Eventisierung des Münchner Olympia-Parks
Alle Jahre wieder: Harakiri im Münchner Olympiapark. Als Ersatz für die DTM-Tourenmeisterschaft 2011 und 2012 und die X-Games im Juli 2013 kommt das nächste – gefährliche und gesundheitsschädigende – Spektakel: MASH (Munich Action Sport Heroes) mit Red Bull Fighters, BMX Street Rink und Swatch Prime Line – MTB Dirt Jump vom 18. bis 20.7.2014 im Münchner Olympiapark. Dazu kommt noch die „Munich Be(a)st Tour“ (Skateboard). Der Münchner Stadtrat hat ohne großes Zögern einen Zuschuss von 100.000 Euro bewilligt.
Mash Veranstaltung, Olympia-Park, München, 17.7.2014
Die X-Games wurden vom amerikanischen TV-Sender ESPN nach einmaligem Gastspiel im Juli 2013 in München abgesagt. Daraufhin bastelte die Olympiapark München GmbH (OMG) am nächsten Event. Als Partner stand Red Bull bereit. „Zur MASH-Premierenveranstaltung lässt Red Bull seine X-Fighters-Serie mit 110 Kilogramm schweren Motorrädern zum zweiten Mal in München gastieren, vor zwei Jahren waren die Motocross-Akrobaten noch durch das Olympiastadion geflogen. Dieses Mal sind sie auf einer schwimmenden Strecke unterwegs – eine Weltpremiere“ (Tögel 17.7.2014). Der stark veralgte Olympiasee wird also nicht, wie es inzwischen Tradition ist, abgelassen, sondern zugebaut. Die 450 Meter lange Rampe wird von 260 Pontons gehalten und wiegt 2.000 Tonnen: 800 Kubikmeter Erde wurden eingebaut (Olympiapark München, Juli 2014, S. 15).
Mash Veranstaltung, Olympia-Park, München, 17.7.2014
„Die Show ist auch ein riesiges Business. Red Bull vermarktet sie aggressiv im Internet. München ist der vorletzte Halt der Tour, die durch vier Kontinente reist und im August in Pretoria endet“ (Winter 17.7.2014).
Dauerhaft wird dieses Event nicht sein: „Für die neue Tour würden sich jedoch wieder zahlreiche Städte aus der ganzen Welt bewerben, es sei durchaus möglich, dass der Spot München ersetzt werde“ (Ebenda).
Die Mountainbiker werden in München von einem zehn Meter hohen Turm aus 400 Tonnen Gerüsten am Olympiastadion herunterrasen und unter anderem einen Looping absolvieren. Die Strecke plante Tarek Rasouli, ein ehemaliger BMX-Fahrer, der seit zwölf Jahren nach einem missglückten Sprung im Rollstuhl sitzt. „Keiner der Starter hat bisher einen Looping gefahren“ (Tögel 18.7.2014). – „Der wird für die Fahrer absolutes Neuland – eine echte Herausforderung!“ (Olympiapark München, Juli 2014, S. 3) – „Wer zu viel Respekt hat, kann den Looping umfahren oder überspringen. (…) Allerdings werden Deserteure mit Punktabzug bestraft“ (Winter 17.7.2014).
Brot und Spiele: brachial
Red Bull-X-Fighters:
„Mit bis zu 30 Meter weiten und 15 Meter hohen Sprüngen sowie spektakulären Tricks werden sie die rund 25.000 erwarteten Besucher von den Sitzen reißen.“
„HEAD-TO-HEAD: Zwei Fahrer duellieren sich im direkten Zweikampf. Hier gibt es nur einen Run, und der muss sitzen.“
„Der 22-jährige Kiwi hat Benzin im Blut.“
Swatch Prime Line Munich/Mountainbike Dirt Jump-Contest:
“Die größte Schwierigkeit ist der Looping, der für die Fahrer tatsächlich Neuland bedeutet. Den Zuschauern wird sicherlich das eine oder andere Mal der Atem stocken, wenn die Fahrer mit ihren waghalsigen Sprüngen durch die Luft fliegen.“
Mash Veranstaltung, Olympia-Park, München, 17.7.2014
”Nach seinem schweren Sturz beim Red Bull Joyride (CAN) im vergangenen Jahr ist Brayden bereits wieder zurück im Sattel.“
BMX Street Rink:
„Bei der Disziplin BMX Street geht es hingegen viel mehr um technisch anspruchsvolle und kreative Tricks an ‚Hindernissen’, die nicht als solche wahrgenommen werden: Geländer, Stufen und Mauern. (…) Auf dem von BMX-Legende Brian Kachinsky gestalteten Parcours müssen die Fahrer ihre spektakulärsten Tricks zeigen, um am Ende des Tages den Sieg mit nach Hause nehmen zu können.“
(Alle Zitate: Olympiapark München, Juli 2014).
