Kurzfassung „München 2022“
Zweiter Versuch: München 2022? Nein danke!
Ablehnung der Bewerbung um Olympische Winterspiele „München 2022“
Nolympia.de – 16.10.2013
Die Gründe, die gegen eine Bewerbung „München 2022“ sprechen, unterscheiden sich kaum von jenen 2018 und nicht von jenen, die die Bevölkerung des Schweizer Kantons Graubünden dazu bewogen hat, sich in einem Volksentscheid gegen die Olympischen Winterspiele 2022 auszusprechen: die Dimension der Spiele und der Ausgaben, die finanziellen Verpflichtungen, die dafür eingegangen werden müssen, die Defizitgarantie (das IOC ist immer der Gewinner), der intransparente „Host-City-Vertrag“ und die ökologischen und sozialen Schäden für den kurzen Olympischen Event. Die USA und die Schweiz mit Graubünden sind als Bewerber ausgestiegen. Oslo hat sich am 9.9.2013 für “Oslo 2022″ entschieden. Und der DOSB hat sich für die Bewerbung “München 2022″ ausgesprochen.
Jetzt kommt es am 10. November zu Bürgerentscheiden in München, Garmisch-Partenkirchen und den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land.
Die Größe: Anlässlich der Bewerbung 2018 äußerte DSV- Präsident Alfons Hörmann: „Olympische Winterspiele sind nicht mehr nur der beschauliche Wettkampf in der Natur, sie sind ein Milliarden-Unternehmen“ (bsv-ski.de 10.8.2007). Das IOC hat seit den 1980-iger Jahren einen Weg der vollständigen Kommerzialisierung und einer ständigen Vergrößerung der Spiele eingeschlagen. Die Olympischen Winterspiele “Sotschi 2014″ haben bereits 98 Wettbewerbe – 12 mehr als Vancouver. Die neuen Wettbewerbe sind erst nach Unterzeichnung des Host City Vertrages dazu gekommen. Wieviele Wettbewerbe werden es 2022 sein? Bisher plant man für 100 Wettkämpfe in 13 Sportstätten.
Der Host-City-Vertrag: Die Grundlage der Spiele ist der Host City Vertrag des IOC, den die Ausrichterorte beim Zuschlag ohne Änderung akzeptieren müssen. “Kleinere Spiele”, auch wenn immer wieder angemahnt und angekündigt, haben da keine Chance. Bereits im Zuge der Bewerbung muss die unveränderte Unterzeichnung dieses Vertrags im Falle des Zuschlags garantiert werden. Im Host City Vertrag werden Rechte und Pflichte so einseitig zu Lasten der Austragungsorte verteilt, dass mehrere juristische Gutachten ihn als “sittenwidrigen Knebelvertrag” bezeichnet haben. Er versagt den Gemeinden jegliche Selbstbestimmung. So kann das IOC einseitig bis zuletzt Richtlinien und Wettbewerbe verändern und sogar die Spiele entziehen. Die Haftung aber für Konsequenzen aus Abweichungen im Vertrag liegt bei den Ausrichtergemeinden, auch wenn es den Hoheitsbereich der Gemeinden garnicht betreffen sollte.
Das IOC verlangt neben den genannten Vorgaben u.a.:
- Steuerfreiheit für alle Geschäfte im Zusammenhang mit den Spielen.
- Verzicht auf Einrede und Widerspruch gegen den Vertrag.
- Für die „Olympische Familie“ müssen eigene Fahrspuren zu allen Wettkampfstätten ausgewiesen und reserviert werden (Olympic Lanes).
- Im Umfeld der olympischen Wettkampstätten und auf den Zufahrten und Zugängen ist ausschließlich Werbung und Verkauf für und von Produkten der Hauptsponsoren erlaubt. Zu den Hauptsponsoren des IOC gehören McDonald’s und Coca-Cola sowie Dow Chemical.
Gewinn und Verlust: Das IOC regelt die Teilung der Einnahmen aus den Spielen. Das IOC macht damit immer Gewinn. Defizite müssen von den Veranstaltern getragen werden. Die Erfüllung der Olympischen Anforderungen treibt die Bewerber unweigerlich in eine hohe Verschuldung.
Wo bleibt die Demokratie? Der Stadrat in München hat entschieden, dass der Flyer „München 2022“ nur eine AUSFÜHRLICHE Begründung der Pro-Seite enthält. Es gibt KEINE Begründung der Contra-Seite. Die Grünen stellten im Stadtrat den Antrag, auch den Bewerbungsgegnern zu ermöglichen, ihre Sichtweise in den Unterlagen des Bürgerentscheids darzustellen: Dies wurde abgelehnt. Und ab 1.10. geht die Materialschlacht in die letzte Runde – bis zum 10.11.2013. Stadtverwaltungen, Landratsämter und der Staatsapparat werden mobilisieren und ungezählte Beamte eingesetzt. Der Pro-Flyer wird mit dem Stimmzettel in hunderttausender Auflage verteilt.
Wer zahlt: Für den Wahlkampf zum Bürgerentscheid stehen für die Pro-Kampagne München 2022 ca. 3 Millionen Euro zur Verfügung. 1,5 Millionen Euro kommen allein von der sogenannten „Tourismus Initiative München“, einem Zusammenschluss von Geschäftsleuten, Brauereien, BMW-Welt etc. und ca. 1,5 Millionen Euro kommen von der Stadt München, also vom Steuerzahler. Dazu gibt es die „ideele“ Unterstützung vom Staat, vom Bundesland Bayern, von den Landkreis- und Stadtverwaltungen.
