nach unten
Graubünden gegen Olympische Winterspiele

Jetzt Spenden!
Jun 042016
 
Zuletzt geändert am 29.12.2017 @ 16:40

4.6.2016, aktualisiert 29.12.2017

Gianni Infantino wurde am 26.2.2016 als Fifa-Präsident und Blatters Nachfolger gewählt. In kürzester Zeit entpuppte sich der frühere Uefa-Generalsekretär von Michel Platini (inzwischen auf Jahre von der Fifa gesperrt) als „würdiger“ Nachfolger von Sepp Blatter. Oder wie Thomas Kistner in der SZ anlässlich des Fifa-Kongresses im Mai 2017 in Bahrain schrieb: „Sepp Blatter light. So ist der Schweizer Gianni Infantino oft genannt worden, seit er vor gut einem Jahr das Präsidentenamt im Fußball-Weltverband Fifa übernommen hat. Inzwischen stellt sich die Frage, ob dem 47-Jährigen diese Bezeichnung noch gerecht wird. (…) Schon geklärt ist hingegen, welcher Part Sepp Blatter in der endlosen Skandalchronik des Weltfußballs gebührt: Er war Infantino light“ (Kistner, Thomas, Der Kapitän spielt foul, in SZ 11.5.2017).

Im Folgenden eine kleine Chronologie der Ereignisse.

– Auch Infantino schmeißt mit Geld um sich
„Die Fifa hat nicht nur Blatters letzten Lohn offengelegt, sondern auch die Bezüge der Mitglieder des Exekutivkomitees (festes Jahresgehalt von 300 000 Dollar); außerdem auch den Jahreslohn von Domenico Scala (200 000 Dollar) oder des Generalsekretärs Jérôme Valcke (2,1 Millionen Franken). Dieser ist seit September suspendiert. (…) Wichtiger als die transparenten Löhne ist für die Fifa, dass sie weiter 550 Millionen Dollar hinter den Zielen für die Geschäftsperiode 2015-2018 liegt. Präsident Infantino sagt dennoch: ‚Mit den jüngst verabschiedeten Reformen glaube ich, dass die Fifa gestärkt aus diesen Ereignissen hervorgehen wird.‘ Er hat angekündigt, das Budget für Fussballförderung von 900 Millionen Dollar um 517 Millionen zu erhöhen. Es ist ein bewährtes Rezept: Sinnkrisen mit Geld zu vertreiben“ (Clalüna, Flurin, Es regnet kein Geld mehr, in nzz.ch 17.3.2016).

– Der Infantino fällt nicht weit vom Blatter
Der chinesische Konzern Wanda des chinesischen Milliardärs Wang Jianglin wird Top-Sponsor der Fifa bis zur WM 2030. Wandas Topmanager ist „Philippe Blatter: der Neffe, enge Vertraute und auch langjährige Geschäftspartner des Skandalfunktionärs Sepp Blatter, in dessen Ägide sich der Weltverband in eine Sumpflandschaft verwandelt hat. Wanda hat jüngst für eine Milliarde Euro die Schweizer Sportagentur Infront erworben, der Blatters Neffe bis dahin vorstand. Für Insider zeichnete sich der Geschäftsdreh der Fifa Richtung Fernost schon ab, als Sepp Blatter bei seiner Wiederwahl im Mai 2015 Wanda-Boss Wang in Reihe eins des Kongresssaals platzierte, zur Rechten von Neffe Philippe“ (Kistner, Thomas, Blatter hilft Fifa, in SZ 19.3.2016). Also kein neuer Kurs – auch nicht unter dem neuen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino: „Infantino sieht die intensive Verquickung mit Blatters Netzwerk aber so unproblematisch wie ein anderes Fußballengagement von Wanda… Und schließlich will China auch die WM 2026 ausrichten. Dafür werden offenbar schon erste Weichen gestellt“ (Ebenda).

– Von Sepp Blatter zu Philippe Blatter: und die Fußball-WM 2026 in China (?)
Zum neuen FifaTop-Sponsor Wanda, den Gianni Infantino nicht zufällig aus dem Hut gezaubert hat, schreibt Thomas Kistner in einem Beitrag in der SZ: „Die Fifa gibt sich ja nun gern den Anschein, als sei sie voll auf Reformkurs; fromme Compliance-Regeln hat sie sich verordnet. Was die wert sind, zeigt gleich der erste Sponsorendeal in der Ägide des Präsidenten Gianni Infantino: Wo nirgendwo mehr Blatter draufstehen darf, steckt so viel Blatter drin wie stets. Der chinesische Konzern Wanda wird Fifa-Topsponsor, das heißt: Die Muttergesellschaft eines wichtigen Fifa-Vermarkters wird zugleich Fifa-Geldgeber. Infantino findet, so ein Vertrag-Strickwerk genüge ‚höchsten Standards‘. Compliance nach Fifa-Art. Wenn sich die westliche Welt abkehrt, wendet sich die Fifa eben der östlichen zu. In Partnern wie Wanda oder Putins Energiekonzern Gazprom sieht sie die Zukunft. Solche Partner nerven auch nicht mit Anstandsappellen wie mancher verbliebene westliche Topsponsor: Coca-Cola, Visa, McDonald’s, Adidas. Unübersehbar sind die Zeichen der Zeit; Russland und Katar haben die WM bereits, China will die nächste. Das Turnier 2026 soll her, Staatschef Xi Jinping persönlich äußerte diesen Wunsch – auch an die Adresse des Herrn Wang. Der Milliardär arbeitet nun daran. Dass Wanda über Infront auch Anteile am Ticket- und Hospitality-Partner der Fifa hält, der Match Hospitality AG, rundet das Paket ab“ (Kistner, Thomas, Zurück in die Zukunft, in SZ 21.3.2016).

– Chefaufseher Domenico Scala tritt zurück
Auf dem Fifa-Kongress in Mexiko-Stadt ernannte Fifa-Präsident Gianni Infantino (im Alleingang) überraschend die senegalesische Diplomatin Fatma Samoura zur Fifa-Generalsekretärin (Senegalesin wird Fifa-General, in SZ 14.5.2016). Infantino ließ am 14.5.2016 den Fifa-Kongress auch beschließen, „dass das Council bis zum kommenden Jahr die Mitglieder der Audit- und Compliance-Kommission, der Ethikkommission, der Disziplinarkommission und der neuen Governance-Kommission selbst berufen und entlassen kann. Dieses Recht ist nach den Statuten eigentlich dem Kongress vorbehalten. Pikant ist die Entscheidung deshalb, weil die Kommissionen die Council-Mitglieder kontrollieren sollen, von denen sie nun berufen und entlassen werden können“ (Fifa-Macher wählen ihre Kontrolleure künftig selbst, in spiegelonline 14.5.2016). Chefaufseher Domenico Scala verließ aus Protest den Saal des Fifa-Kongresses – und trat zurück.
„Die Fifa und ihr neuer Präsident Gianni Infantino müssen einen empfindlichen Rückschlag in ihren Reformbemühungen hinnehmen. Chefaufseher Domenico Scala hat nach einer umstrittenen Entscheidung des Fußball-Weltverbands beim Kongress in Mexiko-Stadt seinen Rücktritt erklärt. Der Schweizer reagierte damit auf den Beschluss, dass der Fifa-Council für ein Jahr ermächtigt wurde, Mitglieder der eigenen Kontrollinstanzen zu benennen oder zu entlassen. Diese Aufgaben obliegen eigentlich dem Kongress, der Versammlung der 211 Fifa-Mitgliedsverbände. ‚Die Gremien werden damit faktisch ihrer Unabhängigkeit beraubt und drohen zu Erfüllungsgehilfen derjenigen zu werden, die sie eigentlich überwachen sollten‘, schrieb der Vorsitzende der Audit- und Compliance-Kommission in seiner Rücktrittserklärung. (…) ‚Ich bin über diesen Beschluss konsterniert, da damit eine zentrale Säule der Good Governance der Fifa untergraben und eine wesentliche Errungenschaft der Reformen zunichte gemacht wird’“ (Fifa-Chefaufseher Scala tritt zurück, in spiegelonline 14.5.2016).

