrer inzwischen hinlänglich bekannten Jubelartikel ab, dazu im Internet Glamour-Bilder der üblichen „Stars“ wie Wasmeier, Neureuther, Mittermaier und Co. Vier Befürworter lieferten eine wahnsinnig lustige Textprobe ab: „Mit einem Augenzwinkern bemerkten diese vier Herren: ‚Weil wir alle Garmischer Wiesen-Besitzer sind'“ (Krischke, Benjamin, Wenn München 2018 schon mal feiert, in sueddeutsche.de 11.6.2011).
Die Show zielte auf den Termin 6.7.2011 Durban. Ob das die IOC-Mitglieder wirklich interessiert?

Nachtrag: Die Bewerbungsgesellschaft erwartete laut Pressemitteilung 40.000 Besucher. Es waren höchstens um die 20.000 da – mit vielen Freikarten über die SPD-Untergliederungen. 800 zwangsverpflichtete Sportler waren präsent. Mit dem Publikum wurde eine Stunde vor Beginn eingeübt, „Applaus und Jubelchöre“ einzustimmen, wenn der Moderator erscheint. Unter der Überschrift „Zum Gähnen“ stand diesmal kritisch in der SZ: „Auf dem Rasen ist so eine Art Winterlandschaft aufgebaut, da stehen 16 Tannen, eine Hütte und in der Mitte eine weißgraue Bühne, die wohl ein Gebirge darstellen soll.Überall liegen zerpflückte weiße Schwammflocken und spielen Schnee…“ (Warmbrunn, Benedikt, Zum Gähnen, in SZ 14.6.2011) Anwesende beschrieben die Veranstaltung mit „mehr als peinlich“.

