nach unten
Graubünden gegen Olympische Winterspiele

Jetzt Spenden!
Dez 182014
 
Zuletzt geändert am 19.10.2016 @ 15:58

Die Vergabe der IAAF-WM 2019
Die Vergabe der Leichtathletik-WM 2019 durch den Internationalen Leichtsport-Verband IAAF an Katar passierte so, wie das deutsche IAAF-Councelmitglied Helmut Digel (ehemaliger Präsident des DLV) beschrieb. Der Emirs von Katar bot dem IAAF schriftlich 37 Millionen Dollar an: “Dieser Brief wurde eine Viertelstunde vor der Abstimmung kopiert und jedem Council-Mitglied gegeben. Das ist ein legaler Vorgang” (Knuth,, Mölter SZ 3.12.2014; Hervorhebung WZ).
“Doha offerierte ein Sponsorenpaket in zweistelliger Millionenhöhe und eine Spende für Kunststoffbahnen zugunsten des IAAF-Entwicklungsprogramms” (Ebenda). Genauer: 30 Millionen Dollar (24 Millionen Euro) kommen von einer Bank aus Katar, die damit IAAF-Sponsor wird. Sieben Millionen Dollar (5,5 Millionen Euro) gehen in das Kunststoffbahn-Programm (Rowbottom 20.11.2014).
Barcelona schied am 18.11.2014 in der ersten Abstimmungs-Runde um die Leichtathletik-WM 2019 aus. José Maria Odriozola, der Präsident des spanischen Leichtathletikverbandes, äußerte zum Gewinner Katar: “Alles was sie haben, ist Geld… Katar hat 37 Millionen Dollar geboten. Wir haben gesagt, dies ist illegal, da die Frist für Unterstützungsprojekte und Anreize am 7. November abgelaufen ist… Ich bin sehr enttäuscht und sehr wütend. Ich werde nicht hinfahren. Ich denke, dies ist ein schlechter Zug für die Leichtathletik” (20.11.2014; Übersetzung WZ).

Die IAAF-„Incentives“
“Die Katarer hatten auf den letzten Drücker auch ein attraktives sogenanntes ‘Incentive’ – einen nicht nur in der IAAF üblichen Extraanreiz – ausgelobt. Ein auf fünf Jahre angelegtes Sponsoringpaket mit einem Volumen von rund 30 Millionen US-Dollar sowie das Versprechen, Leichtathletik-Entwicklungsländern zehn Tartanbahnen zu stiften. Wer mochte da noch Nein sagen? 15 der 27 Council-Mitglieder jedenfalls nicht” (Hungermann 29.11.2014).
Der frühere IAAF-Präsident Primo Nebiolo (1981 – 1999) hatte die “Incentives” (besser: Bestechungsgelder) eingeführt und “festgelegt, das es den WM-Bewerbern fortan erlaubt sei, sich mit finanziellen Argumenten gegenseitig zu überbieten, indem sie sogenannte “Incentives” einbringen” (Gertsch 10.12.2014).

IAAF Monaco, 9.3.2011, © Goef / wz

Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften werden verkauft
Die Vergabe der Leichtathletik-WM 2011 nach Daegu/Südkorea brachte der IAAF 25 Millionen Dollar (Sponsor: Samsung). Die WM 2013 ging für 50 Millionen Dollar nach Moskau (Sponsor: VTBank) (Ebenda). Die WM 2015 ging nach Peking/China mit dem Sponsor Sinopec, einer Tankstellenkette – die Regierung garantierte einen Zuschuss von 40 Millionen Dollar; dazu kam der TV-Vertrag mit dem chinesischen Sender CCTV für die Jahre 2015 bis 2019 (SID 20.11.2010. TV-Verträge sind, wie man nicht erst seit Al Jazeera aus Katar weiß, ein verdecktes Sponsoringmodell, siehe unten).
Für die WM 2017 bot Katar ein Budget von rund 147 Millionen Euro, die Übernahme der Siegprämien in Höhe von sieben Millionen Euro und neue Sponsorenverträge in zweistelliger Millionenhöhe, dazu ein 40.000-Zuschauer-Stadion mit einem Temperatur-Kontrollsystem. Aus der WM-Präsentation Katars: „In Katar wird es nicht regnen, und wir bestimmen die Temperatur“ (spiegelonline  11.11.2011). Helmut Digel äußerte damals dazu: „Es wird für europäische Bewerber in Zukunft immer schwerer werden, da mitzuhalten“ (Ebenda). London besserte sein WM-Angebot nach und bekam – auch durch den Einsatz von IAAF-Vizepräsident Sebastian Coe und der Zusage, das Olympiastadion als Leichtathletikstadion zu erhalten – den Zuschlag. Ein Problem war auch der Marathonlauf, der außerhalb des gekühlten Stadions hätte stattfinden müssen – wegen der Hitze um Mitternacht (Ebenda).