Michael Ashelm veröffentlichte in faz.net Details zum Agieren von Infantino gegen Scala:
„In Ermangelung plausibler Gründe konstruierten die Funktionäre des Councils bei ihrem Treffen in Mexiko einen Fall, um den Chefkontrolleur Scala absetzen zu können – über den Kongress. Als einziger im abgeschirmten Sitzungssaal wendete sich Fifa-Vizepräsident David Gill aus England aktiv der Stimmung entgegen“ (Ashelm, Michael, Aussagen und Protokolle belasten Fifa-Präsident Infantino, in faz.net 27.5.2016). – „Grundlage der Berichterstattung über das Verhalten der Funktionäre sind Tonaufnahmen von den betreffenden Council-Sitzungen in Mexiko-Stadt hinter verschlossenen Türen. Sie bestätigen die im Bericht der F.A.Z. aufgeführten Gedächtnisprotokolle Daraus  geht hervor, dass  der Fifa-Chefkontrolleur Domenico Scala vor dem Fifa-Kongress auch auf Betreiben des neuen Präsidenten Infantino gezielt aus dem Amt getrieben werden sollte“ (Ashelm, Michael, Die nächste Fifa-Krise, in faz.net 29.5.2016). – „Infantino gerät drei Monate nach seiner Wahl weiter unter Druck. Es verdichten sich die Hinweise, dass gegen ihn schon eine offizielle Voruntersuchung der Ethikkammer eröffnet wurde. Vorausgegangen war eine Meldung aus der Audit- und Compliance-Kommission an die Fifa-Ermittler, bei der Fragen um Spesenabrechnungen Infantinos und um einen angeblich geplanten Hauskauf in Zürich über 25 Millionen Franken aufgeworfen wurden. Infantino brachte die Informationen bei der Sitzung am 10. Mai selbst ins Spiel und berichtete über einen Kontakt zum Ermittlungskammer-Vorsitzenden Cornel Borbély. (…) Aus Sicht des Strafrechtsprofessors Pieth hat Infantino bei seiner Aussage vor den Council-Mitgliedern zu der Einschätzung des Ermittlungskammerchefs Borbély ein heikles Feld betreten. ‚Es könnte sich hier der Eindruck der Befangenheit bei der Ethikkommission ergeben‘, sagt Pieth. Gemeint ist damit, dass die Fifa-Ermittler dem Präsidenten einen Informationsvorteil verschafft haben könnten, falls die Darstellung stimmt. Pieth fordert, dass Borbély trotzdem aktiv wird und sich erklärt“ (Ashelm, Michael, Die nächste Fifa-Krise, in faz.net 29.5.2016). – „Gianni Infantino, der Präsident des Internationalen Fußball-Verbandes (Fifa), hat die Anweisung zum Löschen von Tonaufnahmen gegeben, die ihn und Kollegen des Fifa-Führungsgremium belasten. Das geht aus einem E-Mail-Verkehr hervor, der FAZ.NET vorliegt. Die Aufzeichnungen belegen die Darstellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass bei zwei Treffen des höchsten Fifa-Gremiums im Vorfeld vom Kongress in Mexiko-Stadt Mitte Mai hinter verschlossenen Türen auf Betreiben Infantinos eine Intrige zur Absetzung des Fifa-Chefkontrolleurs Domenico Scala diskutiert worden war. Außerdem äußert sich der Präsident zu seiner Bezahlung: Er wolle das von der Fifa-Vergütungskommission festgesetztes Gehalt nicht akzeptieren – angeblich zwei Millionen Franken im Jahr. Der vorgesehene Betrag sei für ihn ‚beleidigend‘, hatte Infantino gesagt“ (Ashelm, Michael, Fifa  verstrickt sich in neue Widersprüche, in faz.net 3.6.2016). – „Die auch FAZ.NET vorliegenden Tonaufzeichnungen und Dokumente zu den Fifa-Sitzungen vor knapp drei Wochen in Mexiko-Stadt, bei denen die Verbandsspitze unter Präsident Gianni Infantino hinter verschlossenen Türen tagte, ergeben eine übereinstimmende Quellenlage. Tatsächlich wurden von den Funktionären in den Meetings unter anderem folgende Aussagen (in englischer Originalsprache) zu den Diskussionspunkten getroffen. (…) 1. Fifa-Präsident Gianni Infantino äußert sich kritisch zu dem von der Fifa-Vergütungskommission im Februar festgesetzten Gehalt. Angeblich sollen es rund zwei Millionen Franken im Jahr sein. Danach sagt der Fifa-Chef höhnisch, dass ihm die Kollegen im Council womöglich Geld leihen müssten…2. Infantino informiert die anwesenden Council-Mitglieder über eine ‚Beschwerde‘ des Vorsitzenden der Audit- und Compliance-Kommission, Domenico Scala, an die Ermittlungskammer der Fifa-Ethikkommission und deren Chef Cornel Borbély. Es geht um Spesenabrechnungen und einen angeblichen Hauskauf über 25 Millionen Franken der Familie Infantino. (…) Wenn ein Rückzug im beiderseitigen Einvernehmen nicht gelänge, verweist er auf zwei Möglichkeiten, Scala aus der Fifa zu drängen: Entweder sollte im Kongress ein Nationalverband die Abwahl des Compliance-Chefs einbringen. Die andere Variante: Mit der neuen im Kongress geholten Vollmacht, das dem Fifa-Council für ein Jahr die Vollmacht gibt, können Mitglieder der Kontrollgremien fortan vom Council direkt entfernt werden. Dies ist ein Bruch der Gewaltenteilung. Infantino meint, Scala könne dann darüber in ein oder zwei Wochen entlassen werden“ (Ashelm, Michael, was Fifa-Chef Infantino hinter verschlossenen Türen wirklich sagte, in faz.net 30.5.2016).