Thomas Bach rechnet und bemerkt

DOSB-Präsident Bach rechnete Mitte Juni 2011 das Wirtschaftsergebnis von München 2018 schön: „Es gibt mindestens eine schwarze Null.“ Es gebe ein großes Steigerungspotential für höhere Einnahmen. Die Zuschauerauslastung von 82 Prozent sei „sehr konservativ. Auch beim Sponsoring sind die Einnahmen äußerst niedrig angesetzt“ (IOC-Vize Bach erwartet „schwarze Null“, in handelsblatt.com 13.5.2011).
82 Prozent verkaufte Tickets sollen noch zu steigern sein?! Und für nationales Sponsoring sind im Bid Book über 400 Millionen Euro angesetzt: Das ist nicht konservativ, sondern absolut unrealistisch – wie auch die Bewerbungskosten mit anfangs 30 Millionen Euro, dazu angeblich komplett privat finanziert, gezeigt hat.
Durch um 200 Millionen US-Dollar höhere Fernsehrechte seitens des amerikanischen Senders NBC für die Winterspiele 2018 könnte es sein, dass das IOC mehr als die rund 500 Millionen Euro beisteuert (Kristlbauer, Matthias, Olympia: Bach rechnet mit Gewinn, in merkur-online.de 16.6.2011).
Könnte, muss aber nicht: Das sind alles freiwillige, jederzeit vom IOC einseitig widerrufbare und an Bedingungen gekopppelte Summen…
Andernorts erwähnte Bach, dass Winterspiele in München ein exzellentes Konjunkturprogramm für Wirtschaft und Sport seien (Olympia 2018: München kann auf Geldregen hoffen, in nordbayern.de 15.6.2011).
Für den Sport mit Sicherheit…
Außerdem seien die Bedenken der Umweltschützer durch Fakten widerlegt worden: „Wir haben die einmalige Chance,der Welt zu zeigen, dass man CO2-neutrale Spiele ausrichten kann“ (Ebenda).
Die Olympischen Winterspiele München 2018 können nur dann klimaneutral gerechnet werden, wenn man einen Großteil der CO2-Emissionen für temporäre Bauten etc. unter den Tisch fallen lässt. Außerdem wurden die CO2-Berechnungen nie veröffentlicht.
Bach erwähnte hier erneut 75 Prozent Zustimmung in der deutschen Bevölkerung (Ebenda). Er stützte sich dabei erneut auf eine tendenziöse ZDF-Befragung vom Januar 2011.Die IOC-Befragung vom Dezember 2010 erbrachte dagegen nur eine Zustimmungsrate für München von 60 Prozent, für Bayern von 53 Prozent und für Deutschland von 56 Prozent. Zum Vergleich: In Pyeongchang soll die Zustimmungsrate bei 92 Prozent gelegen haben, siehe hier.
Die FDP stellte am 15.6.2011 in München das Positionspapier „Rückenwind für Olymia 2018“ vor; darin wurden die Olympiagegner aufgefordert, das Votum der Bevölkerung zu akzeptieren (dapd, FDP stellt sich mit Positionspapier hinter Münchner Olympiabewerbung, 15.6.2011).
Gemeint war wohl der Bürgerentscheid in Garmisch-Partenkirchen mit gerade einmal 55 Prozent Ja-Stimmen  und 45 Prozent Nein-Stimmen bei der Stichfrage.
FDP-Mitglied Thomas Bach äußerte: „Wir sind sehr froh über die Unterstützungserklärung“ (Ebenda).
Bach bemerkte in einem Brief an Axel Doering, dem Initiator des Bürgerbegehrens in Garmisch-Partenkirchen sinngemäß, dass „unter Demokraten“ jetzt das Abstimmungsergebnis auch von den Olympiagegnern zu akzeptieren sei, vulgo der Widerstand gegen München 2018 aufzuhören habe.
Interessant daran ist, dass Bach, der DOSB, die Bewerbungsgesellschaft München 2018, der Münchner OB Ude und der Garmisch-Partenkirchner Bürgermeister Schmid alles getan haben, um genau dieses Bürgerbegehren zu verhindern. Dann hat diese Allianz mit extremem materiellen und personellen Einsatz ein Gegen-Bürgerbegehren eingeleitet und schreckte auch vor unfairen Mitteln nicht zurück – mit dem mäßigem Ergebnis einer knappen Mehrheit: Und nun spielen sich Bach & Co. als die großen Demokraten auf, die dieses Bürgerbegehren als Beweis für ihr Vorhaben werten. Aber mit Demokratie hat dies nichs zu tun, eher mit einer Sport-Demokratur.
Und natürlich gibt es genügend juristische, ökologische und ökonomische Gründe, um weiter gegen die Bewerbung vorzugehen.

Allerdings schien Bach in seinen eigenen IOC-Verein nicht grenzenloses Vertrauen zu haben. Mitte Juni äußerte er auf die Frage einer möglichen Korruption bei der Vergabe der Winterspiele 2018: „Ausschließen kann man nichts“ (Olympia: Korruption nicht ausgeschlossen, in handelsblatt.com 16.6.20911).

Monokultur aus München-2018-Fichten

Am 16.6.2011 fand in der Göttinger Stadthalle eine Veranstaltung der Deutschen Olympischen Gesellschaft, Bezirksgruppe Niedersachsen statt. Der Marketing-Direktor München 2018, Stefan Bruckner, erklärte dort, dass man mit dem Umweltkonzept weit vorn liege und es im Gegensatz zu den beiden Konkurrenten die meisten Sportstätten hier schon gebe. Das Biathlon- und Langlaufstadion in Schwaiganger würde aus Umweltgründen nur temporär errichtet. Bruckner verstieg sich zu der Aussage: „Das ist jetzt eine Monokultur aus Fichten. es wird nachher schöner aussehen als vorher“ (Lienig, Kathrin, „Wenn wir Olympia bekommen, küss ich den Wulff“, in Göttinger Tagblatt 17.6.2011).
Axel Doering vom BN Garmisch-Partenkirchen antwortete mit dem Kommentar: „Da kennt jemand weder Buchen noch Bergahorn. Die Fichten-Monokulturen machen nur einen kleinen Teil aus. Und es wird nicht schöner als vorher… Vom Ehepaar Neureuther hätte ich hier Widerspruch erwartet!“ (Ebenda).

