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Rosell, Sandro

 
Zuletzt geändert am 16.11.2017 @ 15:27

(* 1964, eigentlich Alexandre Rosell i Feliu)

Sandro Rosell war seit Juni 2010 Präsident des FC Barcelona. „Transparenz lautete das Zauberwort von Sandro Rosell. Mit diesem Versprechen überzeugte er 2010 bei den Präsidentschaftswahlen des FC Barcelona über 60 Prozent der Mitglieder, ihm ihre Stimme zu geben. Dieses Wort stand auch im Mittelpunkt eines Ethikkodexes, den er wenig später alle Direktoren des Klubs unterschrieben ließ. Nur selbst hatte er damit nie sonderlich viel am Hut“ (Haupt 24.1.2014).
Rosell wurde zum Gegner seines Vorgängers als Barςa-Präsident und ehemaligen Förderers, Joan Laporta: „Dem Laporta-Freund Johan Cruyff erkannte er in einer seiner ersten Amtshandlungen die Ehrenpräsidentschaft ab“ (Haupt 24.1.2014). Auch für den Weggang des gefeierten Trainer Pep Guardiola wird Rosell verantwortlich gemacht (Ebenda)..
Im Januar 2014 wurde bekannt, dass der Transfer des brasilianischen Fußballspielers Neymar vom FC Santos wesentlich mehr als die offiziellen 57,1 Millionen Euro gekostet habe. Gegen Rosell wird nun von der spanischen Staatsanwaltschaft ermittelt. Am 23.1.2014 trat Rosell zurück. Die Hintergründe sind ziemlich unglaublich

1) Rosell und Teixeira
Ricardo Teixeira war seit 1989 Präsident des brasilianischen Fußballverbandes CBF, Chef des Organisationskomitees COL für die Fußball-WM 2014 in Brasilien und saß im Exekutivkomitee der Fifa. Der ehemalige Schwiegersohn des brasilianischen Fifa-Präsidenten Joao Havelange stand ab 2011 wegen diverser Skandale kurz vor der Ablösung. „Teixeiras zweite Frau und die 11-jährige Tochter warten bereits in Florida auf den Nachzügler” (Kistner 17.2.2012). Die Tochter Antônia bekam bereits im Juni 2011 umgerechnet 1,7 Millionen Euro überwiesen – vom Vereinspräsident des FC Barcelona, Sandro Rosell, siehe unten.

Thomas Kistner fasste in der SZ einige Aktivitäten Rosells zusammen. Der brasilianische Fußballpate Ricardo Teixeira “hat Brasiliens Fußballverband CBF 23 Jahre lang wie ein Despot geführt und ausgeplündert; vor allem, nachdem er einen Mitstreiter beim Großsponsor fand: Sandro Rosell war seit den 1990er Jahren Marketing-Manager für den Sportartikelkonzern Nike in Rio de Janeiro und Nikes Beauftragten für die Seleςao” (Kistner 27.1.2014; Haupt 24.1.2014). Nike ist natürlich auch der offizielle Ausrüster vom FC Barcelona. „Rosells Aufstieg in der Welt des Fußballs begann in den 1990er Jahren als Marketing-Manager für Nike in Rio de Janeiro. Dort lernte er auch Ricardo Teixeria kennen, den berüchtigten Ex-Verbandschef der brasilianischen Fußballer – und zwar so gut, dass dieser sein Trauzeuge wurde und beide gemeinsam eine Reihe von Geschäften um die ‚seleção’ abwickelten, für die sich die brasilianische Justiz nachhaltig interessiert. Bis zu acht Jahren Haft, so heißt es, könnten Rosell drohen, der daher vorsorglich seit längerem keinen Fuß mehr in seine zwischenzeitliche Heimat gesetzt hat“ (Haupt 24.1.2014).