Fifa „hoffnungsloser Fall“
Aus einem Kommentar von Peter Ahrens in spiegelonline: „Wahrscheinlich ist die Fifa einfach ein hoffnungsloser Fall. Neuanfang, Umbruch, Zeitenwende – all die großen Worte, die rund um den Amtsantritt von Gianni Infantino gefallen sind, sind gleich beim ersten Check als Luftnummern enttarnt worden. Der Beschluss des Kongresses von Mexiko-Stadt, sich die Kontrolleure des Reformprozesses selbst erwählen und auch wieder feuern zu können – das ist beste Politik im Sinne des skandalösen Amtsvorgängers Joseph Blatter. Der Rücktritt des düpierten Chefaufsehers Domenico Scala ist die einzig logische und integre Reaktion darauf gewesen. (…) Infantino, der Medienprofi, weiß genau, welches miserable Image der Weltverband sich in den vergangenen Jahrzehnten erarbeitet hat. Das öffentliche Ansehen der Fifa dürfte ungefähr auf Augenhöhe mit der Mafia angesiedelt sein. Das hat sie João Havelange und Joseph Blatter zu verdanken, den beiden früheren Präsidenten, dazu Typen wie Mohammed Bin Hammam und Jack Warner, den Meistern des Gebens und Nehmens im berüchtigten Exekutivkomitee. Das alles ist (noch) nicht Infantinos Schuld“ (Ahrens, Peter, Dann kann sich die Fifa gleich auflösen, in spiegelonline 14.5.2016).
Aus einem Beitrag von Thomas Kistner in der SZ zur Personalie Fatma Samoura als Fifa-Generalsekretärin: „Politisch ist die Personalie Samoura peinlichst korrekt: Wer traut sich, da Kritik anzumelden? In der Praxis sieht es so aus, dass die neue Vorstandschefin keinerlei Erfahrung im Sport oder im Marketing mitbringt, erst recht keine in der Führung eines globalen Milliardenbetriebs. Über Nacht bekam die UN-Mitarbeiterin ein Amt, das sie in Lottogewinner-Dimensionen katapultiert: Zwei bis drei Millionen Franken inklusive Boni kann es einbringen. Es wird aber dauern, bis sich Samoura in die äußerst verfilzte Fußballbranche eingelebt hat. (…) Samoura erwählte Infantino vorbei am Vorstand, der in ein 36-köpfiges Council umgewandelt wurde, vorbei an der Kongress-Agenda, die das Thema nicht führte. Und vorbei am Medienstab, der öffentlich stets auf eine Beschlusslage im späten Sommer verwies. (…) Hinzu kommt ja ein zweiter Coup, mit dem Infantino soeben einen lästigen Aufseher los wurde: Domenico Scala. Der Chef des Compliance-Komitees hat maßgeblich die Reformen vorangetrieben; er saß auch dem Entschädigungskomitee vor, das vor Wochen die Saläre von Präsident und Generalsekretär festlegte. Scalas Gremium verfügte, dass Infantinos Salär unter dem der Generalsekretärin liegt; der Präsident hat ja keine operative Aufgabe mehr. (…) Jedenfalls überrumpelte Infantino die Delegierten nicht nur mit seinem Samoura-Solo. Der Kongress sollte plötzlich, ohne nähere Darlegung, auch abnicken, dass bis Mai 2017 nur das Council die Mitglieder der bisher unabhängigen Komitees für Compliance und der zwei Ethikkammern ernennen darf – und auch absetzen. Die Regelung wurde damit begründet, dass nur so die Vakanzen in den Gremien rasch behoben werden könnten. In der Tat sind gerade wieder einige Personalvorschläge am internen Integritätscheck gescheitert. Aber das Recht zur Abberufung schafft Brisanz. Es dürfte auch die US-Justiz interessieren, die die Reformversuche der Fifa aufmerksam verfolgt“ (Kistner, Thomas, Wie zu Blatters Zeiten, in SZ 17.5.2016).
Und im Spiegel bezeichnete die Berliner Sportrechtsexpertin Laila Mintas die Personalie Samoura als „eine große PR-Nummer“: In Wahrheit, so Mintas, verberge sich hinter dieser ’smarten Lösung‘  das Interesse Infantinos, als Generalsekretärin ‚eine  schwache Figur neben sich zu platzieren“ („Schwache Figur“, in Der Spiegel 22/28.5.2106).

– Infantino: Kritik an Samoura „sexistisch, rassistisch“
„Tatsächlich hat sich Infantino allerlei geleistet in nur 100 Tagen Amtszeit. Er akquirierte heimlich eine Generalsekretärin, deren Befähigung als Weltfußballchefin angezweifelt werden darf, eingedenk ihrer Karriere im mittleren UN-Management. 20 Jahre war Fatma Samoura in Afrika tätig, vom Umgang mit Milliardenbudgets dürfte sie vermutlich so wenig Ahnung haben wie von dem Fußballgeschäft, das sie nun dirigieren soll. Die erste leise Verwunderung über die Personalie aus dem Senegal kontert Infantino aber wie zu vermuten war: politisch korrekt. Er hält die Skepsis für ’sexistisch, wenn nicht sogar rassistisch'“ (Kistner, Thomas, Manöver in der Unterwelt, in SZ 7.6.2016).

Fifa-Finanzchef Markus Kattner entlassen
Gegen Kattner lief ein Ermittlungsverfahren der Fifa-Ethikkommission. Er soll Sonderzahlungen von umgerechnet rund 4,5 Millionen Euro nach der Fußball-WM 2010 und 2014 erhalten haben. Am 23.5.2016 wurde er fristlos gekündigt – „wegen Verletzung seiner treuhänderischen Verantwortung“ (Fifa soll gegen Kattner ermitteln in spiegelonline 26.5.2016).

