16.7.2012, aktualisiert 25.10.2012
Vorgeschichte: München gibt sich als Klimaschützer
Am 17.7.2011 gab die Landeshauptstadt München die Pressemitteilung heraus: „München ist seit 15 Jahren Mitglied im Klimabündnis e.V.“ Dieses tritt für den Erhalt der Erdatmosphäre ein, „die in diesem weltumspannenden Bündnis die gemeinsame Sorge um die Entwicklung des Weltklimas verbindet… Das Klimabündnis entfaltet zahlreiche Aktivitäten, … in denen der lokale Klimaschutz thematisiert und gefördert wird“ (PM 17.7.2011).
Die Realität sieht anders aus – ein Beispiel: Am 16. und 17. Juli 2011 und am 14. und 15.7.2012 fand im eigens dafür asphaltieren Olympiastadion die Deutsche Tourenwagen Masters (DTM) statt: Das Rennen wird auch Mitte Juli 2013 dort stattfinden, da Ralph Huber, der Geschäftsführer der Olympiapark-GmbH, einen Dreijahresvertrag abgeschlossen hat. Huber plant sogar noch eine Vertragsverlängerung über 2013 hinaus.
Lärmterror 2011
Im April 2011 wurden für dieses Motorsport-Event 18.000 Quadratmeter Fläche des Olympiastadions „temporär“ umgebaut: Der Rasen wurde entfernt, die Tartanbahn abgedeckt, 8000 Kubikmeter Kies 60 Zentimeter hoch verteilt und der gesamte Innenraum asphaltiert:
für zwei Tage DTM-Autorennen mit 470 PS starken Boliden von Audi, Mercedes und ab 2012 auch mit BMW. Das Problem: „die Reifen schnellstmöglich auf Temperatur zu kriegen“, ängstigte sich ein Rennfahrer (Tögel 18.5.2011).
Der Rennserien-Vermarkter Internationale Tourenwagen-Rennen (ITR) betonte: „Es geht nicht nur um den Motorsport, sondern um das ganze Show-Event“ (SZ 14.7.2011). Der Rennfahrer Christian Vietoris äußerte auf der Pressekonferenz die geniale Idee: „Vielleicht sollte man nachts fahren, das wäre noch spektakulärer. Die Zuschauer würden sehen, wie die Flammen aus den Auspuffrohren schießen“ (Tögel 18.7.2011). Drei Rennwagen krachten 2011 in die Betonwände – unter den Augen von 54.000 Motorsport-Fans.
Natürlich wurde alles von den städtischen Behörden genehmigt. An alle Zuschauer wurden Ohrstöpsel verteilt, an die Anwohner nicht. Einer von ihnen äußerte: „Wenn es ums Geld geht, fallen bei der Stadt alle ethischen und moralischen Bedenken“ (Schwaiger 16.7.2011). Die Anwohner beklagten sich über Lärm, Schadstoffausstoß – und die geplanten Wiederholungen 2012 und 2013. “Das unglaubliche Röhren der Tourenwagenmotoren machte nicht nur jedes Gespräch zunichte, nervte Jogger und Spaziergänger. Den leidgeprüften Olympiadörflern auf ihren Balkonen blieb nur die Wahl zwischen Ohropax und der Flucht aus dem eigenen Heim” (Kronewiter 13.7.2012). Der Anwohner und CSU-Sprecher Erich Tomsche sagte, er habe “das Gefühl gehabt, dass ein Formel-Eins-Rennwagen durch das eigene Wohnzimmer fährt” (Kronewiter 10.2.2012).
Der Geschäftsführer der Olympiapark GmbH, Ralph Huber, äußerte nach dem Rennen 2011 stolz: „Das ist sicher ausbaufähig, aber wir sind gut gestartet… 99,9 Prozent der Leute waren begeistert.“ Fragt sich nur: welche? Huber verstieg sich noch zu dem so unlogischen wie frechen Vergleich: „Auf dem (Mittleren) Ring fahren täglich 70.000 bis 80.000 Autos, in der DTM fahren zwei Fahrzeuge gegeneinander“ (SZ 20.7.2011).
