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Die öffentlich-rechtlichen Sport-Sender

 
Zuletzt geändert am 06.07.2014 @ 14:50

Wolfgang Zängl
25. Mai 2011, aktualisiert 6.7.2014

1 Wie funktioniert die Sportwirtschaft?
2 Die Übertragungszeiten
3 Die Vermarktung der Sportrechte
4 Ein Beispiel: Die Leichtathletik-WM 2011
5 Die „Grundversorgung“ von Sportevents durch die Öffentlichen Anstalten
6 Sportsendungen werden immer teurer
7 Noch mehr Fernsehgebühren für den Spitzensport

8 Biathlon wird noch teurer
9 Die Fußball-Preise 2013-2017

10 Fazit

1 Wie funktioniert die Sportwirtschaft?
Der international organisierte Sport verfährt weltweit einigermaßen identisch:
Großsportereignisse werden für teueres Geld an öffentliche oder private Fernsehanstalten verkauft, wobei die Sportverbände für die Übertragungsrechte jährlich mehr Geld erzielen möchten.

Da in Deutschland die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ARD und ZDF durch ihr Gebührenprivileg über viel Geld und hohe Einschaltquoten verfügen, sind sie für die Sportorganisationen von hohem Interesse. Die frühere amerikanische Fußball-Nationalspielerin Mia Hamm beschrieb den Zusammenhang Fernsehen-Sponsoren so: „Alles hängt vom, Fernsehen ab. Die Vermarktung, die Anerkennung. Profiteams in allen Sportarten finanzieren sich vor allem durch den Verkauf ihrer TV-Rechte. Mit dem Fernsehen kommen die Sponsoren“ (Spiegel 29/2011).

Mit den vertraglich vereinbarten Sendezeiten lockt man Sponsoren an, deren Logos möglichst flächendeckend auf Sportstätten und in Sendungen untergebracht werden und die dafür ebenfalls viel Geld entrichten müssen.

Mit den Fernsehübertragungen wird auch das Merchandising-Geschäft angekurbelt.

Die Besucher der Sportevents müssen meist hohe Ticketgebühren zu bezahlen. Das Publikum wird nur noch benötigt, um die Ränge zu füllen und dem Fernsehzuschauer Attraktivität zu signalisieren.

Die internationalen und nationalen Sportorganisationen streichen die Gelder ein.

Die ausrichtenden Gastgeberländer oder –orte müssen in der Regel das Defizit decken.

Der Steuerzahler muss also nicht nur für die finanziellen Defizite der Sportevents aufkommen, sondern zahlt auch noch – wie in Deutschland mit zwangsweise erhobenen Fernsehgebühren für ARD und ZDF – für die überhöhten Fernsehlizenzen, unabhängig davon, ob er Sportfan ist oder nicht.

Ein Beispiel: Die ARD übertrug von der Ski-WM vom 7.2. bis 20.2.2011 in Garmisch-Partenkirchen insgesamt 14 Stunden 10 Minuten, das ZDF 14 Stunden 15 Minuten und der BR 5 Stunden 55 Minuten: Zusammen waren dies 34 Stunden und 20 Minuten Übertragungszeit in den Öffentlich-Rechtlichen, die für die Übertragungsrechte teuer zu bezahlen hatten – aus öffentlich-rechtlichen Pflichtgebühren! (Recherche: Wolfgang Zängl, Gloria Görgner)

Garmisch-Partenkirchen musste für diese Ski-WM 35 Millionen Euro investieren (hierfür gab es Zuschüsse von Bund und Land). Der Gewinn aus der Ski-WM in Höhe von 5 Millionen Euro ging aber an den Deutschen Skiverband (DSV), der sich an den Investitionen nicht beteiligt hatte.

2 Die Übertragungszeiten
Um die von Jahr zu Jahr ausführlicheren und längeren  Sportberichterstattungen bei ARD und ZDF aufzuzeigen, sind hier exemplarisch und vollständig die gesamten Sportereignisse aufgelistet, die von den öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF plus dem BR (und den privaten Sendern RTL und SAT1) im Jahr 2010 übertragen wurden (Recherche: Gloria Görgner, Wolfgang Zängl): Auflistung siehe pdf-Text

Das Ergebnis ist bemerkenswert.

Die Sendezeiten dieser Sportveranstaltungen betrugen:
bei ARD 39.848 min oder 664 h 8 min oder 27 d 16 h 8 min:          oder 109 min/Tag.
bei ZDF 34.284 min oder 571 h 24 min oder 23 d 19 h 24 min:      oder: 94 min/Tag.

 

ARD und ZDF übertrugen im Jahr 2010 mehr als 1235 Stunden Sport, das sind 51 Tage.

Nicht dabei sind hier die anderen öffentlich-rechtlichen Länderanstalten der ARD: So übertrug allein der Bayerische Rundfunk noch 133 Stunden (5 Tage 13 Stunden)  zusätzliche Sportsendungen. Der Anteil der Sportübertragungen bei allen Sendern von ARD und ZDF betrug 2010 etwa 8 Prozent (Hahn 23.3.2011).

Olympische Sommerspiele London 2012
Im Mai 2012 kritisierten die deutschen Privatsender die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ARD und ZDF wegen der „maßlosen“ Berichterstattung über London 2012: In den Hauptprogrammen und im Internet sollen insgesamt 900 Stunden olympischer Sport gesendet werden; vom 27.7. bis 12.8.2012 sollen 260 Stunden olympische TV-Berichterstattung“ in ARD und ZDF gezeigt werden (Zu viel Olympia im TV? Privatsender schimpfen, in Münchner Merkur 16.5.2012).
Bei Addition der Übertragungszeiten ergab sich folgendes Bild: Es wurden bei London 2012 248 Stunden und 45 Minuten gesendet: Das sind pro Tag 14 Stunden und 38 Minuten, ohne den Eröffnungstag sogar 15 Stunden und 18 Minuten. (Quelle: Eigene Berechnung W.Z.)

ARD und ZDF feiern in London auch Paralympics ab: Von den Paralympics übertrugen ARD und ZDF aus Athen 2004 zehn Stunden, aus Peking 2008 etwa 30 Stunden, aus London 2012 65,5 Stunden (Paralympics erobern den Bildschirm, in Der Spiegel 37/10.9.2012).

Der Bürger wird für Spitzensport mindestens zweimal zur Kasse  gebeten: jährlich über hunderte Millionen Euro Sportförderung vom Bundesministerum des Innern – und über hunderte Millionen Euro, welche die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF für die Sportübertragungs-Rechte an IOC, Fifa etc. überweisen.
480 Mitarbeiter von ARD und ZDF sind in London: Sie kosten zehn Millionen Euro. Dazu kommt der Erwerb der Fernsehrechte: Sie kosten ARD und ZDF jeweils 71 Millionen Euro für Vancouer 2010 und London 2012. Aber das Sportrechtebudget der ARD umfasst 1,03 Milliarden Euro im Jahr 2012. Dazu gehörenFußballrechte (707 Millionen Euro), davon 368 Millionen Euro für welt- und Europameisterschaften und 339 Millionen für „Fußball Bundesliga/Hörfunk-Kooperation“ (Müller 31/30.7.2012). Die zwangsverpflichteten GEZ-Verpflichteten bezahlen die Rechnung – ohne Möglichkeit zum Widerspruch.

3 Die Vermarktung der Sportrechte
Angesichts der Marktmacht von Sportrechteagenturen der Medienkonzerne Kirch und Bertelsmann gründeten ARD und ZDF 1995 die Agentur SportA, an der sie jeweils zu 50 Prozent beteiligt sind (Keil 27.8.2009). SportA ist winzig im Vergleich zur Konkurrenz.

Die schwedische Sport-Vermarktungsagentur International Events and Communication in Sports (IEC) gehört seit 2007zum französischen Lagardère-Konzern, der 2009 insgesamt 13,9 Milliarden Euro Umsatz erzielte (Gernandt 15.4.2010; Wikipedia). IEC, die Sportrechtetochter von Lagardère, hat natürlich auch eine Filiale in Lausanne. Sie „strebt die weltweite Marktführerschaft an und hat der Europäischen Rundfunk-Union EBU mit überteuerten Rechteeinkäufen den Fehdehandschuh hingeworfen“ (Kreuzer 26.2.2011). Arnaud Lagardère ist im Übrigen ein enger Freund des französischen Staatspräsidenten Sarkozy.

