Wolfgang Zängl, Sylvia Hamberger 27.11.2014, aktualisiert 20.12.2014
Die Umweltverbände in Südkorea haben bereits 2012 alarmiert, dass einer der bedeutendsten Urwälder Südkoreas durch die Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang in Gefahr ist. Nun wurde der Urwald am Mount Gariwang im November 2014 abgeholzt – für drei Tage alpine Skirennen.
Rückblick 1: Aus der Chronologie März 2012
Drei Tage besuchte die IOC-Koordinierungskommission unter Leitung der Schwedin Gunilla Lindberg das südkoreanische Peongchang zur Inspektion der Arbeiten für die Olympischen Winterspiele 2018. 13 Umweltgruppen protestierten gegen Eingriffe für die geplante olympische Abfahrtsstrecke in die Gebiete Jungbong und Gariwang Mountain: “Das Areal ist bewaldet und als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Die Umweltschützer erklärten, es ginge nicht nur um die Erhaltung der Naturschönheit. In dem Gebiet wachsen seltene Pflanzen, die vom Aussterben bedroht wären, wenn die Pisten gebaut würden. Sie drohten, sie seien bereit, jedes nötige Mittel zu nutzen, wenn der „Umwelt-Vandalismus“ nicht aufhöre” (Umweltprotest in Pyeongchang, in faz.net 21.3.2012).
Die Umweltgruppen schrieben deswegen auch einen Brief an den damaligen IOC-Präsident Jacques Rogge und forderten ihn auf, die Umweltprobleme zu beachten (Olympia 2018: Neuer Protest gegen geplante Olympia-Abfahrtsstrecke in Südkorea, in sueddeutsche.de 211.3.2012). Das Organisationskomitee äußerte, dass es keine Alternative zur geplanten Abfahrtsstrecke gäbe. Gegen die Protestierenden ging eine Gruppe von Einwohnern vor, die den Streckenbau und die angeblichen wirtschaftlichen Vorteile für die Region verteidigte.
Rückblick 2: Aus der Chronologie März 2013
gamesmonitor.org berichtete im Januar 2013 mit Fotos über die Abholzungen eines der ökologisch wertvollsten Waldgebiete in Südkorea für die Infrastruktur der Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang: „The whole area is designated by the Korean Forestry Service as an area for the ‘Protection of flora genes and forest Eco-systems’ as the sign below indicates. This designation is to be withdrawn by the Forestry Service to allow the area’s destruction for the 2018 Olympics after the South Korean Government passed a special law to negate this designation” („Die ganze Region wurde von der Koreanischen Forstbehörde als ‘Schutzgebiet für die genetische Vielfalt der Pflanzen- und Waldgesellschaften’ eingestuft, wie das untere Schild anzeigt. Diese Klassifizierung wird demnächst durch die Forstbehörde zurückgezogen, um die Zerstörung des Gebietes für die Olympischen Winterspiele 2018 zu ermöglichen, nachdem die südkoreanische Regierung ein entsprechendes Gesetz gebilligt hat, um diesen Schutz aufheben zu können“ (Cheyne, Julian, Einreicher, Beitrag mit Fotos unter Unique Korean habitat in danger from Pyeongchang Olympics, in www.gamesmonitor.org 20.1.2013).
“Naturschützer weisen darauf hin, dass Mount Kariwang-san einen ‘Super-A-Klasse’-Wert hat, der sehr viele Baumarten beherbergt… die nun den Ski-Abfahrtsstrecken weichen müssen… und einem ‘Kettensägen-Massaker’ entgegensehen, wenn die geplanten Arbeiten für die olympischen Skigebiet der 2018-Spiele beginnen” (Ebenda). Am 20.3.2014 genehmigte die südkoreanische Regierung die Abholzung des Urwalds am Mount Gariwang.
Die Umweltgruppe Peace & Ecosystem, Green Korea United sammelte noch Unterschriften gegen die drohende brachiale Zerstörung (zum Formular: hier). Noch am 16.10.2014 protestierten Mitglieder von Friends of the Earth zusammen mit südkoreanischen Umweltschützern gegen die Abholzung (hier). Die Korea Green Foundation schrieb auch an die Mitglieder des IOC und bat um Schutz des Waldes: „Mit Ihrer Hilfe können wir unnötige Ausgaben sparen, Tausende von alten, großen Bäumen retten und die Integrität der zentralen olympischen Grundsätze für den Umweltschutz unterstützen. Die Alternative wäre eine fast nicht vorstellbare Verschwendung außergewöhnlicher natürlicher Ressourcen und eine Destabilisierung sowohl des lokalen Ökosystems als auch der lokalen Wirtschaft – und das alles für drei Tage Skifahren“ (Korea Green Foundation, Petition to protect the 500-year-old forest of Mt. Gariwang in Korea, October 2014).
