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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Feb 132014
 
Zuletzt geändert am 12.04.2017 @ 16:27

11.2.2014, aktualisiert 20.1.2016
Vergleiche auch: Gazprom-Chronik; Gazprom; Putin, Wladimir; Putin: Krieg und Spiele; Almaty 2022; Makarow, Igor; Rotenberg, Arkadij, Boris; Gazprom-NTW

Vorbemerkung: Wenn man die Politik Putins in Russland kritisiert, muss man noch lange kein Freund der USA-Politik sein!

Zur Erinnerung an das Jahr 2004: “Schröder antwortete in der ARD-Sendung ‘Beckmann’ (…) auf die Frage, ob Putin ein lupenreiner Demokrat sei: ‘Ja, ich bin überzeugt, dass er das ist’” (Schröder: Putin ist lupenreiner Demokrat“, in Hamburger Abendblatt 23.11.2004). Jürgen Roth wies in seinem Buch „Gazprom – Das unheimliche Imperium“ (Frankfurt 2012) darauf hin, dass Schröder auch im Dezember 2006 im Focus und im November 2007 in n-tv Putin als „lupenreinen Demokraten“ qualifizierte (Roth S. 281).

– Lupenreine Diktatur (1): Putin verschärft seine Herrschaft. Zur Erinnerung: Putin war bereits zwei Amtsperioden russischer Staatspräsident und durfte nicht ein drittes Mal kandidieren. Deshalb spielte er den Trick mit der Übernahme des Amtes des Ministerpräsidenten für die Jahre 2008 bis 2012 im Wechsel mit Dmitri Medwedew (einem früheren Gazprom-Aufsichtsratschef), als Staatspräsident: Dies bescherte Putin formaljuristisch die Möglichkeit einer neuerlichen Kandidatur um das Amt des russischen Präsidenten 2012. Die Wahl am 4.3.2012 gewann er mit 63 Prozent der Stimmen, aber schon im Vorfeld wurde bei der Parlamentswahl  getrickst. „Für die ganze Welt sichtbar wurde das in den Massenprotesten gegen gefälschte Wahlen um den Jahreswechsel 2011/2012“ (Hans, Julian, Die atomisierte Gesellschaft, in SZ 13.8.2013). Regimekritiker Alexej Nawalny rief vor der Parlamentswahl Ende 2011 die Russen dazu auf, „sie könnten für jede Partei stimmen, nur nicht für die ‚Partei der Gauner und Diebe‘. Die pointierte Bezeichnung für die Regierungspartei Einiges Russland wurde fortan zum geflügelten Wort im kritischen Teil der Bevölkerung“ (Nienhuysen, Frank, Aus ganz besonderem Holz, in SZ 17.4.2013; Hervorhebung WZ).
Ein Jahr danach, am 7.5.2013, wollten Putin-Gegner mit einem Protestmarsch „an die Festnahmen am Tag vor der Vereidigung erinnern. Fast drei Dutzend Regierungskritiker sind wegen der gewaltsamen Zusammenstöße mit der Polizei vor einem Jahr im Visier der Justiz. Einige sind in Haft, andere stehen mit elektronischen Fußfesseln unter Hausarrest. Die Anklagen reichen bis hin zur ‚Organisation von Massenunruhen'“ (Ebenda).
„Seit er im Mai vor einem Jahr seine dritte Amtszeit als Präsident angetreten hat, kann man ihn täglich dabei beobachten, wie er seine Macht festigt und mithilfe der Justiz jene zivilgesellschaftlichen Moleküle zerschlagen lässt, die sich aus der atomisierten Gesellschaft gebildet haben“ (Hans 13.8.2013). Seit dem Mai 2013 hat Putin „das Demonstrationsrecht verschärft und die Freiheit im Internet beschränkt. Nichtstaatliche Organisationen, die Geld aus dem Westen erhalten, müssen sich als ‚ausländische Agenten‘ registrieren lassen. Beleidigungen wurden wieder zum Straftatbestand, gegen Oppositionsführer wie Alexej Nawalny etwa Verfahren wegen Betrugs oder Unterschlagung angestrengt. Mit einem Wort: Regimekritik wurde kriminalisiert. Es hat funktioniert. Weil die Begründung, dass alles Verderbliche nach wie vor aus dem Westen komme, noch immer in vielen Russen den Patrioten wach werden lässt. Ein Reflex, auf den Putin setzt“ (Neef, Christian, Schepp, Matthias, Der Übervater, in Der Spiegel 19/6.5.2013).

– Lupenreine Diktatur (2): Pressefreiheit à la Putin. „Reporter ohne Grenzen zählt Russlands Präsidenten Wladimir Putin seit Langem zu den größten Feinden der Pressefreiheit, in der Rangliste der Organisation steht sein Land auf Platz 148 von 179. (…) Und weil der Staat die Übertragungsrechte kontrolliere, gebe es landesweit nur drei große Sender: Rossija (Russland), der direkt der staatlichen Medienholding gehört; Perwyj Kanal (Erster Kanal), der zu einer Hälfte dem Staat, zur anderen zwei kremlnahen Oligarchen gehört; und NTV, seit 2007 im Besitz des halbstaatlichen Energiekonzerns Gazprom. Der einzige kritische Kanal sei der 2010 gegründete Sender TV Doschd. Mehrmals bewarb der sich um Ausstrahlungslizenzen – wurde aber nicht zugelassen. Über Internet und Kabel erreicht TV Doschd eine Million Zuschauer am Tag. Russland hat 143 Millionen Einwohner. (…) Doch der Kreml versucht laut Gruska nicht nur die Berichterstattung in Russland zu beeinflussen, sondern auch russlandfreundliches Material in ausländischen Medien zu platzieren. Ein kremlnaher Verlag produziert eine Zeitungsbeilage, die der New York Times , dem Telegraph und Le Figaro beiliegt, in Deutschland erscheint sie als Russland Heute in der Süddeutschen Zeitung . Zudem betreibt der Staat den Auslandssender Russia Today (RT). 2000 Mitarbeiter in 19 Ländern arbeiten für RT und bieten Medien einen besonderen Service: Auf der Website lassen sich die staatstreuen Beiträge herunterladen. Nach RT-Angaben nutzten bereits 16.000 Sender in 185 Ländern das Material“ (Hollenstein, Oliver, Märchen für die Massen, in SZ 29.11.2013).
Putin-TV.„Das Tochterunternehmen Gazprom Media hatte im Jahr 2000 handstreichartig den regierungskritischen Fernsehsender NTW übernommen und in einen Propagandasender Putins umgewandelt. Der Verkauf der Medienanteile wurde schon mehrmals angekündigt. Aber im vergangenen Jahr (2013; WZ) beschloss GazpromMedia den Zukauf weiterer russischer Fernsehstationen und Radiosender. Ein Medienimperium à la Berlusconi ist entstanden – auf Staatskosten“ (Voswinkel, Johannes, Gigant von Putins  Gnaden, in Greenpeace Magazin 2/2014 2/14).

– Lupenreine Diktatur (3): Olympische „Pressefreiheit“. „Nach einem Bericht von Reporter ohne Grenzen haben in der Krasnodar-Region Lokalbehörden mit den Medien ‚Abkommen über Informationsversorgung‘ geschlossen. Diese erhielten ‚generöse Unterstützung und Steuervorteile‘ im Gegenzug für Artikel, die inoffiziell ‚die Behörden preisen'“ (Nienhuysen, Frank, Im Schatten der Ringe, in SZ 1.2.2014).

– Lupenreine Diktatur (4): Putins persönlicher Schatz. Zur Erinnerung: Der Oppositionelle Alexej Nawalny wurde kurz vor der Moskauer Oberbürgermeister-Wahl unter fadenscheinigen Gründen verhaftet – und umgehend wieder freigelassen. Sergej Sobjanin, sein Gegenkandidat von Putins Partei Einiges Russland, hatte ihn aufgefordert, nicht aufzugeben. „Putins Machtapparat braucht Nawalnys Teilnahme an der Bürgermeisterwahl, um dieser einen Anstrich von Fairness zu geben. Sie werden seinen Sieg zu verhindern wissen. Was wir sehen, ist nicht Rechtsstaat, sondern inszeniertes Rechtsstaatstheater“ (Hans, Julian, Theater vor Gericht, in SZ 20.7.2013). Nawalny trat mit dem Motto auf: „Rossija bjes Putina“ – Russland ohne Putin (Nienhuysen, Frank, Der Mann, der aus dem Netz kommt, in SZ 10.8.2013).
Nawalny hatte im Wahlkampf um das Amt des Moskauer Bürgermeisters im Sommer 2013 die Moskauer Wähler gefragt, „ob sie denn wüssten, wie viel Geld Russland in den letzten 15 Jahren durch den Verkauf von Öl, Gas und Metall verdient habe. ‚Keine Ahnung‘, ruft eine Rentnerin, ‚bekommen haben wir davon nichts.‘ – ‚Drei Billionen Dollar‘, sagt Alexej Nawalny, ‚damit würden auf jeden einzelnen Russen 640.000 Rubel entfallen, Säuglinge und 100-jährige inbegriffen, fast 20.000 Dollar'“ (Neef, Christian, Schepp, Matthias, Lehrstück aus Moskau, in Der Spiegel 16/2.9.2013).
Gehören die russischen Rohstoffe Putin und seiner Gang persönlich? Zumindest verfährt er so. Vergleiche auch das Buch von Jürgen Roth: Gazprom, in dem die vielfältigen Beziehungen und personellen Verflechtungen zwischen Putin, dem Kreml und Gazprom aufgezeigt werden.
Vorschlag zur Umbenennung des IOC: Internationaler Oligarchen-Club.