– Steckt Infantino hinter Kattners Entlassung?
Zwischen Kattner und Fifa-Präsident Infantino hatte es in letzter Zeit Konflikte gegeben. “Infantino ist offenkundig darauf aus, die Fifa auf seine Linie zu bringen und sich seinen eigenen Führungsstab zusammenzustellen. Beim Kongress in Mexiko vor knapp zwei Wochen präsentierte er – überraschend selbst für die Vorständler des Weltverbandes – die Fußball-unerfahrene UN-Diplomatin Fatma Samoura aus  dem Senegal als neue  Generalsekretärin… die Vermutung, dass Infantino hofft, die Seiteneinsteigerin besser steuern zu können als etwa Kattner, liegt nahe“ (Aumüller, Johannes, Mehr als nur Millionen-Boni, in SZ 25.5.2016).
Unter dem Titel „Der nächste Autokrat“ beschreibt Thomas Kistner in der SZ die Fifa-Politik Infantinos: „Im Korruptionssumpf steckt sie schon länger, nun versinkt die Fifa im Führungschaos. Die ersten 100 Tage als Präsident sind nicht absolviert, da steht Gianni Infantino bereits im Epizentrum eines Bebens. Und es ist kein Beben, das aus der Ära des gesperrten Sepp Blatter rührt. Es ist selbst verschuldet. (…) Seiner beiden größten Widersacher hat sich der neue Fifa-Chef schon entledigt, Domenico Scala und Markus Kattner. Erst wurde Compliance-Chef Scala auf eine Art aus dem Amt getrieben, die in scharfem Widerspruch zur neuen Reform- und Transparenz-Linie steht. Die Lesart von einem ‚Komplott‘ der neuen Führung transportieren diverse Quellen im Fifa-Umfeld. (…) Es sollen harte Attacken gegen den Compliance-Chef gewesen sein – dem beim folgenden Fifa-Kongress ein Beschluss präsentiert wurde, der ihn zum Rücktritt nötigte. Infantino ließ, in einer handstreichartigen Abstimmung, das Fifa-Council für ein Jahr ermächtigen, im Alleingang die Mitglieder der zuletzt gefürchteten hauseigenen Kontrollinstanzen zu benennen. Und auch, dies wurde dem Wahlvolk nebenbei untergejubelt: zu entlassen. Das konnte Scala, der maßgeblich am Reformprogramm mitgewirkt hatte, nicht akzeptieren. Er trat zurück. (…)  Jedenfalls hatte Kattner mit Scala manches gemeinsam: Beide haben Infantino schwer zugesetzt – womöglich, indem sie sich zu sehr an die neuen Regeln hielten. Sehr nachdrücklich zum Beispiel, berichten informierte Kreise, sei der neue Fifa-Boss auf seinen Spesenrahmen hingewiesen worden. Vor allem aber soll sein Präsidentensalär, das ein neuerdings zuständiges Vergütungskomitee errechnet hat – rund zwei Millionen Schweizer Franken pro Jahr – Infantinos Zorn erregt haben. (…) Die Ungeniertheit, in welcher der als Reformer angetretene neue Boss seine Interessen durchsetzt, lässt Schlüsse auf das interne Reizklima zu. Da wird gefeuert und gedroht. (…) Öffentliche Spekulationen, wonach Ethik-Chefermittler Cornel Borbély Anzeigen gegen Infantino umgehend diesem selbst vorgetragen und damit womöglich gegen Regeln verstoßen habe, folgten prompt. Und sind problematisch: Zum einen stellen sie die Unabhängigkeit der zuletzt gut funktionierenden Ermittlerschiene in Frage. Zum anderen könnte derlei Vorgehen kein Verstoß, sondern Teil einer Vorermittlung sein“ (Kistner, Thomas, Der nächste Autokrat, in SZ 30.5.2016).

– Vom „Erneuerer“ zum Post-Blatter
Elmar Wagner in der NZZ: „Angetreten ist Gianni Infantino als Erneuerer. Doch der Fifa-Präsident ist keine 100 Tage im Amt und produziert eine negative Schlagzeile nach der anderen. (…) Aus den Protokollen (der FAZ; WZ) wird klar, dass  Infantino den Chef der Audit- und Compliance-Kommission, Domenico Scala, loswerden wollte“ (Wagner, Elmar, Infantino hat ein Problem, in nzz.ch 1.6.2016). Infantino hat selbst beim Kongress in Mexiko auf zwei Möglichkeiten hingewiesen, Scala loszuwerden: „Ein Verband beantragt am Kongress die Abwahl des Compliance-Chefs. Oder das Council erhält die Vollmacht, die Mitglieder der Kontrollgremien selbständig zu entlassen. Dieser Ansatz wurde in letzter Minute in die Traktandenliste gehievt und vom Kongress genehmigt – worauf Scala per sofort zurücktrat. (…) Womöglich liegt der Schlüssel dazu aber im Lohnangebot für Infantino. Angeblich hatte Scala als Chef der Vergütungskommission Infantino ein Angebot über zwei Millionen Franken pro Jahr gemacht. Infantino bezeichnete dieses gegenüber dem Council als ‚Beleidigung‘ und höhnte, dass er vielleicht bald den einen oder andern unter ihnen mangels Geld anpumpen müsse“ (Ebenda).
Und Jens Weinreich in spiegelonline: „Infantino hat es binnen drei Monaten geschafft, in der Tradition seines Landsmanns und Vorgängers Joseph Blatter öffentlich jeglichen Kredit zu verspielen und die Fifa-Verwaltung nach seinem Gusto zu gestalten. Seine Kandidatin, Frau Samoura, die sich keinem Ausschreibungsprozedere stellen musste, durfte in Zürich brav die neuen Personalien verkünden. (…) Für die Finanzen und die Administration steigt der bisherige Rechtsdirektor Marco Villiger zum Stellvertreter Samouras auf. Dabei zählt der Schweizer Villiger zur alten Führungscrew des gesperrten ehemaligen Generalsekretärs Jérôme Valcke und des vergangene Woche unter undurchsichtigen Umständen entlassenen Valcke-Stellvertreters und Finanzchefs Markus Kattner. Villiger, Valcke und Kattner waren Lieblinge von Blatter – sie haben in ihren Verantwortungsbereichen allesamt mehr als ein Jahrzehnt das System Fifa abgesichert. Eine juristische Würdigung ihres Wirkens steht noch aus. Es ist keinesfalls unwahrscheinlich, dass es nach Valcke und Kattner auch Villiger in den Strudel des Finanzskandals reißt. (…) Alarmierend sind Aussagen Infantinos vor dem Council, wonach Cornel Borbély, Chef der Ermittlungskammer der Ethikkommission, den Präsidenten über Anzeigen gegen ihn informiert habe. Dabei ging es auch um den von der Familie Infantino geplanten Kauf eines Anwesens in Zürich für 25 Millionen Franken. Borbély habe die Anzeigen in den Papierkorb befördert, behauptete Infantino“ (Weinreich, Jens, Von wegen Aufklärer, in spiegelonline 1.6.2016).

Fifa-Zentrale am 2.6.2016 durchsucht
Joseph Blatter ist weiter im Visier der Schweizer Ermittlungsbehörden. Die Strafverfolger haben erneut die Zentrale des Fußball-Weltverbands Fifa durchsucht. Hintergrund der bereits am Donnerstag durchgeführten Razzia sei das laufende Verfahren gegen den ehemaligen Fifa-Präsidenten Joseph Blatter und den früheren Generalsekretär Jérôme Valcke. Das bestätigte die Bundesanwaltschaft am Freitag“ (Fifa-Zentrale in Zürich durchsucht, in spiegelonline 3.6.2016).

