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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Mai 092011
 
Zuletzt geändert am 20.05.2011 @ 20:53

9.5.2011, aktualisiert 15.5.2011
„Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?“

Die Materialschlacht des Pro-Olympia-Vereins OlympiJA war beträchtlich. Anzeigen, Plakate, Postwurfsendungen, T-Shirts, ein Horst Seehofer am 6.5. in Garmisch-Partenkirchen, Papp-Herzen noch am 8.5. vor allen Garmisch-Partenkirchner Häusern: Wer hat das eigentlich alles bezahlt?

Im Vorfeld heizten die Olympia-Fans die Stimmung in Garmisch-Partenkirchen auf. Die Initiative „Zwei Tunnel für Garmisch-Partenkirchen“ hängte drei Wochen lang an der Bundesstraße 23 mit Genehmigung der Gemeinde Schilder mit Texten wie „Bund Naturschutz fordert: Weiterhin Gefährdung unserer Kinder“ auf. Axel Doering vom BN erwog juristische Schritte dagegen (Tokarski, Janine, BN droht Tunnel-Initiative mit juristischen Schritten, in merkur-online.de 10.5.2011).

Angesichts dieser Materialschlacht war das Ergebnis der olympischen Fangemeinde nicht eben überwältigend: „Selters statt Sekt“, schrieb Sebastian Kemnitzer in der taz (Olympia-Fans setzen sich knapp durch, in taz.de 8.5.2011). 58 Prozent waren für den Bürgerentscheid des OlympiJA-Vereins. Für den Bürgerentscheid der Gegner, die die Verträge überprüft sehen wollten, gab es 49,51 Prozent. Und die Stichfrage lag bei 54 Prozent Pro und 46 Prozent Contra.
Die SZ rechnete die ungültigen Stimmen der beiden ersten Fragen ein und kam auf 55 Prozent Befürworter und 45 Prozent Gegner: Das entsprach dem Ergebnis der Stichfrage und repräsentierte die Stimmung im Ort (Minimalerfolg, in sueddeutsche.de 10.5.2011).

Der Initiator des Pro-Bürgerentscheids, Peter Fischer, sagte zwei Tage vor dem Bürgerentscheid: „Würde eine deutliche Mehrheit zwischen 60 und 70 Prozent Befürworter erreicht, dann kann man mit Recht sagen, dass die Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen hinter Olympia 2018 steht“ (Bürger haben das Wort: „OlympiJA“ oder „NOlympia“, in sueddeutsche.de 6.5.2011).
Nach Fischers eigener Definition kann man also nicht sagen, dass die Bevölkerung hinter Olympia 2018 steht.

OB Ude, der jahrelang von 75 Prozent Zustimmung erzählt hatte, war vor dem Bürgerentscheid eilig und nervös zurückgerudert: „Alles über 55 Prozent für Olympia ist ein voller Erfolg“ (Lode, Silke, Nur gewinnen zählt, in SZ 6.5.2011).

DOSB-Präsident Bach erzählte ungeniert in Richtung IOC: „Wir sind jetzt der einzige Bewerber, der ein Bürgervotum vorweisen kann“ (Kemnitzer, Sebastian, Erfolg im kritischen Bereich, in taz.de 9.5.2011).
Nachdem DOSB, Ude, Seehofer etc. und alle Gremien ein Votum mit aller Gewalt seit zwei Jahren verhindert hatten.
Und ungerührt sprach Bach wieder von 75 Prozent Zustimmung in Deutschland zu erzählen (Olympia, Bürgerentscheid, sueddeutsche.de .8.5.2010). Auch die Bayerische Staatsregierung sprach nach wie vor von einer Drei-Viertel-Mehrheit (Staatsregierung: Rückenwind für Olympia-Bewerbung, in sueddeutsche.de 9.5.2011).
Also alles wie gehabt. Die Wahrheit interessiert nicht.