– Lupenreine Diktatur (5): Amnesty International unzufrieden. Sprecher Emile Affolter am 3.2.2014: „Es muss dringend mehr als bisher auf die Einhaltung der Menschenrechte geachtet werden“ (Ebenda). Die  Einhaltung von Grundrechten muss vorher fixiert werden: „Das halten wir für eine der wichtigsten Aufgaben, die Bach zu lösen hat. Wir erleben hier täglich, wie die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird“ (Ebenda). Jürgen Mittag von der Deutschen Sporthochschule Köln meinte wenig hoffnungsfroh: „Künftig werden sie auch ökologische Aspekte oder Menschenrechtsfragen bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Allerdings wohl nur auf niedrigem Niveau“ (Kaufmann, Stefan, Die Welt zu Gast bei Feinden, in handelsblatt.com 3.2.2014). – Die „Pussy-Riot“-Aktivistin Nadeschda Tolonnikowa protestierte mit ihren Mitstreiterinnen in einer Aktion am 21.2.2012 in einer Moskauer Kirche gegen die enge Verbindung der russisch-orthodoxen Kirche zu Putin. Tolonnikowa saß seit März 2012 in Haft und berichtete im September 2013 über ihre Haftbedingungen: „17 Stunden Arbeit am Tag, nur vier Stunden Schlaf, Gewaltandrohungen, falls die Norm nicht erfüllt wird, umgerechnet 70 Cent Lohn im Monat. Seit Montag befindet sich Tolonnikowa im Hungerstreik“ (Hans, Julian, Geschäfte mit dem Gulag, in SZ 28.9.2013). – Im November 2013, kurz vor Beginn der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi, werden 30 im September 2013 festgenommene Greenpeace-Aktivisten der „Arctic Sunrise“, die verbliebenen beiden Mitglieder von „Pussy Riot“ und der ehemalige Eigentümer der Ölfirma Yukos, Michail Chodorkowski, per „Dekret“ des Präsidenten Putin begnadigt und aus der Haft entlassen.

– Lupenreine Diktatur (6): Putins Freunde. Interview von Jörg Winterfeldt in der Frankfurter Rundschau mit dem Regimekritiker Boris Nemzow: Dieser kann nicht nach Sotschi reisen, “weil Putin für Sotschi-Reisen eine besondere Genehmigung durch den FSB (Federalnaja sluschba besopasnosti Rossijskoj Federazii, Russlands Inlandgeheimdienst, d. Red.) zur Auflage gemacht hat. Oppositionsführern und Oppositionsaktivisten ist es völlig unmöglich, diese Genehmigung zu bekommen. Insofern sind diese Spiele ein einzigartiger Fall: Wenn du zum Beispiel eine Eintrittskarte für ein Hockeyspiel hast, reicht das nicht aus, um in die Eishockeyhalle zu gelangen. Du musst auch eine Genehmigung vom FSB bekommen. Die verweigern sie politischen Aktivisten.” Diese Genehmigung erhalten vor allem “Angehörige der Partei Einiges Russland, Gazprom-Leute, Eisenbahn-Mitarbeiter. Zwei meiner Parteikollegen ist die Genehmigung verwehrt worden.” Zum Umgang von Sotschis Bürgermeister Anatolij Pachonow mit den Bürgern äußerte Nemzow: “Der Bürgermeister hat sie nicht beschützt, weil er nur Putin und seinen Leuten dient, nicht den Bürgern Sotschis. Sie haben auch nicht von den Baumaßnahmen profitieren können, weil nur Einwanderer aus mittelasiatischen Ländern Jobs bekommen haben. Viele Bürger aus Sotschi haben auch keine Chance, sich Wettbewerbe der Spiele anzusehen, weil die Eintrittskarten sehr teuer sind.”
Nemzow hatte gegen Bürgermeister Anatolij Pachonow kandidiert. Zur “Wahl” sagte er: “Die Wahl war total gefälscht. 36 Prozent der Stimmen wurden im Vorhinein abgegeben, und ausnahmslos alle bekam Pachomow. Es herrschte absolute Zensur. Ich bekam keine Chance, im Fernsehen in Debatten aufzutreten oder in Zeitungen Gehör zu finden. Sie haben mein Werbematerial beschlagnahmt, und sie haben meine Berater verhaftet. In der Zeit war Putin zweimal in Sotschi, um seinen Protegé Pachomow zu unterstützen.” Auf die Frage, wer von den Spielen profitiere, äußerte Nemzow: “Putins Freunde. Arkadij Rotenberg, sein Judo-Partner, hat mehr als sieben Milliarden US-Dollar bekommen. Sein KGB-Freund, der Bahn-Chef Wladimir Jakunin, bekam zehn Milliarden US-Dollar aus dem Budget. Putins Freunde von Gazprom, aus der Sberbank.” Über Russland urteilte Nemzow: “Jeder versteht, dass das hier ein Land des Polizeistaates und der Korruption ist. Ich glaube, dass Sicherheitserwägungen in Sotschi sehr wichtig sind. Ich glaube und hoffe, dass den Besuchern nichts zustößt. Ich glaube aber auch, dass die Polizei sich nicht nur um Sicherheit kümmert, sondern auch darum, die Opposition von den Sportstätten fernzuhalten” (Winterfeldt, Jörg, “Für viele Einwohner sind die Spiele ein Desaster”, in fr-online 5.2.2014).

– Lupenreine Diktatur (7): Proteste auf dem Roten Platz. Pünktlich zur Eröffnung von Sotschi 2014 haben am 7.2.2014 neun junge Demonstranten die russische Nationalhymne gesungen und die russische Fahne und ein paar Regenbogenfähnchen, das Symbol der Homosexuellenbewegung, hochgehalten. Sie wurden sofort festgenommen und auf der Polizeiwache geschlagen. Die Organisatorin Lena Kostjutschenko sagte: „Wir haben nichts gefordert, nur gesungen. Wir wollten zeigen, dass auch wir Teil dieses Landes sind“ (Dornblüth, Gesine, Festnahmen während der Olympiaeröffnung, in deutschlandfunk.de 10.2.2014).
„Die Festnahmen auf dem Roten Platz waren nicht die einzigen nach der Olympia-Eröffnung. Am Samstag trafen sich Dutzende Moskauer auf dem Manege-Platz am Kreml, um Solidarität mit dem unter Druck geratenen unabhängigen Fernsehsender Doschd auszudrücken. Ihr Erkennungszeichen: ein Regenschirm. Doschd heißt Regen. Alle wurden festgenommen. Die Behörden reagierten immer hysterischer auf Kritik, auch während Olympia, meint Lena Kostjutschenko: ‚In den Polizeiprotokollen steht: Sie hatten einen Regenschirm aufgespannt, obwohl es nicht regnete. Jetzt wird ihnen Verletzung der öffentlichen Ordnung vorgeworfen.‘  Den meisten russischen Medien waren die Festnahmen am Wochenende keine Meldung wert. Sogar kremlkritische Zeitungen hielten sich zurück“ (Ebenda).

– Lupenreine Diktatur (8): Repressionen gegen Umweltwacht Nordkaukasus. Schewtschenko: “Wir Umweltschützer sind dauernd mit Repressionen durch den Staat konfrontiert. Die Austragung der Olympischen Spiele hat die Situation nicht verändert. Im vergangenen Jahr wurde den Mitgliedern unserer Organisation sogar unterstellt, Spione zu sein, die für das Ausland oder für die Interessen der USA arbeiten. In diesem Jahr wurden wir bereits vom Justizministerium durchleuchtet. Wir mussten den Behörden unsere komplette Korrespondenz der vergangenen drei Jahre zur Verfügung stellen. Auch einzelne Aktivisten werden wegen ihres Engagements für den Umweltschutz stark bedrängt und mit Haftstrafen bedroht. Aktuell bekannt gewordene Fälle sind die von Suren Gasarjan und Jewgeni Witischko. Unser Vorstand Suren Gasarjan sah sich gezwungen Russland zu verlassen und lebt heute in Estland. Für den verurteilten Jewgeni Witischko hat Amnesty International vor wenigen Tagen eine Solidaritätskampagne gestartet” (Henneberger, Kathrin, „Die Kompensation ist ein Bluff“, in klimaretter.info 7.2.2014; zu Witischko siehe unten unter 14).
Für Wladimir Kimajew von der Umweltwacht sind die Olympischen Spiele Sotschi 2014 eine Tragödie. „Seine Leute haben es immerhin geschafft, dass der Eiskanal nicht in einem Naturschutzgebiet gebaut wurde, sie durchkreuzten die Pläne für einen Hafen am Olympiapark und für ein Kraftwerk mitten in der Stadt“ (Bidder, Benjamin, Eberle, Lukas, Großekathöfer, Maik, Gestern und Morgen, in Der Spiegel 7/10.2.2014). Die für Kimajew schlimmsten Bauten – die Autobahn und Bahntrasse über dem Fluss Msymta – konnten sie nicht verhindern. „Die einzigen Profiteure sind die Unternehmen. Jeder Gauner konnte sich mit Geld eine Baugenehmigung kaufen und hier hinstellen, was er wollte“ (Ebenda).