Zu der Ankündigung der Bewohner des Olympiadorfes, bei weiteren solchen Veranstaltungen Widerstand zu praktizieren, entgegnete Huber bezeichnenderweise: „Es wird immer Leute geben, die dagegen sind. (Ebenda).
Jegliche Kritik blieb bei Huber ohne Resonanz. Auf die Frage von BILD-Reportern, welche künftigen Events im Park stattfinden werden, äußerte er: „Veranstaltungen mit internationaler Strahlkraft. Wie die DTM, die auf jeden Fall noch zwei Jahre zu uns kommt“ (bild.de 2.8.2011). Denn die Olympiapark GmbH hat einen Dreijahresvertrag abgeschlossen.
Die Kreisgruppe München des Bund Naturschutz schrieb in einer Pressemitteilung: „Das DTM-Spektakel im Olympiastadion zeigt eindrucksvoll, was die Stadt mit ‚nachhaltigen und ökologischen’ Sport-Events meint, auf die sie in Zukunft setzen will. 470 PS-Boliden mit einem Benzinverbrauch von 50 Litern und mehr, ein CO2-Ausstoß jenseits der 300 Gramm-Marke und Lärm“.
Der BN forderte die Olympiapark GmbH auf, „solche blödsinnigen Spektakel nicht mehr in München durchzuführen“ (PM 26.7.2011; Hervorhebung W.Z.).
Am 17. Mai 2012 fand im Olympiastadion das Finale der UEFA Women’s Champions League 2012 statt. Hierfür musste auf den DTM-Asphalt extra ein Rollrasen verlegt werden, der 440.000 Euro kostete. Er wurde danach entfernt und der Asphalt wieder freigelegt – für die DTM 2012. Von daher steht es zu bezweifeln, ob bei einer Einbeziehung aller Kosten wirklich 100.000 Euro Gewinn beim DTM-Rennen 2011 blieben, wie die Olympiapark GmbH behauptet hat (Tögel 16.6.2012).
Lärmterror 2012
Ende Juni 2012 forderten die Vorsitzenden der Münchner Grünen in einer Pressemitteilung: “DTM raus aus dem Olympiastadion” (PM 29.6.2012). Die Vorsitzende Katharina Schulze wies auf die Beschwerden der Anlieger durch Lärm und Abgase und auf das fragwürdige Image des Motorsportevents hin. Für Sebastian Weisenburger steht das Autorennen im städtischen Stadion im Widerspruch zu den Aktivitäten von München im Bereich des Klimaschutzes (Ebenda).
Vergebens. Die Olympiapark GmbH mit Chef Ralph Huber störte es auch nicht, dass sich der Bezirksausschuss Milbertshofen fast einstimmig (CSU, SPD, Grüne) gegen die Verlängerung der Rennsause im Olympiaasphaltstadion über 2013 hinaus ausgesprochen hat. Nur die FDP lobte das Spektakel: Man unterstütze die DTM “nach Kräften” (Kronewiter 13.7.2012).
Huber schrieb in einem Beitrag für die tz: „Wir haben es auch dieses Jahr wieder geschafft, das Olympiastadion ist fertig präpariert und vorbereitet für das DTM-Spektakel. Insgesamt 45 Kipplaster voll mit 21.000 Tonnen Kies wurden dafür angekarrt. Der Kies dient als Unterlage für die 4800 Tonnen Asphalt, über den (die Fahrer) heizen werden… Zwei Music-Acts und vier atemberaubende Stunt-Shows werden zusätzlich für Futore sorgen“ (tz 13.7.2012). Dazu wurde noch eine zweite Asphaltschicht auf die erste aufgebracht.
Am 14. und 15. Juli 2012 bretterten die Boliden der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) wieder im Kreis. Der Lärm war bis in den Luitpoldpark zu hören und in Milbertshofen und erst recht im Olympiadorf infernalisch laut: Der Münchner Norden wurde von Hubers Lärmteppich flächendeckend terrorisiert. Die Zuschauerzahlen gingen von 54.000 im Vorjahr auf 45.000 zurück: immer noch viel zu viel.