2008 „verhob sich das Duo an der Ausrichtung eines Freundschaftsspieles zwischen Brasilien und Portugal… Für jenes Testspiel hatte der Bundesdistrikt Brasilia rund 3,5 Millionen Euro an Rosells eilig gegründete Agentur Ailanto Marketing gezahlt. Die neue Firma, ansässig an Teixeiras Privatadresse, stellte dem Bund überhöhte Rechnungen, angeblich wurden sie verdoppelt” (Kistner 27.1.2014). Rosell „betrieb eine Marketingagentur namens Ailanto, die im November 2008 ein Testländerspiel zwischen Brasilien und Portugal zu Wucherpreisen organisiert hatte. Die Regionalregierung von Brasilia bezahlte für das Match knapp vier Millionen Euro, dann stieß die Polizei auf Wucherabrechnungen, die Bundesjustiz begann zu ermitteln: Missbrauch von Staatsgeldern. (…) Dann kam es noch dicker: Geschäftspartner Rosell soll im Juni 2011 umgerechnet rund 1,7 Millionen Euro auf das Konto von Teixeiras elfjähriger Tochter überwiesen haben. (…) Das Duo Teixeira/Rosell sorgte schon öfter mit Finanzgeschäften für Irritation. Rosell war früher bei Nike der für den CBF (brasilianischen Fußballverband; WZ) zuständige Manager. 2010, beim Einstieg als Barça-Präsident, bindet der Spanier den weltbesten Fußballklub sogleich an die Qatat Foundation an. Erstmals in seiner Geschichte macht Barça nun Trikotwerbung für einen Sponsor“ (Kistner 2012, S. 307).
Teixeira musste sich schließlich aus Brasilien nach Florida absetzen. “Nun liefern ständig neue Enthüllungen um ihn und Kumpel Rosell Hinweise, woher die Millionen für sein Luxusanwesen in Miami stammen könnten. Denn bevor er aus dem Land flüchtete, hatte Teixeira alle Rechte an den Testspielen des brasilianischen Nationalteams bis 2022 verhökert. Ein guter Teil der Einnahmen geht an: Rosell“ (Ebenda).
Rechtehalter ist nun die Agentur International Sports Events (ISE) auf den Cayman Islands. Die Einnahmen gehen nicht mehr an den brasilianischen Verband CBF: ISE gibt Teile der Einnahmen an die Privatagentur Uptrend Development LLC weiter. Diese ist registriert auf Alexander R. Feliu, richtig Alexandre Rosell i Feliu: bzw. Sandro Rosell: Das ist der Präsident des FC Barcelona (Kistner, Thomas, Profiteur in Barcelona, in SZ 17.8.2013; Hervorhebung WZ).
Die Gagen für den Auftritt des brasilianischen Nationalteams gingen an eine Privatfirma in den USA mit dem Namen Uptrend Development, die auf Alexander R. Feliu registriert ist – Rosells richtigen Namen. Der Rechtehalter an den Spielen ist eine Agentur namens International Sports Events (ISE) mit Sitz auf den Kaimaninseln. “Pro Freundschaftsspiel fließen knapp 1,6 Millionen Dollar Antrittsgeld an die ISE – die 1,1 Millionen an den CBF weiterreicht, die übrigen 450.000 Dollar wandern auf Konten der US-Firma, die Rosell gehört. Insgesamt kassiert dessen Agentur aus vertraglich vereinbarten 24 Seleςao-Auftritten knapp elf Millionen” (Kistner 27.1.2014).
Auch Fifa-Generalsekretär Jerôme Valcke traf sich gern mit Teixeira und Rosell: “… per Helikopter ging’s in Teixeiras Luxusdomizil. Dem hatte Valcke 2007 sogar beim Erstellen des WM-Dossiers für Brasilien assistiert. So birgt der Geschäftskomplex Resoll/Teixeira, in dem auch die Kernidee zum Neymar-Transfer erwachsen sein könnte, jede Menge Sprengstoff” (Ebenda; Hervorhebung WZ).