– Lupenreine Diktatur (9): Umweltschützer Witischko verhaftet. Rechtzeitig zum Beginn von Sotschi 2014 wurde der Geologe Jewgeni Witischko von der Umweltwacht Nordkaukasus verhaftet. “Im Jahr 2011 hatte er sich mit Aleksandr Tkatschow angelegt, dem mächtigen Gouverneur der Region Krasnodar, zu der auch Sotschi gehört. Tkatschow ist der größte Grundbesitzer und ein wichtiger Verbündeter des Kremls bei der Kontrolle über die Olympia-Milliarden. Weil Witischko mit seinen Anhängern dagegen protestierte, dass sich der Gouverneur ein schönes Stück Strand zu seiner Datscha einverleibte, wurde der Öko-Aktivist zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Im Dezember 2013 aber wandelte ein Gericht die Bewährungsstrafe in drei Jahre Lagerhaft um – Jewgeni Witischko hatte angeblich gegen die Bewährungsauflagen verstoßen” (Heimann, Doris, Mehr Fluch als  Segen, in schwaebische.de 7.2.2014).
Die Rolle Olympischer Spiele ist für das IOC wichtig, für Potentaten aber noch wichtiger. Hierzu das Beispiel Olympischer Sommerspiele Berlin 1936: hier

– Lupenreine Diktatur (10): Bürgerrechtler Sawwa unter Hausarrest. Der Krasnodarer Universitätsprofessor Michail Sawwa , ein Politologe und Direktor einer Nichtregierungsorganisation, wurde im April 2013 verhaftet; er saß lange in Untersuchungshaft und steht derzeit noch bis 3.2.2014 unter Hausarrest (Aumüller, Johannes, Danach droht die Strafkolonie, in SZ 25.1.2014). Sawwa wurde dann punktgenau für die Olympischen Winterspiele außer Gefecht gesetzt: „Auch der bekannte und in Krasnodar wohnhafte Bürgerrechtler Michail Sawwa, gegen den ein Verfahren wegen der angeblichen Veruntreuung von Stipendiengeldern in Höhe von knapp 10 000 Euro läuft, war punktgenau noch einmal drangsaliert worden. Am Wochenende verlängerten die Behörden den Hausarrest des Politologen um zwei Monate“ (Aumüller, Johannes,  Zu viele Schimpfwörter, in SZ 5.2.2014).

– Lupenreine Diktatur (11): Der „russische Zar“. Andreas Rüttenauer schrieb in der taz: „Die Mitglieder des IOC haben auch gewusst, wer sich da im Juli 2007 in feinstem Englisch an sie gewandt hat. Putin war schon sieben Jahre Präsident in Russland. Längst hatte er die demokratische Verfassung durch seinen autoritären Führungsanspruch de facto außer Kraft gesetzt. Und doch wollte keiner murren, als Bewerbungschef Tschernischenko nach dem Abstimmungserfolg für Sotschi von einer ‚Chance für die junge Demokratie in Russland‘ schwafelte. Und auch das im Juni 2013 von der Duma einstimmig verabschiedete Gesetz, das „Propaganda von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen“ unter Strafe stellt, ist nicht vom Himmel gefallen. (…) Als mehrere 100.000 Menschen Boykottaufrufe unterschrieben hatten, erklärte das IOC, dass Schwule und Lesben in Sotschi nichts zu befürchten hätten, wenn sie die Klappe hielten. Versuche, ein Pride House in Sotschi einzurichten, das bei den Spielen in London 2012 und Vancouver 2010 Treffpunkt schwul-lesbischer Sportler gewesen war, scheiterten am russischen Einspruch. Die Organisatoren hatten da längst den Versuch aufgegeben, in Sotschi so etwas wie ein anderes Russland zu zeigen. Bürgerrechtler wie der Umweltaktivist Jewgeni Witischko von der Umweltwacht Nordkaukasus wurden wenige Tage vor Beginn der Spiele weggesperrt“ (Rüttenauer, Andreas, Putins Spiele in XXL, in taz.de 7.2.2014).

– Lupenreine Diktatur (12): Sotschi-2014-Profiteure I. Das neue Skiressort Rosa Chutor wurde vom russischen Oligarchen Wladimir Potanin erbaut. „Er hat beste Beziehungen zum Kreml. Rund 2,5 Milliarden US-Dollar hat er eigenen Angaben zufolge allein in das Skigebiet Roza Chutor investiert. Dass das in absehbarer Zeit Profit abwirft, ist unwahrscheinlich“ (Dornblüth, Gesine, Vom Badeort zum Wintersportmekka, in deutschlandfunk.de 5.1.2014). – „Potanin wird nach den Spielen an jedem Skipass, jeder Bratwurst und jedem Bier verdienen – ganz Chutor ist Privatbesitz“ (Spannagel, Lars, Olympias Sklaven machen es möglich, in tagesspiegel.de 4.1.2014).

– Lupenreine Diktatur (13): Sotschi-2014-Profiteure II. Putin war von den Wahlfälschungen 2011/2012 geschwächt. Nun versucht er, mit Sotschi 2014 Reputation zu gewinnen. Christian Neef und Matthias Schepp listeten im Spiegel die Verbindung zu seinen Oligarchen-Kumpels auf. – Wladimir Jakunin ist Chef der Russischen Eisenbahnen. „Jakunins Eisenbahnkonzern hat in Sotschi acht große Projekte für 6,6 Milliarden Euro aus dem Boden gestampft, darunter die Autobahn und die 42 Kilometer lange Eisenbahnlinie von der Küste in die Kaukasusberge“ (Neef, Christian, Schepp, Matthias, Putins Spiele, in Der Spiegel 27.1.2014). 332.000 Quadratmeter Asphalt versiegelten den Boden, 54.000 Quadratmeter Granit  wurden verlegt. Der Blogger Alexej Nawalny berichtete, dass sich Jakunin vor den Toren Moskaus einen Palast mit mehreren Dutzend Zimmer errichten hat lassen (Ebenda). – Ahmed Bilalow war Bauunternehmer aus Dagestan, Vizepräsident des russischen Olympischen Komitees und für den Bau der Sprungschanzen zuständig: Deren Kosten hat sich mindestens um das Siebenfache verteuert – Bilalow musste nach London emigrieren. – Oligarch Wladimir Potanin, Nickel-König, erwarb sein Vermögen von geschätzten 14,3 Milliarden Dollar unter Boris Jelzin, bekam vom Kreml den sehr verbindlichen Auftrag, Rosa Chutor zu bauen. – Oleg Deripaska, Aluminium-Oligarch, zwischenzeitlich auf 8,5 Milliarden Dollar geschätzt, ist ebenfalls Profiteur der Jelzin-Ära (und mit dessen Stiefenkelin verheiratet). Sein Unternehmen Rusal „ist hochverschuldet und inzwischen praktisch abhängig von der Staatsbank WTB. Drei Wochen vor der Eröffnung der Spiele wurde noch immer an Deripaskas 500 Millionen Euro teurem Olympiadorf gewerkelt“ (Ebenda). – Potanin und Deripaska fordern nun zusammen mit den Staatsunternehmen Gazprom und Sberbank, die ebenfalls Milliarden investierten, Staatsgelder zur Finanzierung der olympischen Projekte. – Putin hat noch einen sehr speziellen Kumpel: „Arkadij Rotenberg zum Beispiel war bis vor gut 30 Jahren Direktor einer unbedeutenden Kinder- und Jugendsportschule in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg. (…) Öffentlich in Erscheinung trat er nie, heute jedoch ist der 62-jährige Milliardär und beherrscht zusammen mit seinem Bruder Boris Banken, Pipeline-Firmen und Baukonzerne“ (Ebenda). Rotenbergs Karriere hat er Putin zu verdanken: „Sie hatten einst zusammen im Judoclub trainiert; heute gehört der Club dem Milliardär, und Ehrenpräsident ist Putin. (…) Für Sotschi-Großprojekte haben Rotenbergs Firmen Verträge über 4,8 Milliarden Euro abgeschlossen, wie der US-Finanzdienst Bloomberg ermittelte, etwa für den Bau von Straßen, einer Pipeline und des Medienzentrums“ (Ebenda). – Der Konzern Olimpstroi ist „einer von sieben großen Staatsbetrieben und ein geradezu natürlicher Nährboden für Korruption. Denn Staatskonzerne wie dieser gelten paradoxerweise nicht als kommerzielle Organisationen, sie müssen keine detaillierten Jahresabschlüsse vorlegen“ (Ebenda).
Deshalb wurden die Olympiabauten um über die Hälfte bis 75 Prozent teurer als solche in anderen Ländern. Den Extra-Gewinn strich wiederum die Sotschi 2014-Profiteure ein- und vermutlich Putins Partei „Einiges Russland“.