Mit “Motorsport zum Anfassen” wurde geworben: mit Teamzelten und Autogrammstunden. “Außerdem fliegen die Red Bull X Fighters auf ihren Motocross-Maschinen durch das Stadion,
der Engländer Terry Grant lässt bei seiner Stuntshow die Reifen quietschen” (Ventker 26.5.2012). Ein Familienfest mit Hüpfburg und Kinderschminken, damit die lieben Kleinen die Boliden lieben lernen – und das Rasen mit Autos als selbstverständlich empfinden.
Für die erwachsenen Fans gibt es geöffnete Teamzelte, die Pitstop-Challenge, geführte Fahrerlagertouren, die Red Bull X-Fighters usw.: also alles, was rasende Männer-Herzen begehren (tz-online 4.7.2012).
Schon mal was von Klimawandel gehört?
Lärmterror 2013 plus???
Bis mindestes 2013 – und eventuell darüber hinaus – sollen die Anwohner des Olympia-Parks Lärm und Abgase der DTM Mitte Juli ertragen: Bis dahin bleibt auch der Asphalt drin. Und Herr Huber sinniert über eine Verlängerung des Vertrages nach. Für diesen Fall signalisierten die Grünen, der Bezirksausschuss Milbertshofen und die Einwohner-Interessensgemeinschaft Olympiadorf Widerstand (Schmidt 16.7.2012).
Der Kommunikationschef der Olympiapark GmbH, Arno Hartung, sagte zu den Protesten der Anwohner im Jahr 2012: „Das war deutlich geringer, als befürchtet: die Leute wissen auch, dass wir einen Dreijahresvertrag haben“ (Tögel 16.6.2012). Hartung lieferte auch frech die Aussage: „… einmal im Jahr müsse so eine Veranstaltung möglich sein. Denn im Kern handle es sich beim Olympiapark um ein Sportgelände“ (Wimmer, Tögel 16.7.2012).
An Motorsport mit Lärm und Gestank hatte beim Olympiagelände nie jemand gedacht: Diesen Abstieg des Olympiastadions haben erst Huber und Hartung eingeleitet.
Zu den weiteren Renn-Plänen äußerte Hartung: „Wir wollen die Veranstaltung langfristig im Park halten“ (Ebenda). Ralph Huber: „Wir wollen die Verträge unbedingt verlängern, weil unser Park dadurch national und international ins Blickfeld rückt“ (welt.de 16.7.2012).
Und vor allem: lokal!
Mercedes-Sportchef Norbert Haug freute sich, „dass wir in einem so tollen Stadion fahren… Ich hoffe, dass das noch viele Jahre so bleibt“ (Wimmer, Tögel 16.7.2012)
Haug äußerte dann noch: „Es mag sein, dass das hier wie eine Micky-Maus-Rennstrecke aussieht, aber es ist sehr schwierig hier zu fahren“ (Tögel 16.7.2012).
Vom Olympiastadion zur Micky-Maus-Rennstrecke: ein asphaltierter White Elephant.
Wenn den Chefs der Olympiapark GmbH für das Olympiastadion nichts anderes mehr einfällt, als in Zeiten des Klimawandels und der zu Ende gehenden fossilen Energien ein solch irrsinniges Rennspektakel einzuplanen, dann sollte ihnen – im Interesse der Anlieger, des Klimas und des Signals nach außen – seitens der Stadt umgehend gekündigt werden.
Ansonsten sollte München ehrlicherweise sofort aus dem Klima-Bündnis austreten.
Nachtrag 1: Bei der Bürgerversammung in Milbertshofen am 24.7.2012 versprach Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD), sie werde mit OB Ude gegen eine Verlängerung des Vertrages mit der DTM stimmen (Kronewitter 25.7.2012). Im Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg traten Ende Juli 2012 CSU- und FDP-Vertreter für das DTM-Rennen ein. Georg Fichtner (FDP) nannte die Proteste „hirnrissig“. „Da müsste man auch die Formel 1, überhaupt jedes Autorennen verbieten“ (Niesmann 28.7.2012)
Einmal abgesehen von der Tatsache, dass Formel-1-Kurse bis auf Monaco üblicherweise nicht inmitten von Städten stattfinden, wäre die Abschaffung des Motor-„Sports“ die richtige Idee.