2) Rosell und Katar
Katar schloss einen Werbevertrag mit dem FC Barcelona ab. Es war das erste Mal in seiner Vereinsgeschichte, dass der FC Barcelona Werbung auf den Trikots machte – davor warb der FC Barcelona auf seinen Trikots kostenlos für UNICEF. Von 2011 bis 2016 sollten insgesamt 165 Millionen Euro an den Fußballclub fließen – für den Trikot-Aufdruck “Qatar Foundation”. Damit ist das Barcelona-Trikot das teuerste der Welt (Busse, Ritzer 28.4.2012). Kistner nannte 2012 die Summe von 250 Millionen Dollar: “Es ist der teuerste Sponsorvertrag der Fußballgeschichte” (Kistner, Thomas, Fifa Mafia. Die schmutzigen Geschäfte mit dem Weltfußball, München 2012, S. 389) „Auch aus dem Vertrag mit dem Emirat werden bis heute immer noch Zusatzklauseln bekannt“ (Haupt 24.1.2014).
Die Qatar Fundation warb aber nur bis zur Saison 2013/2014. Dann gab es einen Sponsorwechsel. Auf den Barcelona-Trikots ist nun das Logo von Qatar Airways: Das soll bis 2016/17 rund 96 Millionen Euro bringen (Wikipedia). Der FC Barcelona wirbt damit erstmals für einen rein kommerziellen Konzern. Interessant ist hier wiederum die Verbindung des Klubpräsidenten Sandro Rosell, dessen Agentur Bonus Sport Marketing beim Start des monumentalen Talentwettbewerbs der katarischen Aspire-Akademie an vorderster Linie beteiligt war.

2) Der Neymar-Transfer
Junge Fußball-Talente bekommen bereits höchste Gehälter wie der 1992 geborene brasilianische Stürmer Neymar, der schon 2011 pro Monat 700.000 Euro erhielt: netto. Das Gehalt kam von Sponsoren, die Rechte an dem Spieler gehörten wie inzwischen üblich Investoren (Der Spiegel 31/1.8.2011). In der Saison 2013/14 wechselte Neymar zum FC Barcelona. Dieser 57-Millionen-Euro-Transfer soll mit einer Geldunterschlagung zugunsten von Rosell erfolgt sein (spiegelonline 11.1.2014). Gegen Rosell ermittelt nun die spanische Staatsanwaltschaft.
– Der Neymar-Transfer soll nicht 57, sondern 95 Millionen Euro gekostet haben. Heimliche Zusatzvereinbarungen mit der Firma N&N, Neymar&Nadin (die Eltern; Haupt 30.1.2014) über 40 Millionen Euro wurden bekannt: Es ging darum, „einem Konstrukt einen offiziösen Anstrich zu geben, das man gemeinhin als Handgeld bezeichnete“ (Ebenda). Dazu kam eine Transferprämie von 10 Millionen Euro. „Sogar von der Ablöse kassierte die Firma N&N der Familie Neymar den größten Teil, nur 17,1 Millionen gingen an seinen Ex-Klub FC Santos. Das Jahresgehalt beträgt 11,3 Millionen Euro“ (welt.de 24.1.2014).
Neymar Marketing Limited erhält jährlich 800.000 Euro, um brasilianische Werbepartner zu suchen: “Der Betrag ist ihnen auch ohne jede Kundenakquise sicher” (Meiler 21.1.2014).
Neymar Consultorío Deportiva y Empresarial erhält jährlich 2 Millionen Euro, um Talente des FC Santos zu suchen: “Finden muss sie aber keine” (Ebenda).
– Die gemeinnützige Proyecto Neymar kümmert sich für 2,5 Millionen Euro um Favela-Kinder. Neymars Vater erhält jährlich fünf Prozent Kommission von den 54 Millionen Euro Gehalt und Prämien für Neymar junior (Ebenda). Vater Neymar hat zugegeben, 40 Millionen Euro erhalten zu haben: “Demnach erhielt seine Firma N&N Sports 2011 10 Millionen Euro von dem spanischen Top-Klub, der sich damit ein Transfervorrecht sicherte. Weitere 30 Millionen Euro flossen, als das Geschäft abgeschlossen wurde. Wäre Neymar nicht zum FC Barcelona gewechselt, hätte er an den Club eine Entschädigung von 40 Millionen zahlen müssen” (SZ 29.1.2014; Haupt 30.1.2014).
„Wahrscheinlich ist es im heutigen Fußball nichts Ungewöhnliches, dass der Vater eines Spielers hunderttausende Euro Kommission dafür bekommt, Talente in Brasilien zu scouten, obwohl er mit seinem Sohn in Barcelona wohnt. Oder dass ein Spieler mit einer Sonderprämie von 2,5 Millionen Euro dafür entlohnt wird, dass er dort zu spielen verspricht, wo der Trainer ihn aufstellt“ (Haupt 24.1.2014).
– Preisspirale Neymar. Der brasilianische Fußballer Neymar kostete den FC Barcelona nicht 57,1 Millionen Euro, wie noch unter dem zurückgetretenen Präsidenten Sandro Rosell angegeben, sondern – Stand Ende Februar 2014 – rund 100 Millionen Euro. Offizielle und indirekte Zahlungen beliefen sich auf nunmehr 86,2 Millionen Euro, dazu bezahlte der FC Barcelona 13,5 Millionen Euro als Steuernachzahlung. „Bisher galten Cristiano Ronaldo und Gareth Bale, beide Real Madrid, mit Kosten um die 90 Millionen Euro als die teuersten Spieler“ (SZ 26.2.2014).