– Lupenreine Diktatur (14): Sotschi-2014-Profiteure III. Der Oppositionelle Alexej Nawalnyj berechnete mit seiner „Stiftung zum Kampf gegen Korruption“ (hier) die tatsächlichen Kosten für Sotschi 2014. Putin gibt für die Kosten nur 6,5 Milliarden Dollar an: Der russische Staat würde drei Milliarden und private Investoren 3,5 Milliarden Dollar tragen. Nawalyj: „Es ist einfach Unsinn, eine vollkommene Lüge“ (Schmidt, Friedrich, „Es ist kein Tauwetter – es sind die Olympischen Spiele“, in faz.net 28.1.2014). Laut Nawalnyj wurden die Staatshaushalte 2007 bis 2014 analysiert: 25,1 Milliarden Dollar kamen aus dem föderalen Haushalt, eine Milliarde Dollar aus dem Haushalt der Region Krasnodar, 7,6 Milliarden Dollar kamen von der Außenwirtschaftsbank VEB über Kredite, deren Rückzahlung das Finanzministerium garantiert hat. 10,5 Milliarden Dollar kamen von staatlichen Unternehmen wie Eisenbahn oder Gazprom: „Für diese Ausgaben zahlen wir Verbraucher, weil die Unternehmen die Preise für Strom oder ein Zugticket erhöhen. Nur ungefähr 53 Milliarden Rubel (1,6 Milliarden Dollar) sind tatsächlich Privatgelder, weniger als vier Prozent der Gesamtkosten“ (Ebenda). 28 Objekte mit Kosten von 24,7 Milliarden Dollar wurden analysiert. Die Preiserhöhung durch Korruption liegt bei 5,7 Milliarden Dollar: „Diese Summe wurde geklaut beim Bau, das sind gut 42 Prozent“ (Ebenda).

– Lupenreine Diktatur (15): Sotschi-Profiteure IV. Der Bericht von Nawalnyis “Moskauer Stiftung für Korruptionsbekämpfung” benennt folgende Oligarchen und ihren olympischen “Umsatz”:
Arkady Rotenberg, Putin-Spezl, 6.9 Milliarden Dollar; Vladimir Kostylev, Evgeniy Sur und Gennady Timchenko, frühere Erbauer der Baikal-Amur-Hauptstrecke, ca. 5.5 Milliarden Dollar; Oleg Shishov, ein Geschäftsmann aus Omsk, 2,1 Milliarden Dollar; Leonid und Andrey Monosov, Vize-Präsidenten der Olympiagesellschaft Olympstroy 152,9 Millionen Dollar; Alexander Tkachyov und Roman Batalov, Gouverneur von Krasnodar und sein Schwiegersohn 278.3 Millionen Dollar; Dmitry und Alexandr Svischev, Väter von Duma-Mitgliedern, 29.7 Millionen Dollar.
Dazu verlieh Nawalnys Stiftung noch Medaillen an die Verantwortlichen der Umweltzerstörung: Vladimir Yakunin (Goldmedaille), Putin-Freund, Präsident der Russischen Eisenbahn; Zerstörung geschützter Wälder, Zerstörung von Stränden, Anlegung illegaler Mülldeponien; Anatoliy Pakhomov (Silbermedaille), Bürgermeister von Sotschi, Versagen des „Null-Müll-Programms“, illegale Mülldeponien; Vladimir Potanin,(Bronzemedaille), 278.3 Millionen Dollar, Eigentümer und Präsident von Interros, Rodung und Zerstörung von Wäldern, Flussverschmutzung (Vergleiche: „Champions“: hier).

– Lupenreine Diktatur (16): Sotschi-Profiteure V. Der Aluminium-Oligarch Oleg Deripaska (Konzern Rusal) steht laut Forbes mit einem Vermögen von 8,5 Mrd. Dollar auf Platz 16 der reichsten Russen (s. o.). Deripaska hat neben dem Ausbau des Sotschi-Flughafens und dem Bau eines Hafens auch das Olympische Dorf am Schwarzen Meer bauen dürfen – oder besser müssen, um sich den Kreml gewogen zu halten. „Neben Deripaska sind zwei andere russische Magnaten, Milliardäre, von manchen auch Oligarchen genannt, im größeren Stil in Sotschi engagiert (Triebe, Benjamin, Goldmedaille für die größte Staatskasse, in nzz.ch 8.2.2014). Die Behauptung von Putin, dass „private Investoren“ mit einem Anteil von 17 Milliarden Dollar an den Investitionen von 50 Milliarden Dollar schultern, ist falsch: Der Kreml rechnet hier staatliche Unternehmen ein. Dazu kommt die direkte staatliche Finanzhilfe: „Die öffentliche Entwicklungsbank Vnesheconombank (VEB) vergab Kredite von mehr als 240 Mrd. Rbl., umgerechnet 7,1 Mrd. $. Das allein ist so viel, wie die Winterspiele in Vancouver im Jahr 2010 gekostet haben“ (Ebenda). Deripaska hat von der VEB Darlehen von über einer Milliarde Dollar erhalten. Deripaskas olympisches Dorf am Meer wird nach Sotschi 2014 als Wohnungen weiterverkauft – für einen Quadratmeterpreis ab 4.700 Dollar. Der Hafenausbau geriet zum ökonomischen Desaster, weil die meisten Güter – entgegen der Zusicherungen – für die olympische Infrastruktur über den Landweg kamen. Deripaskas Hafengesellschaft verklagte daraufhin die Dachgesellschaft Olimpstroi, diese wiederum die VEB und Deripaska (Ebenda)..
Der zweite Oligarch ist Wladimir Potanin (laut Forbes Platz 7 mit 14,3 Mrd. Dollar), größter Aktionär des weltgrößten Nickelproduzenten Norilsk Nickel. Potanin baute, wie erwähnt, u. a. das Skigebiet Rosa Chutor. „Potanin und seine Holding Interros erhielten einen VEB-Kredit über 1,7 Mrd. $, ihre Gesamtkosten sollen bei 2,2 Mrd. $ liegen. Daneben nimmt sich das Engagement des Magnaten Viktor Vekselberg (15,1 Mrd. $, Platz 4) fast bescheiden aus. Er ließ die 600 Mio. $ für einen Hotelkomplex, den seine Renova-Gruppe errichtete, zu mehr als der Hälfte von der VEB finanzieren. Fast alle, die ihre Sotschi-Projekte mit Staatsgeld gepäppelt haben, tun sich schwer mit der Rückzahlung: Deripaska und Potanin, sekundiert von den Staatsunternehmen Sberbank und Gazprom, forderten im Frühjahr 2013 Hilfe bei Zinszahlungen oder Steuererleichterungen.“ (Ebenda). Die Sberbank sprang mit 2,4 Mrd. Dollar für den Bau der Sprungschanzen und anderer olympischer Projekte ein; Gazprom investierte drei Mrd. Dollar in die Energie-Infrastruktur, ein konzerneigenes Skigebiet sowie das Biathlon- und Langlaufstadion (Ebenda).
„Nur wer das Staatsgeld nicht ausgibt, sondern einnimmt, darf sich wirklich die Hände reiben. Besonders gut verdienen die Gebrüder Arkadi und Boris Rotenberg. Die Milliardäre waren einst Judo-Partner von Präsident Putin, nun verwirklichten sie mit ihren Bauunternehmen in Sotschi Projekte im Auftragsvolumen von 7 Mrd. $, wie der Oppositionspolitiker Boris Nemzow und auch Bloomberg nachgerechnet haben. Arkadi Rotenberg sagte, er habe die Aufträge ohne Ausschreibung erhalten, weil keine anderen Firmen diese Leistungen hätten erbringen können“ (Ebenda).