Lagardère Sports hat neben IEC auch Beteiligungen an Upsolut Sports und World Sport Group. Auch die Agentur Sportfive wurde 2006 für geschätzte 865 Millionen Euro von Lagardère eingekauft und bearbeitet den kompletten Sportmarkt:

„SPORTFIVE ist weltweit führend in der Fußballvermarktung und eine der größten Agenturen im Sportbusiness. Die Sportmarketing-Gruppe deckt das gesamte Spektrum der Sportrechtevermarktung ab, vom Handel mit internationalen Fernsehrechten bis zu Stadionwerbung, Trikotsponsoring, Stadionentwicklung und Hospitality-Maßnahmen. SPORTFIVE war der exklusive Agent der MATCH Hospitality in Kontinentaleuropa für den Verkauf des offiziellen Hospitality-Programms für die Fifa Fußball-Weltmeisterschaft Südafrika 2010…

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat SPORTFIVE mit der exklusiven Vermarktung der TV- und neuen Medienrechte in Europa (mit Ausnahme einiger Kernmärkte) für die Olympischen Spiele 2014 und 2016 betraut. Mit dem Deutschen Skiverband besteht ein Kooperationsvertrag für die Rennen im alpinen Weltcup sowie die Skisprung-Weltcupwettbewerbe auf deutschem Boden – ausgenommen die Vierschanzen-Tournee. Außerdem ist SPORTFIVE auch in den Sportarten Handball, Basketball, Rugby, Triathlon, Tennis und Motorsport vertreten“ (Wikipedia).

4 Ein Beispiel: Die Leichtathletik-WM 2011
Für die Fernsehrechte an der Leichtathletik-WM in Südkorea vom 27.8. bis 4.9.2011 wollte die Agentur IEC europaweit 80 Millionen Euro erzielen; die European Broadcasting Union (EBU) bot nur 63 Millionen Euro. Die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF boten sechs Millionen Euro an – die IEC forderte aber im Auftrag des Internationalen Leichtathletik-Weltverbandes IAAF für die deutschen Senderechte 15 Millionen Euro (Serrao 15.1.2011)

Der Fernsehrat des ZDF hat 77 Mitglieder, darunter ist auch ein Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbundes, des DOSB (www.unternehmen.zdf.de, Fernsehrat). DOSB-Präsident Thomas Bach war bis März 2010 Mitglied des ZDF-Fernsehrates. (Sein Nachfolger dort ist DOSB-Vizepräsident Hans-Peter Krämer.) Bach unterstützte im ZDF-Fernsehrat die hohe Forderung von IEC. „Der DOSB tritt dafür ein, dass ARD und ZDF ihrem öffentlich-rechtlichen Sendevertrag nachkommen und die gesamte Vielfalt des Spitzensports im Fernsehen abbilden“ (www.leichtathletik.de 24.2.2011). Dazu gehöre laut Bach auch die Berichterstattung über Großereignisse wie die Leichtathletik-WM.

Der Hintergrund für die Erhöhung der Fernsehlizenzen lag woanders: Bei der Council-Sitzung des IAAF im März 2010 in Doha musste der Schatzmeister eingestehen, dass der IAAF bei 47 Millionen Dollar Einnahmen Ausgaben von 80 Millionen Dollar hatte. Es handelte sich hier auch um einen typischen verbandsinternen Sportkrieg: Der seit 1999 amtierende IAAF-Präsident Lamine Diack aus dem Senegal pflegte seine „Afrika-Politik mit afrikanischen Interessen, die nicht ganz billig sind“, wie IAAF-Council-Mitglied Helmut Digel formulierte (Gernandt 15.4.2010). Diack will 2011 zum dritten Mal IAAF-Präsident und 2012 Präsident des Senegal werden. Er äußerte 2009: „Wir verschenken keine TV-Rechte und wir verkaufen auch keine Einzel-Events. IEC bietet TV-Rechte nur im Paket an“ (Schmitt 15.3.2010).

Der ARD-Programmdirektor Volker Herres legte Wert auf die Feststellung, dass ein gültiges Angebot seitens ARD und ZDF abgegeben worden war, das ausgeschlagen wurde. Die beiden Anstalten hatten vorher 20 Millionen Euro für die Weltmeisterschaften in Berlin (2009) und Osaka entrichtet – wegen der attraktiven Heim-WM. Die WM in Berlin 2009 sahen zehn Millionen Zuschauer, die als Rechtfertigung für die hohen Ausgaben für Übertragungsrechte herangezogen wurden. Allerdings lässt das Interesse in Europa an der Leichtathletik nach, da andere Nationen zunehmend die Sieger stellen (Kistner 22.2.2011). Die Europäer bieten der Leichtathletik „wohl die attraktivsten Bühnen, die aber werden nur von den Wunderknaben und Powerfrauen aus der Karibik, Afrika und den USA zur Selbstdarstellung genutzt“ (Gernandt 15.4.2011).

Wieweit das Thema Doping und fehlende Dopingkontrolle hier hereinspielt, wird an anderer Stelle klar, siehe Doping. (Link hier)

Der frühere Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes DLV und jetzige Chef der Marketing-Kommission des IAAF, Helmut Digel kritisierte im März 2010 die angebliche Fokussierung von ARD und ZDF auf Fußball: „Aus meiner Sicht haben die öffentlich-rechtlichen Sender einen Gesamtauftrag Sport, den sie wahrnehmen müssen“ (Schmitt 15.3.2010). Digel hob hervor, dass sich die Leichtathletik angeblich in den letzten 30 Jahren als „äußerst relevante“ Fernsehdisziplin erwiesen habe (Keil, SZ 17.3.2011).

Der DLV ließ im Fenruar 2011 250 Leichtathleten einen Offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel, viele Politiker und die Intendanten der Fernsehanstalten ARD uind ZDF, dem Bundesinnenminister sowie allen Ministerpräsidenten und Sportministern der Länder schreiben (www.leichtathletik,.de 24.2.2011). Einige Sportler verweigerten auch Interviews mit Journalisten (Spiegel 5.3.2011). Im Fall der Nichtübertragung verwiesen sie auch noch drohend „auf mögliche Auswirkungen auf die Olympiabewerbung Münchens für die Winterspiele 2018, wenn die Rahmenbedingungen für den olympischen Sport im deutschen Sport schlechter würden“ (Hahn 22.2.2011).

Am 23.3.2011 befasste sich der Sportausschuss des Bundestages mit Leitlinien für ARD und ZDF bezüglich internationaler Sportwettkämpfe. Dessen Vorsitzende ist die SPD-Bundestagsabgeordnete Dagmar Freitag, gleichzeitig Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Sie kündigte bereits an, dass es wichtig sei, „eine Lösung im Sinne der Leichtathletik“ zu finden (Keil 17.3.2011) Bei dem Spitzengespräch im Sportausschuss wurde auch DLV-Präsident Clemens Prokop befragt. DLV-Vizepräsidentin Freitag konnte dennoch keinen Interessenskonflikt für sich feststellen: „Ich habe die Sitzung geleitet, wie ich jede andere Sitzung geleitet habe… Also es war für mich ein Tagesordnungspunkt wie jeder andere auch“ (Kempe 23.3.2011).

Am 1.4.2011 war es dann soweit: ARD und ZDF akzeptierten. „Eine Summe wurde nicht genannt“ (dapd 1.4.2011).

5 Die „Grundversorgung“ von Sportevents durch die Öffentlichen Anstalten
„Was gehört zum Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens?“ René Martens

Das ist eine äußerst berechtigte Frage: nicht nur angesichts der acht Milliarden Euro jährlicher Zwangsgebühren für ARD und ZDF (Keil 3.1.2011). Im Zusammenhang mit der Leichtathletik-WM wurde auch das Thema „Grundversorgung“ diskutiert. So hieß es zunächst: „ARD und ZDF sehen es nicht als Teil ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags zur Grundversorgung an, die Leichtathletik-WM 2011 live zu übertragen“ (Serrao 15.1.2011). Der Berliner Sportphilosoph Gunter Gebauer stellte fest: „… im Sport geben die Privatsender die Agenda vor. Ich erkenne keinen Unterschied zwischen den privaten und den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Auch auf viele Zeitungen nimmt das Fernsehen Einfluss“ (Blaschke 12/2011). Die Grenzen zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern, zwischen Sport und Kommerz verschwimmen also – gezielt gesteuert vom Sportsektor, der materiell davon profitiert.
Der DOSB-Präsident und ehemalige ZDF-Fernsehrat Bach verwies die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ihre vermeintliche Pflicht: „Sportgroßereignisse zählen zu den Pflichtveranstaltungen von ARD und ZDF. Sie verursachen hohe Ausgaben, bringen aber auch ansprechende Quoten“ (SZ 25.2.2011). DOSB-Generaldirektor Michael Vesper betonte im Zusammenhang mit der Priorität des Fußballs: „Gleichwohl würden wir uns wünschen, dass die anderen Sportarten, also der ganze Spitzensport in seiner ganzen Breite, mehr in den öffentlichen Programmen vorkäme“ (Kreuzer 26.2.2011).