3) Rosell tritt zurück
Am 22.1.2014 wurden gegen Rosell Ermittlungen wegen Unterschlagung eingeleitet. “Ein Richter des Nationalgerichts in Madrid hatte einer Anhörung über eine mögliche Anklage gegen Rosell am Mittwoch zugestimmt” (SZ 24.1.2014). Der Apotheker Jordi Cases, Mitglied des FC Barcelona und der Rosell-Oppositionsgruppe “Go Barςa”, hatte nachgefragt, warum von den 57 Millionen Euro 40 Millionen an Neymars Vater überwiesen wurden. Als Rosell nicht antwortete, zeigte ihn Casas im Dezember 2013 wegen “unaufrichtiger Geschäftsführung” bei der „Audiencia Nacional“ in Madrid an. “Barcelona musste alle Verträge rund um Neymars Transfer nach Madrid schicken, wo seither die Klauseln aus neun Dokumenten seziert werden” (Ebenda; Haupt 24.1.2014). Angeblich soll Real Madrids Präsident Florentino Pérez die Klage des Barça-Mitglieds Jordi Cases gegen Rosell zur Annahme vor Gericht verholfen haben – „unter Zuhilfenahme seiner Kontakte zu Ex-Regierungschef Aznar (Pérez verlangt unter Androhung von Rechtsmitteln eine Gegendarstellung)“ (Haupt 30.1.2014).
Noch am 22.1.2014 verlangte Rosell, den Prozess nach Barcelona zu verlegen. Am 23.1.2014 trat er als Präsident des FC Barcelona zurück. Bei der letzten Pressekonferenz zeigte er sich gänzlich uneinsichtig: „Der Verpflichtung von Neymar ist korrekt abgelaufen und hat für Verzweiflung und Neid bei vielen unserer Rivalen gesorgt“ (Haupt 24.1.2014).
„So dubios ist die Konstruktion in sieben Verträgen, so komplex das Gestrüpp von Voraus- und Nebenzahlungen, so gefährlich die ehemalige Eigentümerstruktur an dem jungen brasilianischen Nationalhelden, dass der Deal nicht nur zum Rücktritt von Vereinspräsident Sandro Rosell führte und weiterhin Gegenstand juristischer Ermittlungen ist. Sondern auch ein Lehrstück darüber abgibt, wie hanebüchen die Geschäftspraktiken im Klubfußball sind“ (Haupt 30.1.2014).