– 79 Millionen Franken für Blatter, Valcke und Kattner
„Zwei Anwälte der Kanzlei Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan, die den Weltverband seit Mitte 2015 quasi unter Zwangsverwaltung hat, gaben auf einer Telefonkonferenz atemraubende Zahlen bekannt: Allein in den vergangenen fünf Jahren haben demnach der langjährige Präsident Joseph Blatter (Schweiz), Generalsekretär Jérôme Valcke (Frankreich) und Finanzchef Markus Kattner (Deutschland/Schweiz) mindestens 79 Millionen Schweizer Franken kassiert. Diese Zahl könnte sich nach weiteren Ermittlungen noch erhöhen, erklärten die Anwälte William Burck (USA) und Thomas Wehrlen (Schweiz). (…) Für die WM in Südafrika kassierte Blatter demnach eine Prämie von elf Millionen Franken, Valcke kassierte neun Millionen, Kattner drei Millionen. Laut den Anwälten unterschrieb Blatter die Auszahlung für Valcke, Blatter und Valcke unterschrieben die Zahlung an Kattner, Valcke und Grondona unterschrieben für Blatters Bonus. So ging das über Jahre in einem fort. Die WM-Prämien für Südafrika, so erklärten die Anwälte, seien möglicherweise sogar ohne vertragliche Grundlage gezahlt worden. Die internen Ermittlungen dauern an, strafrechtliche Ermittlungen beginnen erst. Für die WM 2014 in Brasilien kassierte Valcke nach den Unterlagen einen Bonus von zehn Millionen, Blatter zwölf Millionen und Kattner vier Millionen. Für die WM 2018 in Russland sollen Blatter und Grondona am 10. Juni 2014 weitere elf Millionen für Valcke und 4,5 Millionen für Kattner genehmigt haben“ (Weinreich, Jens, Fifa überwies 71 Millionen Euro an Blatter und andere Top-Funktionäre, in spiegelonline 3.6.2016; Hervorhebung WZ).

– Wie lang bleibt Infantino noch Fifa-Präsident?
Aus einem Beitrag von Jens Weinreich in spiegelonline: „Als nach dem Mexiko-Kongress die Vorgänge um Scalas Rücktritt diskutiert wurden und ein Detail nach dem anderen öffentlich wurde, schrieb Infantino einen Kommentar für die ‚Neue Zürcher Zeitung‘ unter der Überschrift ‚Fakten statt Spekulationen‘. Er versprach, ‚die neue Fifa auf den Grundwerten Professionalität, Glaubwürdigkeit und Vertrauen‘ aufzubauen. Schon als langjähriger Generalsekretär des europäischen Verbandes UEFA und wichtigster Mann des wegen Korruption gesperrten damaligen UEFA-Präsidenten Michel Platini hat Infantino aber nachweislich Fifa-Reformen blockiert, etwa als er Anfang 2013 die europäischen Verbände aufforderte, wichtige Statutenänderungen abzulehnen – was diese schriftlich dokumentierten. Anfang April 2016 hatte die Staatsanwaltschaft die UEFA-Zentrale durchsucht, nachdem innerhalb der Berichterstattung über die Panama Papers auch ein reichlich dubioser, offensichtlich nicht marktgerechter TV-Vertrag verhandelt wurde, den Infantino in seiner UEFA-Zeit unterschrieben hatte. Einige Personalien im UEFA-Reich werfen bis heute andere Fragen auf. Einer von Infantinos wichtigsten Helfern, der amtierende UEFA-Präsident und Fifa-Vize Ángel María Villar Llona aus Spanien, muss sich in Kürze vor einem Strafgericht verantworten, weil er angeblich satzungswidrig die Wahlen im spanischen Fußballverband hinauszögert, den er seit 1988 trotz ungezählter Skandale führt. Sein Sohn Gorka, der als Generalsekretär des südamerikanischen Verbandes CONMEBOL fungiert, wird in Uruguay mit Haftbefehl gesucht. Ihm werden zahlreiche Vergehen vorgeworfen, so etwa Erpressung, Unterschlagung beträchtlicher Geldsummen und Aktenvernichtung. Gut möglich, dass Gorka Villar in Kürze auf der Fahndungsliste von Interpol auftaucht. Zu derlei Vorgängen um seine Vertrauten wie die Villars äußert sich Fifa-Präsident Gianni Infantino kaum“ (Weinreich, Jens, Misstrauen gegen Fifa-Chef Infantino wächst, in spiegelonline 3.6.2016).

– Wie das Fifa-Millionenspiel funktionierte
„Die Zahlungen beruhten weitgehend auf diskreten Vereinbarungen, die nur Blatter, Valcke sowie der im Juli 2014 verstorbene, langjährige Blatter-Stellvertreter Julio Grondona (Argentinien) unterzeichnet hatten. Die von Anwälten der US-Großkanzlei Quinn Emanuel beratene Fifa listete am Freitag detailliert eine Fülle von Verträgen auf, die dem früheren Führungstrio diese Millionenzahlungen sicherten. Demnach sollen die drei etwa am 1. Dezember 2010 insgesamt 23 Millionen Franken an Bonus-Zahlungen für die abgelaufene WM in Südafrika erhalten haben: Blatter elf, Valcke neun, Kattner drei. Für die WM 2014 sollen Zusatzleistungen in Höhe von zusammengerechnet 14 Millionen Franken ausgezahlt worden sein, für die WM 2018 seien 15,5 Millionen vereinbart gewesen. Für alarmierend hält die Fifa zudem, dass finanzielle und vertragliche Vereinbarungen wiederholt zu sportpolitisch markanten Zeitpunkten stattfanden. So erhielten Valcke und Kattner vier Wochen vor der Präsidentschaftswahl am 1. Juni 2011, als völlig unklar war, ob Blatter den Machtkampf gegen den einflussreichen Katarer Mohammed bin Hammam gewinnen würde, üppig ausgestattete 8,5-Jahres-Verträge. Damit seien den zwei Hauptamtlichen auch mögliche Zuwendungen in Höhe von bis zu 17,5 (Valcke) bzw. 9,8 Millionen Franken (Kattner) gesichert worden. (…) Quellen nahe an den internen Ermittlungen beschrieben die Kriterien für die Boni-Wirtschaft auf der Chefetage als entlarvend dünn: Honoriert worden sei etwa, dass bei WM oder Confed-Cup alle Spiele gespielt und die Sieger korrekt festgestellt worden seien. (…) Besonders heikel muten jetzt auch die Vorgänge von Ende Mai 2015 an. Am 27. Mai wurden in Zürich sieben Spitzenfunktionäre sowie zahlreiche Sportmanager in anderen Ländern festgenommen. Am 29. Mai ließ sich Blatter trotz massiver internationaler Proteste in eine fünfte Amtszeit wählen; schon vier Tage später kündigte er seinen Rücktritt an. Am Wochenende dazwischen, dem 30. und 31. Mai, wurden üppige Verträge aufgesetzt. Samstags erhielt Blatter einen neuen Arbeitsvertrag, der ihm drei Millionen Franken Jahresgehalt, einen Jahresbonus von bis zu 1,5 Millionen sowie einen zusätzlichen Legislaturperioden-Bonus von bis zu zwölf Millionen zusicherte“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, 80 Millionen Dollar in fünf Jahren, in SZ 4.6.2016).