Alles war vergeblich.
Olympic business as usual: Das Olympische Erbe ist Zerstörung.
Ironie des Schicksals: Vom 6. bis 17. Oktober 2014 fand in Pyeongchang die 12. UN-Biodiversitätskonferenz (COP12) – Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD, Convention on Biological Diversity) – statt. Die über 190 Vertragsstaaten der CBD-Konvention beschlossen „dringende, umfassende und effektive“ Maßnahmen zu ergreifen, um das Ziel zu erreichen, den Verlust von Arten und Lebensräumen bis 2020 tatsächlich zu stoppen.
Ein Resultat war die „GANGWON DECLARATION ON BIODIVERSITY FOR SUSTAINABLE DEVELOPMENT. We, the Ministers and other heads of delegation, having met in Pyeongchang, Gangwon Province, Republic of Korea, on 15 and 16 October 2014, on the occasion of the twelfth meeting of the Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity“ (zur Deklaration: hier).
November 2014
“Mt. Gariwang ist die Heimat seltener Baumarten verschiedener Altersstufen, die nur in Korea vorkommen. Zu unserem Erstaunen wachsen Baumarten im Wald am Mount Gariwang, die in anderen Gebieten durch den Klimawandel bereits verschwunden sind. Der Wald enthält auch seltene wilde Pflanzen und Tiere, die als bedrohte Arten auf der Roten IUCN-Liste stehen” (The South Korean government, the host of CBD COP 12, must protect the 500-year-old forest of Mt. Gariwang, Green Korea United, Oktober 2014; Übersetzung WZ).
Egal: Die Regeln des Internationalen Ski-Verbandes FIS von Präsident Gian-Franco Kasper fordern zwei Abfahrten mit jeweils 350 bis 450 Meter Länge an Steilhängen (vertical drop; Korea Green Foundation, Statement to be sent to the Korean Government, October 2014).
Nun wurde der 500 Jahre alter Wald am Mount Gariwang im November 2014 für die alpinen Skipisten abgeholzt: für drei Tage alpine Skirennen. Dafür war von der südkoreanischen Regierung der Status des Waldschutzes aufgehoben worden.
Soviel zum “olympischen Erbe”, der “Nachhaltigkeit” und dem tatsächlichen Umgang des IOC mit der Natur!
Näheres im Beitrag von Kim Rebecca/Einreicher Julian Cheyne mit bestürzenden Fotos am 22.11/2014 in gamesmonitor.org.uk: They went and did it! 500-year-old primeval forest at Mount Gariwang unlawfully destroyed for 2018 Pyeongchang Winter Olympics
– Das olympische Kettensägen-Massaker“. Die südkoreanische Umweltaktivistin Kim Choony arbeitet für „Friends of the Earth“ und besuchte den Mount Gariwang nach der Abholzung: „Wir haben geweint, als wir dort ankamen. Im August begann eine private Firma im Auftrag der Provinzregierung Gangwon mit der Waldrodung für die Abfahrtsstrecke. Inzwischen sind 70 Prozent der Arbeiten abgeschlossen. Wir gehen davon aus, dass am Ende 58.000 Bäume gefällt werden. Es ist ein Massaker mit der Kettensäge und alles nur, um ein paar Tage Skirennen auszutragen.- (…) Es gibt dort den Wangsasre-Baum, eine seltene Birke. Manche Bäume sind bis zu 500 Jahre alt. (…) Der Wald auf Mount Gariwang überlebte alle Krisenjahre – OIympia überlebte er nicht“ („Massaker mit der Kettensäge“, in Der Spiegel 50/8.12.2014).
Olympische Pharisäer
In der am 18.11.2014 vom IOC präsentierte „Agenda 2020“ kommt 18 mal das Wort „sustainability“ (Nachhaltigkeit) vor. Die Agenda für Pyeongchang 2018 ist realistischer: Für drei Tage Skizirkus wurde der Waldschutz für einen 500 Jahre alten Urwald aufgehoben. Dann wurde er abgeholzt. So sieht die Agenda 2018 in der Realität aus. So agiert das IOC in Wirklichkeit.
Ob noch jemand die leeren Worthülsen des IOC zu „Nachhaltigkeit“ und „olympischem Erbe“ glaubt???
Materialien:
Zur Petition und Unterschriftensammlung: hier
1000 Year old Gariwang forest is going to die: hier
Korea Green Foundation, IOC, Do you really have to destroy Mt. Gariwang, the 500-year-old primeval forest just for the 3 days? 7.10.2014: hier
Gangwon Declaration on Biodiversity for Sustainable Development: hier