Frauen-Fußball-WM und Greenwashing

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und das Öko-Institut entwickelten für die WM das Umweltprogramm „Green Goal 2011“. Mit bunten Aufstellern wird für die Anreise mit Bus und Bahn geworben. Der Senf der Imbissbuden kommt aus nachfüllbaren Spendern. Viele wasserlose Toilettren wurden installiert. „Laut Claudia Roth (Grüne), der Sprecherin des DFB-Umweltbeirates, wurden die Fahrer der Limousinen des Veranstalters Fifa einem Training unterzogen (Grüner Fußball, in Der Spiegel 25/20.6.2011). Damit sollen die Fußball-Funktionäre in den dicken Karossen spritsparender herumgefahren werden.
Was man eben sich so ausdenkt, wenn ein globales Großsportereignis einem Greenwashing unterzogen wird. Eigentlich ist es peinlich, was da an Mini-Maßnahmen zusammengestellt wurde. Es verkörpert eher den Umwelt-Zeitgeist der achtziger Jahre. 2011 müssten ganz andere Konsequenzen gezogen werden. Eine grüne Fußball-WM gibt es nicht.

Neujahrsspringen mit Windnetzen

Der Internationale Skiverband FISnahm Mitte Juni 2011 das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen am 1.1.2012 offiziell in sein Programm auf, da der Skiclub Partenkirchen die Installation temporärer Windnetze zugesagt hat. (Das Neujahrsspringen 2011 war eher „vom Winde verweht und am Rand der Wertbarkeit.) Dies wird teuer und schwierig werden. Der Dritte Bürgermeister, Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler und Pressesprecher des Skiclub Partenkirchen, Hannes Krätz, verwies darauf, dass die zu installierenden Netze durch den Athletenbereich und das Containerdorf führen werden (Grünes Licht für Neujahrsspringen, in merkur-online.de 14.6.2011).
Zwei Aspekte sind hier interessant: a) Das Neujahrsspringen wird dadurch noch wesentlich teurer – wer zahlt die Rechnung? Wo noch nicht einmal eine endgültige Abschlussrechnung der neugebauten Großen Schanze vorliegt. Und  b) Immer wieder bemerkenswert, dass Sportfunktionäre gern Ämter im politischen Bereich ausüben.

Olympischer Straßenbau in Bad Reichenhall

Im Zug der Olympiabewerbung München 2018 wurde am 15.4.2011 eine Planfeststellung für die Ortsumgehung Bad Reichenhall  mit Stadtberg- und Kirchholztunnel eingeleitet. Im Erläuterungsbericht wurde die „Wiederaufnahme der Planung mit der Olympiabewerbung“ begründet.
Die Einwendungsfrist wurde bis 15.6.2011 festgesetzt. Der Bund Naturschutz lehnte in einer umfangreichen Stellungnahme fristgerecht das Planfeststellungsverfahren aus vielen dargelegten Gründen ab und übte massive Kritik am Verfahrensablauf: Die Verbände wurden erst mit Auslegung der Unterlagen informiert; es fand keine öffentliche Diskussion mit Einbeziehung der Betroffenen statt etc. (Stellungnahme des BN zu B21 Lofer-Salzburg, München 15.6.2011)
Wieder einmal möchten die Straßenplaner im Windschatten von München 2018 ihre schon abgelegten Straßenbauprojekte durchdrücken.

Olympische Spiele und Krieg

Das Regime des Despoten Muammar al-Gaddafi bekam im Juni 2011 fast tausend Karten für die Olympischen Sommerspiele 2012 in London. Empfänger war das Nationale Olympische Komitee Libyens, dessen Präsident der älteste Sohn Gaddafis, Mohammed al-Gaddafi ist. Die Briten „are not amused“. Ein Vertreter der britischen Regierung äußerte, man sei darüber konsterniert: „Wir versuchen gerade, Gaddafi ins Nichts zu bomben“ (Hunderte Olympia-Tickets gingen an den Gaddafi-Clan, in spiegelonline 15.6.2011).