– Infantino nicht im IOC
„Auch deshalb wächst das Misstrauen gegen ihn – sogar in der sogenannten Sportfamilie: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) verzichtet vorerst darauf, Infantino eine ex officio Mitgliedschaft für die Dauer seiner Amtszeit anzubieten. Ein IOC-Mitglied Infantino, von dem man sich möglicherweise bald wieder trennen muss? Da hält sich sogar die IOC-Führung zurück, die sonst gern beide Augen zudrückt. Nicht einmal 100 Tage nach Amtsantritt ist Infantino ein Fifa-Präsident auf Abruf“ (Ebenda). – „Die Weltverbandschefs Gianni Infantino (Fußball) und Sebastian Coe (Leichtathletik) sind nicht für die Aufnahme ins Internationale Olympische Komitee (IOC) vorgeschlagen worden. (…) Bis dato waren die Weltverbände im Fußball (Fifa) und in der Leichtathletik (IAAF) stets durch ihre Präsidenten vertreten. Infantino und  Coe stehen jedoch wegen der jüngsten Skandale in ihren Verbänden in der Kritik“ (SID, IOC ohne Infantino und Coe, in SZ 4.6.2016).

– Infantino fliegt im  russischem Oligarchen-Jet zum Papst
„Gianni Infantino, der Neue auf dem Blatter-Thron, kann den Triumph über seine Widersacher Scala und Kattner eher nicht genießen. Laut Schweizer Sonntagszeitung ist der Fifa-Boss jüngst zur Audienz bei Papst Franziskus im Privatjet des russischen Oligarchen und FC-Arsenal-Aktionärs Alischer Usmanow gereist. Das schafft Abhängigkeiten und dürfte die Fifa-Ethiker interessieren. Die Fifa zog sich am Sonntag auf eine arg brüchige Position zurück: Es sei ‚eine private Reise‘ Infantinos gewesen, und Privates kommentiere man nicht. Der Privatier Infantino übergab dem Papst ein Fifa-Trikot und redete über Fifa und Fußball“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, 79 Millionen Franken – plus x? in SZ 4.7.2016).
Dazu Thomas Kistner in der SZ: „Fußballfreunde staunen jetzt über das dreiste Salär-Kartell von Sepp Blatter & Friends. Aber vielleicht haben auch einige Betroffene gestaunt – und aufgeatmet. Blatter zum Beispiel, oder Jérôme Valcke, sein General. Denn sieht man, was anderen Hauptverdächtigen im Fifa-Sumpf zugeordnet wird, von Jack Warner bis Julio Grondona, so liegt jeder von ihnen im dreistelligen Millionenbereich; in der Dimension wird hier ermittelt. Dabei waren all diese Figuren nur subaltern in Bezug auf Blatter/Valcke. Waren die Bosse bescheidener? (…) Klingt absurd. Die Frage muss vielmehr lauten: Was haben die Gierhälse Blatter/Valcke insgesamt abkassiert, während sie zwischen Papst und Queen gependelt sind – als Privatboni dafür, dass eine WM stattfindet, der Ball rund ist oder die Sonne morgens aufgeht? (…) Wenn einer zwei Millionen pro Jahr für einen nicht-operativen Job als Beleidigung sieht, dann ist alles beim Alten in der Fifa. Die übrigens soeben eine Reise Infantinos zum Papst im Jet eines Russen-Oligarchen zur Privatsache erklärte: Obwohl er dort als Fifa-Boss auftrat, Trikots verteilte und über Fußball sprach. Wie lange ist der Mann tragbar? Die Fifa sieht sich als Familie, die alles unter sich regelt. In dieser Familie hat nun ein junger Oberwalliser den alten Oberwalliser abgelöst. So einfach ist das“ (Kistner, Thomas, Blatters Geist, in SZ 4.7.2016).

– Scala „neu im Sport“, Samoura nicht?
„Unbestritten ist, dass Scala, hauptberuflich Manager, beim neuen Boss Infantino die Zuwendungen drosselte – auf angeblich zwei Millionen, was der Schweizer als ‚Beleidigung‘ empfindet. Vielleicht lässt sich auch so erklären, warum Infantino den Aufseher zum Rückzug provozierte und ihm ein paar böse Worte hinterherschickte. Scalas Vorgehen gleiche einer ‚Hexenjagd‘, sagte er der Sonntagszeitung; Scala glaube, ‚dass sich eine Weltfußballorganisation nach denselben Prinzipien führen lässt wie ein pharmazeutisches Unternehmen oder ein Pestizidhersteller‘; und es sei auch so, ‚dass Herr Scala diesen Sport aus heiterem Himmel und vor nicht allzu langer Zeit erst entdeckt hat‘. Dieser Satz wirft die nächste interessante Frage auf. Denn wenn Infantino sich darüber mokiert, dass jemand erst vor kurzem den Fußballsport entdeckt habe – wieso hat er dann selbst gerade eine senegalesische UN-Diplomatin ohne Fußball-Erfahrung als Generalsekretärin angeheuert?“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Ein Anruf – und die zwölf Millionen sind gestoppt, in SZ 7.6.2016).

