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Die verkauften Leichtathletik-Weltmeisterschaften

 
Zuletzt geändert am 24.04.2015 @ 14:57

18.12.2014, aktualisiert 24.4.2015

Die Vergabe der IAAF-WM 2019
Die Vergabe der Leichtathletik-WM 2019 durch den Internationalen Leichtsport-Verband IAAF an Katar passierte so, wie das deutsche IAAF-Councelmitglied Helmut Digel (ehemaliger Präsident des DLV) beschrieb. Der Emirs von Katar bot dem IAAF schriftlich 37 Millionen Dollar an: “Dieser Brief wurde eine Viertelstunde vor der Abstimmung kopiert und jedem Council-Mitglied gegeben. Das ist ein legaler Vorgang” (Knuth,, Mölter SZ 3.12.2014; Hervorhebung WZ).
“Doha offerierte ein Sponsorenpaket in zweistelliger Millionenhöhe und eine Spende für Kunststoffbahnen zugunsten des IAAF-Entwicklungsprogramms” (Ebenda). Genauer: 30 Millionen Dollar (24 Millionen Euro) kommen von einer Bank aus Katar, die damit IAAF-Sponsor wird. Sieben Millionen Dollar (5,5 Millionen Euro) gehen in das Kunststoffbahn-Programm (Rowbottom 20.11.2014).

Die IAAF-„Incentives“
“Die Katarer hatten auf den letzten Drücker auch ein attraktives sogenanntes ‘Incentive’ – einen nicht nur in der IAAF üblichen Extraanreiz – ausgelobt. Ein auf fünf Jahre angelegtes Sponsoringpaket mit einem Volumen von rund 30 Millionen US-Dollar sowie das Versprechen, Leichtathletik-Entwicklungsländern zehn Tartanbahnen zu stiften. Wer mochte da noch Nein sagen? 15 der 27 Council-Mitglieder jedenfalls nicht” (Hungermann 29.11.2014).
Der frühere IAAF-Präsident Primo Nebiolo (1981 – 1999) hatte die “Incentives” (besser: Bestechungsgelder) eingeführt und “festgelegt, das es den WM-Bewerbern fortan erlaubt sei, sich mit finanziellen Argumenten gegenseitig zu überbieten, indem sie sogenannte “Incentives” einbringen” (Gertsch 10.12.2014).

Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften werden verkauft
Die Vergabe der Leichtathletik-WM 2011 nach Daegu/Südkorea brachte der IAAF 25 Millionen Dollar (Sponsor: Samsung). Die WM 2013 ging für 50 Millionen Euro nach Moskau (Sponsor: die VTB-Bank) (Ebenda). Die WM 2015 ging nach Peking/China mit dem Sponsor Sinopec, einer Tankstellenkette – die Regierung garantierte einen Zuschuss von 40 Millionen Dollar; dazu kam der TV-Vertrag mit dem chinesischen Sender CCTV für die Jahre 2015 bis 2019 (SID 20.11.2010. TV-Verträge sind, wie man nicht erst seit Al Jazeera aus Katar weiß, ein verdecktes Sponsoringmodell, siehe unten). Und im November 2014 ging die WM 2019 für rund 37 Millionen Dollar nach Katar (vgl. Chronologie November 2014). Helmut Digel: “Wenn man bilanziert, hat in der Tat das ökonomisch attraktivste Konzept gewonnen. Das geht immer zu Lasten anderer Werte” (Knuth, Mölter 3.12.2014).
Völlig unrealistisch: Geld ist zu dem bestimmenden Wert im Sport geworden.
Übrigens kann man nicht nur bei der IAAF den WM-Austragungsort kaufen: Die Handball-WM 2015 ging ebenfalls nach Katar: Der dortige TV-Sender Al Jazeera bezahlte 110 Millionen Dollar – für die Übertragungsrechte (Ebenda).

Es bleibt in der (Diack-)Familie
Der wie sein IAAF-Vorgänger Primo Nebiolo (1981 – 1999) inzwischen ähnlich skandalöse IAAF-Präsident Lamine Diack (1999 bis angeblich 2015) freute sich sehr über die Vergabe nach Katar: “Ich bin mir sicher, dass wir in Doha eine wundervolle Ausgabe der Weltmeisterschaft haben werden. (…) Das waren die besten Präsentationen, die wir je hatten” (iaaf.org 18.11.2014). Die WM findet üblicherweise im August statt.
Da ist es sehr heiß, wie man seit der Bewerbung Katars um die Fußball-WM 2022 weiß. Die Sommerhitze kann bis zu 50 Grad C erreichen.
Der Sohn von Lamine Diack, Papa Massata Diack, ist Eigentümer der Sportrechte-Agentur Pamozdi Sports Marketing, die auch in den Ticketskandal der Agentur Match bei der Fußball-WM 2014 involviert war. Papa Diack hat die Vertragsrechte für u. a. Brasilien, Russland, Indien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Südkorea, Mexiko, Afrika und die Karibik: Sein Vertrag begann 2007 und läuft noch bis 2015 (Gibson 10.12.2014). Helmut Digel: “Seine Agentur hat beste Beziehungen zu Russland, nach China und Korea…” (Knuth, Mölter 3.12.2014). Dort fanden die letzten drei IAAF-WM statt.
Papa Diack requiriert mit seiner Agentur Sponsorenverträge für die IAAF (also für seinen Vater), die an deren Vermarktungsagentur Dentsu weitergereicht werden (Reinsch 12.12.2014). Dentsu hat erst kürzlich den Marketing-Vertrag mit der IAAF bis 2019 verlängert: Der Deal soll bis 2019 mit umgerechnet fast 14 Millionen Euro und von 2020 bis 2029 mit 17,6 Millionen Euro jährlich vergütet sein (Gibson 10.12.2014).
Laut Guardian hat Diack für die (an London gescheiterte) Vergabe der Leichtathletik-WM 2017 an den Bewerber Doha/Katar im Oktober 2011 eine Zahlung von fünf Millionen Dollar verlangt. 4,5 Millionen Dollar sollten per Banküberweisung erfolgen: Papa Diack gab per Email seine Kontoverbindung an. 440.000 Dollar wollte Diack in bar bei persönlicher Abholung in Doha mitnehmen (Gibson 10.12.2014). Unklar ist, ob die Zahlungen dann so erfolgten – oder mit Dohas Sieg bei der Leichtathletik-WM 2019 „verrechnet“ wurden.
Diack hat – mit Sicherheit in allen vier Fällen – gegen hohe Provisionen – die Sponsoringpakete der IAAF-Weltmeisterschaften in Daegu 2011 (Sponsor Samsung), Moskau 2013 (VTBank), Peking 2015 (Sinoper) und eben Doha 2019 (Bank of Qatar) vermittelt (Reinsch 11.12.2014). Zumindest für Daegu 2011 und Moskau 2013 waren die unterschriebenen Sponsorenverträge in Millionenhöhe entscheidend (Gibson 10.12.2014).