Die Familie Gaddafi ist übrigens (noch) recht sportbegeistert: Der älteste Sohn von Muammar-al-Gaddafi, Mohammed, ist Präsident des Nationalen Olympischen Komitees; sein Bruder Saadi war Präsident des Libyschen Fußballverbandes („Im Bus nach Tunis, in Der Spiegel 14/4.4.2011).

Herrmanns Sportpolizisten

Der bayerische Innenminister Herrmann plant seit zwei Jahren ein eigenes Leistungszentrum für Spitzensportler der bayerischen Polizei – angesichts der „großen Sportbegeisterung im Land“ (Effern, Heiner, Polizisten für Olympia, in sueddeutsche.de 16.6.2011).  Vergleiche auch Sportsoldaten und Sportsoldaten in Vancouver.
Herrmann präzisierte seine Pläne Mitte Juni 2011: Im Jahr 2012 sollen die ersten zehn Sportler den „Sportdienst“ antreten. Das Geld soll aus „Bordmitteln“ der Polizei aufgebracht werden: Die Politzeigewerkschaft befürchtet deshalb Leistungseinschränkungen.
Herrmann stellte auch eine Verbindung zu München 2018 her: „Mögliche olympische Winterspiele in München und Garmisch-Partenkirchen sind ein zusätzlicher Anreiz“ (Ebenda).
Was machen Herrmanns Sportpolizisten, wenn München keinen Zuschlag bekommt?

 

Münchner Olympia-Logo mit Verfallsdatum

Die Inhaberin der Berliner Firma AM Immobilien Consulting, Anne Metzger ließ im Jahr 2006 ein Logo für ihre Firma eintragen, das ein stilisiertes M zeigt. Die Bewerbungsgesellschaft München 2018 stellte 2009 ein Logo mit einem nahezu identischen M-Schriftzug vor. Als Frau Metzger von immer mehr Leuten ein „Abkupfern des Olympialogos“ vorgehalten wurde, schrieb sie einen freundlichen Brief an die Bewerbungsgesellschaft. Als Antwort erhielt sie von der internationalen Großkanzlei Norton Rose (Nationaler Ausstatter von München 2018!) eine zehnseitige Abmahnung nebst einer Kostenforderung über 2118,44 Euro für die „unberechtigte Schutzrechtsverwarnung“ (Logo der Münchner Olympiabewerbung 2018 von der Löschung bedroht, in Designschutznews, 15.6.2011; Logo der Münchner Olympiabewerbung 2018 von Löschung bedroht, pressebox.de 17.6.2011; Hutter, Dominik, Lode, Silke, Doppelter Schwung, in sueddeutsche.de 20.6.2011).
Ein weiterer Beweis für den Wahrheitsgehalt des München-2018-Slogans: „Die freundlichen Spiele“.

Frau Metzger legte inzwischen Widerspruch beim Deutschen Patent- und Markenamt gegen das Logo von München 2018 ein. Geschäftsführer Bernhard Schwank sah das ganz gelassen: Falls München am 6.7.2011 den Zuschlag erhält, werde es „definitiv sowieso ein neues Logo geben“ (Wörmann, Caroline, Logo-Streit: Immobilienfirma geht gegen „München 2018“ vor, in merkur-online.de 19.6.2011). Die Redakteurin des Merkur-Berichts kommentierte dies so: „Gibt es eine Absage, dürfte das Logo ebenfalls schnell von der Bildfläche verschwunden sein.“