Ralph Huber, Geschäftsführer der OMG: „Der Trend- und Actionsport ist für München zukunftsweisend, darauf setzen wir“ (Tögel 3.7.2014).
Mash Veranstaltung, Olympia-Park, München, 17.7.2014
Selbstverstümmelung
Red Bull verleiht auch hier Flügel – bis zum harten Aufprall. Luc Ackermann, 16, der einzige deutsche Freestyle-Motocrosser: „Verletzungen gehören in dem Sport dazu, das muss man mal sagen. Jeder Sprung könnte tödlich sein, auf diesem Level ist es zurzeit einfach ziemlich krass“ (Winter 17.7.2014). – Bilanz des Motocrossers Luc Ackermann (16): „Zweimal das Schlüsselbein gebrochen, das Schulterblatt gebrochen, den Zeh, das Kreuzband gerissen“ (Tögel 28.6.2014). – Der deutsche BMX-Fahrer Bruno Hoffmann brach sich 2013 „bei den X-Games in Schanghai den einen Fuß, vor fünf Monaten in Frankfurt den anderen“ (Winter 11.7.2014).
Der Bruder des Freestyle-Motocrossers Thomas Pagès, Charles, lag nach einem Sturz im Koma. „Im Februar 2013 verunglückte der Japaner Eigo Sato beim Training für seine neunte X-Fighters-Saison, er starb“ (Winter 17.7.2014).
Hochsaison für Rettungskräfte: „Die Helfer haben ein Rettungskonzept mit der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft und den Johannitern entworfen. Helfer auf zwei Rettungsbooten und mehrere Rettungsschwimmer können Verunglückte schnell bergen. Zudem ist ein Ärzteteam des Klinikums Rechts der Isar vor Ort“ (Winter 17.7.2014).
Zu seinen Verletzungen sagte der 21-jährige deutsche Mountainbiker Peter Henke: „Im vergangenen Jahr musste ich aber mal eine längere Pause von drei Monaten einlegen, weil ich mir das Kreuzband im Knie angerissen und die Kniescheibe gebrochen habe“ (Schmid 17.7.2014).
Die Karrieren als Frühinvaliden sind bei allen Teilnehmern von MASH vorgezeichnet.
Der neue Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schrieb im Vorwort zur MASH-Broschüre: „Trendsport öffnet heute gerade jungen Menschen den Weg zu Bewegung, Spaß und Leistung“ (Olympiapark München Juli 2014, S. 2).
Ob Reiter die Darbietungen schon mal gesehen hat?
Die Fun-Welt
„Szene-Beschallung gehört natürlich bei jedem Action Sports-Event dazu“ (Olympiapark München, Juli 2014, S. 3) – Im Interview äußerte Peter Henke über die Freerider-Szene: „Wir sind ungefähr um die 30 Jungs, die gemeinsam um die Welt reisen, Bike fahren und Spaß miteinander haben“ (Schmid 17.7.2014). – „Um was es geht? Den Sieg, klar, um spektakuläre Bilder. ‚Und ein bisschen Geschichte schreiben’, sagt Rasouli“ (Tögel 18.7.2014).
Gladiatorenspiele für die Zuschauer auf Kosten der Jungen. Und nur nicht an die Zukunft denken…
Quellen:
Kettenbach, Maximilian, Spielplatz für Helden, in SZ 28.5.2014
Olympiapark München, Munich MASH, Programmheft, Juli 2014
Schmid, Matthias, „Wir wissen alle, dass immer etwas passieren kann“, in SZ 17.7.2014
Tögel, Ralf
– Neue Chance für den Sportpark, in SZ 22.2.2014
– Saltos im Olympiasee, in SZ 22.2.2014
– „Wir sind normale Leute“, in SZ 28.6.2014
– Fliegende Nichtschwimmer, in SZ 3.7.2014
– Und Action, in SZ 17.7.2014)
– Ohne Grenzen, in SZ 18.7.2014
Tollkühne Piloten, in SZ 17.7.2014
Winter, Sebastian
– Auf den Spuren von E.T., in SZ 11.7.2014
– Dem Himmel so nah, in SZ 17.7.2014