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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Nov 202014
 
Zuletzt geändert am 19.09.2017 @ 13:40

20.11.2014, aktualisiert 19.9.2017

Intro
Auslöser für diese „Reform“ war unter anderem der Rückgang der Bewerber für Olympische Winterspiele. Von ursprünglich neun wurden in Graubünden, München und Krakau die Bewerbungen 2022 abgewählt. Barcelona, Stockholm, Lviv/Lemberg und Oslo zogen zurück. Übriggeblieben sind zwei Diktaturen: Kasachstan mit Almaty und China mit Peking. Dazu kommt die abschreckende 50-Milliarden-Dollar-Party in Sotschi: Das IOC „hat wegen ihres Gebarens ein miserables Image, ihr Premiumprodukt Olympische Spiele ist spätestens seit der Schwarzmeer-Sause von Wladimir Putin in Sotschi im Februar schwer angeknockt“ (Aumüller, Kistner 19.11.2014). – „Bach braucht Olympia-Begeisterung in demokratischen Ländern, nachdem er die hehren olympischen Werte im vergangenen Winter in Sotschi Wladimir Putin zur Verwahrung gegeben hatte – und sie ziemlich ramponiert zurückbekam“ (Catuogno 19.11.2914). – „Seit den Winterspielen 2014 ist das Image des IOC auf dem Tiefpunkt, denn ein Gesetz gegen Homosexuelle oder die Annexion der Krim – all das hat zur Kritik in der Öffentlichkeit geführt, weil sich die olympische Bewegung davon nicht distanziert hat“ (Kreuzer 23.11.2014).
Nicht nur in Sotschi finden Sport-Großereignisse statt – siehe im Kritischen Olympischen Lexikon: Totalitärer Sport-Terminkalender

Die „Reform“
Am 18.11.2014 stellte das IOC seine „Olympic Agenda 2020“ vor. Das in unzähligen Exemplaren gestreute Werk zeigt auf der Titelseite ein Kind mit farbig geschminkten fünf olympischen Ringen: sicher das Werk eines Maskenbildners. Dies soll wohl ein Symbol sein für Jugend, Sauberkeit, Ideale, Ethik – also alles, wofür das IOC gerade nicht steht.
Am 8. und 9. Dezember 2014 hat das IOC auf der 127. Session in Monaco seine 40 Empfehlungen jeweils einstimmig verabschiedet. Die großspurig als „Reform“ angekündigten 40 Punkte erweisen sich bei näherem Hinsehen nicht wie vom IOC angekündigt als demokratisch oder liberal, transparent oder reformistisch, sondern als mehr oder weniger gut getarnter Schritt, das eigene globale Sportgeschäft zu erweitern und noch mehr Einfluss auf Staaten und Organisationen zu gewinnen. Ansonsten ist es ein streng IOC-konformes Papier – was auch sonst.
IOC-Präsident Thomas Bach drückte die Immanenz dieses Reförmchens so aus: „Das Bild, die Vision dahinter ist ein IOC, das die Einzigartigkeit der Olympischen Spiele sichert und den Sport in der Gesellschaft stärkt“ (Simeoni 19.11.2014).
Genau so ist es: Das IOC absichern und den Sport stärken. Und natürlich nichts wirklich ändern oder verbessern.
Vertreter von Hamburg  und Berlin, den beiden Bewerberstädten für Olympische Sommerspiele 2024, nutzten sogleich die Gelegenheit, sich beim IOC lieb Kind zu machen – und gaben sich reichlich unrealistisch. Hamburgs Sportsenator Michael Neumann: „Bach hat Wort gehalten. die Vorschläge zeigen, dass das IOC es mit Reformen wirklich ernst meint“ (Winterfeldt 18.11.2014). Und der Berliner MdB Frank Steffel: „Die geplanten neuen Vergabekriterien machen Hoffnung darauf, dass in Zukunft der olympische Geist wichtiger ist als wirtschaftliche Machtspiele“ (Ebenda). Und Bachs Nachfolger als DOSB-Präsident, Alfons Hörmann, lobhudelte gleich mit: „Wir gratulieren dem IOC und Thomas Bach zu diesen Vorschlägen. Sie sind ein großer, wichtiger und richtiger Schritt in die olympische Zukunft“ (Catuogno 19.11.0214).