Olympisches Dorf auch ohne Olympische Spiele

München soll laut Planungen der Stadt im Jahr 2024 1,5 Millionen Einwohner haben – derzeit sind es rund 1,3 Millionen.
Wieso wird dies überhaupt angestrebt und geplant? Wieso muss diese Stadt immer weiter wachsen – um Altschulden zu verlagern, um ihre Planer zu beschäftigen, um den Ehrgeiz von Bürgermeistern zu befriedigen?
Der Münchner OB Ude schrieb im Juni 2011 an Verteidingungsminister Thomas de Maizière, dass München sehr an den im Rahmen der Bundeswehrstrukturreform aufzugebenden Kasernen- und Verwaltungsgebäuden der Bundeswehr interessiert sei. Ude nannte hier explizit auch das Bundeswehrverwaltungszentrum an der Dachauerstraße (Böhm, Christian, Wohnungskommando Süd, in weltonline 16.6.2011). „Kommt Olympia nicht, gibt es offiziell eine Rückfalloption: Der Bund behielte das Grundstück, 880 Wohnungen würden nicht gebaut“ (Kristlbauer, Matthias, Olympia 2018: Was auf dem Spiel steht, in merkur-online 21.6.2011).
Und schon wären dort wiederum fast 2000 Bäume gefährdet – ohne Olympische Spiele, mit dem Totschlagargument Wohnungsbau.

Doch kein Frauen-Sommermärchen

Die Frauen-Fußball-WM sollte von der Fifa als ähnlicher Hype hochgepusht werden wie die Männer-WM: selbstverständlich aus finanziellen Gründen für die Fifa-Gewinne. Das Eröffnungsspiel sahen über 70.000 Besucher; ansonsten gab es wenig Gemeinsamkeiten zwischen den männlichen Fußball-Millionären und den bescheiden entlohnten WM-Fußballerinnen.
Fifa-Fußball-Pate Sepp Blatter ließ eigens einen eigenen Platz für sich auf der exakten Höhe der Mittellinie für das Finale am 17.7.2011 in Frankfurt errichten: Er wird dann das übliche Pfeifkonzert zu ertragen haben (Die Treppe muss weg, in SZ 17.6.2011).

GÖF und Nolympia legen Gutachten zum Host City Vertrag vor

Am Montag, 27. Juni 2011 um 11 Uhr stellten die Gesellschaft für ökologische Forschung (GÖF) und Vertreter von NOlympia im Ratskeller, Münchner Rathaus, ein juristisches Gutachten zum Host City Contract vor von Prof. Gerrit Manssen, Universität Regensburg, Fakultät für Rechtswissenschaft, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht.
Prof. Manssen ist Verfasser vieler juristischer Standardwerke, u. a. Allgemeines Verwaltungsrecht, Staatsrecht II (8. Auflage Beck Verlag), Öffentliches Recht in Bayern (mit Becker, Heckmann, Kempen, 5. Auflage Beck Verlag).
Neben Prof. Dr. Manssen waren anwesend: Dr. Wolfgang Zängl (GÖF), MdL Ludwig Hartmann, Sprecher von NOlympia; Axel Doering, Bund-Naturschutz-Vorsitzender in Garmisch-Partenkirchen und Initiator des dortigen Bürgerentscheids, Christian Hierneis, Vorsitzender der Kreisgruppe München des BN und Verfasser der Stellungnahme zum Bid Book, Dr. Andreas Keller/BN Garmisch-Partenkirchen sowie Sylvia Hamberger, Gesellschaft für ökologische Forschung.

Prof. Manssen: „Ich habe noch nie einen so einseitigen Vertrag gesehen. Jede Klausel geht zu Lasten der Stadt.“
„Ude selbst hat den Vertrag einmal als ‚Zumutung‘ bezeichnet. Jetzt weiß er zusätzlich, dass er ihn eigentlich gar nicht unterzeichnen darf“ (Kemnitzer, Sebastian, Rechtswidrig durchwurschteln, in taz.de 27.6.2011).
Der ehemalige Langzeit-Jurastudent OB Ude bezeichnete umgehend das Gutachten als „wahnsinnig oberflächlich“ (Hutter, Dominik, Riedel, Katja, Letztes Gefecht vor Durban, in SZ 28.6.2011).