Bei der Pressekonferenz tischte Bürgermeister Schmid die Mär auf: „Es war kein Fehler, dass der Bürgerentscheid erst so spät kam, denn so lagen wenigstens alle Karten auf dem Tisch“ (Ebenda).
Bürgermeister Schmid hat zusammen mit seinem Münchner Kollegen Ude seit 2009 einen Bürgerentscheid damit abgeblockt, dass es dafür längst viel zu spät sei.

Axel Doering äußerte nach der Entscheidung: „Klar ist, dass die Befürworter die Zahlen von 80 Prozent Zustimmung in Garmisch-Partenkirchen jetzt so nicht mehr verwenden können… Mit 49,5 Prozent haben uns ca. 60  Stimmen zum Erfolg gefehlt. … Die Bewerbung können wir jetzt meines Erachtens nicht mehr stoppen, also müssen wir uns an das Zuschlag-Vermeiden machen.“
Angesichts dieser knappen Abstimmung ist mit Sicherheit von Interesse, dass es beim Bürgerentscheid 1 immerhin 672 ungültige Stimmen und beim Bürgerentscheid 2 dann 1293 ungültige Stimmen gegeben hat (Bürgermeisterbrief vom 9.5.2011): Das ist ein absolut unüblich hoher Prozentsatz, der gerade juristisches Interesse findet.
Keines der Probleme der Bewerbung wurde mit dem knappen Bürgerentscheid gelöst. Die Grundstücksfragen sind weiter völlig ungelöst: Kein Bürgerentscheid der Welt kann Grundeigentümer zur Übereignung ihrer Grundstücke verdammen. So erklärte Ignaz Streitel, der Sprecher der Grundeigentümer zum Ergebnis von 49,41 Prozent zur Überprüfung der Verträge: „Das zeigt, dass nicht nur ein paar rückständige Landwirte gegen Olympia sind“ (Hoffmann, Nadja, „Für uns ändert sich nichts“, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 10.5.2011).
Und die rechtliche Überprüfung der Verträge steht weiterhin noch aus – auch ohne Bürgerentscheid.

Gar nicht lustig: Zwei Tage nach dem Bürgerentscheid bekamen die Garmisch-Partenkirchner Bürger den neuen Gebührenentscheid für die Grundsteuer B, die von 410 auf 450 Punkte erhöht wurde. Der Rathaussprecher bestritt jeden zeitlichen Zusammenhang (Steuerbescheid nach dem Bürgerentscheid, in merkur-online.de 14.5.2011).

Nolympia hat nach wie vor viel zu tun.

Pressestimmen und Kommentare:

„Das Lachen ist uns nicht vergangen, nur das Strahlen ist ein bisschen weniger geworden.“ Axel Doering, sueddeutsche.de 8.5.2011
„Der knappe Sieg ist kein Grund zur Freude für die Münchner Bewerbung, er zeigt vielmehr, dass in Garmisch-Partenkirchen nicht nur ein paar alpenländische Streithanseln gegen Olympia kämpfen, sondern fast die Hälfte aller Einwohner.“ Benedikt Voigt, tagesspiegel.de 8.5.2011

„Das Ergebnis ist ein Desaster für die entscheidenden Wochen der Bewerbung, für den Zweikampf mit Pyeongchang in Südkorea.“ Sebastian Kemnitzer, taz.de 8.5.2011

„Ob die Olympia-Bewerbung unter diesen Voraussetzungen ein gewinnbringendes Projekt sein kann, ist äußerst fragwürdig. Denn fast die Hälfte vor Ort haben dem IOC nur ein Signal geben: Ihr seid hier nicht willkommen! Die Mär von der einhelligen Olympia-Begeisterung der Bevölkerung ist seit heute auf jeden Fall endgültig widerlegt.“ Dieter Janecek, Landesvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen, Blog 8.5.2011

„Nach wie vor weigern sich 63 Grundbesitzer in der Marktgemeinde, ihre Flächen für den Zeitraum der Spiele zur Verfügung zu stellen.“ Garmisch-Partenkirchen stimmt für Winterspiele, in spiegelonline 8.5.2011

