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Feb 262016
 
Zuletzt geändert am 02.06.2016 @ 12:48

26.2.2016, aktualisiert 2.6.2016

Der Fifa- und der Uefa-Präsident werden gesperrt
Der seit 1998 amtierende Fifa-Präsident Sepp Blatter wurde Fifa-intern auf zunächst acht, dann am 24.2.2016 von der Fifa Berufungskommission sechs Jahre gesperrt, dito Uefa-Präsident Michel Platini (DPA, Fifa reduziert Blatters Strafe, in SZ 25.2.2016). Die denkwürdige Begründung der Berufungskommission: „Die Aktivitäten und die Dienste, die beide der Fifa, Uefa und dem Fußball im Allgemeinen über die Jahre erwiesen haben, verdienen eine angemessene Beachtung“  (Ebenda).
Von der Fifa-Präsidentenwahl am 26.2.2016 wird keine große Änderung oder Neuausrichtung zu erwarten sein. Der Kandidat Salman Al Khalifa aus Bahrain, Mitglied der Herrscherfamilie, half mit, die blutigen Proteste 2011 in Bahrain brutal zu unterdrücken. Gianni Infantino, Generalsekretär der Uefa, ist ein altgedienter Fußball-Apparatschik und will die Fußball-WM von 32 auf 40 Teams weiter aufblähen.
Michael Ashelm berichtete in faz.net über „neue Vorwürfe gegen beide Funktionäre (Blatter und Platini; WZ), die über den bekannten Fall einer dubiosen Zahlung über zwei Millionen Franken noch hinausgehen.
So prüft derzeit die Schweizer Bundesanwaltschaft offenbar den Grund für einen weiteren siebenstelligen Millionenbetrag, der während der Präsidentschaft Blatters von der Fifa an Platini geflossen ist. Deklariert wurde die Summe, die nach Recherchen der F.A.S. zwischen den Jahren 1998 und 2002 als Kosten für die Fifa auflief, für die angebliche Unterhaltung eines Büros für Platini in Paris. Der Franzose galt zu dieser Zeit als Berater Blatters, der ihn bei dessen Präsidentschaftswahlen stets als Stimmenbeschaffer unterstützte. Erstmals thematisiert hatte die fragwürdige Zahlung der Compliance-Chef des Weltverbandes, Domenico Scala, bei einer Exekutivsitzung am 20. Oktober. Dies ist von Mitgliedern des höchsten Fifa-Gremiums zu hören. Wie es aussieht, gingen die Informationen direkt an die Schweizer Bundesanwälte. (…) Folgende Fragen dürften sich den Ermittlern stellen: Gab es wirklich ein solches Büro? Hat es der französische Verband zur Verfügung gestellt, wofür Platini mit dem Geld der Fifa dann regelgerecht die Miete bezahlte? Oder handelte sich um reine Fiktion? Dann würde sich auch dieser Fall zu Untreue und möglicher Korruption entwickeln“ (Ashelm, Michael, Neuer Verdacht gegen Blatter und Platini, in faz.net 12.3.2016).
Dazu Thomas Kistner in der SZ: „Den Ex-Kicker Platini umgab nie der Ruf, über besondere sportpolitische Talente oder einen brennenden Arbeitseifer zu verfügen. Vielmehr verdankte er den nebulösen Job als Fußballberater jenem martialischen Einsatz, den er für Blatters Inthronisierung als Fifa-Boss im Sommer 1998 geleistet hatte. (…) Nach Blatters Wahl, von der Delegierte später über gut gefüllte Briefkuverts berichteten, verhinderte der geschlagene Gegenkandidat Lennart Johansson den avisierten Aufstieg Platinis zu einer Art Fifa-Superdirektor. Der Franzose musste in Paris bleiben, wo er sich mit einem angeblich vertraglich fixierten Fifa-Jahressalär von rund 300 000 Franken sowie einem bezahlten Mitarbeiterstab für kommende Aufgaben präparierte. Anno 2007 eroberte er dann mit Blatters Hilfe den Uefa-Thron. (…)
Dazu zählt die Büromiete, die sich nach Insiderschätzung gut auf einen sechsstelligen Jahresbetrag summiert haben soll. Am Mittwoch hatte die Tageszeitung Le Monde berichtet, in den FFF-Räumlichkeiten habe nur ‚ein bisschen Platz’für Platini und zwei Mitarbeiter zur Verfügung gestanden. Die Frankfurter Sonntagszeitung vertiefte die Verdachtslage nun mit der Frage, ob es so ein Büro je gegeben habe – ‚oder handelte es sich um reine Fiktion?’“ (Kistner, Thomas, Ärger mit der Miete, in SZ 14.3.2016). Kistner addierte die Millionen-Zahlungen der Blatter-Fifa an Platini auf (1,8 Millionen Euro von 2011 für Beratertätigkeit ab 2002, ein Beraterhonorar von über einer Million von 1998 bis  2002, vier Jahre Büromiete in Paris plus zwei Mitatbeiter etc.) und kam auf rund fünf Millionen Euro Geldfluss von Blatter an Platini (Ebenda).

Im Vorfeld der Präsidentenwahl vom 26.2.2016
– Auch Uefas Infantino gibt den Blatter

Auch Al-Khalifas Konkurrent, der Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino, bedient sich der Machtmechanismen Blatters. “Doch keiner bewegt sich so getreu wie Infantino in den Spuren, die die diskreditierten Amtsinhaber Blatter (1998-2016) und João Havelange (1974-98) gelegt haben.(…) Stimmenfang auf traditionelle Art betreibt der Kandidat des DFB auch im Kernbereich Finanzen. Jedem Fifa-Mitglied stellt Infantino fünf Millionen Dollar an Entwicklungs- und Projekthilfen in Aussicht, eine atemberaubende Steigerung jener zwei Millionen pro Verband, die noch im letzten Vierjahreszyklus von 2011 bis 2014 geflossen waren. Zur Rede steht gar eine weitere Million pro Land an Reisekosten. (…) Keine Berührungsängste mit großem Geld und großzügigen Ausgaben offenbart auch Infantinos Wahlkampfbudget. Die Uefa schießt ihm eine halbe Million Euro zu. (…) Derzeit sieht alles nach einem Duell aus, das wie so oft in der Karibik (35 Stimmen) entschieden werden könnte. Nach Antigua ist Infantino übrigens vorletztes Wochenende gedüst; per Privatjet direkt aus Kigali/Ruanda. Auch solche Trips gibt das Budget locker her” (Kistner, Thomas, Dicke Taschen, dicke Versprechen, in SZ 25.1.2016; Hervorhebung WZ).