Bedeutet dies, man soll Kultur und Politik, Dokumentation und Umwelt noch weiter zugunsten der Sportsendungen kürzen?

Zur Frage des tatsächlichen Auftrags von ARD und ZDF schrieb Christopher Keil, diese „haben aber einen Auftrag: die Grundversorgung mit allem, was man als Gesellschaft von einem quasi staatlichen Rundfunk verlangt. Und dazu gehört der Sport“ (Keil 17.3.2011). Keil fragte dann aber weiter: „Leitet sich aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter des deutschen Rundfunksystems ein Recht auf Sportübertragungen ab, wenn sie eine bestimmte Größenordnung angenommen haben? Und wenn ja, zu welchem Preis?“ (Ebenda).
ARD und ZDF werden allein von Wintersportveranstaltungen in der Saison 2011/2012 jeweils 160 Stunden übertragen. Der Sportkanal Eurosport bringt es gar auf 1600 Stunden (Geldner 25.11.2011).
Nun bestehen bereits acht Prozent des gesamten Programms von ARD und ZDF aus Sportübertragungen (Hellmann, Rohlfing 25.2.2011; Hahn 23.2.2011). Die „Grundversorgung“ der Sportübertragungen in ARD und ZDF soll noch weiter zunehmen, wie der Antrag „Gesellschaftliche Bedeutung des Sports“ von CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag zeigt. Dort wird gefordert: „Sport in seiner Vielfalt ist ein Kulturgut von hohem Rang. Es bedarf daher der Präsenz der gesamten Bandbreite des Sports in den öffentlich-rechtlichen Medien“ (Drucksache 16/11217, 3.12.2008). Unterschrieben wurde er u. a. von mehreren Mitgliedern des Sportausschusses des Bundestages, darunter wieder MdB Dagmar Freitag, Vizepräsidentin Deutscher Leichtathletik-Verband.
So versuchen die Sportverbände, ihrem Sport den Status „Kulturgut“ einzuräumen und über den Bundestag Priorität in ARD und ZDF zu gewinnen.

Nachtrag Januar 2013:
Die neue Rundfunkgebühr von 17,98 Euro muss von allen Haushalten bezahlt werden. Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm,
wies die Kritik am Kauf teurer Sportrechte durch ARD und ZDF zurück: Der Sport gehöre zur „Grundversorgung“ (SZ 21.1.2013).

6 Sportsendungen werden immer teurer
„Die meisten der 35 olympischen Weltverbände (28 im Sommer, 7 im Winter) könnten ohne ihren Anteil an den IOC-Fernsehverträgen nicht existieren“ (Jens Weinreich 9.12.2008).

Den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF wird häufig Gebührenverschwendung vorgeworfen. In der Tat werden die Übertragungsrechte teuerst bezahlt. Der DFB bzw. seine Agentur für die Übertragungsrechte der ersten und zweiten Bundesliga und der dritten Liga verlangen pro Jahr insgesamt 412 Millionen Euro: Die ARD entrichtet davon für die Übertragung in der Sportschau 100 Millionen Euro; das ZDF bezahlt etwa 20 Millionen Euro für „Spiel der Woche“ etc. (Keil 1.3.2011; 17.3.2011).
Die deutsche Fußball Liga (DFL) erlöst derzeit über 400 Millionen Euro für die Übertragung der Fußball-Ligen und versucht, diese Summe für die Zeit ab Sommer 2013 noch zu erhöhen. ARD und ZDF wollen mit den Sportevents junge Zuschauer binden und die Quote erhöhen. Die öffentlichen Sender „brauchen die Bundesliga und andere Sport-Events für die Quote – und die Liga braucht die Anstalten. Wer wen mehr braucht, das bestimmt am Ende den Preis“ (Tieschky 8.6.2011).
In der Saison 2012/13 liegen die Einnahmen der 36 Profi-Fußballvereine bei insgesamt 440 Millionen Euro, dazu kommen mindestens 48 Miillionen Euro über die Auslandsvermarktung. Wie wichtig die Fernsehrechte für die Fußballvereine sind, erläuterte der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), Christian Seifert: „Die Bedeutung der Medienrechte ist immens. Es gibt Vereine, für die diese Einnahmen 40 bis 50 Prozent des gesamten Umsatzes ausmachen“ (SZ 8.12.2010).
Interessant ist auch der geplante Einstieg des ZDF in die Fußball-Champions-League der UEFA. Das ZDF will sich dies viel Geld kosten lassen: für die Rechte etwa 48 Millionen Euro. Dazu kommen noch die Produktionskosten der Sendungen von etwa 20 Millionen Euro – für einen Zeitraum von gerade einmal drei Jahren. Das ZDF muss dabei auch die Präsentation der UEFA-Sponsoren und späte Werbeblöcke senden: Dies ist üblicherweise verboten, jedoch gelten Olympische Spiele, Länderspiele oder Endspiele mit deutscher Beteiligung als „gesellschaftlich relevante Ereignisse“ und dürfen Werbung zeigen (spiegelonline 5.4.2011; SZ 17.3.2011; Keil 6.4.2011).

Die ARD wollte gerade die Rechte für etwa 30 Boxabende in den Jahren 2013 bis 2015 für 54 Millionen Euro kaufen (Keil 17.3.2011). Die zuständigen ARD-Sender – MDR, NDR, WDR und SWR – bekamen den Vertrag lange nicht zu Gesicht. WDR-Rundfunkrat-Chefin Ruth Hieronymi bezweifelte bereits, ob Profiboxen „überhaupt zum Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen gehört“ (Martens S. 73). Ein nachgebesserter Vertrag für die Jahre 2013 und 2014 und 16 Boxabende läuft nun immer noch über etwa 30 Millionen Euro (Tieschky 16.6.2011). Der Journalist Martens kam zu dem Schluss: „Die Kampfabende finden nur statt, weil das Geld vom Fernsehen fließt“ (Ebenda).
Das ist inzwischen bei vielen Sport-Großereignissen so.

Für die Übertragungsrechte der Olympischen Winterspiele in Vancouver 2010 und die Sommerspiele 2012 in London kassierte das IOC 3,860 Milliarden Dollar (Gehrmann 23.2.2010). Die olympischen Übertragungsrechte für Sotschi 2014 und Rio de Janeiro 2016 sind derzeit noch offen: Allein für die USA hat das IOC zwischen zwei und vier Milliarden Dollar eingeplant. Da NBC mit Vancouver 2010 etwa 223  Millionen Dollar Verlust gemacht hat, ist die Stimmung nicht euphorisch (Gehrmann 24.5.2010; Ackermann 9.6.2011).

Trotzdem äußerte der Marketing-Direktor des IOC, Timo Lumme Anfang 2010: „Wir müssen möglichst viel aus unserem Produkt machen… Ich gehe (.) davon aus, dass es mehr sein wird als für die laufende Phase in Vancouver und London.“ Und zu den Bezahlsendern meinte Lumme: „Bei Sommerspielen werden in zwei Wochen mittlerweile 5.100 Stunden Olympiabilder produziert, bei Winterspielen sind es immerhin gegen 1.000. Das kann man gar nicht alles im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zeigen“ (nzz.ch 23.2.2010).
Die bewusst produzierte Bild-Masse soll neue Nachfrage erzeugen: auch eine Art „Wachstum“!

Für die Europa-Rechte für Vancouver 2010 und London 2012 wurden von der European Broadcasting Union (EBU) 672 Millionen Euro an das IOC überwiesen. Für Sotschi 2014 und Rio 2016 wurden vom IOC in Einzelverhandlungen bislang 497 Millionen Euro hereingeholt. Allein für Deutschland werden vom IOC 180 Millionen Euro angesetzt – ARD und ZDF wollen aber „nur“ 100 Millionen Euro bezahlen (sueddeutsche.de 5.4.2011; 8.6.2011). Das IOC geht für 2014 und 2016 von 200 Sendestunden im öffentlichen, frei empfangbaren Fernsehen aus (Hahn 23.3.2011).