Villa Miraflores, Avenue St. Michel, Monaco. Seit 1993 residiert hier der Präsident des IAAF. Dies war von 1981 bis 1999 der höchst umstrittene Primo Nebiolo. Sein Nachfolger ist der Senegalese Lamine Diack, ein früherer Weitspringer und seit 1982 Mitglied des IOC. / © Goef-wz

Im November 2014 ging dann die WM 2019 für rund 50 Millionen Dollar nach Katar (vgl. Chronologie November 2014). Helmut Digel: “Wenn man bilanziert, hat in der Tat das ökonomisch attraktivste Konzept gewonnen. Das geht immer zu Lasten anderer Werte” (Knuth, Mölter 3.12.2014).
Das ist eine völlig unrealistische Aussage: Geld ist zu dem bestimmenden Wert im Sport geworden.
Übrigens kann man nicht nur bei der IAAF den WM-Austragungsort kaufen: Die Handball-WM 2015 ging ebenfalls nach Katar: Der dortige TV-Sender Al Jazeera bezahlte 110 Millionen Dollar – für die Übertragungsrechte (Ebenda).
Vgl. im Kritischen Olympischen Lexikon: Katar-Sport
Im übrigen ging die Leichtathletik-WM 2021 nach Eugene/USA, Sitz des Sportausrüsters Nike, der dort Jubiläum feiert (Reinsch 19.10.2015). Dazu der frühere DLV-Präsident und langjähriges IAAF-Council-Mitglied Helmut Digel: „Eugene ist eine reizende Universitätsstadt, aber für eine Leichtathletik-WM fehlen alle Voraussetzungen. Zudem haben wir neun Stunden Zeitverschiebung. Für europäische Fernsehzuschauer wird die Weltmeisterschaft dort praktisch nicht existent sein, auch wenn sie im August stattfindet. Diese Entscheidung ist empörend. Denn sie wurde ohne Ausschreibung getroffen, sie stand nicht einmal auf der Tagesordnung. Auf diese Weise wurde Göteborg, das sich für 2021 bewerben wollte, von dem Verfahren ausgeschlossen. Es gab im Council nur eine europäische Stimme dagegen und eine Enthaltung“  (Ebenda).
Es bleibt in der (Diack-)Familie