– Lupenreine Diktatur (17): Putin-Partei beendet Fackellauf in Sotschi. Ringer Alexander Karelin, Gymnastin Alina Kabajewa (gilt als Putin-Geliebte), Eishockey-Torwort Wladislaw Tretjak und Eiskunstläuferin Irina Rodnina waren die letzten Fackelträger: und alle vier Duma-Abgeordnete für Putins Regierungspartei Einiges Russland (Aumüller, Johannes, Hofmann, René, Der verbotene Krieg, in SZ 10.2.2014).

– Lupenreine Diktatur (18): Abschaltung vom einzigen unabhängigen TV-Sender. Natalja Sindejewa gründete den Kabel- und Internet-Fernsehsender Doschd. Der einzige unabhängige Fernseh-Sender bot auch dem Bloggger auf staatlichen Druck aus dem Kabelnetz geworfen. Sindejewa weiß nicht, wer letztlich zuständig war: „… aber der Druck auf uns hatte in den vergangenen Monaten stark zugenommen. (…) Jedenfalls kennen Wladimir Putin und Premierminister Dmitrij Medwedew den Vorgang. (…) Wir waren für die herrschende Elite so etwas wie das Fenster zum Leben der anderen. über Doschd erreichten sie all diejenigen, die kein Staatsfernsehen mehr schauen“ (das Leben der anderen, in der Spiegel 7/10.2.2014). Auf die Frage nach der Pressefreiheit in Russland antwortete Sindejewa: „Bisher habe ich immer geantwortet, dass es sie gibt. Unser Sender war der Beweis dafür. Das Vorgehen gegen uns ist nicht nur ein Anschlag auf die Pressefreiheit, sondern auch auf den Rechtsstaat. Man hätte uns ja vor Gericht ziehen können, stattdessen verbreiten die staatsnahen Kabelnetzbetreiber uns einfach nicht weiter, natürlich auf Druck von oben“ (Ebenda). Und zum Zusammenhang mit den Olympischen Winterspielen in Sotschi: „Alles lief schon länger darauf hinaus. es stört die Verantwortlichen nicht, wenn dies das Image Russlands im Ausland beschädigt“ (Ebenda).

– Lupenreine Diktatur (19): Jewgeni Witischko zu Lagerhaft verurteilt (Vgl. auch (9). Der russische Umweltaktivist Jewgeni Witischko von der Umweltwacht Nordkaukasus ist am 11.2.2014 zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Ein russisches Gericht hat das Urteil gegen den Geologen nun bestätigt. „Nach Auffassung der Richter hatte Witischko Zerstörungen durch die Winterspiele in Sotschi angeprangert. Sie sahen es als erwiesen an, dass der Ökologe an einer Villa des Gouverneurs der Olympia-Region Krasnodar Protestplakate angebracht hat, weil das Gebäude ohne gesetzliche Grundlage errichtet worden sein soll. Er wurde deshalb wegen vorsätzlicher Beschädigung fremden Eigentums für schuldig gesprochen und verurteilt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nannte den Richterspruch ‚politisch motiviert‘. Die russischen Behörden würden Aktivisten im Umfeld von Olympia mit Druck ‚kaltstellen‘ wollen, sagte die Sprecherin Julia Gorbunowa. Witischkos Anwalt Alexander Popkow meinte: ‚Jewgeni soll gezielt isoliert werden‘. (…) Schon vor Beginn der Olympischen Spiele war Witischko zu 15 Tagen Arrest verurteilt worden. Auch ein zweiter Umweltschützer, Igor Chartschenko, war wegen seiner Kritik an Umweltschäden am Ort der Winterspiele festgenommen worden. Er war von einem Gericht in Krasnodar unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu fünfzehn Tagen Arrest verurteilt worden“ (Kritiker zu Lagerhaft verurteilt, in tagesschau.de 12.2.2014). Diese 15 Tage Arrest erhielt Witischko, weil er angeblich an einer Bushaltestelle Schimpfworte benutzt bzw. öffentlich geflucht hatte: Dies ist nach einem Putin-Dekret in Russland verboten. Es gab zwei Zeugen, welche den angeblichen Vorfall bestätigten – obwohl der Anwalt von Witischko erklärte, dass sein Mandat gar nicht an dieser Bushaltestelle gewesen sei. Derzeit sitzt Witischenko diesen Arrest ab. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Behörden mit aller Macht verhindern wollen, dass Witischko während der Spiele die Möglichkeit zum Protest hat“ (Aumüller, Johannes, Zu viele Schimpfwörter, in SZ 5.2.2014).
Inzwischen traf sich die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg mit Witischkos Anwalt Popkow und Semjon Simonow von der Menschenrechtsorganisation Memorial: Solberg will den Fall Witischko auch mit dem russischen Ministerpräsidenten Dmitrij Medwedew ansprechen. Simonow „hatte versucht, als Fan nach Sotschi zu kommen und sich eine Eintrittskarte für ein Eishockeyspiel gekauft. Doch die Behörden verweigerten ihm – wie auch anderen – den ‚Besucherausweis‘, ohne den niemand in die Sportstätten kommt“ (Ebenda; vgl. oben).
Witischko hatte mit dem Ökowacht-Mitstreiter Suren Gasarjan gegen den illegalen Bau von Gouverneur Alexander Tkatschow protestiert: Gasarjan musste nach Estland fliehen. Witischko hat auch persönliche Konsequenzen gezogen: „Leute, die ihn gut kennen, berichten, dass er sich sogar scheiden ließ, damit die Frau und die Kinder nicht bedroht werden“ (Aumüller, Johannes, Olympischer Gefangener, in SZ 13.2.2014). Witischko: „Das, was in unserem Land, in Sotschi, passiert, darf nicht sein, aber es passiert. Wir dürfen die Wahrheit darüber, wie sich diese Region nach Olympia weiterentwickeln wird, nicht sagen“ (Ebenda). Die Umweltwacht Nordkaukasus  stellte Mitte Februar  2014 einen 81-seitigen Report vor, in dem die Umweltschäden dokumentiert  wurden (Aumüller, Johannes, Erst einmal nachfragen, in SZ 14.2.2014).
Das IOC erzählt dazu die Unwahrheit: “Wir haben (das Organisationskomitee) Sotschi 2014 gebeten, uns mit mehr Informationen zu versorgen. Dessen Informationen deuten darauf hin, dass der Fall Witischko nichts zu tun hat mit der Vorbereitung der Olympischen Spiele” (Ebenda). IOC-Präsident Bach setzte noch etwas drauf: „Nach unseren Informationen hat er gegen geltendes russisches Recht verstoßen“ (Aumüller, Johannes, Erst einmal nachfragen, in SZ 14.2.2014).
Kommentar von Matthias Friebe im Deutschlandfunk: „Zu den Akten gelegt, abgehakt. Kein Thema mehr. Das Internationale Olympische Komitee macht sich die Sache sehr einfach in der Causa Jewgeni Witischko. International stößt das Verfahren auf laute Kritik. (…) Eine kurze Anfrage bei den lokalen Behörden genügt den olympischen Funktionären. Man habe erfahren, dass der Fall Witischko nichts mit Olympia zu tun habe. Das Thema damit abgehakt. So einfach ist das für das IOC. Wenn etwas den schönen Schein der Bilder zu stören droht, wird sich weggeduckt“ (Friebe, Matthias, Das IOC macht sich die Sache zu einfach, in deutschlandfunk.de 15.2.2014).
Der Vorsitzende der Oppositionspartei Jabloko, Sergej Mitrochin, kündigte einen Protestbrief an IOC-Präsident Bach an: „Wie kann er es dulden, dass in der Region der Olympischen Winterspiele ein politischer Prozess im Geiste der 1930er Jahre stattfindet?“ (Im Hungerstreik, in SZ 18.2.2014). Seit dem 12.2., dem Tag der Urteilsverkündung, befindet sich Witischko im Hungerstreik .
Das IOC ist bestens aufgehoben im Putin-Russland. Also feiert in aller Ruhe weiter, ihr IOC-Ignoranten, Funktionäre und Sportler. Und das Fernsehvolk sieht die Bilder vom “Olympic Broadcasting Service” (OBS), in denen keinerlei Kritik oder Protest gezeigt wird. Schöne neue olympische Welt…

– Lupenreine Diktatur (20): Keine Demonstration. Zunächst sollten Demonstrationen nach Putins Willen gänzlich verboten sein. Dann wurde ein Platz ausgewiesen im „Park des Sieges“ im Stadtteil Chosta, etwa 15 Kilometer vom Rathaus in Sotschi entfernt. Hier darf bzw. dürfte – in engen Grenzen – demonstriert werden: „Wer eine Demonstration ausrichten will, muss sie hier anmelden. Bedingung eins: Sie darf, gemäß Putins Erlass, nichts mit den Olympischen Winterspielen zu tun haben. Bedingung zwei: Sie braucht zahlreiche Genehmigungen. Erst prüft die Stadtverwaltung den Antrag, dazu dann noch die Polizei, das Innenministerium und der Geheimdienst FSB“ (Aumüller, Johannes, Palmsonntag, in SZ 13.2.2014). Bisher gab es zwei Anträge für eine Demonstration: Der von der lokalen Kommunistischen Partei wurde genehmigt, der von den Umweltschützern, den enteigneten Bürgern und der Oppositionspartei Jakoblo wird derzeit geprüft. „Die Aktivisten fürchten nicht die Zeit der Spiele, wenn so viele Journalisten in der Stadt sind. Sie fürchten die Zeit nach den Spielen. Am kommenden Sonntag wollen sie dennoch zwei Stunden lang im „Park des Sieges“ ein Meeting veranstalten, doch die Stadt versucht offenkundig alles, um das zu verhindern. Vergangene Woche reichten die Demo-Organisatoren den Antrag ein, drei Tage später gab es eine Absage: Maximal 100 Personen dürften an einer Demonstration teilnehmen, es sei aber von 500 möglichen Teilnehmern geredet worden. Die Stadt schlägt dafür ein Treffen vor – zwischen den Protestwilligen und Vertretern der Stadt, natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ (Ebenda).