Der Nachfolger
Nachfolger Rosells (bis 2016) wurde am 23.1.2014 statusgemäß Josep Maria Bartomeu, der von 2003 und 2005 im Vorstand des FC Barcelona war und ab 2010 unter Präsident Sandro Rosell als Vizepräsident für die Sportabteilung verantwortlich war. Bartomeu war voll in den Transfer von Neymar involviert. „Wie ‚El Mundo’ berichtet, das schon die Zusatzvereinbarungen enthüllte, soll Bartomeus Unterschrift unter drei der insgesamt sieben Verträge mit Neymar stehen. (Ebenda).
„Bei seiner Antrittspressekonferenz als Präsident verneinte Bartomeu die Frage, ob es sich bei dem Neymar-Deal um einen Ausnahmefall handle. Er bewege sich im Rahmen dessen, was im Fußball bei solchen Spielern üblich sei. Dazu gehört offenbar, dass 40 Prozent der Transferrechte Neymars bei der Supermarktkette Sonda lagen und weitere fünf Prozent beim Investmentfonds Teisa“ (Ebenda). Die Anteilseigner an Neymar, Sonda und Teisa, wollen nun zusätzlich Geld: „Diese Gruppierungen, von Kritikern als moderne Sklavenhändler bezeichnet, fühlen sich wegen der Schere zwischen offizieller Transfersumme (an der sie via Santos partizipierten) und tatsächlich geflossenen Zahlungen hintergangen und  fordern Entschädigung“ (Ebenda).
„Nach Rosells Rücktrittserklärung umarmte er seinen Ex-Chef und versprach ‚Kontinuität’“(Haupt 24.1.2014). Das letzte Projekt von Rosell war der Umbau des Stadions Camp Nou, der 600 Millionen Euro kosten soll.
Vermutlich wird das derzeit über 93.000 Sitzplätzen verfügende Stadion Camp Nou das Schicksal des brasilianischen Maracana-Stadion ereilen: den Umbau zum Oligarchen- und Konzern-freundlichen Stadion mit vielen VIP-Logen, wo die Reichen von den Fußball-Fans gut abgeschirmt ihre Feste feiern können.

Nachtrag 1: Gefängnis für Rosell und Bartomeu?
Im Gefolge des Neymar-Transfers ermittelt nun seit längerem die Madrider Staatsanwaltschaft. „Seit Tagen hängt die Drohung über dem FC Barcelona, dass der frühere Präsident des Vereins, Sandro Rosell, und der jetzige Vorsitzende, Josep Maria Bartomeu, ins Gefängnis müssen. (…) Für Rosell verlangt der Staatsanwalt der Madrider Audiencia Nacional, Spaniens höchster Gerichtsbarkeit, siebeneinhalb Jahre Haft und 25,1 Millionen Euro Geldstrafe, für Bartomeu zwei Jahre und drei Monate Gefängnis und eine Buße von 3,8 Millionen. Erstmals trifft in Spanien eine Strafanklage auch einen Klub als juristische Person: Barcelona soll 22,2 Millionen Euro Strafe bezahlen. Wegen Neymar. (…) Die juristischen Ermittlungen ergaben nämlich, dass Rosell zwischen 2011 und 2013 insgesamt 13 Verträge mit den Neymars, Senior und Junior, und mit dem FC Santos unterzeichnet hatte. Ein Geflecht von Firmen diente dazu, die wahren Transferkosten zu kaschieren. Neben dem bekannten Betrag von 57,1 Millionen Euro kamen beträchtliche Handgelder und Boni dazu, Entgelt für fiktive Beratungs- und Scouting-Mandate sowie Verkaufsrechte für Freundschaftsspiele. Die Untersuchungsrichter schätzten das tatsächliche Transfergeschäft nun auf 83 Millionen. Da klaffte also eine stattliche Diskrepanz. Getäuscht wurden nicht nur die Vereinsmitglieder, die jeweils das Budget genehmigen müssen, sondern auch das Finanzamt, dem rund zehn Millionen Steuern vorenthalten wurden. Rosell wurde angeklagt, im Januar 2014 trat er zurück. Auf Neuwahlen verzichtete man. Rosells Vize Bartomeu übernahm“ (Meiler, Oliver, Sündteuer, in SZ 28.3.2015).