– Gewaltenteilung?
Die Uefa stand Ende Januar 2016 nicht geschlossen hinter ihrem Kandidaten Infantino. “Den Premier-League-Chef Richard Scudamore bezeichnet Salman genüsslich als ‘Freund’. (…) Das legt nahe, die zwei Konkurrenten könnten sich die Macht teilen: Salman als Präsident, der in Zukunft stärker repräsentative Funktion haben soll, Infantino als hauptamtlicher Chef” (Kistner, Thomas, Lieber keine Fragen, in SZ 27.1.2016).

Al Khalifa wird Präsident ohne Gehalt, dafür Infantino fürstlich bezahlt?
Der Deal mit Gianni Infantino könnte so aussehen: Al Khalifa wird Präsident und arbeitet ohne Gehalt, Infantino bekommt viel Geld als Fifa-Generalsekretär. Al Khalifa zum Spiegel: “Anders als meine Kontrahenten kandidiere ich nicht, um acht Millionen Euro jährlich zu verdienen… Das Geld ist wesentlich besser angelegt, wenn wir damit marktgerechte Saläre für die Führungskräfte im operativen Bereich der Fifa zahlen – etwa für den Generalsekretär, der künftig als geschäftsführender Direktor fungieren soll” (Scheich Salman will kein Gehalt, in Der Spiegel 5/30.1.2016). Dies wäre eine Distanzierung gegenüber Vorgänger Sepp Blatter. “Noch weniger kann Blatter gefallen, dass Scheich Salman ausdrücklich von acht Millionen Euro spricht. Denn der suspendierte Schweizer hatte sich bis zuletzt geweigert, sein Gehalt publik zu machen, es war eines der bestgehüteten Geheimnisse im Fifa-Hauptquartier” (Ebenda).

– Russland für Infantino?
Der russische Sportminister Witali Mutko über Gianni Infantino: “Infantino ist unser Kandidat” (DPA, Russland für Infantino, in SZ 4.2.2016). Infantino über Russland: “Russland muss ein Vorbild im weltweiten Fußball sein” (Ebenda).

– Afrikaner für Al Khalifa – wie erwartet
Das  Exekutivkomitee des afrikanischen Fußballverbandes Caf sprach sich einstimmig für Al Khalifa aus (Afrikanischer Verband unterstützt Al Khalifa, in spiegelonline 5.2.2016).
Das war vermutlich – wie in Fifa-Kreisen üblich – nicht billig.
Dan hätte Al Khalifa neben den 46 Stimmen des asiatischen Verbandes die 54 Stimmen der Afrikaner. Gegenkandidat Infantino äußerte, ihm seien 105 Stimmen sicher (Ebenda).

Al-Sabah vor der Wahl vom 26.2.2016
Bei der Verleihung des “Ballon d’Or” – Auszeichnung Fußballer des Jahres in Zürich: “Das IOC-Mitglied Ahmad Al-Fahad Al-Sabah verschwindet gleich nach der Ankunft in einem Konferenzraum. Der Mann aus Kuwait ist ein Unterhändler von Scheich Salman bin Ebrahim Al Khalifa aus Bahrain. Al-Sabah sammelt für Scheich Salman Stimmen, der Ballon d’Or ist eine gute Gelegenheit, den einen oder anderen Verbandsvertreter zu bearbeiten. (…) Ein paar Tage nach der Verleihung des Ballon d’Or gibt es Neuigkeiten von Scheich Salman, es sickert durch, wo er sich aufgehalten hat, während sein Konkurrent Infantino in Zürich Champagner schlürfte. Der Scheich weilte auf Jamaika, er traf sich dort mit Vertretern karibischer Verbände, um sich deren Stimmen zu sichern. So hat es Blatter auch immer gehalten” Pfeil, Gerhard, Wulzinger, Michael, Halleluja, in Der Spiegel 7/13.2.2016).

– Al Khalifa wird noch undemokratischer
Angeblich hat Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino für die Wahl am 26.2.2016 die Stimmen fast aller Europäer (53) und die Mehrheit bei den Amerika-Verbänden Concacaf (35) und Conmebol (10). “Salman zeigt schon Nerven. Und neuerdings auch ein bizarres Demokratieverständnis: Er verlangt nun, die Verbände sollen sich auf einen Kandidaten einigen – vor der Kür. Das ist entlarvend. Dazu passt die letzte Patrone, die Infantinos Leute für die Schlussphase aufbewahren: Salman und die Menschenrechte” (Kistner, Thomas, Blatters Nachbar, in SZ 13.2.2016). Derweilen reist Infantino im Uefa-Business-Jet mit dem Kennzeichen ZS-TEJ durch die Fußball-Welt wie weiland Sepp Blatter und will die WM auf 40 Teams aufblähen: Das bringt Stimmen der Fußball-Zwerge! (Ebenda).
Al Khalifa und Infantino: zwei würdige Nachfolger von Blatter! Vermutlich wird Ersterer Präsident und der Zweite Fifa-CEO. Arbeitsteilung nennt man das – oder Macht-Teilung.

– Welcher Fifa-Funktionär traut sich nach Zürich?
„Hektik greift um sich in Zürich, wo seit Wochenbeginn die Delegierten aus der großen weiten Fußballwelt eintrudeln. Am Freitag sollen die Vertreter der 209 Nationalverbände den neuen Präsidenten des Weltverbandes Fifa wählen, weshalb allmählich auch die Frage in den Vordergrund drängt, wie viele davon anwesend sein werden – und wer sich vertreten lässt. Im Mai 2015, als die Fifa ihren letzten Kongress abhielt, schlug die Strafjustiz zu. Diesmal, ist zu hören, werde mancher Funktionär den Flug in die Schweiz erst gar nicht antreten“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Streit um die Glaskabine, in SZ  24.2.2016)..

– Lobbyarbeit: Fifa-Business as usual
„Auch den früheren Fifa-Funktionär Jérôme Champagne bringen die Bedingungen rund um die Wahl in Rage. Er legte bei der Wahlkommission Beschwerde ein: Infantino und Salman würden bevorzugt. Deren Kontinentalverbände, Europa und Asien, erhielten 20 beziehungsweise sieben zusätzliche Akkreditierungen für den Kongress – der Zweck liegt für Champagne auf der Hand: So können die Kandidaten ihre Lobbyarbeit im Kongresssaal in den entscheidenden Stunden selbst direkt am Wähler fortsetzen. Champagne sieht darin einen Verstoß gegen das Fairness-Prinzip“ (Ebenda).

– Präsidenten-Wahl: Handy-Foto als Beweis?
“Am klarsten positioniert sich bisher Prinz Ali. Am Dienstag teilte der Jordanier mit, er habe sich an den Internationalen Sportgerichtshof (Cas) gewandt, um die Wahl verschieben zu lassen. Ali will, dass die Stimmabgabe in gläsernen Kabinen stattfindet – nur so ließe sich verhindern, dass Delegierte per Handy ihre ausgefüllten Stimmzettel abfotografieren, um hernach beweisen zu können, wen sie gekürt haben. Die Wahlkommission lehnte Alis Antrag in der Vorwoche ab, verbot den Delegierten aber, bei der Stimmabgabe ein Handy mitzuführen. Der Cas kündigte eine Entscheidung bis Donnerstagmorgen an. Ein Votum pro Ali ist unwahrscheinlich” (Ebenda).