– Lupenreine Diktatur (21): Weitere Verhaftungen. Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina von der Frauenband „Pussy Riot“ waren in Sotschi, um einen Videoclip mit dem Titel „Putin bringt Dir bei, deine Heimat zu lieben“. Am 15.2.2014 wurden sie des Raubes einer Handtasche beschuldigt, festgenommen, misshandelt und 20 Stunden vom Geheimdienst verhört. Gleich mit verhaftet wurde der Menschenrechtler Semjon Simonow von der Organisation Memorial, die sich für die ausgebeuteten Arbeiter der Olympia-Baustellen eingesetzt hat. Insgesamt gab es 15 vorübergehende Festnahmen, darunter auch drei Journalisten und Olga Noskowetz von der Umweltwacht Nordkaukasus: Sie sei angeblich mit mehreren Personen in der Nähe des Olympischen Parks unterwegs gewesen, wo sie nicht hätte sein dürfen (Aumüller, Johannes, Wiederholt drangsaliert, in SZ 19.2.2014).
Der inzwischen einschlägig bekannte IOC-Sprecher Mark Adams äußerte zur Verhaftung der Pussy-Riot-Frauen – wie im Fall vom Mitglied der Umweltwacht Nordkaukasus, Jewgenj Witischko: „… es scheint mir ein Fall für die lokalen Behörden zu sein“ (Pussy-Riot-Aktivistinnen offenbar in Sotschi festgenommen,, in spiegelonline 18.2.2014). In dem Pussy-Riot-Film sind die Olympischen Ringe zu sehen und Übergriffe der Sotschi-Sicherheitskräfte. Offizieller IOC-Kommentar zur Aktion von Pussy Riot: „Es ist eine Schande, wie die Olympischen Spiele als politische Bühne missbraucht wurden“ (Pussy Riot fordert das IOC, in SZ 21.2.2014).
Damit ist nicht die Darstellung von Putin-Russland gemeint!
IOC-
Adams warnte vor Protesten auf dem Olympia-Gelände: Eine Demonstration wäre „nicht akzeptabel“, da das IOC keine politischen Demonstrationen dulde: „Wir sind nicht die Vereinten Nationen“ (Pussy Riot unerwünscht, in SZ 20.2.2014).
Das IOC duldet nur Manifestationen von Putin-Russland. Und das IOC ist wirklich nicht die UNO, sondern ein eingetragener kleiner steuerbefreiter Schweizer Privatverein mit rund 100 Mitgliedern.
Amnesty International forderte die sofortige Freilassung der Aktivisten. Amnesty-Sprecher John Dalhuisen: „Unter Präsident Wladimir Putin werden die olympischen Ringe zu Handschellen“ (Pussy-Riot-Aktivistinnen angeblich in Sotschi festgenommen, in faz.net 18.2.2014).

– Lupenreine Diktatur (22): „Verlassen wir Sotschi!“ Der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy rief in einem Beitrag dazu auf, angesichts der blutigen Unruhen in der Ukraine Sotschi zu verlassen oder zumindest die Abschlussfeier zu boykottieren. „Und eine Frage schließlich an die Vertreter der Nationalen Olympischen Komitees, die zurzeit in Sotschi weilen und weiterhin, als wäre nichts geschehen, blind und taub für die Tragödie, die sich ein paar hundert Kilometer entfernt vom Schauplatz ihrer Großtaten ereignet, ein olympisches Ideal feiern, für dessen Flamme in diesem Jahr der Mörder die Verantwortung trägt: Spüren sie nicht, dass ihre Medaillen nach Blut schmecken? Kommt ihnen niemals dieser andere, blutige Schnee in den Sinn, der ohne jeden Zweifel die ganze Aufmerksamkeit ihres Gastgebers in Anspruch nimmt?  Und bemerken sie nicht, ich sage nicht einmal: die Obszönität, sondern die Absurdität, die man bis zur letzten Minute des letzten Tags dieser verdorbenen Olympischen Spiele wird erkennen können, dass es zwei Putins gibt: den schrecklichen, der am Dienstagnachmittag seinem Knecht Janukowitsch die Erlaubnis zum Töten erteilt hat, und den auf der Tribüne, der mit der gebührenden Großzügigkeit jene empfängt, die man einst die Götter des Stadions nannte?“ (Lévy, Bernard-Henri, Verlasst Sotschi! in faz.net 20.2.2014; Hervorhebung WZ).

– Kommentar von Evi Simeoni in der FAZ: „„Es wird Zeit, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) aufhört, so zu tun, als bekäme es nichts mit von der russischen Willkür rings um die Spiele. Fast jeden Tag, so berichtet Amnesty International, würden Menschenrechtsaktivisten in der Olympiaregion festgenommen. Am Dienstag waren es laut Amnesty gleich neun – zusammen mit Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina, den beiden Widerstands-Promis von Pussy Riot, wurde zum Beispiel auch der Bürgerrechtler Semjon Simonow von der Polizei drangsaliert. (…) Dass andere Olympiakritiker nicht einmal mehr das Gelände betreten dürfen, dass der Umweltaktivist Jewgeni Witischko aus fadenscheinigen Gründen zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt wurde – das geht das IOC nach eigener Auskunft nichts an, weil für die Olympier die Welt außerhalb der Akkreditierungszone angeblich endet. (…) Wladimir Putin gehört die Bühne, einem Mann, der permanent beweist, dass ihm die Grundsätze der Olympischen Charta vollkommen egal sind. (…)Zumindest eine inhaltliche Stellungnahme ist das IOC den Aktivisten schuldig, die nichts anderes machen, als auf die nackte Wahrheit zu deuten: dass diese Winterspiele eine rücksichtslose Machtdemonstration Wladimir Putins darstellen“ (Zeit für die Wahrheit, in faz.net 19.2.2014).

– Lupenreine Diktatur (23): Putin-Gegner kommen ins Gefängnis. „Ein Gericht in Moskau hat sieben russische Regierungsgegner in einem umstrittenen Prozess am Montag zu zweieinhalb bis vier Jahren Gefängnis verurteilt. (…) Ihnen wird vorgeworfen, während einer Demonstration gegen die Amtseinführung von Wladimir Putin als Präsident im Mai 2012 randaliert und Polizisten angegriffen zu haben. Augenzeugen hatten dagegen berichtet, die Gewalt sei von Sicherheitskräften ausgegangen. Gegen das Urteil protestierten Dutzende Menschen. Die Polizei nahm mindestens 230 Demonstranten vorübergehend fest, darunter auch Oppositionsführer Alexej Nawalny sowie Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina von der Band Pussy Riot“ (Putin-Gegner verurteilt, in SZ 25.2.2014).