Der wie sein IAAF-Vorgänger Primo Nebiolo (1981 – 1999) inzwischen ähnlich skandalöse IAAF-Präsident Lamine Diack (1999 bis – angeblich – 2015) freute sich sehr über die Vergabe nach Katar: “Ich bin mir sicher, dass wir in Doha eine wundervolle Ausgabe der Weltmeisterschaft haben werden. (…) Das waren die besten Präsentationen, die wir je hatten” (iaaf.org 18.11.2014). Die WM findet üblicherweise im August statt.
Da ist es sehr heiß, wie man seit der Bewerbung Katars um die Fußball-WM 2022 weiß. Die Sommerhitze kann bis zu 50 Grad C erreichen.
Der Sohn von Lamine Diack, Papa Massita Diack, ist Eigentümer der Sportrechte-Agentur Pamozdi Sports Marketing, die auch in den Ticketskandal der Agentur Match bei der Fußball-WM 2014 involviert war. Papa Diack hat die Vertragsrechte für u. a. Brasilien, Russland, Indien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Südkorea, Mexiko, Afrika und die Karibik: Sein Vertrag begann 2007 und läuft noch bis 2015 (Gibson 10.12.2014). Helmut Digel: “Seine Agentur hat beste Beziehungen zu Russland, nach China und Korea…” (Knuth, Mölter 3.12.2014). Dort fanden die letzten drei IAAF-WM statt.
Papa Diack requiriert mit seiner Agentur Sponsorenverträge für die IAAF (also für seinen Vater), die an deren Vermarktungsagentur Dentsu weitergereicht werden (Reinsch 12.12.2014). Dentsu hat erst kürzlich den Marketing-Vertrag mit der IAAF bis 2019 verlängert: Der Deal soll bis 2019 mit umgerechnet fast 14 Millionen Euro und von 2020 bis 2029 mit 17,6 Millionen Euro jährlich vergütet sein (Gibson 10.12.2014).

Exkurs Dentsu: „Gerade erst musste sich Tadashi Ishii, 65, öffentlich entschuldigen. Er ist Chef von Dentsu, der fünftgrößten Werbeagentur der Welt. Sie hatte mehr als hundert Kunden über Jahre um mindestens zwei Millionen Euro geprellt, unter ihnen auch den Autohersteller Toyota. (…) Nun folgt der nächste Skandal. Eine 24-jährige Angestellte der Firma hat Suizid begangen. Die staatliche Arbeitsaufsicht bezeichnet den Selbstmord der jungen Frau als „Karoshi“, Tod durch Überarbeitung. Beamte des Arbeitsministeriums rückten zur Hausdurchsuchung ins Hochhaus in Tokio ein. (…) Das Ministerium verdächtigt Dentsu, massiv gegen die Arbeitsgesetze zu verstoßen. Die Frau hatte im Frühjahr 2015 bei Dentsu begonnen und sei gezwungen worden, mehr als 105 Stunden Mehrarbeit pro Monat zu leisten, bis zu 30 Stunden pro Woche. In ihrer Probezeit waren es ‚nur‘ 40 Stunden pro Monat, klagte sie in sozialen Medien. So könne sie nicht weiterleben. (…) Dentsu ist die Großmacht in der japanischen Medienwelt. Die 115 Jahre alte Firma hält 40 Prozent Marktanteil des Werbemarktes, sie produziert nicht nur Anzeigen, sondern schaltet sie auch. Sie hält Anteile an den Zeitungen, kontrolliert mehrere Fernsehsender, mischt in der Unterhaltungsindustrie und im Sportmarketing mit und ist mit der Atomwirtschaft verbandelt. Eine Fachzeitschrift schrieb, Dentsu habe ‚Japans Medien im Würgegriff‘“ (Neidhart, Christoph, Zehn Teufelsregeln, in SZ 18.10.2016).

Laut Guardian hat Papa Diack für die (an London gescheiterte) Vergabe der Leichtathletik-WM 2017 an den Bewerber Doha/Katar im Oktober 2011 eine Zahlung von fünf Millionen Dollar verlangt. 4,5 Millionen Dollar sollten per Banküberweisung erfolgen: Papa Diack gab per Email seine Kontoverbindung an. 440.000 Dollar wollte Diack bar bei persönlicher Abholung in Doha mitnehmen (Gibson 10.12.2014). Unklar ist, ob die Zahlungen dann so erfolgten – oder mit Dohas Sieg bei der Leichtathletik-WM 2019 „verrechnet“ wurden.
Diack hat – mit Sicherheit in allen vier Fällen – gegen hohe Provisionen – die Sponsoringpakete der IAAF-Weltmeisterschaften in Daegu 2011 (Sponsor Samsung), Moskau 2013 (VTBank), Peking 2015 (Sinoper) und eben Doha 2019 (Bank of Qatar) vermittelt (Reinsch 11.12.2014). Zumindest für Daegu 2011 und Moskau 2013 waren die unterschriebenen Sponsorenverträge in Millionenhöhe entscheidend (Gibson 10.12.2014).