Al-Sabah will Al Khalifa

“So wird auch die Rolle von Domenico Scala zu einem der tragenden Flüsterthemen bei den Zürcher Zusammenkünften. Der Schweizer Manager führt seit Längerem die Wahl- sowie die Auditkommission und galt zuletzt als treibende Kraft hinter den Reformen. (…) In Kandidaten- und anderen Kreisen wird auch diskutiert, dass sich Scala vor kurzem in privatem Rahmen mit Scheich Achmad al-Sabah ausgetauscht habe. Der Fifa-Vorstand, dessen Kuwait-Verband derzeit gesperrt ist, ist sehr umstritten. Bei vielen Wahlen in der Sportwelt, zuletzt im Internationalen Olympischen Komitee, war Al-Sabah der Königsmacher; es gilt als offenes Geheimnis, dass er seinen Scheich-Kollegen Salman gern als Fifa-Chef sähe. In dem Kontext fällt nun auf, dass der von Scalas Kommission bei allen Bewerbern durchgeführte sogenannte Integritätscheck bei Salman zu keinen Beanstandungen geführt hatte, obwohl Menschenrechtsorganisationen seit Jahren dessen Rolle bei der Niederschlagung der bahrainischen Protestbewegung 2011 anprangern. Salman weist die Vorwürfe von sich, doch sogar Sportler belasten ihn” (Ebenda).

– Jens Weinreich über den Cheflobbyisten von IOC und Fifa, Al-sabah:
„An erster Stelle wäre der Strippenzieher Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah aus Kuwait zu nennen, jener Mann, der schon viele wichtige Wahlen durch seinen Einfluss mitentschieden hat, etwa 2013 die Krönung des Deutschen Thomas Bach zum Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Dazu kommt die Unterstützung von so mächtigen Figuren wie Katars Emir Tamim Bin Hamad Al-Thani und Russlands Präsidenten Wladimir Putin, der über seinen Spezi, Russlands Sportminister Witali Mutko, direkt Einfluss im Fifa-Exekutivkomitee nehmen kann. Putin und der Emir haben dringendes Interesse daran, dass in der Fifa wieder Ruhe einkehrt – und vor allem daran, dass die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 trotz aller Kritik wie beschlossen in ihren Ländern stattfinden und nicht neu vergeben werden. (…) Ihm wird die Veruntreuung von Entwicklungshilfefonds (für einen früheren Fifa-Wahlkampf) und die Beteiligung an der Niederschlagung des Arabischen Frühlings 2011 vorgeworfen. Wenn sich Salman dazu mal äußert, spricht er gern von einer Kampagne gegen ihn. Dabei lässt er sich von einem Mann mit beraten, der für Kampagnen in der Branche bekannt und berüchtigt ist: Blatters langjährigem Berater Peter Hargitay und dessen Sohn Stevie. Die Anwälte des Scheichs von der Londoner Kanzlei Schillings drohen Medien auch einmal mit teuren Klagen, wenn auch nur Fragelisten an den Fifa-Kandidaten geschickt werden“ (Weinreich, Jens, Der Scheich und sein Königsmacher, in spiegelonline 25.2.2016).

– Der Wahltag

Fifa-Sonderkongress: erstmals Blatter-frei

„So haftet dem Sonderkongress ein Stück Geschichte an: Es ist der erste Blatter-freie seit 40 Jahren. Der erste ohne den ewigen Patron, der die Fifa seit 1981 als Generalsekretär (sprich: hauptamtlicher Chef) und seit 1998 als Präsident befehligt hatte. Über vier Dekaden hat er den Verband in jene Sumpflandschaft geführt, die nun die ganze Organisation ins Wanken und ins Visier internationaler Strafermittlungen gebracht hat“ (Kistner, Thomas, Absurder Rabatt, in SZ 26.2.2016).

– Al Khalifa von Russland gepushed
„Bisher schien die Grundkalkulation klar zu sein: Salman hat das Gros der Stimmen Asiens (47) und Afrikas (54) hinter sich. Infantino glaubte seine 53 Europäer hinter sich sowie an einen Vorsprung in Ozeanien (11) und den beiden Amerika-Verbänden Concacaf (35) und Südamerikas Conmebol (10). Letzterer hatte sich sogar geschlossen für ihn ausgesprochen. Doch je näher die Wahl rückt, umso wackeliger erscheint diese Wahlstatik. Aus Kreisen von Golf-Funktionären wurde Donnerstagabend transportiert, ein markant großer Teil an Nationalverbänden sei aus dem europäischen Block ausgebrochen – angeblich unter russischer Führung. Dazu passt, dass der russische Verbandschef Witalij Mutko, zugleich Sportminister und ein alter Petersburger Vertrauter von Staatspräsident Wladimir Putin, bis vor Kurzem noch öffentlich einen Deal zwischen Scheich Salman und Infantino befürwortet hatte. Schließlich soll auch der scheidende Fifa-Patron Sepp Blatter im Hintergrund einige Gespräche geführt haben“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Trend zum Scheich, in SZ 26.2.2016).

– Menschenrechte: Al Khalifa baut vor
„Scheich Salman scheint derweil schon für den Fall vorzusorgen, dass er die Wahl tatsächlich gewinnt. Auszugehen wäre dann davon, dass er bei der ersten Pressekonferenz einen Sturm kritischer Fragen abwehren muss. Seit Wochen steht er wegen seiner Rolle bei der Niederschlagung der Protestbewegung in Bahrain anno 2011 in der Kritik, damals sollen auch Sportler gefoltert worden sein. Salman weist alle Vorwürfe zurück; am Donnerstag tat er Berichte über seine Vergangenheit gegenüber CNN erneut als ‚politisches Werkzeug‘ ab. Andererseits liegen Berichte und Zeugenaussagen vor. In Zürich sind jedenfalls bereits bahrainische Fußballer aufgeschlagen – mutmaßlich, um Salman zu stützen“ (Ebenda).
Vor der Wahl am 26.2.2016 demonstrierten „Jubel-Bahrainer“ für Al Khalifa – und Gegendemonstranten prangerten den Menschenrechts-Verletzer an, siehe unten.

Fifa-„Reform“-Paket gebilligt
179 von 201 Nationalverbänden verabschiedeten die Pseudo-Reform: das Exekutivkomitee wird auf 36 Mitglieder (darunter sechs Frauen) erweitert, der neue Generalsekretär wird noch mächtiger (nach dem derzeit suspendierten Jérôme Valcke kein gutes Zeichen), die hohen Funktionäre dürfen dies nur noch für zwölf Jahre sein, Gehälter werden offengelegt (Fifa verabschiedet Reformpaket, in spiegelonline 26.2.2016). – Valcke wurde am 12.2.2016 von der Fifa-Ethik-Kommission für zwölf Jahre gesperrt, da er TV-Rechte weit unter Wert verkauft und sich am Ticketverkauf für Weltmeisterschaften persönlich bereichert habe (Fifa sperrt Rx-Generalsekretär Valcke für 12 Jahre, in spiegelonline 12.2.2016).