Für die wichtigsten europäischen Länder Deutschland, England, Frankreich, Spanien und Italien fallen die Rechte-Verhandlungen übrigens in den Zuständigkeitsbereich von Thomas Bach als IOC-Vizepräsident: Der Wirtschaftsanwalt wird diese wohl nicht ohne Honorar führen. Für die übrigen europäischen Länder hat das IOC die Rechte an die Agentur Sportfive abgetreten (Gehrmann 23.2.2010).

Interessant sind die Steigerungsraten der vom IOC erzielten gesamten Fernsehlizenzen bei den Übertragungsrechten der Olympischen Spiele:

Sommerspiele:
1960 Rom 1,2 Mill. $; Moskau 1980 88 Mill. $; Sydney 2000 1.331 Mill. $; Peking (Beijing) 2008 1.737 Mill. $

Winterspiele:
1960 Squaw Valley 50.000 $; 1980 Lake Placid 20,7 Mill. $; 1998 Nagano 513,5 Mill. $; 2010 Vancouver 1.127 Mill. $
Quelle: Weinreich 9.12.2008

Anfang Juni 2011 unterzeichnete NBC endlich den Vertrag für die USA-Rechte: 4,4 Milliarden US-Dollar für vier Olympische Spiele 2014 bis 2020: 775 Mill. $ für Sotschi 2014, 1226 Mill. $ für Rio 2016, 963 Mill. $ für 2018 (derzeit unbekannt) und 1418 Millionen $ für 2020 (derzeit unbekannt) (Weinreich 8.6.2011). Der Vertrag garantiert außerdem die direkte Übertragung sämtlicher Wettbewerbe (Ackermann 9.6.2011).

Der schweizerische TV-Sportchef Urs Leutert von der SRG äußerte zur neu organisierten Rechtevergabe in der Neuen Züricher Zeitung Anfang Juni 2011:
„Das Internationale Olympische Komitee hat nach über 50 Jahren Zusammenarbeit mit der EBU, dem Zusammenschluss der Service-Public-Sender in Europa, gebrochen und die Vermarktung der TV-Rechte einer Agentur übertragen. Diese ehrenwerten und integren Verkäufer kommen nun zur Türe rein und stellen als Erstes klar: «Sie wissen, wir sind keine Nonprofitorganisation.» Und dann reden wir aneinander vorbei: Wir reden von Sport, sie reden von Geld; wir reden von Fernsehen, sie reden von Geld; wir reden vom Olympiaprogramm, sie reden von Geld. Und sie bieten uns einzelne Sportarten und einzelne Pakete zum Beispiel für TV, Radio oder Internet an. Diese Aufsplittung der Sportarten und diese unersättliche Geldgier des IOK sind ein totaler Verrat an der olympischen Idee. Die vermeintlichen Treuhänder des Sports in Lausanne agieren heute wie Banker“ (Geisser, Germann 5.6.2011).

Ein internationaler Verhandler, der ungenannt bleiben wollte, äußerte: „Eigentlich sollte man das IOC auf den Rechten sitzen lassen und schauen, was passiert“ (Gehrmann 23.2.2010). ARD-Programmdirektor Volker Herres sagte Anfang 2009, die ARD wolle die TV-Rechte 2014 und 2016 „nicht um jeden Preis“ (spiegelonline 26.1.2009). Und im  Mai 2011 äußerte er: „Sollten wir die Rechte verlieren, werden wir unser Engagement zwischen den Spielen für jede Einzelsportart überprüfen“ (Winterfeldt, Jörg, Förderer verschwunden, in Berliner Zeitung 24.5.2011).
Man durft gespannt sein!

Anfang Juli 2011 wurde dann bekannt, dass ARD und ZDF zu einem bislang unbekannten Preis die Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele 2014 und 2016 erworben haben. Spekuliert wurde über 135 Millionen Euro – das wären bei Verhandlungen mit der vom IOC beauftragten Großagentur SportA 50 Millionen Euro mehr als für die Verträge mit der European Broadcasting Union für die Spiele 2010 und 2012. ZDF-Intendant Markus Schächter schwrmte, dass die Olympischen Spiele wie kein anderes Ereignis „den Breiten- und Spitzensport in seinem ganzen Umfang und in seiner Internationalität“ abbilden würde“ (SZ 5.7.2011).
Warum bitte den Breitensport?

Für den IOC-Verhandlungsführer Thomas Bach „wäre ein dreistelliger Millionen-Abschluss jedenfalls ein hübscher Erfolg. Der umtriebige Wirtschaftsanwalt …. gilt auch als Kandidat für die IOC-Präsidentschaft. Vielleicht hat der Zuschlag von ARD und ZDF ihm dabei geholfen“ (www.mediencity.de 5.7.2011).

7 Noch mehr Fernsehgebühren für den Spitzensport
ARD und ZDF möchten noch mehr Geld, nämlich 1,47 Milliarden Euro zusätzlich für die Gebührenperiode 2013 bis 2016. 2011 kassiert die ARD 5,52 Milliarden Euro und hat zwischen 2013 und 2016 einen Mehrbedarf von 900 Millionen Euro angemeldet; das ZDF erhält 2011 1,82 Milliarden Euro und möchte 429 Millionen Euro mehr in der Periode 2013 bis 2016 (spiegelonline 22.9.2011; bild.de 22.9.2011). Damit müsste jeder Haushalt statt 17,98 Euro monatlich entrichten. Zum Vergleich nennt bild.de die Kosten in Großbritannien mit 12,98 Euro, Frankreich mit 9,66 Euro und Italien mit 9,08 Euro.

spiegelonline listete die Kosten für einige Sport-Großereignisse auf: So entrichten ARD und ZDF
– für die Übertragung der Fußball-WM 2014 in Brasilien 210 Millionen Euro plus 30 Millionen Euro Produktionskosten
– für die Fußball-WM 2016 in Frankreich 160 Millionen Euro plus 20,5 Millionen Euro Produktionskosten
– für die Übertragungsrechte an den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro 80 Millionen Euro (das wird nicht reichen; W.Z.).
“Insgesamt belaufen sich die anvisierten Ausgaben für die Rechte an Sportgroßveranstaltungen also auf eine halbe Milliarde Euro” (spiegelonline 22.9.2011).
Wenn die Millionenzuwendungen aus den deutschen Bundes- und Länderministerien nicht schnell genug erhöht werden, langen die Sportverbände eben bei den Öffentlich-Rechtlichen Fernsehanstalten hin.

Mitte Dezember 2011 gab der WDR folgende Fehlbeträge in den Haushaltsplänen bekannt: Für 2010 waren dies 19 Millionen Euro, 2011 ergaben sich 32 Millionen Euro, 2012 werden es 54 Millionen Euro sein, und Ende 2015 wird mit einem Fehlbetrag von 152 Millionen Euro gerechnet. „Als Begründung werden einmalig anfallende Übertragungs- und Rechtekosten für die Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine und für die Olympischen Sommerspiele in London angegeben“ (SZ 17.12.2011).
Und 2014 kommt die Fußball-WM in Brasilien und die Olympischen Winterspiele in Sotschi, und 2016 die Olympischen Sommerspiele in Rio…

8 Biathlon wird noch teurer
Der Staat finanziert die Biathlonanlagen – wie bei der WM in Ruhpolding mit 16,4 Millionen Euro. Und die Biathlon-Sportverbände ziehen mit dem Gewinnen ab. Die International Biathlon Union (IBU) hatte 1993 noch einen Etat von umgerechnet 400.000 Euro: 2012 verfügte sie über 12 bis 15 Millionen Euro (Rehm 2.4.2012). Das Geld kommt auch über die Fernsehrechte herein, und hier zahlen wieder vor allem die Öffentlich-Rechtlichen Sender. Deren Zusammenschluss, die European Broadcasting Union (EBU), überweist jährlich etwa zwölf Millionen Euro an die IBU.
Die Verträge laufen nach der Saison 2013/2014 aus. Eine Reihe von Sportmarketinghändlern würde sich gern zwischen Sportverband und Sender drängen und verdienen, u. a. der Sportrechtehänder Infront. Dessen CEO und Präsident ist Philippe Blatter, ein Neffe des Fifa-Präsidenten Sepp Blatter. Die Fifa hat mit Infront die Fußnall-WM in Südafrika vermarktet und zoig mit rund vier Milliarden US-Dollar Profit ab, während Südafrika auf Kosten von vier Milliarden US-Dollar sitzen blieb.

9 Die Fußball-Preise 2013-2017
Am 2.4.201  lief die Angebotsfrist der Deutschen Fußball Liga (DFL) für die Fernsehrechte der Bundesliga für den Zeitraum 2013 bis 2017 aus. Schon die DFL-Ausschreibungsunterlagen für die Teilnahme kosteten 20.000 Euro. 15 Unternehmen forderten sie an: Auch das brachte schon 300.000 Euro (Keil 3.4.2012).
Es sollten mehr als die 1,644 Milliarden Euro erlöst werden, die der Zeitraum 2009 bis 2013 erbrachte.