Kurzer Rückzug
Die IAAF teilte dann mit, dass Papa Diack sich vorerst etwas zurückzieht: „Auch Papa Massata Diack, der Sohn von IAAF-Präsident Lamine Diack, lässt seine Tätigkeit als Marketingberater vorläufig ruhen“ (spiegelonline 12.12.2014).
Grund war u. a. der vom WDR-Film vom 3.12.2104 „Geheimsache Doping“ aufgedeckte russischen Dopingskandal. Die russische Marathonläuferin Lilija Schobuchowa musste russischen Funktionären umgerechnet 450.000 Euro in bar bezahlen, um trotz abnormer Blut-Werte bei den Olympischen Spielen 2012 in London starten zu dürfen. Da sie im Sommer dieses Jahres wegen der Blutwerte rückwirkend ab 2013 gesperrt worden ist, wollte Schobuchowa einen Teil dieses Geldes wieder zurückerstattet bekommen. Darin war der Präsident des russischen Leichtathletikverbandes und Schatzmeister des Weltverbandes IAAF, Valentin Balachnitschew, involviert: Schobuchowa sollte nach der Sperre 300.000 Euro über eine Briefkastenfirma in Fernost zurückerstattet bekommen. „Diack junior hat bestätigt, dass Eigentümer der inzwischen aufgelösten Briefkastenfirma ein Geschäftspartner sei“ (Reinsch 12.12.2014; Hervorhebung WZ).

Nachtrag 1: Hat Katar die Leichtathletik-WM 2019 gekauft?
“Neue Korruptionsvorwürfe belasten den Leichtathletik-Weltverband IAAF. Das Emirat Katar soll sich die Ausrichtung der WM 2019 erkauft haben. Das will der Chef des Weltverbands von anderen Funktionären erfahren haben. Dem krisengeschüttelten Leichtathletik-Weltverband IAAF droht offenbar weiterer Ärger. Die Ethikkammer könnte in Kürze die Vergaben der Weltmeisterschaften 2017 an London und 2019 an Doha untersuchen. Das deutete Ed Warner, Präsident des britischen Verbandes UK Athletics, bei einer Sitzung des Ausschusses für Kultur, Medien und Sport im britischen Parlament an. (…) Warner berichtete nun, dass ihm im November 2011 in Monaco am Rande der WM-Vergabe für 2017 berichtet wurde, dass Vertreter aus Katar ‘braune Umschläge voller Bargeld’ verteilt hätten. Namen wollte der Engländer in diesem Zusammenhang nicht nennen” (“Braune Umschläge voller Bargeld”, in spiegelonline 26.1.2016).

Vergleiche auch: Leichtathletik-WM 2015 in Peking

Quellen:
Anti-Doping-Direktor tritt zurück, in spiegelonline 12.12.2014).
Doha to host the 2019 IAAF World Championships, in iaaf.org 18.11.2014
Gertsch, Christof, Das Jahrzehnt des Golfstaats, in nzz.ch 10.12.2014
Gibson, Owen, Questions for IAAF president’s son over $5m request to Doha amid 2017 bid, in The Guardian 10.12.2014
Hungermann, Jens, Geld ist eben doch alles, in welt.de 29.11.2014
Knuth, Johannes, Mölter, Joachim, “Europa darf nicht alleine die Maßstäbe setzen”, in SZ 3.12.2014
London erhält Zuschlag für 2017, in spiegelonline 11.11.2011
Reinsch, Michael
– Die seltsamen Antworten des Präsidenten, in faz.net 11.12.2014
– Sogenannte Rückzüge, sogenannte Datendiebe, in faz.net 12.12.2014
– „Blatter hat das nicht erfunden“, in faz.net 19.10.2015
Rowbottom, Mike, IAAF claim Doha’s $37 million offer in 2019 World Championship bid was legal and within guidelines, in insidethegames.biz 20.11.2014
SID, Leichtathletik-WM 2015 in Peking, in focus.de 20.11.2010

 

nach oben