Nachtrag 1: Spesenjäger Infantino
Innerhalb der Fifa wird Gianni Infantino wegen seiner privaten Ausgaben auf Kosten der Fifa angegriffen. „Offiziell ging es um den Besuch der WM-Standorte 2018 und 2022. Die Fifa hatte für Infantino Linienflugtickets für 7300 Dollar gebucht. Er soll sie aber kurzfristig abgelehnt haben. Infantino nahm laut Unterlagen statt dessen einen Privatflieger in Anspruch. In den Dokumenten wird ein Gegenwert der Reise zwischen 115.000 bis 150.000 Dollar angenommen. Doch es gab offenbar weder eine Rechnung noch Angaben von Infantino zum Anbieter oder Gönner des Luxusfluges. (…) Die WM-Ausrichter Russland und Qatar müssen sich seit ihrer Wahl Korruptionsvorwürfen stellen. Auf Nachfrage teilte die Fifa am Mittwoch mit, Infantino hätte auf den Strecken Flugangebote des russischen Sportministers Witali Mutko sowie der russischen und qatarischen WM-Organisatoren angenommen. Dies habe zur Einhaltung der Termine beigetragen. Auch am 6. Mai nutzte Infantino gemäß der Dokumente einen Privatflieger zum Besuch des slowenischen Fußballverbandes, obwohl die Fifa-Reisestelle ihm verschiedene Angebote für Linienflüge zu 1800 Dollar gemacht hatte. Doch Infantino stieg mit in den gecharterten Geschäftsflieger des europäischen Fußballverbandes Uefa, wie die Fifa angibt. Der Gegenwert dieses Trips: 12.000 bis 18.000 Dollar. Wieder gab es nach den vorliegenden Unterlagen keine näheren Angaben von Infantino an die Fifa-Adminstration. Am Wochenende meldete die Schweizer ‚Sonntagszeitung‘, dass Infantino zur Privataudienz beim Papst in Rom nach dem Champions-League-Finale und zurück in die Schweiz eine Privatmaschine des russischen Oligarchen Alischer Usmanow nutzte. Dieser ist ein Weggefährte Putins und Topmanager beim Fifa- sowie Uefa-Sponsor Gasprom. Aus Sicht des Weltverbandes handelte es sich um eine ‚Privatreise‘ Infantinos“ (Ashelm, Michael, Matratzen für 11.440 Franken, in faz.net 9.6.2016; Hervorhebung WZ).
Dazu Thomas Kistner in der SZ: „In der Fülle von Beschwerden gegen ihn bei der Ethikkommission ist es vielleicht nicht der von der Fifa bezahlte Strafzettel, der dem Gremium Kopfzerbrechen bereitet. Auch nicht der Kauf neuer Matratzen oder die Begleichung einer Wäscherei-Rechnung. All das illustriert, wie unsensibel der Neue sein Amt ausübt in einer Zeit, in der alle Welt kritisch auf die Fifa schaut. Doch echte Probleme dürften Infantino eher aus einer Reise erwachsen, die ihn jüngst mit Familie zum Papst nach Rom geführt hatte. Den Trip hatte der Fifa-Chef in einem Jet unternommen, der nach Lage der Dinge einem Firmengeflecht im Umfeld eines russischen Oligarchen zuzurechnen ist. Die Kosten für solche Ausflüge veranschlagen Experten im klar fünfstelligen Bereich. Die Ethiker kommen nicht umhin, der Sache nachzugehen; derart geldwerte Nettigkeiten könnten Abhängigkeiten schaffen. Der Weltverband bezeichnete den Flug als Privatsache, zu derlei Themen äußere er sich nicht. Problematisch sind weitere Vorgänge, etwa aus Infantinos Zeit als Rechtsdirektor in Europas Fußball-Union Uefa. Damals hatte er umstrittene Marketingverträge unterzeichnet. Die BA hatte im April erstmalig auch die Uefa-Zentrale durchforstet. Infantino weist die Vorwürfe zurück“ (Kistner, Thomas, Geheimnisse im Tresor, in SZ 16.6.2016).

Nachtrag 2: Auch Domenico Scala im Zwielicht
Am 2.6.2016 ließ die Schweizer Bundesanwaltschaft den Tresor des am 1.6. entlassenen Fifa-Funktionärs Markus Kattner öffnen. „Der Vorgang wirft ein neues Licht auf die in der Fifa und ihrem Umfeld andauernde Schlammschlacht, die mit der Präsidenten-Kür Ende Februar losbrach und seit Wochen auch gut unterfüttert nach außen dringt. In der einen Ringecke Gianni Infantino, der neue Boss; in der anderen Kattner – sowie Domenico Scala, der Mitte Mai unter Protest als Chef-Aufseher zurückgetreten war. Gut und Böse gibt es in diesem Konflikt nicht; alle Protagonisten sind im Visier der internen Ethiker und auch der staatlichen Ermittler. (…) Mit den vielen Fragen um das Salär-Kartell Blatter/Valcke/Kattner rückt in der Tat auch die Rolle des Mannes in den Fokus, der jahrelang ihr Chef-Aufseher war. Der Schweizer Manager Scala erwarb sich zwar Verdienste um das Reformpaket. Zugleich aber war er seit 2012 Chef der Audit- sowie seit 2013 Chef der Vergütungskommission: Die bewilligte oder kürzte Boni, segnete Verträge ab und legte unter anderem das Salär des Präsidenten fest. Seinen Abgang im Mai begründete Scala mit einer in der Tat fragwürdigen und überfallartigen Statutenänderung, die Infantino beim Kongress in Mexiko durchgedrückt hatte und die den Fifa-Vorstand ermächtigt, seine Kontrolleure selbst auszuwählen und abzusetzen. Die Scala-Fraktion spricht von einem Putsch. Zumal ein nach außen gelangter Mitschnitt einer Fifa-Ratssitzung offenbart, wie schamlos an Scalas Position herumgesägt wurde. Nur: Ist der Compliance-Chef der unschuldige Strahlemann und selbst über alle Zweifel erhaben?“ (Ebenda).

Nachtrag 3: Infantino räumt auf (I)
„Nach Lage der Dinge darf der Neue bereits als Noch-Chef gelten. Seit Infantinos Amtsantritt rumpelt und rumort es in der Fifa, aber auch in den Medien, die regelmäßig und in bemerkenswerter Detailfülle die Selbstbedienungs-Mentalität des Patrons ausbreiten. Dabei schießen sie sich auch auf das Gremium ein, das zur Behebung solcher Missstände installiert wurde: das Fifa-Ethikkomitee. (…) Am Wochenende folgte die nächste Welle: Es gibt weitere Abgänge auf der Führungsetage. Dort herrschen anarchische Zustände, auch, weil die Wahl von Infantino die Pläne einer Gruppe altgedienter Spitzenleute um den jüngst geschassten Interims-Generalsekretär Markus Kattner torpediert hatte. Diesem Kreis ist auch Domenico Scala zuzurechnen. Der abgetretene Compliance-Chef hatte üppige Boni-Zahlungen für Kattner ebenso fürsorglich abgesegnet wie den Geldregen für den langjährigen (inzwischen gefeuerten) Generalsekretär Jérôme Valcke. (…) Kattner, Valcke und Infantinos Vorgänger Sepp Blatter hatten einander allein über die letzten fünf Jahren Boni von insgesamt 79 Millionen Franken zugeschanzt. Scala war Chef des Kompensations-Komitees, das seit 2013 die Luxus-Deals der hohen Fifa-Kader absegnete. Noch im Mai 2015, Tage nach den ersten FBI-Zugriffen in Zürich und Blatters skandalumtoster Wiederwahl, hatte Scalas Gremium offenbar nichts Wichtigeres zu tun, als Kattners bis 2019 laufenden Vertrag um vier Jahre zu verlängern. In einer so heiklen Phase – und inklusive Goldener-Fallschirm-Klauseln für den Fall des Rauswurfs. Der folgte nur wenige Monate später. (…) Ohne Frage sind Infantinos Eskapaden auf dem Prüfstand, Vorabklärungen laufen. Allein sein Familientrip zum Papst im Privatjet eines Oligarchen könnte geeignet sein, ihm eine Ethik-Sanktion einzutragen. Und die könnte ihn zu Fall bringen. Hinzu sollen weitere Privatflüge im Gesamtwert von bis zu 150 000 Dollar kommen, ermöglicht von Russlands Staatschef Putin und dem Emir von Katar“ (Kistner, Thomas, Grabenkriege  auf dem Zürichberg, in SZ 5.7.2016).
Zur Erinnerung: Die Fußball-WM 2018 ist in Russland, die WM 2022 in Katar…

Nachtrag 4: Infantino räumt auf (II)
„Der Fußball-Weltverband Fifa hat den Slowenen Tomaž Vesel zum neuen Chef seiner Audit- und Compliance-Kommission ernannt. (…) Vesel übernimmt das Amt vorerst bis zum nächsten Fifa-Kongress im Mai 2017 in Kuala Lumpur. Möglich ist die Berufung des Präsidenten des slowenischen Rechnungshofes nur durch eine umstrittene Statutenänderung, die dem Fifa-Council das Recht zur Ernennung des wichtigen Kontrolleurs einräumt“ (DPA, Vesel für Scala, in SZ 7.7.2016).