Der Bezahlsender Sky wollte für die Bundesliga-Übertragungen aller Spiele 360 Millionen Euro jährlich hinblättern.
Die Deutsche Fußball-Liga gab am 17.4.2012 bekannt, dass die durchschnittlichen Fernseheinnahmen von 412 auf 628 Millionen Euro pro Saison steigen. Der Gesamterlös für die vier Spielzeiten liegt bei rund 2,5 Milliarden Euro. Der Pay-TV-Sender Sky von Rupert Murdoch bezahlt allein 485,7 Millionen Euro pro Saison für das Recht zur Live-Übertragung aller Bundesliga-Spiele. Die Deutsche Telekom – immer noch zuetwa einem Drittel in staatlicher Hand -, hatte mitgeboten und so das Sky-Angebot in die Höhe getrieben (Sky bekommt Zuschlag für Bundesliga-Rechte, in spiegelonline 17.4.2012). Die Kosten der TV-Rechte für die ARD liegen bei etwa 105 Millionen Euro, für das ZDF bei 25 Millionen Euro (Keil 21.4.2012).

Derweil plante der WDR ein Radioprogramm vom 18.5. bis 8.7. zur Fußball-WM 2012 mit dem Titel: „Event. Das ARD Sportradio zur Uefa Euro 2012“. Der Wahnwitz: 18 Stunden soll täglich live im Digitalradio DAB plus moderiert werden. Die SZ schrieb zu „Event“, es sei „ein zumindest erstaunlicher Vorgang in einer Zeit, in  der vom strukturell aufgeblähten öffentlich-rechtlichen Rundfunkt zu Recht Rückbau statt Ausbau verlangt wird“ (Hoff, Tieschky 12.4.2012).
Was passiert dagegen: Der Sportevent wird mit 18 Stunden täglich aufgebläht – und der Gebührenzahler finanziert es. Vermutlich wird dafür bei der Kultur eingespart.
Nach heftigem Rumoren in der Presse stoppte der WDR am 13.4.2012 den „Test des digitalen ARD-Sportradios“ (Nun beendet, in SZ 14.4.2012). Allerdings soll „Event. Das ARD Sportradio zur UEFA Euro 2012“ trotzdem durchgezogen werden – nur nicht digital (Hoff, Hans, Ein bisschen Rückzug, in SZ 16.4.2012).

10 Fazit
Die Übernahme der Politik und der öffentlich-rechtlichen Sender durch die Sportfunktionäre und Sportverbände des Spitzensports geht weiter. Das Geschäftsmodell wird ständig ausgedehnt. So beschwerte sich die Skirennläufern Maria Höfl-Riesch: „Ich kann nicht nachvollziehen, warum beispielsweise das ZDF so wenig Rennen überträgt… Skirennen sind nun mal die Formel 1 des Winters. Aber das Argument ist: Sonntagmorgen vor den Rennen kommt im ZDF Gottesdienst und danach erst Wintersport“ (Bunte 24.11.2011).
Die Politik spielt mit. Steuerzahler und Gebührenzahler der öffentlich-rechtlichen Fernsendeanstalten bezahlen letztlich die (hohe) Rechnung. Und durch die Neuordnung der Rundfunkgebühren ab 1.1.2012 bezahlen alle Haushalte für Rundfunk und Fernsehen, egal, ob sie ein Gerät haben oder nicht. Damit bezahlen sie auch die Sportevents mit. Das ist problematisch laut Christoph Degenhart: „Aber man kann nicht  von jemandem, der gar nicht fernsieht, verlangen, den Entertainment-Betrieb der Bundesliga mitzufinanzieren“ (Tieschky 27.8.2011).
Aber das wird genau so geschehen. Die Sport-Event-Fun-Fraktion gewinnt täglich.

Nachtrag 1: Sport-Wachstum
Nicht nur finanziell ist der Preis hoch: Unzählige Male wird das immer gleiche Ereignis der Olympic Broadcasting Services bei den Olympischen spielen 2012 in London von ARD und ZDF wiederholt. Wer zählt mit, wie oft der Judoka Andreas Tölzer bei seinem Sieg um die Bronzemedaille gezeigt wurde. Dazu kommt noch die ARDZDF-Mediathek – mit bis zu 60 Stunden olympischer Übertragung pro Tag (Pollmer 3.8.2012).
Volksempfänger ARDZDF…
Und der ARDZDF-Sportmarathon wird noch länger. 2016 lässt die Uefa 24 Teilnehmer die Fußball-Europameisterschaft austragen – mit dann 51 statt 31 Spielen Die ARD jubelt: Es würde zwar insgesamt teurer, aber der Preis pro Spiel sei niedriger (Der Spiegel 31/30.7.2012).
Milchbubenrechnungen…
Der Journalist Juan Moreno berichtete im Juli 2012 aus seinem Krisen-Vaterland Spanien: „Wer hier längere Zeit Nachrichten schaut, versteht, warum mittlerweile die Hälfte der Sendezeit auf Sport verwandt wird. Man würde andernfalls verrückt werden. Es  dreht sich alles um die Krise” (Moreno, Juan, Mein fremdes Land, in Der Spiegel 31/30.7.2012).
Sind wir auch schon so am Ende, dass ARD und ZDF uns gezielt mit Olympischen Spielen verdummen müssen? Mit der Hälfte der Sendezeit Sport wird man übrigens  auch verrückt

Nach dem Dopingskandal um den Radrennfahrer Lance Armstrong kommentierte Hajo Seppelt vom WDR in den Tagesthemen am 22.10.2012 selbstkritisch:
“Die Tour de France ist eines der größten Sportereignisse der Welt. Viele Jahre haben wir vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen etliche Millionen Ihrer Gebührengelder in dieses dreiwöchige Spektakel investiert, die schier übermenschlichen Leistungen bewundert, die Fahrer oft mit naiver Freude verehrt. Viele andere Medien machten das kaum anders.
Aber was haben wir Ihnen da eigentlich geboten? Den größten Sportbetrug aller Zeiten, stundenlang und live. Das gibt jetzt der Weltradsportverband offen zu. Ihre Gebührengelder, auch wenn es natürlich keiner so beabsichtigt hatte, sind letztlich indirekt in ein kriminelles System von Doping und Korruption geflossen, denn die immensen TV-Gelder und die lange Sponsorenpräsenz auf dem Bildschirm sicherten der verlogenen Branche hohen Profit.
Jetzt aber wird mal wieder suggieriert, es sei nur der ruchlose Einzeltäter gewesen, also der Bösewicht Armstrong. Alles Quatsch. Doping ist ein Systemproblem des Spitzensports, beileibe nicht nur des Radsports…
Es ist die Lebenslüge des kommerzialisierten Sports, Ethos und Moral zu predigen und von einer Vorbildfunktion zu sprechen…”

Nachtrag 2: Millionen Staatsgelder für  FC Valencia
Der spanische Fußballklub FC Valencia ist so gut wie pleite und hat 450 Millionen Euro Gesamtschulden. Nun springt die Regionalregierung mit 81 Millionen Euro ein. „Spanien bekam für seinen Bankensektor schon 37 Milliarden Euro an europäischen Hilfsgeldern. Die Rettung eines Klubs, der in den vergangenen Jahren nur geprasst hat, dürfte kaum zu vermitteln sein. Ein Nebeneffekt des Vorgangs: Spanien diskutiert intensiv über die exorbitanten Gehälter von Spielern und auch Trainern im Zeitalter der Krise“ (Urban, Thomas, Pharaonengräber an der Costa Blanca, in SZ 24.1.2013).
Interessante Verteidigung dieser staatlichen Unterstützung im Sportsender TV Marca: Der deutsche Staat würde im Prinzip nichts anderes tun. Denn er „garantiere den deutschen Vereinen durch die öffentlich-rechtlichen Sender stabile Millioneneinnahmen. Und somit würden sie verdeckt ebenfalls durch den Staat subventioniert“ (Ebenda; Hervorhebung WZ).
Wie wahr!