– Lupenreine Diktatur (24): Halbwertszeit des “Olympischen Friedens” immer kürzer. Kaum waren die Putin-Spiele am Sonntag, den 23.2.2014 zu Ende, legte der russische Präsident Wladimir Putin sogleich los. Die Vorbereitungen zur Übernahme der ukrainischen Krim und zum Krieg gegen die Ukraine liefen an. Die Demonstranten gegen Putins Kriegspläne wurden festgenommen und im Staatsfernsehen negiert; die staatlich organisierten Manifestationen pro Putin mit tausenden herbei gekarrten Putin-Fans wurden in aller Länge gezeigt. Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny wurde mit anderen Oppositionspolitikern am 25.2.2014 zu mehrtägigen Haftstrafen verurteilt, weil sie gegen die Verurteilung von acht Putin-Gegnern protestiert hatten. Nawalny wurde dann am 28.2.2014 zunächst bis Ende April 2014 unter Hausarrest gestellt: “Bis dahin dürfe Nawalny nur mit Familienangehörigen sprechen und weder Telefon noch Internet benutzen” (Putin-Kritiker unter Hausarrest, in SZ 1.3.2014). Putins Lupenreine Diktatur…
Und das alles ging und geht das IOC natürlich nichts an!
Nachtrag: Die Annektierung der Krim während und nach Sotschi 2014
Kleines Beispiel zur „Friedensbewegung“ Olympischer Spiele: Vom 7. bis 23. Februar 2014 fanden im russischen Sotschi die Olympischen Winterspiele statt.
Am 20.2.2014 wurde der russische Orden für Verdienste um, „die Wiedergewinnung der Krim“ eingeführt. – Am, 22. und 23.2. wurden die ersten Truppenbewegungen auf der Krim registriert. – Am 23.2. kamen russische Elitesoldaten mit Landungsbooten auf die Krim. (Tag der Schlussfeier Sotschi 2014). – Am 9.3. rollten Fahrzeuge der russischen Armee durch Sewastopol auf die Krim. – Am 26.2. versetzte Putin 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine in Alarmbereitschaft. – Am 1. und 2.3. kamen vier große Truppentransporter in Sewastopol mit Kämpfern des russischen Militärdienstes GRU, zwischen dem 28.2. und dem 11.3. insgesamt 15 russische Schiffe. Am 9.3. eroberten Soldaten in Uniform ohne Hoheitsabzeichen die Krim, und Russland annektierte sie und brach damit das Völkerrecht (Bidder, Benjamin, Coup auf der Krim, in spiegelonline 8.3.2015). Schon während der angeblichen „Friedensbewegung“ Olympischer Spiele begannen die Aggressionen auf der Krim: Zwei Wochen nach dem Ende der Spiele war die Krim vom Spiele-Gastgeber Russland annektiert. (Ähnlich wie 1936, wo die Olympischen Sommerspiele in Berlin letztlich der Auftakt für die Aggressionen von Hitler-Deutschland gegen das Ausland waren.)

– Lupenreine Diktatur (25): Einer dagegen ist schon zuviel. Von 450 Duma-Abgeordneten hatten 445 für Putins Kreml-Anschluss gestimmt, bei Null Enthaltungen. Vier hatten die Abstimmung gemieden. Nur der Duma-Abgeordnete Ilja Ponomarjow stimmte dagegen. Daraufhin wurde er übel traktiert. Abgeordnete der Schirinowski-Partei LDPR forderten, ihn aus dem Parlament auszuschließen. Seine ehemalige Partei Gerechtes Russland forderte, Parteien sollten Abgeordneten ihre Rechte entziehen dürfen, wenn diese gegen die Parteilinie handeln (Hans, Julian, Profil: Ilja Ponomarjow, in SZ 22.3.2014).

– Lupenreine Diktatur (26): Putins Oligarchen-Freunde
Nach der gewaltsamen Einverleibung der Krim-Halbinsel Mitte März nach den Paralympics in Sotschi 2014 beschlossen EU und die USA eine „Schwarze Liste“, auf der sich viele Freunde Putins finden: – (1) Die Bank Rossija, 1990 von Jurij Kowaltschuk in St. Petersburg gegründet. Putin erklärte, er werde bei der ihm angeblich unbekannten Bank ein Konto eröffnen: „Sie ist mehrheitlich im Besitz von Personen, die zum Umfeld des russischen Präsidenten gehören“ (Hans, Julian, Schwarze Liste als Auszeichnung, in SZ 22.3.2014) – und Kowaltschuk hatte mit Putin die berüchtigte Datschen-Kooperative „Osero“ gegründet und gilt als Putins Vermögensverwalter: „Die Rede ist dabei nicht von dem Vermögen, das aus dem Gehalt Putins aus seiner Tätigkeit als  Präsident oder  Regierungschef angefallen ist, sondern von großen Geldströmen, die aus Staatsaufträgen wie etwa dem überteuerten Olympia-Projekt in Sotschi abgezweigt wurden“ (Ebenda; siehe auch unten). – (2) Dmitrij Kisseljow, „der als schärfster Propagandist der Kreml-Medien unlängst gewarnt hatte, Russland sei in der Lage, die USA in ‚radioaktive Asche‘ zu verwandeln“ (Ebenda). – (3) Wladimir Jakunin, Chef der Russischen Eisenbahn, die Milliarden in die olympische Verkehrs-Infrastruktur gesteckt hat und sich 2014  Geld aus dem Russischen Staatshaushalt leihen musste, mit großem Anwesen im Moskauer Umland: „Auf einem komplexen Schaubild, das eine ganze Großleinwand füllt, hat der Anti-Korruptions-Blogger Alexej Nawalny dargestellt, wie Jakunin Geld aus russischen Staatsaufträgen über ein Gewirr von Off-Shore-Firmen ins Ausland transferieren soll“ (Ebenda; Jakunins Sohn hat in London eine 15-Millionen-Dollar-Villa). – (4) Arkadij Rotenberg, Putins Judopartner aus St. Petersburger Zeiten, Sotschi-Gewinnler, inzwischen Eigentümer von Baufirmen und Pipeline-Firmen. – (5) Die Bank SMP, im Besitz von Arkadji Rotenberg und Bruder Boris Rotenberg. „Die Multimillionärs-Brüder Rotenberg gelten als enge Bekannte von Staatschef Wladimir Putin. Für die Winterspiele in Sotschi sollen sie Verträge erhalten haben, die ihnen rund sieben Milliarden US-Dollar  in die Tasche spielten“ (Dynamo-Chef sanktioniert, in SZ 22.3.2014). – (6) Genadij Timtschenko, Putin-Vertrauter, sechstreicher Russe auf der Forbes-Liste, verkaufte noch blitzschnell am 19.3.2014 seine Aktien am Ölhandelsunternehmen Gunvor (Ebenda), bevor er am 20.3.2014 auf die US-Sanktionsliste gesetzt wurde. Usw.

– Lupenreine Diktatur (27): Putins wirklicher Reichtum
„Als 2004 der Präsidentschaftskandidat Iwan Rybkin erklärte, Putin sei in Wahrheit der reichste Mann des Landes, und Kowaltschulk kümmere sich um seine Finanzen, verschwand er auf ungeklärte Weise von der Bildfläche und tauchte erst Tage später wieder auf“ (Hans, Julian, Schwarze Liste als Auszeichnung, in SZ 22.3.2014).

– Lupenreine Diktatur (28): Putins Oligarchen
„Von sofort an müssen alle Geschäfte im Energiesektor über die Bank Rossija abgewickelt werden, die von Putins Vertrautem Jurij Kowaltschuk kontrolliert wird und von den USA mit Sanktionen belegt wurde. Nach Berechnungen der Wirtschaftszeitung Kommersant entspricht der Umsatz in diesem Bereich zwei Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts. Die Brüder Arkadij und Boris Rotenberg, sowie Genadij Timtschenko, alle alte Freunde Putins, die am Bau der Olympiastätten gut verdient haben, bekommen den Zuschlag, die Brücke über die Meerenge von Kertsch auf die Krim zu bauen – die Baukosten sind mit etwa einer Milliarde Dollar veranschlagt“ (Hans, Julian, Am Rande der Paranoia, in SZ 18.4.2014; Hervorhebung WZ).

– Lupenreine Diktatur (29): Abschaffung der letzten Demokratiereste
Abstimmung in der Duma am 18.4.2014:Die Abgeordneten beschlossen, dass sich Blogger, die mehr als 3000 Leser haben, künftig wie ordentliche Medien registrieren lassen müssen. Zudem stimmten sie in erster Lesung für ein Gesetz, das die Wahl der Bürgermeister abschafft. Russland brauche eine starke Zentralmacht, erklärte der Abgeordnete Sergej Karginow: ‚Die Menschen sind wahlmüde, sie wollen keine Wahlen‘. Dimitrij Gudkow, einer von zwei verbliebenen Abgeordneten, die noch Opposition machen, fragte: ‚Von der Ukraine fordern wir Föderalisierung und Direktwahlen der Bürgermeister und Gouverneure. Aber bei uns schaffen wir sie ab?’“ (Hans, Julian, Am Rande der Paranoia, in SZ 18.4.2014).

– Lupenreine Diktatur (30): Putin übernimmt Vkontakte
Pawel Durow (29) aus St. Petersburg studierte Philosophie und gründete den russischen Facebook-Konkurrenten Vkontakte, der zuletzt in Osteuropa 100 Millionen Nutzer hatte. Er sollte Daten von ukrainischen Oppositionellen an den russischen Geheimdienst FSB weitergeben: Durow weigerte sich aber, mit dem FSB zu kooperieren und gab auch dem Korruptionsbekämpfer und Blogger Alexej Nawalny eine Plattform. Nun ist er als Generaldirektor entlassen worden: „Zwei Vertraute von Präsident Wladimir Putin würden nun die Kontrolle über Vkontakte übernehmen“ (Nienhuysen, Frank, Pawel Durow, in SZ 26.4.2014). Durow ist nun in Mitteleuropa auf der Suche nach einem neuen – freien – Land.