– Sexwale zog Kandidatur zurück (Ahrens, Peter, Teevs, Christian, Blog, Zürich in spiegelonline 26.2.2016)

– Infantino verteilt Geld
„‚Das Geld der Fifa ist Ihr Geld und nicht das Geld des Fifa-Präsidenten‘, rief er in den Saal, in der Fifa gebe es noch 1,2 Milliarden Dollar zu verteilen – prompt erntete er die lauteste Zustimmung des Nachmittags. Das war schon insofern eine bemerkenswerte Botschaft, als Stunden zuvor der interimistische Generalsekretär Markus Kattner etwas recht Erschreckendes rapportiert hatte: Die Fifa steuerte in eine ökonomisch ziemlich angespannte Situation. Für den Zyklus bis 2018 könnten bis zu 550 Millionen Dollar fehlen. Zu den zentralen Kostenfressern zählen auch die Anwälte der Kanzlei Quinn Emanuel, die Kontakt mit der US-Justiz halten und diverse Affären auch selbst aufarbeiten sollen – für zehn Millionen Dollar pro Monat. In jedem Fall könnten sich laut Kattner die Rücklagen von 1,5 Milliarden Dollar rasant reduzieren“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Der nächste Schweizer, in SZ 27.2.2016; Hervorhebung WZ).

1. Wahlgang – Ergebnis: Prinz Salman 85, Infantino 88, Champagne 7, Prinz Ali 27. (Im 1. Wahlgang war die Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Ab dem 2. Wahlgang reicht die einfache Mehrheit, vgl. Wahlmodus für den außerordentlichen Fifa-Kongress). – „Infantino lag mit 88 Voten knapp vor Salman mit 85… Danach tourten ein paar aufgebrachte Stimmenbeschaffer durch den Saal, vorneweg der Kuwaiter Al-Sabah“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Der nächste Schweizer, in SZ 27.2.2016).

2. Wahlgang: Gianni Infantino ist Präsident
„Gianni Infantino ist neuer Präsident des Fußball-Weltverbands Fifa. Der 45-Jährige aus der Schweiz setzte sich beim außerordentlichen Fifa-Kongress in Zürich gegen den zuvor als Favoriten gehandelten Scheich Salman bin Ibrahim al Khalifa durch. Infantino erhielt 115 der 207 Stimmen und damit die erforderliche Mehrheit, für Scheich Salman votierten 88 Delegierte. (…) Infantino, der bisherige Generalsekretär des europäischen Dachverbands Uefa, hatte unter anderem die Unterstützung des Deutschen Fußball-Bunds. Infantino hatte als Kandidat den ebenfalls gesperrten Uefa-Präsidenten Michel Platini ersetzt, der eigentlich Blatters Amt übernehmen wollte“ (Gianni Infantino ist neuer Fifa-Präsident, in spiegelonline 26.2.2016).

– Blatters vergiftetes Lob
„Direkt nach der Wahl Gianni Infantinos zum neuen Präsidenten des Weltverbandes meldete sich der Vorgänger jedoch mit warmen Worten: Infantino sei ein ‚würdiger Nachfolger‘. Der neue Chef habe ‚alle Qualitäten, meine Arbeit fortzusetzen und die Fifa wieder zu stabilisieren‘, erklärte der von der Ethikkommission für sechs Jahre suspendierte Blatter. (…) Immer wieder kokettierte Blatter damit, dass sich vier von fünf Präsidentschaftskandidaten vor dem Kongress bei ihm gemeldet hätten. Auch mehrere Verbände fragten nach, wem sie denn ihre Stimme geben sollten. Teile des Wahlprogramms von Uefa-Generalsekretär Infantino und Scheich Salman bin Ibrahim al-Chalifa lesen sich wie aus einem Blatter-Handbuch. Eine Empfehlung für die Kür seines Nachfolgers wollte er öffentlich zwar nicht abgegeben, ließ es sich aber nicht nehmen, den Bahrainer al-Chalifa gegen Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen in Schutz zu nehmen“ (Ein Gespenst namens Blatter, in spiegelonline 26.2.2016; Hervorhebung WZ. Infantino flog im von der Uefa gecharterten Flugzeug rund um die Welt und hat Posten verteilt; Tagesschau 26.2.2016).
Da hat der Einfluss von Al-Sabah für Al Khalifa offensichtlich doch nicht ausgereicht. Bleibt abzuwarten, ob die Wahl zwischen Infantino und Al Khalifa nicht doch eine zwischen Pest und Cholera war.

– Pressestimmen:

Manager Magazin: „Scheich Salman musste seine Niederlage schließlich einräumen. Sein Verbündeter Scheich Ahmad al-Fahad Al-Sabah hatte praktisch den ganzen Tag seinen Platz auf dem Exekutivpodium leer gelassen. (…) Scheich Salman war vom DFB stark kritisiert worden. Es gibt Vorwürfe, dass er bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung in seiner Heimat 2011 oppositionelle Fußballer denunziert haben soll. Vor der Halle demonstrierten Menschenrechtsgruppen gegen Folter und Gewalt durch die Herrscher in Bahrain. Am frühen Vormittag hatte eine kleine Gruppe Anhänger sich für den Scheich engagiert“ („Ich will eine neue Ära, in manager-magazin.de 26.2.2016).
spiegelonline
: „In seinem aufwendig gestalteten Bewerbungsprospekt hatte Infantino die Erweiterung der EM von 16 auf 24 Mannschaften, in die er ‚eingehend involviert‘ gewesen sei, als ‚großen Erfolg‘ gepriesen – Monate, bevor das Turnier erstmals in diesem Format ausgetragen wird. (…) Noch wichtiger für Salmans Niederlage könnte aber das Geld gewesen sein, das Infantino den Landesverbänden versprach. Er präsentierte sich als erfolgreicher Manager der steinreichen Uefa, wie die ‚Neue Zürcher Zeitung‘ analysiert: Infantino stehe für ‚die auf ökonomischen Prinzipien beruhenden Uefa-Maximen‘, nämlich: ‚immer größere Turniere, immer mehr Geld aus dem Fernsehmarkt pressen, steigende Prämien für Landesverbände und Fußballklubs‘. (…) Die meisten aber sehen es wie der britische Journalist David Conn im ‚Guardian‘: Infantino, traditionell ein Gegner von Reformen, sei keine Garantie für bessere Zeiten. Im Gegensatz zu Salman ermögliche er aber zumindest eine Mischung aus Hoffnung und Skepsis“ (Zurück in die Zukunft, in spiegelonline 27.2.2016).
Thomas Kistner in der SZ: „Genau besehen gibt der neue Chef nur leider wenig Anlass, von einem echten Neubeginn zu reden. Nicht nur seine Herkunft aus Sepp Blatters Nachbarort im Schweitzer Oberwallis zeigt ein gemeinsames Wurzelwerk an. Infantino darf als ein klassischer Vertreter des alten Systems gelten. (…) Die Aufstockung des WM-Turniers von 32 auf 40 Teilnehmer träfe insbesondere seine Kernklientel ins Mark, Europas Großverbände und die Klubvereinigung ECA, die sich drastisch gegen diese Aufblähung positioniert hat. (…) Zudem muss Infantino vorrechnen, wie er die fünf Millionen Dollar pro Verband aufbringen will, die er für den nächsten Finanzzyklus versprochen hat (Blatter light, in SZ 27.2.2016).
Jens Weinreich in spiegelonline: „Eine demokratische Grundhaltung kann man ihm (Infantino; WZ) Insofern sind alle Äußerungen, die die Wahl zwischen Infantino und dem favorisierten Scheich Salman Bin Ibrahim Al-Khalifa aus Bahrain als Wahl zwischen Pest und Cholera bezeichnen, ziemlicher Unsinn. Infantino ist das kleinere Übel. (…) Es ist ein riesiges Puzzle, das Infantinos Crew besser zusammengesetzt hat als die Leute des Scheichs. Dessen Wahlkämpfer, allen voran der sonst so erfolgreiche Kuwaiti Husain Al-Musallam, der treue Diener des IOC-Scheichs Ahmad Al-Sabah, war der Schock ins Gesicht geschrieben“ (Defensive, Konter, Tor? in spiegelonline 27.2016).
Gary Lineker, englischer Ex-Nationalspieler und TV-Experte: „Ich habe das seltsame Gefühl, dass Gianni Infantino die Maske abnimmt und sich als Sepp Blatter entpuppt“ (Blatter nennt Infantino „würdigen Nachfolger“, in spiegelonline 27.2.2016. Oder hinter Infantinos Maske steht: Michel Platini…).
Aus einem Kommentar von Thomas Kistner in der SZ: „Gewonnen hat der Meistbietende: Gianni Infantino heißt der neue Präsident des Fußball-Weltverbands Fifa. Monatelang hatte der Mann, der wie sein Amtsvorgänger Sepp Blatter aus dem Oberwallis stammt, im Privatjet den Globus umkreist und der Fußballwelt noch mehr Reichtümer versprochen: 1,2 Milliarden Dollar will er verteilen. Das ist ambitioniert angesichts der ökonomischen Talfahrt, auf der sich die Fifa gerade befindet. Und Infantino will das WM-Turnier von 32 auf 40 Teams aufstocken, damit auch Guam und Guinea vom Platz auf der Showbühne träumen dürfen. Der neue Strahlemann lädt alle ein – wie einst Blatter. Infantino entstammt dem alten Verbandssystem. Die Europäische Fußball-Union Uefa, deren Generalsekretär er bis Freitag war, hat sich unter ihm (und dem wie Blatter gesperrten Präsidenten Michel Platini) in eine Art Fifa light verwandelt. Affären wurden unter den Teppich gekehrt, bei Wahlen wurden die dubiosesten Kollegen umgarnt. Infantino hat bei Platini gelernt, und Platini lernte bei Blatter. So einfach funktioniert eine Welt, die nur die Sprache des Geldes kennt“ (Kistner, Thomas, Von Sepp Blatter viel gelernt, in SZ 29.2.2016).
Johannes Aumüller und Thomas Kistner in der SZ: „Salman hatte schon im Wahlkampf permanent Schlagzeilen gemacht, weil er die Debatte um seine Rolle bei der Niederschlagung des Arabischen Frühlings 2011 in Bahrain lieber mit teuren Anwälten bekämpfte statt mit schlüssigen Darlegungen. Unter einem Präsidenten Salman hatte die Fifa zusätzliche Turbulenzen zu befürchten. Hinzu kam: Hinter Salman stand sein Scheich-Kollege aus Kuwait. Ahmed al- Sabah, der erst 2013 seinem Funktionärsfreund Thomas Bach im Internationalen Olympischen Komitee auf den Thron geholfen hatte, ist einer der mächtigsten Strippenzieher im Weltsport. Hätte er nun auch Salman ins Amt gehievt, wäre der Einfluss des IOC auf die schon aus Konkurrenzgründen ungeliebte Fifa stark gewachsen. (…) Und da war noch ein Handicap. Salman hatte sich im Asien-Verband, den er seit 2013 führt, mit seinem Vorgänger Mohamed Bin Hammam aus Katar und Prinz Ali überworfen. Aus Unterstützerkreisen des Scheichs drang gar vor der Wahl in Zürich, die US-Justiz sei informiert, dass ihr eine Fifa unter Salman nicht im Wege stünde im Falle harter Schritte gegen Katar, den WM-Ausrichter 2022. Wahr oder nicht, aus Sicht Katars war der Rivale von der Golf-Insel keine Option“ (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Exodus aus dem eigenen Lager, in SZ 1.3.2016.

Nachtrag 1: Uefa kopflos
Der frühere Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino ist seit 26.2.2016 neuer Fifa-Präsident. Der für sechs Jahre suspendierte frühere Uefa-Präsident Michel Platini versucht, über den Internationalen Sportgerichtshof Cas sein Amt zurückzubekommen – auch um die Fußball-EM 2016 (10.6. bis 10.7.2016) als Uefa-Präsident zu leiten. Das Cas-Urteil wird für Mai 2016 erwartet, am 3.5.2016 soll in Budapest ein neuer Uefa-Präsident gewählt werden. Interimistisch wurde der Grieche Theodore Theodoridis als Nachfolger Infantinos im Amt des Generalsekretärs von der Uefa bestimmt (Theodoris ersetzt Infantino bis zum Sommer, in spiegelonline 4.3.2016).

Nachtrag 2: Auch Infantino schmeisst mit Geld um sich
„Die Fifa hat nicht nur Blatters letzten Lohn offengelegt, sondern auch die Bezüge der Mitglieder des Exekutivkomitees (festes Jahresgehalt von 300 000 Dollar); ausserdem auch den Jahreslohn von Domenico Scala (200 000 Dollar) oder des Generalsekretärs Jérôme Valcke (2,1 Millionen Franken). Dieser ist seit September suspendiert. (…) Wichtiger als die transparenten Löhne ist für die Fifa, dass sie weiter 550 Millionen Dollar hinter den Zielen für die Geschäftsperiode 2015-2018 liegt. Präsident Infantino sagt dennoch: ‚Mit den jüngst verabschiedeten Reformen glaube ich, dass die Fifa gestärkt aus diesen Ereignissen hervorgehen wird.‘ Er hat angekündigt, das Budget für Fussballförderung von 900 Millionen Dollar um 517 Millionen zu erhöhen. Es ist ein bewährtes Rezept: Sinnkrisen mit Geld zu vertreiben“ (Clalüna, Flurin, Es regnet kein Geld mehr, in nzz.ch 17.3.2016).