Olympic Agenda 2020: Die 20+20 „Empfehlungen“
Ich möchte hier nur einige Punkte abhandeln (Anmerkungen kursiv).

1: Bidding process…
Der Bewerbungsprozess soll billiger, sozialer und umweltfreundlicher werden.
Das Wort „sustainable“ (nachhaltig) wird ständig eingesetzt, ohne dass ein globales Sport-Größtereignis wie olympische Spiele deswegen nachhaltig werden könnten.
Der Host City Contract soll öffentlich gemacht werden.
Das ist wiederum eines der vielen Placebos. Der Host City Contract ist inzwischen so öffentlich, dass seine Veröffentlichung keinen Schritt in Richtung wirklicher Transparenz bedeutet. (Wir haben z. B. den HCC 2018 und den HCC 2022 auf unserer Webseite.)
Das IOC will sich an den Ausgaben des OCOG (Durchführungskomitees) beteiligen.
Diese Ausgaben sind so extraordinär hoch dass eine IOC-Beteiligung als Bonbon wirkt.

2: Evaluate bid cities…
Die Spiele sollen günstiger, sozial und umweltfreundlich werden, indem bestehende Anlagen genutzt und temporäre und demontierbare Sportanlagen eingesetzt werden.
Das IOC versucht, den Begriff „temporär“ und „demontierbar“ als umweltfreundlich zu verkaufen: Das ist ein Widerspruch in sich.

3: Reduce the cost of bidding…
Das IOC übernimmt einige Reisekosten. Das Bid Book wird nicht mehr gedruckt (ca. 5 Millionen Euro Kosten), sondern es reicht die elektronische Version. Die Berater und Lobbyisten müssen den Code of Conduct und den IOC-Ethikcode akzeptieren, bevor sie zugelassen werden.

3: Olympic Channel19: Launch an Olympic Channel
Der Olympische Fernsehkanal soll auch der Vorstellung der Bewerberstädte dienen. (19) „Das IOC wird einen olympischen Fernsehkanal starten.“ Dazu IOC-Präsident Bach: „Dieser Kanal stellt sicher, dass 365 Tage im Jahr olympischer Sport der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht wird“ (Sulzer 19.11.2014). – „Das kann die Welt der olympischen Sportarten wirklich verändern -allerdings in Richtung weniger Transparenz. Die oberste Sport-Institution verstärkt die Hoheit über die Bilder, die von ihr und ihrem Sport in die Welt gehen“ (Aumüller, Kistner 19.11.2014). Thomas Bach am 2.1.2015 in einem Gastbeitrag: „Des Weiteren freue ich mich sehr über den Beschluss zur Schaffung eines olympischen Fernsehkanals. Wir müssen unseren Athletinnen und Athleten und ihren Sportarten auch zwischen den Olympischen Spielen die weltweite Medienpräsenz geben, die sie verdienen und die sie mit ihren Fans und ihre Fans wiederum mit dem Sport verbindet – 365 Tage im Jahr“ (dosb.de 5.1.2015).
Der IOC-Fernsehsender wird ein weiteres Geschäftsfeld: Er ist als Einnahmequelle konzipiert – und als weiteres Medium zur Sport-Aufbereitung: Brot und Spiele 365 Tage im IOC-TV. Die Sport-Durchdringung des öffentlichen Lebens wird noch permanenter und penetranter.

4: Include sustainability…
Auf S. 7 kommt das Wort sustainable neunmal vor. Das olympische Erbe soll gesichert werden, die besten Nachhaltigkeits-Standards sollen erfüllt werden.
Letztlich ist auch dies ökologisches IOC-Blabla: Man denke an die olympischen Bauten von Athen (2004), Turin (2006), Peking (2008) oder Sotschi (2014), die nach wenigen Jahren schon weitgehend ungenutzt und dem Verfall preisgegeben sind. Mit Rio 2016 wird es nicht anders aussehen.