Kommt es zur Bewerbung „München 2022“, sind dafür weitere 29 Millionen Euro angesetzt: zum größten Teil – direkt oder indirekt – aus Steuergeldern. Und die Millionenrechnung wird zur Milliardenrechnung, falls ein Zuschlag für 2022 käme.
Die sozialen Folgen: Steigende Lebenshaltungskosten und steigende Mietkosten gehören zu den Folgen und belasten vor allem schwächere, ärmere und jüngere Mitbürger. Gerade in den Orten mit den meisten Veranstaltungen, München und Garmisch-Partenkirchen, sind die Mieten schon heute nahezu unerschwinglich und werden bereits durch eine Bewerbung für die Spiele weiter angeheizt. Und es stellt sich die Frage: Wofür ist öffentliches Geld da – und wofür nicht.
Ein Zuschlag für “München 2022″ würde auch immense Folgen für Natur und Landschaft haben:
Betroffen ist München – 2000 Bäume im offenen Park des Bundeswehrgeländes neben dem Olympiapark sollen für das neue Olympische Dorf gefällt werden.
Betroffen sind die Voralpen- und Alpengemeinden Garmisch-Partenkirchen, Ruhpolding, Inzell und Königssee (s. „Bewertung“).
Olympischen Winterspiele in NEUN Jahren? In der „Konzeptstudie München 2022“ steht nur, die Skiabfahrten in Garmisch-Partenkirchen genügten den heutigen Ansprüchen. Wie sieht das aber für 2022 aus? Kein Wort über den Klimawandel und darüber, wie man in NEUN Jahren noch Schneesicherheit garantieren will: Wie viel Energie, wie viel chemische Zusatzstoffe, wie viel Wasser und wie viel Pistenumbauten wird das kosten? Sportstätten müssen erweitert oder neugebaut werden, die Natur wird für Loipen und Ski-Abfahrten, für Beschneiung und Speicherbecken her- und hingerichtet werden, tausende Athleten, Begleiter, Medienvertreter und Sicherheitspersonal brauchen ihre Wohn- und Wirkungsstätten, zig-tausende Besucher brauchen Straßen und Parkplätze. Was bliebe übrig von „München 2022“? Schulden und “White Elephants”. Das ist Terminus Technicus für Anlagen und Infrastrukturen, die nach den Spielen sinnlos geworden: zu groß, zu teuer, überflüssig – und zu viel Landschaft verbraucht.
Zur Erinnerung: Bereits im Juli 2010 hatte Oberammergau wegen des drohenden Landschaftsverbrauchs im Vorfeld von “München 2018″ die Reißleine gezogen und wurde aufgrund des “massiven Widerstandes” aus den Planungen genommen. 2011 hatte der Anwalt von 60 Grundeigentümern aus Garmisch-Partenkirchen der Evaluierungs-Kommision des IOC ein Schreiben übergeben. Darin wurden die Gründe aufgezeigt, warum die Grundeigentümer die Bewerbung “München 2018″ ablehnten. Der Hauptgrund: die Landschaftsverluste.
Die Bewältigung der Verkehrsströme kann nur misslingen. Versprechungen für mehrere Tunnels im Loisachtal, für den Ausbau von Autobahn, Schnellstraßen und Ortsumfahrungen zu den Ausrichtergemeinden würden das Oberland zur Großbaustelle machen und jede vernünftige Verkehrplanung konterkarieren. Ob diese Bauten dann bis 2022 fertig wären, darf man bezweifeln. Und was ist, wenn die Bewerbung 2022 durchfällt wie „München 2018“? Alles vorbei – und über 60 Millionen Euro für zwei Bewerbungen verschleudert.
Versprochen werden – wie bei allen Bewerbern – „grüne und nachhaltigste“ Spiele.
„Nachhaltige“ und „Grüne“ Spiele? Ja. Grüne Winter-Spiele! Wegen Klimawandel & nachhaltigem Schneemangel im wahren Sinne des Wortes!
Mit der Vertragsunterzeichnung für 2022 verpflichten sich die Austragungsorte, die Zusagen für die „Schneesicherheit“ um jeden Preis und mit allen – künstlichen – Mitteln einzuhalten.
Im Klimawandel aber sind Schneekanonen und künstliche Speicherbecken, die sogar gekühlt werden müssen, zum Symbol eines verantwortungslosen Umgangs mit Energie geworden: Olympische Winterspiele 2022 und das Projekt, im selben Jahr 2022 die letzten Atomkraftwerke abzuschalten, passen „nachhaltig“ nicht zusammen. Olympische Energieverschwendung im Jahr des definitiven Aufbruchs in eine Epoche „erneuerbarer“ Energien im Zeichen des Energiesparens und des Energieeffizienz widersprechen sich in allen Belangen dieses Jahrhundertprojekts!
Landschafts- und Naturverluste, finanzielle und soziale Folgelasten, wenige Gewinner und viele Verlierer, alles spricht gegen das Großspektakel Olympia.
Ein winterliches Mega-Event aber, ein sensibler Alpenraum und die Energievergeudung, die dafür notwendig wäre, das zusammen macht Olympische Winterspiele in neun Jahren zu Spielen gegen die wenige Zeit, die noch bleibt gegen den Klimawandel.
Fazit: Keine Olympischen Spiele im Alpenraum!
NEIN zu „München 2022“