Weiterlesen zur Presseankündigung, zur Presseerklärung und zum Gutachten am 27.6.2011.

Ludwig Hartmann schreibt vier Briefe

Am Tag der Vorstellung des Gutachtens schrieb der Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Ludwig Hartmann, seinen fünften Brief an den IOC-Präsidenten Jacques Rogge (englische Version) und sandte ihm das Gutachten von Prof. Manssen in englischer Übersetzung sowie einen Brief an die 107 IOC-Mitglieder mit der englischen Kurzfassung.Außerdem sandte Hartmann das Gutachten mit einem Begleitbrief an die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde der Landeshauptstadt München und an das bayerische Innenministerium.

Die Bundeskanzlerin und „das deutsche Volk“

Nun wollten auch Olympia-Befürworter dem IOC schreiben.
Die Präsidentin des bayerischen Landtags, Barbara Stamm (CSU), schrieb ebenfalls am 27.6.2011 an IOC-Präsident Rogge. Sie versicherte ihm die Unterstützung von 90 Prozent der bayerischen Landtagskandidaten von CSU, SPD, FDP, Freien Wählern und der Landesvorsitzenden der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Theresa Schopper und forderte Rogge auf: „Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, andere Meinungen, die an Sie herangetragen werden, entsprechend einzuordnen“ (PM Bayerischer Landtag unterstützt Olympiabewerbung Münchens, 27.6.2011).

Noch einen Schritt weiter ging Angela Merkel, die ebenfalls einen Brief an Rogge sandte. Sie hob wieder einmal hervor, dass die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018 in München eine „nationale Angelegenheit“ sei und fuhr fort „Das deutsche Volk freue sich, die olympische Familie empfangen zu können“ (Merkel wirbt für Münchner Spiele, in SZ 1.7.2011).
Daran sind drei Aspekte bemerkenswert: a) Die Politik wird durch den Sport immer weiter mit nationalen Inhalten infiziert. b) Merkel spricht nicht von der „deutschen Bevölkerung“, sondern vom „Deutschen Volk“. Dieser Begriff ist ein in den letzten Jahren glücklicherweise (außer in der rechten Szene!) selten gehörter Begriff. Wem fielen da nicht die 1930er und 1940er Jahre ein, als diese Worte Hochkonjunktur hatten. Und c) gehören die Gegner Olympischer Spiele damit explizit nicht zu diesem „Deutschen Volk“: Auch diese Ausgrenzung ist seither bekannt.
Wer wohl Merkels Brief geschrieben hat?

Griechenland feiert olympisch

Das nahezu bankrotte Griechenland leistete sich vom 25. Juni bis 4. Juli 2011 den Luxus der „13. Special Olympics World Games“, der Olympischen Spiele von geistig oder mehrfach Behinderter. Für fast 70 Millionen Euro (zunächst waren 90 Millionen Euro geplant) lagen die Kosten doppelt so hoch wie die vorherigen in Dublin und Shanghai. Das Spektakel fand in Athen statt mit 7500 Sportlern, 3000 Journalisten und 40.000 Angehörigen. Stevie Wonder sang auf der bombastischen Eröffnungsfeier; die Präsidentin der griechischen Special Olympics verschaffte ihrem Sohn einen gut bezahlten Job.
Gleichzeitig halbierten sich nach Angaben des griechischen Behinderten-Nationalverbandes die staatlichen Fördermittel für die privaten Betreuungseinrichtungen auf 14,8 Millionen Euro (Diehl, Jörg, Batzoglou, Ferry, Not und Spiele, in spiegelonline 26.6.2011).

Es ist mehr als fragwürdig, Menschen mit geistiger Behinderung wie dem Down-Syndrom oder anderen schweren Leiden speziellen olympischen Leistungswettbewerben auszusetzten und diese Wettbewerbe auch noch einem großen Publikum vorzuführen, noch dazu, wenn diese so viel kosten, dass – wie jetzt in Griechenland geschehen -, die finanziellen Mittel für den Behinderten-Alltag stark gekürzt werden müssen.