Nachtrag 1: Der Blatter fällt nicht weit vom Blatter
Der chinesische Konzern Wanda des chinesischen Milliardärs Wang Jianglin wird Top-Sponsor der Fifa bis zur WM 2030. Wandas Topmanager ist „Philippe Blatter: der Neffe, enge Vertraute und auch langjährige Geschäftspartner des Skandalfunktionärs Sepp Blatter, in dessen Ägide sich der Weltverband in eine Sumpflandschaft verwandelt hat. Wanda hat jüngst für eine Milliarde Euro die Schweizer Sportagentur Infront erworben, der Blatters Neffe bis dahin vorstand. Für Insider zeichnete sich der Geschäftsdreh der Fifa Richtung Fernost schon ab, als Sepp Blatter bei seiner Wiederwahl im Mai 2015 Wanda-Boss Wang in Reihe eins des Kongresssaals platzierte, zur Rechten von Neffe Philippe“ (Kistner, Thomas, Blatter hilft Fifa, in SZ 19.3.2016). Also kein neuer Kurs – auch nicht unter dem neuen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino: „Infantino sieht die intensive Verquickung mit Blatters Netzwerk aber so unproblematisch wie ein anderes Fußballengagement von Wanda… Und schließlich will China auch die WM 2026 ausrichten. Dafür werden offenbar schon erste Weichen gestellt“ (Ebenda).

Nachtrag 2: Von Sepp Blatter zu Philippe Blatter: und die Fußball-WM 2026 in China
Zum neuen Fifa-Top-Sponsor Wanda, den Gianni Infantino nicht zufällig aus dem Hut gezaubert hat, schreibt Thomas Kistner in einem Beitrag in der SZ: „Die Fifa gibt sich ja nun gern den Anschein, als sei sie voll auf Reformkurs; fromme Compliance-Regeln hat sie sich verordnet. Was die wert sind, zeigt gleich der erste Sponsorendeal in der Ägide des Präsidenten Gianni Infantino: Wo nirgendwo mehr Blatter draufstehen darf, steckt so viel Blatter drin wie stets. Der chinesische Konzern Wanda wird Fifa-Topsponsor, das heißt: Die Muttergesellschaft eines wichtigen Fifa-Vermarkters wird zugleich Fifa-Geldgeber. Infantino findet, so ein Vertrag-Strickwerk genüge ‚höchsten Standards‘. Compliance nach Fifa-Art. Wenn sich die westliche Welt abkehrt, wendet sich die Fifa eben der östlichen zu. In Partnern wie Wanda oder Putins Energiekonzern Gazprom sieht sie die Zukunft. Solche Partner nerven auch nicht mit Anstandsappellen wie mancher verbliebene westliche Topsponsor: Coca-Cola, Visa, McDonald’s, Adidas. Unübersehbar sind die Zeichen der Zeit; Russland und Katar haben die WM bereits, China will die nächste. Das Turnier 2026 soll her, Staatschef Xi Jinping persönlich äußerte diesen Wunsch – auch an die Adresse des Herrn Wang. Der Milliardär arbeitet nun daran. Dass Wanda über Infront auch Anteile am Ticket- und Hospitality-Partner der Fifa hält, der Match Hospitality AG, rundet das Paket ab“ (Kistner, Thomas, Zurück in die Zukunft, in SZ 21.3.2016).

Nachtrag 3: Platini inszeniert PR-Kampagne
Am 29.4.2016 fand das Einspruchsverfahren von Michel Platini gegen die Sechs-Jahres-Sperre durch die Fifa vor dem Cas in Lausanne statt. Platinis Anwalt Yves Wehrli wollte eine „vollständige Weißwaschung“ Platinis erreichen (Kistner, Thomas, Nur ein Freispruch zählt, in SZ 29.4.2016). Als Zeuge aufgeboten wurde der Spanier Angel Maria Villar Llona, seit 1998 Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees – und bestens übelbeleumdet durch diverse Vorgänge in der Fifa. Er „soll nun bezeugen, er habe gehört, wie über den mündlichen Vertrag zwischen Blatter und Platini zur Millionenzahlung geredet worden sei. (…) Blatter und Platini: Das ist die Geschichte einer Zweckfreundschaft, die sich in Hassverkehr t hat. Jetzt aber müssen beide ganz fest zusammenhalten“ (Ebenda). Die Uefa führt Platini weiter als Präsidenten: „Beim Uefa-Kongress am Dienstag, 3. Mai, in Budapest, steht das Thema Präsidentenwahl gar nicht auf der Agenda“ (Ebenda).

Nachtrag 4: Platini aus der Uefa schon draußen?
Die Französin Florence Hardouin wurde beim Kongress der Uefa in Budapest am 3.5.2016 in das Exekutivkomitee der Uefa gewählt – der auf sechs Jahre gesperrte Uefa-Präsident Michel Platini selbst hat in der Uefa die Richtlinie forciert, „dass in ihren Spitzengremien nur ein Vertreter pro Nation sitzen soll“ (Kistner, Thomas, Zwei Stiche gegen Platini, in SZ 4.5.2016). Dazu wurde der Kosovo-Fußballverband in die Uefa aufgenommen – mit 28 Pro und 24 Gegenstimmen. „Platini war stets gegen diese Aufnahme, auch wegen seiner guten Drähte zu Serbiens Verbandschef Tomislav Karadzic. (…) Hingegen hatte Blatters Fifa schon 2012 beschlossen, der Kosovo dürfe Freundschaftsspiele mit allen 208 Mitgliedslndern austragen. Gegen die Einwände des Uefa-Chefs Platini“ (Ebenda). Die Uefa ist derzeit kopflos: Platini ist suspendiert, ihr Generalsekretär Gianni Infantino wurde zum Fifa-Präsidenten gewählt. „Nun soll, bei einem eilig anberaumten Sondertreffen, schon am 18. Mai in Basel die Verbandsspitze neu geordnet werden. Irgendwie. Nach Platinis letztem Urteil, und nach acht Monaten der Agonie“ (Ebenda).