9: Set a framework…
Olympische Sommerspiele: Die Zahl der Athleten wird auf 10.500 begrenzt, die der Trainer und Helfer auf 5.000, die der Wettbewerbe auf 310. Olympische Winterspiele: 2.900 Athleten, 100 Wettbewerbe.
Das ist z. T. mehr als die bisherigen Höchstzahlen! Vancouver 2010 hatte 86, Sotschi 2014 schon 98 Wettbewerbe. Und jeder weiß, was diese Massenveranstaltung – mit dazu noch 10-20.000 Journalisten – bedeutet.

10: From Sport to Event
„Move from a sport-based to an event-based programme“ – Sich von einem Sport-basierten hin zu einem Event-basiertem Programm bewegen…
Das ist sehr erhellend: Der Sport selbst gerät in den Hintergrund, das (geldbringende, weil TV-gängige) Event rückt in den Vordergrund.

14: Strengthen the 6th Fundamental…
„Das IOC möchte die Nichtdiskriminierung durch sexuelle Orientierung im 6. Grundsatz-Prinzip des Olympismus aufnehmen.“
Das steht so in jeder halbwegs demokratischen Staatsverfassung und sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Zum Anschauungsunterricht über Olympismus siehe die Diffamierung von Homosexuellen in Russland anlässlich Sotschi 2014 – und die absolute Untätigkeit des IOC:
„Als Menschenrechtsbeauftragte rund um die Spiele von Sotschi verschiedentlich auf den Umgang mit Homosexuellen und die diskriminierende russische Gesetzgebung hinwiesen, focht das das IOC nicht an – Thomas Bach stand treu an der Seite von Wladimir Putin“ (Aumüller, Kistner 19.11.2014).

15: „clean athletes“
„Das endgültige Ziel des IOC ist es, saubere Athleten zu schützen.
Angesichts der bisher ausgeübten Praxis eher unwahrscheinlich! Das Dopinglabor für Rio 2016 wurde geschlossen – jede Probe wird nach Lausanne geflogen. Und das IOC veröffentlicht äußerst selten positive Befunde.
Dazu kam der kurz voir der IOC-Sondersession in Monaco zur Agenda 2020 ausgestrahlte WDR-Film „Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht“. IOC-Präsident Thomas Bach zeigte sich an der Bewältigung der jüngsten russischen Doping-Vergangenheit uninteressiert und ignorant: „Das eine Thema hat mit dem anderen nichts zu tun. Wir schauen hier in Monaco in die Zukunft, die Vorfälle in Russland fanden in der Vergangenheit statt“ (Kistner 6.12.2014: Hervorhebung WZ).
Zur aktuellen Situation veregleiche: Doping Russland

16: 20 Millionen USD to protect clean athletes
10 Millionen USD sollen gegen Manipulationen eingesetzt werden, 10 Millionen für neue wissenschaftliche Ansätze beim Anti-Doping.
Das soll den Anschein erwecken, dass der Kampf gegen Doping noch nicht verloren ist: Das ist er aber, unter anderem durch die im Spiel befindlichen hohen Geldsummen.

22: Spread Olympic values-based education
Das IOC will seine Partnerschaft mit der UNESCO verstärken und seine Werte in den schulischen Lehrplänen weltweit ausweiten.
Zuerst machte das IOC der UNO Avancen: Nun soll die UNESCO dem globalen Sportkonzern IOC zu Diensten sein. Die Welt hat derzeit eine Menge von Problemen – Kriege, religiöse Fanatiker, Seuchen, Armut, Klimaerwärmung, um nur einige zu benennen: Es braucht keine spätmittelalterliche Gladiatorenspiele mehr.
Das IOC will eine elektronische Plattform entwickeln, um die auf olympischen Werten basierende Erziehung zu verbreiten.
Die „olympischen Werte“ sind ziemlich wertlos, wenn man sich das IOC in den letzten Jahrzehnten ansieht: Es handelt sich eher um Allmachtsphantasien. Und um einen um sich selbst kreisenden globalen Sport-Konzern, dessen Hauptaugenmerk auf gut gefüllten Bankkonten liegt.