Nachtrag 3:Teurer zweiter Platz von Lisicki
„ARD und ZDF wollen künftig wieder Livebilder vom Tennisturnier in Wimbledon zeigen. ‚Nach den Erfahrungen der letzten Tage werden wir uns ab Montag intensiv damit beschäftigen, sicheren Zugriff auf Wimbledon-Livebilder ab 2014 zu bekommen’, sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky der ‚Bild am Sonntag’, nachdem sich Sabine Lisicki bis ins Damen-Endspiel des bedeutsamsten Grand-Slam-Turniers gekämpft hatte. Demnach plane die ARD, gemeinsam mit dem ZDF und den dritten Programmen einzelne wichtige Spiele live zu übertragen. Das gesamte Turnier einschließlich Lisickis verlorenem Finale gegen Marion Bartoli am Samstag war nur beim Bezahlsender Sky zu sehen. Mit 590.000 Zuschauern schalteten so viele ein wie noch nie bei Tennisspielen auf Sky. Der Vertrag läuft nun aus, Sky will aber verlängern“ (ARD und ZDF wollen ab 2014 wieder Wimbledon zeigen, in handelsblatt.com 8.7.2013).
Das wird den deutschen Zwangsgebühhren-Zahlern teuer kommen.

Nachtrag 4: ARD und ZDF übertragen Lisicki nicht
Das Wimbledon-Finale der Frauen 2013 zwischen Sabine Lisicki und der Siegerin Marion Bartoli wurde von den Öffentlich-Rechtlichen Sportsendern ARD und ZDF nicht übertragen. Die Rechte lagen beim Bezahlsender Sky. Dazu stand in einem SZ-Artikel von Thomas Hahn und Claudia Tieschky:
“Gerade das Fernsehen hat sich den Sport längst als konsensfähige Unterhaltung zu eigen gemacht. Sport verspricht gute Quoten. Und die Quote lässt sich kaufen – als Rechtepaket von Vereinen und Verbänden. Das haben nicht nur die öffentlich-rechtlichen Sender erkannt, etwa das ZDF, das für geschätzt 50 Millionen Euro pro Jahr die Champions League erwarb. Auch der Verlag Axel Springer befeuert mit der Super-Unterhaltung Bundesliga sein kostenpflichtiges Internet-Modell und erwarb dafür die Rechte für Internet-Zusammenfassungen der Spiele – zum Preis von etwa 24 Millionen Euro für vier Jahre.
Die Wirklichkeit des Fernsehsports ist gekauft.Es findet statt, wofür die einzelnen Sender die Rechte haben und was deren Budget hergibt. Auch unter dem besonderen Rundfunk-Status ist der Sport rund um börsennotierte Vereine, Rennställe, Vermarkter und Sponsoren zu einem ganz besonderen Business gewachsen – zu einem Geschäftsmodell, von dem viele profitieren, nur nicht unbedingt die Zuschauer. Manchmal, wie im Fall Lisicki, fällt das besonders auf. Dann regen sich die Leute auf, weil die Rechte an der Wirklichkeit eben beim Bezahlfernsehen liegen und die Übertragung nicht frei zu empfangen ist. (…)
Wirtschaftlich ist das legitim. Für den Rundfunk aber, zumal für den öffentlich-rechtlichen, ist es ein Problem. Und das Problem hat nicht allein damit zu tun, dass inzwischen bei ARD und ZDF der Sport das ‘mit Abstand kostenintensivste Ressort‘ ist – vor Kultur, Film, Kinder und Jugend, wie der Bericht der KEF es kritisch ausweist, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten.
ARD und ZDF haben angekündigt, 2014 die Wimbledon-Übertragung wieder sichern zu wollen. Blöd nur, dass dann auch Fußball-WM ist. Kein noch so rasender Reporter kann das bewältigen. Aber es sind die Gesetze des Marktes und der Quote, die den Rundfunk hetzen” (Hahn, Thomas, Tieschky, Claudia, Die gekaufte Wirklichkeit, in SZ 9.7.2013; Hervorhebung WZ).

Nachtrag 5: Spanien, Frankreich, Deutschland, Großbritannien
Real und Barca (…) erhalten allein aus demFernsehtopf je 160 Millionen Euro. Das entspricht 50 Prozent. (…) In der französischen Ligue 1 konnte der exorbitante Fernsehvertrag (gegen 600 Millionen) nur dank dem katarischen Nachrichtensender al-Jazira gehalten werden. (…) Bleiben die einträglichen Vorzeige-Ligen aus dem Norden, die Bundesliga und die Premier League. Das Fernsehgeld der Bundesliga ist auf diese Saison hin mit einem Schlag um 50 Prozent auf über 500 Millionen Euro gestiegen. Doch den TV-Jackpot knackt einmal mehr die Premier League. Sie setzt im TV-Geschäft nicht Millionen, sondern Milliarden um. Dank den neuen Verträgen gibt’s in England bis 2016 pro Jahr mehr als 2 Milliarden Euro zu verteilen. Das hat zur Folge, dass dem Tabellenletzten und Absteiger der Premier League 75 Millionen pro Jahr sicher sind. Das sind ungefähr 10 Millionen mehr, als die beiden Topteams der Bundesliga erhalten“ (Birrer, Peter B., Spiel mit wenig Grenzen in nzz.ch 3.9.2013.

Nachtrag 6: „Transparenz-Offensive“ und anderes
Im Oktober 2013 startete die ARD eine Transparenz-Offensive und schlüsselte auf, wie der neue Einheits-Gebührensatz verwendet wird. Davon gehen 72 Cent für Sportübertragungen drauf – 361 Millionen Euro im Jahr. 2012 lag der Anteil der Sportberichterstattung bei rund 8 Prozent, 20 Prozent der Zuschauerzeit entfiel auf den Sport. Der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor: „Weil das Interesse so hoch ist, sind auch die Rechte für Sportereignisse teuer“ (Schenz, Viola, Sportgrößen, in SZ 25.10.2013).
Das ist nur eine Halbwahrheit: Weil die ARD mit Sport ihre Zuschauerquoten erhöhen kann, wird viel dafür bezahlt.
Im Rahmen dieser „Transparenzoffensive“ bezifferte die ARD, dass 2012 bei 444 Stunden Gesamtübertragungszeit für alle Sportarten der Fußball 97 Stunden übertragen wurde – knapp 20 Prozent (Sport in der ARD, in www.ard.de 23.10.2013). „In dieser Statistik fehlt dann allerdings Fußballberichterstattung, die nicht live ist. Etwa Dutzende Stunden der nicht ganz billigen ‚Sportschau‘. Was die ARD erst auf Nachfrage verrät: Wird die Sendung einberechnet, klettert der Anteil für 2012 auf 27 Prozent“ (Mehr Fußball, in Der Spiegel 48/25.11.2013).
Der Anteil der Live-Berichterstattung stieg von 33 Prozent im Jahr 2002 auf 58,3 Prozent im Jahr 2012 (Huber, Joachim, Das Tor ist gefallen, in tagesspiegel.de 20.10.2013).
Das ZDF erwarb 2011 die Rechte an der Champions League von der Uefa für drei Spielzeiten für geschätzte 150 Millionen Euro. Nun will dass ZDF für die Zeit ab 2015 wieder für die Champions League mitbieten (ZDF bietet bei der Uefa, in SZ 30.10.2013). Dafür übertrug zum Beispiel die ARD im Rahmen der „Fußball-Klub-WM“ am 17.12.2013 das Spiel FC Bayern gegen den chinesischen Meister Guangzhou Evergrande aus Agadir – 150 Minuten lang.Und das Endspiel dieser neuen Fifa-WM (FC Bayern gegen Raja Casablanca) aus Marrakesch zur besten Sendezeit am Samstag, den 21.12.2013 von 20.15 bis 23 Uhr.

An dieser Stelle ein Aufruf an die kritischen Journalisten:
Da sitzt seit Jahren eine immer gleiche Besetzung von ARD- und ZDF-Leuten zusammen mit einer immer gleichen Besetzung von Abgesandten des IOC, der Fifa und der Uefa, der Sportverbände. Und die Abgesandten der Öffentlich-Rechtlichen Sportsender schieben in aller Ruhe immer höhere Millionenbeträge der anderen Seite zu: im Jahr 2013 allein die ARD stattliche 361 Millionen Euro aus den Geldern der Zwangsverpflichteten. Könnte denn einmal jemand die (vermutlich relativ überschaubaren) Personenkreise namhaft machen und die Hintergründe dieses Geschäfts im Dunkeln aufdecken?!