Nachtrag 5: Platini tritt zurück
Am 9.5.2016 gab der Cas bekannt, dass er nach Platinis Sperre durch das Fifa-Exekutivkomitee von acht Jahren im Dezember 2015 und die Minderung durch die-Fifa-Berufungskommission auf sechs Jahre nunmehr auf vier Jahre reduziert. Am 18.5.2016 wird die Uefa die Platini-Nachfolge diskutieren. (Platini tritt zurück, in spiegelonline 9.5.2016; Platini bleibt vier Jahre gesperrt, in spiegelonline 9.5.2016). „Schade, dass es in der Welt des Sportrechts keine weiteren Instanzen gibt. Ursprünglich musste er eine lebenslange Sperre befürchten. Dann entschieden die Ethiker des Fußball-Weltverbandes auf acht Jahre, die Berufungskommission kam auf sechs – und der Internationale Sportgerichtshof (Cas) nun noch auf vier. Und das irritiert durchaus“ (Aumüller, Johannes, Aus dem Spiel, in SZ 10.5.2016).

Nachtrag 6: Chefaufseher Domenico Scala tritt zurück
Auf dem Fifa-Kongress in Mexiko-Stadt ernannte Fifa-Präsident Gianni Infantino (im Alleingang?) überraschend die senegalesische Diplomatin Fatma Samoura zur Fifa-Generalsekretärin (Senegalesin wird Fifa-General, in SZ 14.5.2016). Infantino ließ am 14.5.2016 den Fifa-Kongress auch beschließen, „dass das Council bis zum kommenden Jahr die Mitglieder der Audit- und Compliance-Kommission, der Ethikkommission, der Disziplinarkommission und der neuen Governance-Kommission selbst berufen und entlassen kann. Dieses Recht ist nach den Statuten eigentlich dem Kongress vorbehalten. Pikant ist die Entscheidung deshalb, weil die Kommissionen die Council-Mitglieder kontrollieren sollen, von denen sie nun berufen und entlassen werden können“ (Fifa-Macher wählen ihre Kontrolleure künftig selbst, in spiegelonline 14.5.2016). Chefaufseher Domenico Scala verließ aus Protest den Saal – und trat zurück. „Ich bin über diesen Beschluss konsterniert, da damit eine zentrale Säule der Good Governance der Fifa untergraben und eine wesentliche Errungenschaft der Reformen zunichte gemacht wird“ (Fifa-Chefaufseher Scala tritt zurück, in spiegelonline 14.5.2016).
Aus einem Kommentar von Peter Ahrens in spiegelonline: „Wahrscheinlich ist die Fifa einfach ein hoffnungsloser Fall. Neuanfang, Umbruch, Zeitenwende – all die großen Worte, die rund um den Amtsantritt von Gianni Infantino gefallen sind, sind gleich beim ersten Check als Luftnummern enttarnt worden. Der Beschluss des Kongresses von Mexiko-Stadt, sich die Kontrolleure des Reformprozesses selbst erwählen und auch wieder feuern zu können – das ist beste Politik im Sinne des skandalösen Amtsvorgängers Joseph Blatter. Der Rücktritt des düpierten Chefaufsehers Domenico Scala ist die einzig logische und integre Reaktion darauf gewesen. (…) Infantino, der Medienprofi, weiß genau, welches miserable Image der Weltverband sich in den vergangenen Jahrzehnten erarbeitet hat. Das öffentliche Ansehen der Fifa dürfte ungefähr auf Augenhöhe mit der Mafia angesiedelt sein. Das hat sie João Havelange und Joseph Blatter zu verdanken, den beiden früheren Präsidenten, dazu Typen wie Mohammed Bin Hammam und Jack Warner, den Meistern des Gebens und Nehmens im berüchtigten Exekutivkomitee. Das alles ist (noch) nicht Infantinos Schuld“ (Ahrens, Peter, Dann kann sich die Fifa gleich auflösen, in spiegelonline 14.5.2016).
Aus einem Beitrag von Thomas Kistner in der SZ: „Politisch ist die Personalie Samoura peinlichst korrekt: Wer traut sich, da Kritik anzumelden? In der Praxis sieht es so aus, dass die neue Vorstandschefin keinerlei Erfahrung im Sport oder im Marketing mitbringt, erst recht keine in der Führung eines globalen Milliardenbetriebs. Über Nacht bekam die UN-Mitarbeiterin ein Amt, das sie in Lottogewinner-Dimensionen katapultiert: Zwei bis drei Millionen Franken inklusive Boni kann es einbringen. Es wird aber dauern, bis sich Samoura in die äußerst verfilzte Fußballbranche eingelebt hat. (…) Samoura erwählte Infantino vorbei am Vorstand, der in ein 36-köpfiges Council umgewandelt wurde, vorbei an der Kongress-Agenda, die das Thema nicht führte. Und vorbei am Medienstab, der öffentlich stets auf eine Beschlusslage im späten Sommer verwies. (…) Hinzu kommt ja ein zweiter Coup, mit dem Infantino soeben einen lästigen Aufseher los wurde: Domenico Scala. Der Chef des Compliance-Komitees hat maßgeblich die Reformen vorangetrieben; er saß auch dem Entschädigungskomitee vor, das vor Wochen die Saläre von Präsident und Generalsekretär festlegte. Scalas Gremium verfügte, dass Infantinos Salär unter dem der Generalsekretärin liegt; der Präsident hat ja keine operative Aufgabe mehr. (…) Jedenfalls überrumpelte Infantino die Delegierten nicht nur mit seinem Samoura-Solo. Der Kongress sollte plötzlich, ohne nähere Darlegung, auch abnicken, dass bis Mai 2017 nur das Council die Mitglieder der bisher unabhängigen Komitees für Compliance und der zwei Ethikkammern ernennen darf – und auch absetzen. Die Regelung wurde damit begründet, dass nur so die Vakanzen in den Gremien rasch behoben werden könnten. In der Tat sind gerade wieder einige Personalvorschläge am internen Integritätscheck gescheitert. Aber das Recht zur Abberufung schafft Brisanz. Es dürfte auch die US-Justiz interessieren, die die Reformversuche der Fifa aufmerksam verfolgt“ (Kistner, Thomas, Wie zu Blatters Zeiten, in SZ 17.5.2016).

Nachtrag 6: Fifa-Finanzchef Markus Kattner entlassen
Gegen Kattner lief ein Ermittlungsverfahren der Fifa-Ethikkommission. Er soll Sonderzahlungen von umgerechnet rund 4,5 Millionen Euro nach der Fußball-WM 2010 und 2014 erhalten haben. Am 23.5.2016 wurde er fristlos gekündigt – „wegen Verletzung seiner treuhänderischen Verantwortung“ (Fifa soll gegen Kattner ermitteln in spiegelonline 26.5.2016).