Nachtrag  5: Infantino „sauber“
Fifa-Präsident Gianni Infantino muss nach geheim gehaltenen Ermittlungen keine Bestrafung durch die Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes befürchten. Der Schweizer habe nicht gegen Verhaltensregeln verstoßen, teilte das Gremium mit. Zu diesem Schluss kam die Ethikkommission nach mehrwöchigen Untersuchungen gegen den 46-Jährigen. Im Gegensatz zu bisherigen Fällen hatte die Ethikkommission ihre Ermittlungen nicht öffentlich gemacht. Infantino waren mögliche Vergehen gegen vier Paragrafen des Ethikcodes vorgeworfen. Untersucht wurde die Kostenübernahme für mehrere Flüge Infantinos – dem Vernehmen nach im Zusammenhang mit Reisen in die WM-Gastgeberländer Russland (2018) und Katar (2022)“ (Fifa-Ethikkommission stellt Ermittlungen gegen Infantino ein, in spiegelonline 5.8.2016; Hervorhebung WZ). Dazu kamen Verdachtsmomente beider  Jobbesetzung im Präsidentenbüro und nicht erfolgte  Gehaltsvereinbarungen Infantinos mit der Fifa: „Infantino soll sein Salär von umgerechnet rund zwei Millionen Franken in einer Fifa-Sitzung angeblich als unzureichend bezeichnet haben“ (Ebenda).
Dazu aus einem Kommentar von Thomas Kistner in der SZ: „Nun wird es also doch nicht ernst für Gianni Infantino. Nur fünf Monate präsidiert der Schweizer dem Fußball-Weltverband, gleich in seinen ersten Wochen eröffnete die Ethikkommission der Fifa ein formelles Verfahren gegen den Schweizer – das sie am Freitag jedoch beendet hat. (…)  Am Freitag teilte die Ethikkommission mit, dass sie keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Ethik-Code gefunden hätte. (…) Die Vorteile, von denen Infantino profitiert habe, „wurden im Lichte der anwendbaren Fifa-Bestimmungen nicht als ungebührlich erachtet“. (…) Im Fokus standen weitere Privatflüge Infantinos, im Wert von bis zu 150 000 Dollar, ermöglicht von den Herrschern Russlands und Katars. Hier bestand der Verdacht auf Interessenskonflikte. Infantino war im Privatjet zur Kontrolle der WM-Vorbereitungen für 2018 und 2022 gereist. Am 18. April ging es von Genf nach Moskau, am 20. April weiter nach Katar, am 22. April zurück nach Zürich. Unterstützt wurde der Komfort-Trip auch von einem russischen Energieriesen (Gazprom), der Fifa und Uefa sponsert. Was den ohnehin stark durch die olympischen Tumulte begründeten Verdacht nährt, dass Moskaus Tentakel in alle Winkel des Weltsports ausreichen. (…) Problematisch ist dabei auch, dass gegen beide WM-Veranstalter Korruptionsermittlungen laufen. Überdies zeigen interne Papiere, dass die Fifa-Reisestelle für Infantino bereits Linienflug-Tickets für rund 7300 Dollar gebucht hatte. Die fünftägige Privatreise wird hingegen auf bis zu 150 000 Dollar Gegenwert taxiert. (…) Die Ethiker der Fifa verpassten es nun, die elementare Bedeutung unabhängiger Aufpasser zu zeigten. Dass es zu einer Verfahrens-Eröffnung gegen den neuen Präsidenten kam, schickte zunächst ein deutliches Signal: Dass es gerade im Sport keine Sonnenkönige mehr geben darf, die mit den Reichen und Mächtigen in Hinterzimmern dealen – und faktisch trotzdem unantastbar sind. Dieses Signal hat die Ethik-Kommission nun durch das Schließen der Akte Infantino allerdings selbst geschwächt“ (Kistner, Thomas, „Nicht ungebührlich“, in SZ 6.8.2016).

Nachtrag 6: Infantino besucht den brasilianischen Fußball-Paten
Der brasilianische Fußballverband ist total korrupt – seit Joao Havelange, der auch 25 Jahre die Fifa leitete (und dort Sepp Blatter als Nachfolger inthronisierte). Dann kam Havelanges Schwiegersohn Ricardo Teixeiro im brasilianischen Verband an die Macht – und konnte gerade noch aus Florida fliehen, bevor  der von der US-Justiz verhaftet wurde. Nachfolger José Maria Martin sitzt im Hausarrest in den USA. „Auch Del Nero schaffte den letzten Flieger: Nur Stunden nach den Zugriffen des FBI am 27. Mai 2015 in Zürich floh er Hals über Kopf in die Heimat. Dringende Verpflichtungen hätten ihn abberufen, lautete die Notlüge, tatsächlich war er gerade angereist, um als Mitglied des Fifa-Vorstandes Sepp Blatter wieder ins Amt zu wählen. (…) Dass sich Del Nero nicht mehr aus dem Land traut, begleitet die nationale Presse mit viel Humor. Den Auftritt der Seleçao bei der Copa America 2015 in Chile musste das Verbandsoberhaupt ebenso schwänzen wie die Copa Centenario im Juni in den USA – dort hätten die Handschellen gleich bei der Einreise geklickt“ (Kistner, Thomas, Vom FBI gesucht, von Infantino besucht, in SZ 10.8.2016). Del Nero wird von den US-Justizbehörden als Beklagter im Fifa-Skandal geführt – und erhielt nun Besuch vom amtierenden Fifa-Präsidenten Gianni Infantino. „Gianni Infantino, seit Februar Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa, setzt seinen Parcours durch alle Fettnäpfchen fort, am Besuchstag bei Del Nero hatte das Fifa-Ethikkomitee gerade eine zwei Monate währende Untersuchung gegen ihn eingestellt. Es ging um dubiose Flüge, Freunde und Sponsoren. Die Sache war knapp für Infantino. Nun die Visite bei Sportsfreund Del Nero. (…) An Infantinos Besuch erinnert nun eine schöne Plakette am CBF-Hauptsitz, darauf prangt auch das Fifa-Motto: ‚Für das Spiel. Für die Welt.‘ Del Nero selbst flötet auf der Fifa-Website: ‚In meiner Position will ich dazu beitragen, dass der Sport sauber und gesund bleibt.‘ Wer so redet, hätte gut in die olympische Eröffnungsfeier gepasst“ (Ebenda).

Nachtrag 7: Neues von den Fifa-Ethikern
Die ermittelnde Kammer unter dem Vorsitzenden Djimrabaye Bourngar ermittelt gegen Blatter, dem früheren Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke und

nach oben