Nachtrag 2: Rosell festgenommen
„Der frühere Präsident des spanischen Fußballklubs FC Barcelona, Sandro Rosell, ist unter dem Vorwurf der Geldwäsche vorläufig festgenommen worden. Auch die Ehefrau des 53-Jährigen wurde in Polizeigewahrsam genommen, wie die zuständigen Behörden auf Anfrage bestätigten. Konten des Ehepaares mit Einlagen von insgesamt 35 Millionen Euro seien zudem gesperrt worden, berichteten Medien unter Berufung auf die Polizei. (…) Ihm wird nach Medienberichten vorgeworfen, eine Gruppe angeführt zu haben, die Einnahmen aus Bildrechten von Profis gewaschen und dafür Provisionen kassiert haben soll. (…) Es gehe unter anderem um Geschäfte, in die auch der frühere brasilianische Verbandsboss Ricardo Teixeira verwickelt sein soll und bei denen mehr als 15 Millionen Euro gewaschen worden sein sollen, schreibt die spanische Zeitung ‚El Mundo'“ (Ex-Präsident Rosell vorläufig festgenommen, in spiegelonline 23.5.2017). – „Doch es sieht nicht gut aus für den Sportmanager, der Barça von 2010 bis 2014 regiert hatte – und am Dienstag nebst Gattin in Polizeigewahrsam kam. 35 Millionen Euro sollen auf Konten des Paares gesperrt worden seien; Rosell ist auch im Fokus der US-Justiz. Er gilt als ein zentraler Dominostein in jenem Puzzlespiel namens FifaGate, das die Korruption um den Weltverband Fifa beschreibt und am 6. November seinen Prozessauftakt erlebt. Rosell war geschäftlich eng mit Schlüsselfiguren der Affäre vernetzt, mit dem 2016 gefeuerten Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke und dem einstigen Fifa-Vize Ricardo Teixeira. Mit Letzterem, Dunkelmann des brasilianischen Fußballs, soll Rosell die TV- und Werberechte an Brasiliens Nationalelf, der Seleçao, skrupellos ausgeschlachtet haben. (…) Teixeira ließ Teile der Millionengagen für die Seleçao-Auftritte nicht an den Nationalverband CBF fließen, den er beherrschte, sondern an eine Privatfirma in New Jersey (USA), die Rosell gehörte. Wer die Stars um Neymar für ein Show- oder Testspiel verpflichten wollte, zahlte nicht an den Verband, sondern an eine Firma in der Karibik. Ehe Teixeira 2013 seine CBF-Ämter abgab und vor der Justiz nach Miami floh, verhökerte er noch flott die Spielrechte der Seleção bis 2022 an das von ihm und Rosell dominierte Geflecht. Dokumenten zufolge flossen pro Testspiel 1,6 Millionen Dollar Gage an eine Firma namens ISE, hinter der Investoren aus Katar und Saudi-Arabien standen. Die ISE überwies dem Verband CBF nur 1,1 Millionen. 450 000 Dollar flossen an Rosells Firma, die so insgesamt elf Millionen Dollar abräumen sollte. (…) Rosell hat nun das Zeug zum US-Kronzeugen. Er war auch schon in Barcelona mit Sponsordeals in die Kritik geraten. Barça band er für sechs Jahre an die Qatar Foundation; der 165-Millionen-Euro-Vertrag lief bis 2016, dem vorgesehenen Ende seiner Amtszeit. Besiegelt wurde er Tage nach dem WM-Zuschlag 2022 für Katar.   Strafbehörden untersuchen bis heute, ob das Turnier erkauft wurde. Katar bestreitet das vehement“ (Kistner, Thomas, Die Seleçao spielt, der Präsident kassiert, in SZ 26.5.2017).
„Sandro Rosell bleibt hinter Gittern, entschied am Donnerstag der Nationale Gerichtshof in Madrid. Rosell, von 2010 bis 2014 Klubchef des FC Barcelona, darf keine Kaution stellen“ (Rosell bleibt im Gefängnis, in SZ 27.5.2017).