Nachtrag 2: Ausgelärmt. Am 23.10.2012 gab die Olympiapark GmbH bekannt, dass 2013 kein weiteres Rennen mehr im Olympiastadion stattfinden wird. Der Vertrag mit der DTM wird aufgelöst. Die DTM-Autoraser ziehen nach Moskau weiter. Herr Huber drohte mit den nächsten Renn-Spektakeln: „Auch in Zukunft wolle man Motorsport im Olympiapark zeigen – dann vielleicht in einem etwas kleineren Maßstab“ (Schmidt 23.10.2012).
Herr Huber berichtete weiter, dass das Budget bei über einer Million Euro gelegen habe: Im ersten Jahr wäre ein Plus im „niedrigen sechsstelligen Bereich“ geblieben, 2011 ein „plus minus Null“ (Tögel 24.10.2012; Kronewiter 24.10.2012).
Hat sich das nun wirklich rentiert – das Stadionrund zu asphaltieren? Die Bevölkerung zu verärgern? Die Umwelt zu verpesten?
Quellen:
Asphalt-Arena, in SZ 16.7.2011
Autorennen weiterhin im Olympiastadion, in SZ 29.9.2011
Begeisterte Fans, in SZ 17.7.2011
Bund Naturschutz München, DTM im Olympiastadion: Nicht mehr zeitgemäß, PM 26.7.2011
Cataldo, Filippo, DTM im Olympiastadion: Es wird noch schneller, in Abendzeitung 13.7.3012
Huber: Spitzentempo bis 130 km/h, in tz 13.7.2012
Kies für den Straßenbau, in SZ 19.7.2011
Kronewiter, Thomas
– Rennstrecke im Wohnzimmer, in SZ 10.2.2012
– Krach statt Konsens, in SZ 13.7.2012
– Rennautos raus, in SZ 13.7.2012
– Stadt will Autorennen ausbremsen, in SZ 25.7.2012
– Schluss mit dem Krach, in SZ 24.10.2012
Landeshauptstadt München
– Referat für Arbeit und Wirtschaft, Dieter Reiter, Schreiben „Die Deutsche Tourenwagenmeisterschaft weiterhin im Olympiastadion“, 26.9.2011
– Referat für Gesundheit und Umwelt, PM 17.7.2011: München ist seit 15 Jahren Mitglied im Klimabündnis e.V.
Lode, Silke, Konzerte im Untergrund, in SZ 27.8.2011
Merz, Markus, „Echt ‚ne große Show!“, in Abendzeitung 16.7.2012
Niesmann, Sonja, Auch Neuhausen diskutiert über die DTM, in SZ 28.7.2012
Perkuhn, Anja
– Auf Touren kommen im Stadion, in SZ 14-7.2011
– Volle Dröhnung, in SZ 18.7.2011
Scharfe Kritik an DTM-Festival, in SZ 1.8.2011
Schmidt, Thomas
– PS-Festival in der vorletzten Runde? in Münchner Merkur 16.7.2012
– München fliegt aus dem DTM-Kalender, in Münchner Merkur 23.10.2012
Schneider, Philipp, Auf dem Anti-Weihnachtsmarkt, in SZ 20.12.2010
Schwaiger, Romy, Röhren im Park, in SZ 16.7.2011
Steinbach, D., Arbinger, S., Was wird aus dem Olympia.Park OHNE Olympia? Interview mit Ralph Huber, in bild.de 2.8.2011
Tögel, Ralf
– Rasen, wo einst Rasen war, in SZ 18.5.2011
– Demonstration der Show, in SZ 18.7.2011
– Ein Fall für Drei, in SZ 16.6.2012
– Der neue Micky-Maus-König, in SZ 16.7.2012
– Aus dem Rennen, in SZ 24.10.2012
Tögel, Ralf, Wittl, Wolfgang, „Der Olympiapark muss lebendig bleiben“, Interview mit Ralph Huber in SZ 20.7.2011
Ventker, Janina, Die Boliden rasen wieder durchs Oval, in Münchner Merkur 26.5.2012
Viehmann, Sebastian, Kampfansage in Karbon, in SZ 19.7.2011
Wimmer, Susi, Tögel, Ralf, Mächtig Zank um Krach und Gestank, in SZ 16.7.2012
Wir schicken Sie zum Renn-Spektakel, in tz-online 4.7.2012
Zank um Gestank im Olympiastadion, in welt.de 16.7.2012