Nachtrag 7: Im Vorfeld von Sotschi
In der Münchner tz äußerten sich die Sportexperten von ARD und ZDF zu den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi 2014: 240 Stunden ist die Sendezeit!
Rudi Cerne: „Aber ich freu mich auf die Spiele, weil ich weiß, was es für Sportlerinnen und Sportler bedeutet, an Olympischen Spielen teilzunehmen. Da gibt’s nix drüber.“
Kati Wilhelm (Expertin): „Es ist wichtig, sich eine Meinung zur politischen Lage zu bilden, aber in erster Linie bin ich dort, um den Sport zu bewerten.“
Markus Wasmeier (Experte): „Was die politische Situation angeht: Auch in Peking wurden viele Menschen enteignet. Das ist nicht schön, aber so ist es., Während der Spiele wird man davon aber nichts merken.“
Michael Antwerpes: „Aber die Erfahrung zeigt: Sobald die Spiele laufen und die ersten Medaillen vergeben sind, rückt der Sport in den Fokus.“
Dieter Thoma (Experte): „Als Sportler muss jeder für sich entscheiden, wie nah er das an sich heranlässt. Als Athlet ist der Olympiasieg das höchste Ziel, und ich denke, dass sich die meisten darauf konzentrieren werden.“
Peter Schlickenrieder (Experte): „Natürlich sind die Voraussetzungen in Sotschi andere, da dort vorher nicht viel existierte. Aber die Menschen sind sehr gastfreundlich, und die Qualität der Sportstätten wird top sein.“
Marco Büchel: „Wenn wir dort ankommen, werde ich mir sicher meine Gedanken zur Situation machen, sie aber für mich behalten. Mein Job dort ist, den Sport zu bewerten, das steht für mich im Vordergrund.“
(Alle Zitate: Kistner, A., Müller, M., Mit gemischten Gefühlen zu Putins Spielen, in tz 11.12.2013).
Dass ist ein Vorgeschmack auf die 240 Stunden Übertragung in den öffentlich-rechtlichen Sportsendern. Die Kritik erfolgt im Vorfeld, und mit zunehmender Nähe zur Eröffnungsfeier hebt der Jubel an.

.Nachtrag 8: ARD und ZDF mit Rekordübertragung aus Sotschi
„ARD und ZDF übertragen fast 740 Stunden aus Russland. 240 Stunden zeigen die beiden öffentlich-rechtlichen Sender im klassischen Fernsehen. Zusätzlich werden im Internet vier Livestreams angeboten. Das Online-Angebot umfasst 500 Stunden. (…) ‚Das ist ein Sportereignis, wir wollen den Zuschauern Freude machen‘, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey(ARD und ZDF zeigen so viel Olympia wie nie, in handelsblatt.com 10.12.2013). Der ARD-Programmdirektor Volker Herres wollte da nicht nachstehen: „Wir wollen nicht die Freude am Sport vergällen. Im Zentrum steht der Sport und die Freude am Wettbewerb“ (Ebenda).
So wird dann auch die Berichterstattung ausfallen. Ein bisschen Kritisches nur im Vorfeld. Und während der Olympischen Winterspiele kritiklos Jubel, Freude, Nationales. Brot und Spiele eben…

Nachtrag 9: Geheimnisträger ARD und ZDF
Interview in der SZ mit Prof. Paul Kirchhof, der Gutachter für ARD, ZDF und Deutschlandradio war. Frage von Claudia Tieschky: „Sie selbst haben mehr Transparenz verlangt, weil der Rundfunk jetzt von allen finanziert wird. Sind die Anstalten schon offen genug? Das ZDF hat zum Beispiel nie publiziert, was es für die Champions League bezahlt hat.“ Antwort Kirchhof: „Ich meine, es wäre eine Frage der öffentlichen Aufklärung, diese Summe zu nennen. Es handelt sich um öffentlich-rechtliche, zwangsweise erhobene Gelder, und darüber muss lückenlos Rechenschaft abgelegt werden. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, dass der Beitragszahler voll über die Verwendung der von ihm aufgebrachten Mittel aufgeklärt wird“ (Aufruf zum Verzicht, in SZ 8.1.2014).

Nachtrag 10:“Öffentlich-rechtliche Olympiahygiene“
Sonannte Jan Freitag seinen Kommentar, warum gute kritische Filme über Putins Sotschi 2014 nur auf späten Sendeplätzen liefen. „Aber es gibt dieses gute, öffentlich-rechtliche Fernsehen für alle. Man muss nur ein bisschen suchen. An einem Montag kurz vor Mitternacht zum Beispiel. Da lief gestern Steffi Wursters exzellente Langzeitbeobachtung Brot und Spiele, die Ursachen und Wirkung der 22. Winterolympiade in Sotschi so schmerzhaft seziert, dass unmissverständlich wird, was da am 7. Februar im russischen Sotschi beginnt: Putins Spiele. So hieß denn auch eine vorangehende Reportage, in der sich die ARD-Korrespondenten Golineh Atai und Udo Lielischkies – nach 23 Uhr – auf die Reise durch ein Land auf dem Weg Richtung Diktatur begeben. So heißt heute zudem ein weiterer Dokumentarfilm zum Thema, in dem der russisch-israelische Sachfilmer Alexander Gentelev, wie es so schön heißt, hinter die Kulissen blickt.  In allen drei Filmen geht es also um Olympia. Genauer: um Russland. Noch genauer: um Sotschi. Oder um ganz genau zu sein: ums wintersportliche Größtereignis einer Nation, die am Beispiel der subtropischen Sommerdestination Sotschi fast idealtypisch durchdekliniert, wie Politik in Despotien funktioniert. Das alles ist nicht nur bestens recherchiert, kreativ konstruiert, beispielhaft erzählt. Es ist auch löblich, im Entertainmenteinerlei des dualen Konkurrenzsystems überhaupt noch Sendeplätze für so viel Sachlichkeit ohne Glamour vorzuhalten. Allein: Es sind die falschen. (…) Die Ski-, Eis- und Rodelnachrichtenlage dominiert selbst den Umfang von Tagesschau und heute, deren Sendezeit bisweilen sogar gekürzt wird, weil Biathlon, Halfpipe, selbst Curling nun relevanter erscheinen als das politische Weltgeschehen“ (Freitag, Jan, Öffentlich-rechtliche Olympiahygiene, in zeitonline 28.1.2014).

Nachtrag 11: Aufwand Sotschi 2014
450 Mitarbeiter hatten ARD und ZDF vor Ort. Angeblich kosteten die Übertragungsrechte 110 Millionen Euro. Einer Studie von Media Strategic Insight zufolge erreichen die Öffentlich-Rechtlichen mit der massiven Sportübertragung (240 Stunden TV, 500 Stunden Internet) nur ihr Stammpublikum über 50. „ARD und ZDF dürfte diese Studie wenig erfreuen, besagt sie doch, dass die beiden Sender mit ihrer Olympiaberichterstattung weder ein neues Publikum erschließen noch viele junge Zuschauer anlocken können“ (Kohlmaier, Matthias, Eiskunstlauf schlägt FC Bayern, in sueddeutsche.de).

Nachtrag 12: ARD und ZDF im Jahr 2013
Ich habe von Januar 2013 bis April 2014 die Sportsendungen der Öffentlich-Rechtlichen Anstalten ARD und ZDF aufgelistet.
Ergebnis der Sportsendungen von ARD und ZDF für Januar bis Dezember 2013:

Januar 2013: 7245 min = 120 h 45 min; Februar 2013: 7990 min = 133 h 18 min; März 2013: 2370 min = 39 h 30 min; April 2013: 2670 min = 44h 30 min; Mai 2013: 2370 min = 39h 30 min; Juni 2013: 3497 min = 58 h 17  min; Juli 2013: 2630 min = 43 h 50 min; August 2013: 5328 min = 88 h 48 min; September 2013: 3581 min = 59 h 41 min; Oktober 2013: 2495 min = 41 h 35 min; November 2013: 3445 min = 57 h 25 min
; ezember 2013: 6860 min = 114 h 20 min
Gesamtergebnis der Sportsendungen in ARD und ZDF für 2013:
50.481 min = 841 h 21 min. Das bedeutet:
Das bedeutet: ARD und ZDF haben 2013 über 35 komplette Tage durchgehend Sport übertragen – das sind fast zehn Prozent des Gesamtjahr.
Vergleiche hierzu auch: Die öffentlich-rechtlichen Sport-Sender

Nachtrag 14: Zwangsabgabe für ARD und ZDF
Dank des famosen Hilfsgutachtens des Jura-Professors Paul Kirchhoff dürfen nun auch Haushalte ohne Fernseher die TV-Sport-Sause mitbezahlen. Das muss man sich vermutlich so vorstellen: In klandestinen, mondänen Büroräumen treiben auf der einen Seite die Sportfunktionäre die Preise für die Übertragungsrechte hoch, und auf der anderen Seite akzeptieren die Vertreter von ARD und ZDF nach kurzen Verhandlungen die Aufschläge. Und alle vier Jahre wird über die Fußball-WM und die olympischen Spiele verhandelt – stets in tiefem Einvernehmen. Man kennt sich schließlich schon lange, manchmal seit Jahrzehnten.
Die ARD-ZDF-Vertreter geben ja nur die dreistelligen Millionenbeträge aus den Gebühren der Zwangs-Mitgliedszahler aus. Und ohne TV-Übertragung keine Sponsoren, ohne Sponsoren keine Sponsorenmillionen für BROT UND SPIELE von Fifa, Uefa, IOC und den Internationalen Sportverbänden. Und Je mehr Geld in den Sportsektor gepumpt wird, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit von Dopingsport, Korruptionssport, Sportbetrug.