Kurzer Rückzug
Die IAAF teilte dann mit, dass Papa Diack sich vorerst etwas zurückzieht: „Auch Papa Massata Diack, der Sohn von IAAF-Präsident Lamine Diack, lässt seine Tätigkeit als Marketingberater vorläufig ruhen“ (spiegelonline 12.12.2014).
Grund war u. a. der vom WDR-Film vom 3.12.2104 „Geheimsache Doping“ aufgedeckte russischen Dopingskandal. Die russische Marathonläuferin Lilija Schobuchowa musste russischen Funktionären umgerechnet 450.000 Euro in bar bezahlen, um trotz abnormer Blut-Werte bei den Olympischen Spielen 2012 in London starten zu dürfen. Da sie im Sommer dieses Jahres wegen der Blutwerte rückwirkend ab 2013 gesperrt worden ist, wollte Schobuchowa einen Teil dieses Geldes wieder zurückerstattet bekommen. Darin war der Präsident des russischen Leichtathletikverbandes und Schatzmeister des Weltverbandes IAAF, Valentin Balachnitschew, involviert: Schobuchowa sollte nach der Sperre 300.000 Euro über eine Briefkastenfirma in Fernost zurückerstattet bekommen. „Diack junior hat bestätigt, dass Eigentümer der inzwischen aufgelösten Briefkastenfirma ein Geschäftspartner sei“ (Reinsch 12.12.2014; Hervorhebung WZ).

Nachtrag 1: Leichtathletik-WM 2021
Nachdem die Leichtathletik-WM 2019 durch einen Sponsoren-Scheck 30-Millionen aus dem Emirat Katar nach Katar ging, ließ sich der ehrenwerte IAAF-Präsident Lamine Diack – quasi zur Wiedergutmachung – diesmal etwas anderes einfallen: Für 2021 gab es kein offizielles Bewerbungsverfahren. Katars 2019-Konkurrent Eugene im US-Staat Oregon bekam die WM 2021. Auch hier spielt Geld eine wichtige Rolle: “Eugene garantiert der IAAF in einem großen Paket öffentliche Gelder des Bundesstaates Oregon, finanzielle Unterstützung durch das Olympische Komitee der Vereinigten Staaten und einen lukrativen TV-Vertrag inklusive landesweiter Übertragung durch den Fernsehsender NBC. ‘Wir können eine Menge Vorteile aus einer einzigartigen Chance ziehen, die so vielleicht nie mehr wiederkommt’, sagte Diack. ‘Ich weiß, dass diese Entscheidung von dem üblichen Prozedere einer WM- Vergabe abweicht. Aber ich freue mich, dass meine Council-Kollegen diese außergewöhnliche Gelegenheit erkannt haben’” (DPA, Vergabe ohne Bewerbung: WM 2021 erstmals in den USA, in faz.net 16.4.2015). – “Wichtiger war vermutlich der Umstand, dass die Amerikaner im Stillen lobbyiert hatten, diesmal keinen Gegner fürchten mussten, der in letzter Sekunde ein 30 Millionen schweres Sponsorenpaket schnürt” (Außer Konkurrenz, in SZ 17.4.2015).
Sondern dass die Amerikaner dieses Mal das Sponsorenpaket selbst – außer Konkurrenz – schnürten.

Quellen:
Anti-Doping-Direktor tritt zurück, in spiegelonline 12.12.2014).
Doha to host the 2019 IAAF World Championships, in iaaf.org 18.11.2014
Gertsch, Christof, Das Jahrzehnt des Golfstaats, in nzz.ch 10.12.2014
Gibson, Owen, Questions for IAAF president’s sn over $5m request to Doha amid 2017 bid, in The Guardian 10.12.2014
Hungermann, Jens, Geld ist eben doch alles, in welt.de 29.11.2014
Knuth, Johannes, Mölter, Joachim, “Europa darf nicht alleine die Maßstäbe setzen”, in SZ 3.12.2014
Reinsch, Michael
– Sogenannte Rückzüge, sogenannte Datendiebe, in faz.net 12.12.2014
– Die seltsamen Antworten des Präsidenten, in faz.net 11.12.2014
Rowbottom, Mike, IAAF claim Doha’s $37 million offer in 2019 World Championship bid was legal and within guidelines, in insidethegames.biz 20.11.2014
SID, Leichtathletik-WM 2015 in Peking, in focus.de 20.11.2010

 

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