Nachtrag November 2017: Prozess gegen Fifa-Funktonäre beginnt in New York
Der argentinische Sportmarketing-Manager Alejandro Burzaco hat eingeräumt, „über seine Firma Torneos y Competencias mehr als eine Dekade lang Schmiergelder für TV-Rechte an Topleute des Südamerika-Verbands Conmebol gezahlt zu haben, berichtete nun von gekauften Stimmen für die WM 2022 in Katar. Unter Eid vor einem Schwurgericht – so konkret gab es das noch nicht. (…) Burzacos Vorwürfe im Katar-Kontext richten sich gegen die langjährigen Funktionärspaten Südamerikas. Der Brasilianer Ricardo Teixeira, der Paraguayer Nicolás Leoz und insbesondere der 2014 verstorbene Argentinier Julio Grondona, langjährige Nummer zwei der Fifa hinter Boss Sepp Blatter, sollen bei der WM-Vergabe am 2. Dezember 2010 ihre Voten verkauft haben. Burzaco hat keine konkreten Beweise für die geschilderten Vorgänge (‚Ich weiß nicht, ob es zutrifft‘) – will sie aber miterlebt oder aus erster Hand erfahren haben. Er behauptet, sein Landsmann und langjähriger Geschäftspartner Grondona habe für die Katar-Stimme mindestens eine Millionen Dollar erhalten, und wartet dazu mit netten Details auf. Demnach habe der damals 82-jährige Leoz während der ersten beiden Abstimmungsrunden im Fifa-Exekutivkomitee zunächst Japan, dann Südkorea, nicht aber Katar gewählt. Weshalb ihn Teixeira und Grondona in einer der edlen Fifa-Toiletten kräftig ins Gebet genommen hätten. ‚Sie schüttelten ihn‘, berichtete Burzaco, ’sie fragten: Was machst du? Stimmst du nicht für Katar?‘ (…) Erfahren haben will er das im Januar 2011, von Grondona selbst in dessen Domizil in Buenos Aires. Dort habe der Fußballpatron, Spitzname ‚Don Julio‘, gewehklagt, er selbst habe nur 1,5 Millionen Dollar als Bezahlung erhalten – während Sportsfreund Teixeira in Brasilien, ein mehrfach überführter Schmiergeld-Empfänger im Fifa-Sumpf, gemeinsam mit seinem spanischen Partner Sandro Rosell 75 Millionen eingestrichen hätte. Rosell, vormals Präsident des FC Barcelona, sitzt seit Sommer in Madrid in U-Haft“ (Kistner, Thomas, „Eine Million Dollar für seine Stimme“, in SZ 16.11.2017). 

Quellen:
„700.000 Euro im Monat, netto”, in Der Spiegel 31/1.8.2011
Ashelm, Michael, Die Qatar-Connection, in faz.net 11,1,2013
Barca-Präsident tritt zurück, in SZ 24.1.2014
Barcelona über Ermittlungen gegen Clubboss empört, in spiegelonline 11.1.2014
Barcelona zahlte für Neymar 86,2 Millionen Euro, in welt,de 2.2.2014
Busse, Caspar, Ritzer, Uwe, 200 cm2 auf der Brust, in SZ 28.4.2012
Haupt, Florian
– Der riefe Sturz des dubiosen Barcelona-Präsidenten, in welt.de 24.1.2014
– Die erstaunlichen Geldflüsse des Neymar-Transfers, in welt.de 30.1.2014
Kistner, Thomas
– Frau und Tochter warten in Florida, in SZ 17.2.2012
– Millionen für die Tochter, in SZ 18.2.2012
– Profiteur in Barcelona, in SZ 17.8.2013
– Alles über die Kaimaninseln, in SZ 27.1.2014
Fifa Mafia. Die schmutzigen Geschäfte mit dem Weltfußball, München 2012
Meiler, Oliver, 95 Millionen Euro statt 57, in SZ 21.1.2014
Neymar noch teurer, in SZ 26.2.2014
Neymar-Vater hat mitkassiert, in SZ 29.1.2014
Wikipedia


Kritisches Olympisches Lexikon - Sach- und Personenregister: (274 Einträge, wird laufend aktualisiert und ergänzt)
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