Nachtrag 15: ARD/ZDF schon in Katar dabei!
Großartig! Noch ist die dubiose Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar gar nicht aufgeklärt, obwohl immer mehr schmutzige Details bekannt werden: Schon legen sich ARD und ZDF mit der fifa in Katar ins Bett: „Kurz vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien haben sich ARD und ZDF die deutschen Übertragungsrechte für das WM-Turnier 2022 gesichert. Der Weltverband Fifa habe die Rechte an die beiden öffentlich-rechtlichen Sender vergeben, teilten NDR und ZDF am Montag mit. Nach dem derzeitigen Stand findet die WM in acht Jahren in Katar statt, die Vergabe ist aber weiterhin umstritten. Der Abschluss mit der Fifa steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung der zuständigen Sendergremien“ (DPA, WM 2022 bei ARD/ZDF, in SZ 10.6.2014). Und natürlich ganz klar: „Über die Konditionen wurde Stillschweigen vereinbart“ (Ebenda).

Nachtrag 16: „Embedded Journalism“ bei WM 2014
„ARD und ZDF haben nämlich ganz gezielt und konsequent Distanz durch Nähe ersetzt und damit eine der journalistischen Grundregeln einfach aus dem Spiel genommen. Eine Art embedded journalism findet dort in Brasilien statt, wie es ihn in dieser Unverfrorenheit noch nicht gegeben hat“ (Wiegand, Ralf, Wir sind so frei, in SZ 26.6.2014).

Nachtrag 17: Brot und Spiele in Echtzeit
Der Host-Broadcaster der WM, HBS, „hat die Produktion der Fußball-Weltmeisterschaften über die Jahre immer weiter perfektioniert und liefert den Lizenznehmern, die beim Fußballverband Fifa die entsprechenden Rechte gekauft haben, Programm-Feeds und -Pakete auf höchstem Qualitätsniveau“ (Gebhard, Christine, Voigt-Müller, Gerd, Fußballfest im Zuckerhut-Land: So übertragen ARD und ZDF die WM 2014 aus Brasilien, in film-tv-video.de 24.6.2014). Bei ARD und ZDF sind alle 64 Spiele der WM zu sehen. Pro Spiel sind bis zu 34 Kameras im Einsatz, auch Spezialkameras: „Neben den klassischen Kameras, die fix auf den Rängen und am Spielfeldrand platziert sind oder mobil auf Steadicam-Systemen genutzt werden, kommen auch zahlreiche Spezialkameras zum Einsatz. So ist etwa jedes der zwölf Stadien mit einer an Seilen aufgehängten, beweglichen Spidercam und zwei Krankameras ausgerüstet. Weiter gibt es neben normalen Broadcast-Slomo-Kameras auch jeweils zwei Ultra-Motion-Kameras, die noch höhere Bildraten schaffen, sowie Torkameras, Tunnel-Cams, Beauty- und Player-Cams — und natürlich auch Hubschrauber-Kameras“ (Ebenda).
Ein Großteil des Equipments lieferten ARD und ZDF in 40 Containern von den olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi nach Brasilien. Im „International Broadcasting Center“ westlich von Rio belegten ARD und ZDF 2.250 Quadratmeter. „Die 64 Spiele der Weltmeisterschaft werden in 220 Länder weltweit übertragen, und der Host Broadcaster wird während der WM rund 5.000 Stunden an Material für die Broadcaster in aller Welt produzieren“ (Ebenda). 

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Meine Bitte an kritische Sport– und sonstige investigativen Journalisten:

Für die Zukunft eines besseren Sports und einer sinnvolleren Verwendung der öffentlich-rechtlichen Gebührenmillionen wäre es wichtig, diese fragwürdige Kooperation zwischen den Vertretern der gierigen Sportfunktionäre und den willfährigen Vertretern der Öffentlich-rechtlichen Sportsender aufzudecken. Vermutlich ist es ein kleiner Kreis immer gleicher Personen, die Jahr für Jahr die Preisspirale für die TV-Sportübertragungen in die Höhe treiben. Bitte aufdecken!

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Vergleiche auch: Host Broadcasting Services (HBS) und Sportjournalisten

Quellen:
Ackermann, Rod, NBC bleibt das Olympic Network, in nzzonline 9.6.2011
ARD und ZDF fordern 1,3 Milliarden mehr! in bild.de 22.9.2011
„Alles hängt vom Fernsehen ab“, in Der Spiegel 29/18.7.2011
ARD und ZDF übertragen Leichtathletik-WM 2011, dapd 1.4.2011
Blaschke, Ronny, Und nun zum Sport, in journalist 12/2011
Deutscher Bundestag, Antrag „Gesellschaftliche Bedeutung des Sports“, Drucksache 16/11217, 3.12.2008
„Ergänzungsbedarf“, in SZ 17.3.2011
Eine halbe Milliarde Euro für Sportrechte, in spiegelonline 22.9.2011
Geisser, Remo, Germann, Daniel, „Verrat an der olympischen Idee“, in nzzonline 5.6.2011
Geldner, Wilfried, Der Skiwinter bei ARD, ZDF und Eurosport, in weser-kurier.de 15.11.2011
Germann, Daniel, Ein olympischer Poker, in nzz.ch 23.2.2010
Gernandt, Michael, Warnsignal aus Doha, in SZ 15.4.2010
Haben ARD und ZDF wirklich 59 Prozent mehr für die Olympischen Spiele geboten? in www.mediencity.de 5.7.2011
Hahn, Jörg
– Protest gegen das mediale Abseits, in faz.net 22.2.2011
– Der Sport überschätzt sich bisweilen, in faz.net 23.3.2011
Hellmann, Frank, Rohlfing, Susanne, ARD muss am Sport sparen, in fr-online.de 25.2.2011
Hoff, Hans, Tieschky, Claudia, „Zu jeder Zeit Vorrang“, in SZ 12.4.2012
IOC-TV-Poker: Das Warten auf die Milliarden, in sueddeutsche.de 5.4.2011
Keil, Christopher
– Dringend überdacht, in sueddeutsche.de 27.8.2009
– Wir brauchen den Spitzenfußball, in sueddeutsche.de 3.1.2011
– Ein dynamischer Plan, in SZ 1.3.2011
– Im Namen des Volkes, in SZ 17.3.2011
– Wieder im Spiel, in SZ 6.4.2011
– Das Spiel der Stunde, in SZ 3.4.2012
– Knock Out, in SZ 21.4.2012
Kempe, Robert, Debatte um ungeklärte Live-Berichterstattung der Leichtathetik-WM, in dradio.de 23.3.2011
Kistner, Thomas, In der Abwärtsspirale, in SZ 22.2.2011
Klarheit bis Mai, in SZ 8.12.2010
Kreuzer, Heinz Peter, Poker um die Übertragungsrechte, in dradio.de 26.2.2011
Martens, René
-Vereinsmeierei, in Journalist 4/2011
-Mehr als für Vancouver und London“, in nzz.ch 23.2.2010
-Nicht verweigern, in SZ 25.2.2011
Müller, Martin U., Gebühren und Spiele, in Der Spiegel 31/30.7.2012
Olympisch, in SZ 5.7.2011
Pollmer, Cornelius, Wenn Poschmann verstummt, in SZ 3.8.2012
Rehm, Holger, Der Kampf um die Biathlon-Rechte, in spiegelonline 2.4.2012
Rundfunkgebühr: BR will Härtefälle prüfen, in SZ 21.1.2013
Schmitt, Peter, TV-Rechte – Gesamtauftrag Sport für ARD/ZDF, in www.leichtathletik.de 15.3.2010
Serrao, Marc Felix, „Gut bedient“, in SZ 15.1.2011
Siebenhaar, Hans-Peter
-ARD und ZDF greifen nach Olympia,

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