„Während die OlympiJA-Befürworter eine „deutliche Stärkung der Bewerbung“ (IOC-Vizepräsident Thomas Bach) und „Rückenwind“ (Münchens Oberbürgermeister Christian Ude) sehen, sprechen die NOlympia-Anhänger von einem „blauen Auge zuviel“. Jens Hungermann, welt.de 9.5.2011

„Auf die Idee, von sich aus nun auf die unterlegene Olympia-Opposition zuzugehen, kam man in der Stunde des Sieges nicht. Zugeständnisse etwa der Art, man müsse jetzt den vorhandenen Riss quer durch die Wintersportgemeinde zu kitten versuchen, gab es erst auf entsprechende Fragen der Presse. Wie ernst aber kann das gemeint sein, wenn die Manipulation der Öffentlichkeit schon am Wahlabend durch die Wahlsieger fortgesetzt wurde, die vielfach zu erwähnen vergaßen, dass es da noch eine zweite Abstimmung gegeben hatte, die von der Chronologie her die erste war, nämlich die der Olympia-Gegner. Die hatten mit ihrer Initiative erst die Gegenreaktion der Befürworter provoziert. 49,4 Prozent der Bürger haben bei dieser Abstimmung gegen Olympia votiert.
Der Bürgerentscheid von Garmisch ist, man kann es drehen und wenden, wie man will, eine Hypothek für die Olympiabewerbung, selbst bei 58 Prozent von Befürwortern. Vergleiche mit politischen Abstimmungen sind völlig daneben – man bedenke, in Garmisch wurde ein freudvolles Sportfest gewogen und von einem sehr großen Teil der Einheimischen für ungemessen befunden.“ Herbert Fischer-Solms, Bürgerentscheid ist Hypothek für die Olympiabewerbung, in dradio.de 9.5.2011

„Die ganz große Begeisterung lösen Olympische Spiele hierzulande nicht aus. Sie sind weltweit auf dem besten Weg, zu einem Ladenhüter zu werden. Die Zeiten sind vorbei, in denen das Internationale Olympische Komitee sich darauf verlassen konnte, dass die Menschen vor Dankbarkeit auf die Knie fallen, wenn ihr Staat den Zuschlag für die Ausrichtung der Spiele bekommt.“ Andreas Rüttenauer, Auf dem Weg zum Ladenhüter, in taz.de 9.5.2011

„Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, spricht von einer ‚deutlichen Mehrheit‘ – na ja. Es sind 58 Prozent, also wird man ebenso gut von einer äußerst starken Minderheit der Gegner sprechen dürfen.“ Michael Jäger, Garmisch und Stuttgart, in Der Freitag 9.5.2011

„Die Bewerbungsgesellschaft ist noch mal mit einem blauen Auge davongekommen. Aber für das IOC könnte es ein blaues Auge zu viel gewesen sein. Das vorläufige Endergebnis bestätigt erneut, dass die ’stabilen 2/3-Mehrheiten‘ für die Olympiabewerbung jeglicher Grundlage entbehren.“ Ludwig Hartmann, MdL Bündnis 90/Die Grünen, PM 9.5.2011

„Woran aber liegt’s, das Ausbleiben der Begeisterung beim Volk? An der Gaunertruppe internationaler Sportfunktionäre mit ihren auf Dauer gestellten Skandalen, als deren Spiele man die Olympischen längst begriffen hat? An der Übersättigung durch Sportshows? An der Schneemaschinentraurigkeit in ökologisch ausgezehrten Zonen? An Erlebnissen mit dem Tourismusrummel und der großen Verkaufe, die das Ganze ja ist? Am Bedürfnis nach Begeisterungspausen im Sperrfeuer der medialen Sportreklame?“ Jürgen Kaube, Der Berg schweigt, in faz.net 11.5.2011

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