Nachtrag 7: Steckt Infantino hinter Kattners Entlassung?
Zwischen Kattner und Fifa-Präsident Infantino hatte es in letzter Zeit Konflikte gegeben.“Infantino ist offenkundig darauf aus, die Fifa auf seine Linie zu bringen und sich seinen eigenen Führungsstab zusammenzustellen. Beim Kongress in Mexiko vor knapp zwei Wochen präsentierte er – überraschend selbst für die Vorständler des Weltverbandes – die Fußball-unerfahrene UN-Diplomatin Fatma Samoura aus  dem Senegal als neue  Generalsekretärin… die Vermutung, dass Infantino hofft, die  Seiteneinsteigerin besser steuern zu können als etwa Kattner, liegt nahe“ (Aumüller, Johannes, Mehr als nur Millionen-Boni, in SZ 25.5.2016).
Unter dem Titel „Der nächste Autokrat“ beschreibt Thomas Kistner in der SZ die Fifa-Politik Infantinos: „Im Korruptionssumpf steckt sie schon länger, nun versinkt die Fifa im Führungschaos. Die ersten 100 Tage als Präsident sind nicht absolviert, da steht Gianni Infantino bereits im Epizentrum eines Bebens. Und es ist kein Beben, das aus der Ära des gesperrten Sepp Blatter rührt. Es ist selbst verschuldet. (…)   Seiner beiden größten Widersacher hat sich der neue Fifa-Chef schon entledigt, Domenico Scala und Markus Kattner. Erst wurde Compliance-Chef Scala auf eine Art aus dem Amt getrieben, die in scharfem Widerspruch zur neuen Reform- und Transparenz-Linie steht. Die Lesart von einem ‚Komplott‘ der neuen Führung transportieren diverse Quellen im Fifa-Umfeld. (…) Es sollen harte Attacken gegen den Compliance-Chef gewesen sein – dem beim folgenden Fifa-Kongress ein Beschluss präsentiert wurde, der ihn zum Rücktritt nötigte. Infantino ließ, in einer handstreichartigen Abstimmung, das Fifa-Council für ein Jahr ermächtigen, im Alleingang die Mitglieder der zuletzt gefürchteten hauseigenen Kontrollinstanzen zu benennen. Und auch, dies wurde dem Wahlvolk nebenbei untergejubelt: zu entlassen. Das konnte Scala, der maßgeblich am Reformprogramm mitgewirkt hatte, nicht akzeptieren. Er trat zurück. (…)  Jedenfalls hatte Kattner mit Scala manches gemeinsam: Beide haben Infantino schwer zugesetzt – womöglich, indem sie sich zu sehr an die neuen Regeln hielten. Sehr nachdrücklich zum Beispiel, berichten informierte Kreise, sei der neue Fifa-Boss auf seinen Spesenrahmen hingewiesen worden. Vor allem aber soll sein Präsidentensalär, das ein neuerdings zuständiges Vergütungskomitee errechnet hat – rund zwei Millionen Schweizer Franken pro Jahr – Infantinos Zorn erregt haben. (…) Die Ungeniertheit, in welcher der als Reformer angetretene neue Boss seine Interessen durchsetzt, lässt Schlüsse auf das interne Reizklima zu. Da wird gefeuert und gedroht. (…) Öffentliche Spekulationen, wonach Ethik-Chefermittler Cornel Borbély Anzeigen gegen Infantino umgehend diesem selbst vorgetragen und damit womöglich gegen Regeln verstoßen habe, folgten prompt. Und sind problematisch: Zum einen stellen sie die Unabhängigkeit der zuletzt gut funktionierenden Ermittlerschiene in Frage. Zum anderen könnte derlei Vorgehen kein Verstoß, sondern Teil einer Vorermittlung sein“ (Kistner, Thomas, Der nächste Autokrat, in SZ 30.5.2016).

Nachtrag 8: Vom „Erneuerer“ zum Post-Blatter
Elmar Wagner in der NZZ: „Angetreten ist Gianni Infantino als Erneuerer. Doch der Fifa-Präsident ist keine 100 Tage im Amt und produziert eine negative Schlagzeile nach der anderen. (…) Aus den Protokollen (der FAZ; WZ) wird klar, dass  Infantino den Chef der Audit- und Compliance-Kommission, Domenico Scala, loswerden wollte“ (Wagner, Elmar, Infantino hat ein Problem, in nzz.ch 1.6.2016). Infantino hat selbst beim Kongress in Mexiko auf zwei Möglichkeiten hingewiesen, Scala loszuwerden: „Ein Verband beantragt am Kongress die Abwahl des Compliance-Chefs. Oder das Council erhält die Vollmacht, die Mitglieder der Kontrollgremien selbständig zu entlassen. Dieser Ansatz wurde in letzter Minute in die Traktandenliste gehievt und vom Kongress genehmigt – worauf Scala per sofort zurücktrat. (…) Womöglich liegt der Schlüssel dazu aber im Lohnangebot für Infantino. Angeblich hatte Scala als Chef der Vergütungskommission Infantino ein Angebot über zwei Millionen Franken pro Jahr gemacht. Infantino bezeichnete dieses gegenüber dem Council als ‚Beleidigung‘ und höhnte, dass er vielleicht bald den einen oder andern unter ihnen mangels Geld anpumpen müsse“ (Ebenda).
Und Jens Weinreich in spiegelonline: „Infantino hat es binnen drei Monaten geschafft, in der Tradition seines Landsmanns und Vorgängers Joseph Blatter öffentlich jeglichen Kredit zu verspielen und die Fifa-Verwaltung nach seinem Gusto zu gestalten. Seine Kandidatin, Frau Samoura, die sich keinem Ausschreibungsprozedere stellen musste, durfte in Zürich brav die neuen Personalien verkünden. (…) Für die Finanzen und die Administration steigt der bisherige Rechtsdirektor Marco Villiger zum Stellvertreter Samouras auf. Dabei zählt der Schweizer Villiger zur alten Führungscrew des gesperrten ehemaligen Generalsekretärs Jérôme Valcke und des vergangene Woche unter undurchsichtigen Umständen entlassenen Valcke-Stellvertreters und Finanzchefs Markus Kattner. Villiger, Valcke und Kattner waren Lieblinge von Blatter – sie haben in ihren Verantwortungsbereichen allesamt mehr als ein Jahrzehnt das System Fifa abgesichert. Eine juristische Würdigung ihres Wirkens steht noch aus. Es ist keinesfalls unwahrscheinlich, dass es nach Valcke und Kattner auch Villiger in den Strudel des Finanzskandals reißt. (…) Alarmierend sind Aussagen Infantinos vor dem Council, wonach Cornel Borbély, Chef der Ermittlungskammer der Ethikkommission, den Präsidenten über Anzeigen gegen ihn informiert habe. Dabei ging es auch um den von der Familie Infantino geplanten Kauf eines Anwesens in Zürich für 25 Millionen Franken. Borbély habe die Anzeigen in den Papierkorb befördert, behauptete Infantino“ (Weinreich, Jens, Von wegen Aufklärer, in spiegelonline 1.6.2016).

Vergleiche auch:
Al-Sabah
Salman Al Khalifa – Blatters würdiger Nachfolger?
Fußball-WM 2006: Blatters WM-Kabinett 2000 – und was daraus wurde

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