– Lupenreine Diktatur (31): Gazpromi Schröder
Altbundeskanzler Gerhard Schröder feierte beim Gazprom-Empfang seinen 70. Geburtstag nach. Mit dabei: „der deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger Freiherr von Fritsch, die deutsche Generalkonsulin in St. Petersburg und Eon-Vorstand Bernhard Reutersberg – und der außenpolitische Sprecher der CDU,  Philipp Mißfelder (Neukirch, Ralf, Der falsche Eindruck, in Der Spiegel 19/5.5.2014; Blome, Nikolaus, Müller, Peter, Politische Geisterfahrt, ebenda). „Gerhard Schröder lacht, als ihn Russlands Präsident  Wladimir Putin begrüßt. (…) Bei der Feier handelte es sich um einen Empfang der Nord Stream AG. Schröder ist Vorsitzender des Aktionärsausschusses des Unternehmens, das die gleichnamige Ostsee-Pipeline betreibt und vom russischen Staatskonzern Gazprom dominiert wird. Gazprom-Chef Alexej Miller war Berichten zufolge ebenfalls unter den Gästen“ (Schröder feiert mit Putin 70. Geburtstag nach, in spiegellonline 29.4.2014). – „Es ist ein Irrtum, wenn der Ex-Kanzler meint, er könnte einfach so weitermachen, als wäre nichts gewesen. (…) Putin hat völkerwidrig die Krim annektiert. Es sterben Menschen in den besetzten Städten der Ostukraine, es werden Vertreter internationaler Organisationen festgehalten, die Kriegsangst wächst, und Schröders Freund Putin scheint an all dem mindestens Gefallen zu finden“ (Nelles, Roland, Schröders Irrfahrt, in spiegelonline 29.4.2014).
Hallo Herr Altkanzler – Buchempfehlung: Jürgen Roth, Gazprom – Das unheimliche Imperium, Frankfurt 2012. Da steht alles drin, was Putin und seine Gang vor und nach dem Fall des Eisernen Vorgangs so angestellt haben.

– Lupenreine Diktatur (32): Ostukraine wird medial gesäubert
„Mit verzerrten, oft auch erfundenen Meldungen über die angeblich in Kiew regierenden Faschisten und Gräueltaten gegen die russischsprachige Bevölkerung bereiteten vor allem russische Fernsehsender den ideologischen Boden für die separatistische Offensive. Und die Propaganda geht unvermindert weiter: So stellte das russische Außenministerium am Montag die Frage, ob Lager, die angeblich die Ukraine gerade für Tausende illegale Migranten baue und die ’sehr an faschistische Konzentrationslager erinnern‘, nicht in Wahrheit für ‚andersdenkende Mitbürger aus dem Südosten der Ukraine‘ gedacht seien. (…) Bisher gab es für die Einwohner der Ostukraine allerdings einige Alternativen zum russischen Fernsehen – in Donezk und Umgebung neben den Privatsendern DonbassTV und Union TV das Staatliche Fernsehen und Radio des Oblasts Donezk (RRT). (…) Am Sonntagabend war es damit vorbei. Da stürmten bis zu 300 Anhänger der selbst ausgerufenen, prorussischen „Volksrepublik Donezk“ das Sendegelände. (…) Am Montagabend werden in Donezk und Umgebung auch die digitalen Signale von RRT und anderer ukrainischer Fernsehsender abgeschaltet“ (Hassel, Florian, Programm im Sinne des Kremls, in SZ 30.4.2014).

– Lupenreine Diktatur (33): Putin schwärmt vom Tod
Aus einem Kommentar von Jan Fleischhauer in spiegelonline: „Wenn Putin den Mythos von Moskau als dem „dritten Rom“ aufgreift, wird klar, dass er dem russischen Volk eine historische Mission zuweist. Russland fällt nicht nur die Rolle zu, an seinen Grenzen der westlichen Dekadenz Einhalt zu gebieten, es wird für alle zur letzten Bastion, die in diesem Ringen schon die Hoffnung aufgegeben hatten. Damit ist aber auch gesagt, dass Russland niemals nachgeben darf. ‚Der Tod ist schrecklich, nicht wahr?‘, fragte Putin seine Zuschauer am Ende seines Fernsehauftritts. ‚Aber nein, es scheint, er kann sehr schön sein, wenn er anderen dient: der Tod für einen Freund, für ein Volk oder für das Heimatland, um ein modernes Wort zu nutzen.‘ Das ist nicht nur ein wenig, das ist lupenreiner Faschismus“ (Fleischhauer, Jan, Ideologie vom überlegenen Volk, in spiegelonline 1.5.2014). Fleischhauers Fazit: „Putin ist nicht Postkommunist, er ist Postfaschist“ (Ebenda).
Ich teile normalerweise die Ansichten des Konservativen Jan Fleischhauer nicht; aber der Duktus von Putin bezüglich dem „schönen Tod“ erinnert an Aussagen von deutschen Sportfunktionären auf dem Reichssportgelände im Frühjahr 1945.

– Lupenreine Diktatur (34): Beifall von rechts
Die Denkfabrik „Political Capital“ in Budapest hat die Kontakte von rechten Bewegungen in Europa zum Russland unter Wladimir Putin untersucht: „The Russian Connection – the spread of pro-russian policies on the European far right, Budapest, 14.3.2014. Die Studie deutet an, dass es sogar zu einer Koalition Russland-freundlicher rechter Parteien nach der Wahl zum Europarat am 25.5.2014 kommen könnte (S. 2).
Spiegelonline hat die Zusammenhänge aufgeführt. Fazit: „Europas Rechtsausleger umschwärmen den ehemaligen KGB-Agenten Putin“ (Bidder, Benjamin, Schmitz, Gregor Peter, Putins rechte Freunde, in spiegelonline 2.5.29014). Beifall für Putins Politik kommt vom französischen Front National und dessen Chefin Marin Le Pen; nach der Annektion der Krim und den Sanktionen durch den Westen traf Le Pen in Moskau Parlamentschef Sergej Naryschkin. Ebenfalls unterstützend wirken die italienische Lega Nord, deren Angeordneter Lorenzo Fontana Russland als „Modellgesellschaft“ lobte. Der Chef der griechischen rechtsextremen Goldenen Morgenröte sah eine „natürliche Allianz“ zwischen der „Seemacht“ Griechenland und der „Landmacht“ Russland (S. 7). Der Vorsitzende der britischen antieuropäischen Bewegung UKIP, Nigel Farage, warf der EU vor, „Blut an den Händen zu haben“, weil sie Putin unnötig provoziert habe. Dazu kommen die rechte österreichische Partei FPÖ, die belgische Vlaams-Belang, die LSNS (People Party – Our Slovakia) in der Slowakei, die bulgarische rechte Ataka-Partei und die ungarische rechte Jobbik-Partei. Bei dieser heißt der seit 2010 im Europaparlament sitzende Propagandist Putins Béla Kovács: „Dort tritt er als Lobbyist für russische Interessen in Europa auf. Im März war er ‚Wahlbeobachter‘ beim Referendum auf der Krim, verteidigte anschließend Putins Invasion der Halbinsel“ (Verseck, Keno, Premier Orbán buhlt um Putins Gunst, in spiegelonline 21.5.2014). Auch Orbán selbst hofiert Putin als „erfolgreichen Staatsmann“ und strebt eine engere Bindung an Russland an (Ebenda).
Putins ideologischer Überbau ist laut Bidder und Schmitz „ein neuer Nationalismus, eine Politik von Recht und Ordnung und die Beschwörung des angeblichen Verfalls westlicher Werte. Glaubt man den Umfragen, dann kommt diese Kombination in Russland derzeit gut an. Genau wie auf Europas stramm rechtem Flügel“ (Ebenda). Hinzu kommen das autoritäre System Russlands und seine neue geopolitische Strategie mit der „Eurasia-Doktrin“ (S. 4f).
Und in Deutschland kamen so genannte starke Männer immer schon gut an.

– Lupenreine Diktatur (35): Erstes Erdöl von Gazprom aus der Arktis
Der Tanker „Mikhail Ulyanov“brach am 25.4. von der Gazprom-Bohrinsel Prirazlomnaya mit dem ersten Arktis-Erdöl nach Rotterdam auf: Greenpeace überwachte den Tanker aus der Luft. Käufer ist der französische Ölkonzern Total, der offiziell „aufgrund unkalkulierbarer Risiken kein eigenes Bohrprojekt in der Arktis vorantreiben“ will (Borgerding, Benjamin, Greenpeace, Tanker gesichtet, in www.greenpeace 27.4.2014). Greenpeace informierte dazu: „Öl aus arktischen Offshore-Bohrungen spielen in Gazproms Energie-Strategie eine zentrale Rolle. Der Konzern plant in der Region gemeinsam mit dem Ölunternehmen Shell weitere Ölfelder zu erkunden. (…) Das Fördern von Öl im arktischen Ozean schafft ein unvertretbar hohes Risiko für die

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