Zitat aus meiner Chronologie vom November 2010:
Da Udes München alles mitnehmen will, was geht, um das IOC zu beeindrucken, bewarb sich die Stadt kurz danach um die Ausrichtung der Special Olympics Deutschland 2012, den Nationalen Sommerspielen für „Menschen mit geistiger und Mehrfachbehinderung“ (SPD-PM 11.11.2010: München bewirbt sich um die Special Olympics Deutschland; München will auch „Special Olympics“ in SZ 12.11.2010). Und so bekam München im Dezember 2010 die vom IOC anerkannten und vom Special Olympics Deutschland vergebenen “National Summer Olympics 2012″ (Special Olympics 2012 in München, in sueddeutsche, de 22.12.2010) Da werden dann zum Beispiel Behinderte in Judo-Wettbewerben kämpfen (Gold und Bronze bei Special Olympics, in SZ  4.7.2011).

Nach der üblichen olympischen Preissteigerung liegen die Kosten für die Special Olympics München 2012 dann bei 140 Millionen Euro. Wir werden sehen.

Chef von Gut Schwaiganger will München 2018

„Für Leiter Dr. Eberhard Senckenberg steht fest: Das Haupt- und Landgestüt Schwaiganger kann von den Olympischen Spielen 2018 nur profitieren… ‚Das wäre für uns der Supergewinn’… Ökologische Bedenken, die Kritiker aufgrund der Eingriffe in die Natur anführen, hat der Pferde-Experte nicht… Für Senckenberg steht fest: Schwaiganger kann mit Olympia nur gewinnen“ (Staatsgestüt Schwaiganger: Olympia 2018 als Investitionsschub, in merkur-online 26.6.2011).
Die Zerstörung der wunderschönen nacheiszeitlichen Landschaft in und um Schwaiganger ist Senckenberg offenbar völlig egal.
Aber Schwaiganger wurde dann glücklicherweise durch die Wahl von Pyeongchang 2018 gerettet.


Laufende Chronologie der Olympischen Winterspiele 2018 in München +2 (wird laufend aktualisiert und ergänzt):
1936 - 1972 bis 1997 - 2007 - 2008 - Januar 2009 - Februar 2009 - März 2009 - April 2009 - Mai / Juni 2009 - Juli 2009 - August / September 2009 - Oktober 2009 - November 2009 - Dezember 2009 - Januar 2010 - Februar 2010 - März 2010 - April 2010 - Mai 2010 - Juni 2010 - Juli 2010 - August 2010 - September 2010 - Oktober 2010 - November 2010 - Dezember 2010 - Januar 2011 - Februar 2011 - März 2011 - April 2011 - Mai 2011 - Juni 2011 - Juli 2011 - August 2011 - September 2011 - Oktober 2011 - November 2011 - Dezember 2011 - Januar 2012 - Februar 2012 - März 2012 - April 2012 - Mai 2012 - Juni 2012 - Juli 2012 - August 2012 - September 2012 - Oktober 2012 - November 2012 - Dezember 2012 - Januar 2013 - Februar 2013 - März 2013 - April 2013 - Juni 2013 - Mai 2013 - Juli 2013 - August 2013 - September 2013 - Oktober 2013 - November 2013 - Dezember 2013 - Januar 2014 - Februar 2014 - März 2014 - April 2014 - Mai 2014 - Juni 2014 - Juli 2014 - August 2014 - September 2014 - Oktober 2014 - November 2014 - Dezember 2014 - Januar 2015 - Februar 2015 - März 2015 - April 2015 - Mai 2015 - Juni 2015 - Juli 2015 - August 2015 - September 2015 - Oktober 2015 - November 2015 - Dezember 2015 -

Literatur zur NOlympia-Chronologie

Nolympia-Chronologie, komplett / Stand Mitte Juli 2010 als pdf-Datei

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