25: Youth Olympic Games
Das IOC will die Olympischen Jugendspiele auf nichtolympische Jahre verlegen.
Damit ist jedes Jahr olympisch: Sommerspiele, Winterspiele, Olympische Jugend-Sommerspiele, Olympische Jugend-Winterspiele… Auch das ist ein Geschäftsmodell.

29: Increase Transparency
Auf welchem tatsächlichem Weg der Instransparenz sich das IOC und sein Bewerbungsprozess befindet, zeigt am besten der Fall der Bewerbung Boston 2024, wo sich ein Baukonzern seine Bewerbung zurechtbastelte, ohne dass irgendwelche Pläne offengelegt wurden oder demokratische Koordinierungen erfolgten. Vergleiche unter Aktuelles: Boston 2024: Privatbewerbung eines Baukonzerns

33: „Olympism in Action“
Das IOC will die „Olympismus-in-Aktion’-Programme modernisieren mittels einiger zentraler Bestandteile, an die sich Sponsoren beteiligen können und die die zentrale Vision verbreiten, „eine bessere Welt durch Sport“ zu errichten.
Diese „bessere Welt“ sieht eher nach Drogen, Korruption, Schiebung aus – von eitlen älteren Sportfunktionären gestaltet, die ihr eigenes Wohlergehen in Fünf-Sterne-Hotels und Erste-Klasse-Flügen an die schönsten Orte der Welt im Blick haben. Wenn IOC-Funktionäre von einer „besseren Welt“ sprechen, sind sie ganz nah bei der Welt von Fifa-Blatter.

35: TOP sponsor’s engagement
Das IOC will seine TOP-Sponsoren-Aktivitäten noch mehr ausweiten. Für nationale olympische Komitees sollen IOC-Marketing-Seminare geschaffen werden.
Solange die TOP-Sponsoren McDonald’s, Coca-Cola oder Dow Chemical heißen, sieht es mit der hehren IOC-Welt eher düster aus.

37: IOC membership age limit
Das Limit soll bei 70 Jahren liegen; die betreffenden IOC-Mitglieder dürfen aber einen Antrag auf vier Jahre Verlängerung stellen.
Da wird eine Regelung in Richtung früherer IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch aufgeweicht, die sein Nachfolger Jacques Rogge mühsam eingeführt hatte, um das IOC vom Image des Altherren-Klubs zu befreien.

Fazit
Das IOC erweitert mit seinen „40 Empfehlungen“ sein Geschäftsfeld auf zusätzliche gesellschaftliche Felder. Die „Reform“ ist keine, da keine grundsätzlich dringend notwendigen Änderungen vorgenommen werden. Der IOC-Sport soll die gesellschaftlichen Felder der Welt weiter erobern.
Wie das IOC in der Realität mit der Umwelt aussieht, zeigt der Beitrag: Olympisches Abholzen für Pyeongchang 2018

Pressestimmen:
Tobias Oelmaier in dw.de: „Und einen Aspekt hat man offenbar ganz vergessen, der dazu beitragen würde, den Olympischen Geist wiederzubeleben: Sich selbst zu hinterfragen, die Glaubwürdigkeit der IOC-Mitglieder. Zwar wird künftig – auch das geht aus den Reformplänen hervor – allen Organisationen, die mit der Olympischen Bewegung in Zusammenhang stehen, abverlangt, die Prinzipien der „Good Governance“ zu akzeptieren. Eine explizite Bestärkung, dass dieses Bestreben auch für die eigenen Mitglieder gilt, fehlt aber“ (Oelmaier 18.11.2014).
Jens Weinreich in spiegelonline: „Extrem dünn sind die Aussagen über die Komposition des IOC. Offenbar bleibt es bei maximal 115 Mitgliedern, eine automatische Mitgliedschaft für alle 35 Fachverbandspräsidenten wird es nicht geben. Die Altersgrenze bleibt bei 70 Jahren (alle Mitglieder, die bis 1999 aufgenommen wurden, dürfen bis 80 dabei bleiben). Einmalig darf man sich nach dem 70. Geburtstag für eine vierjährige Verlängerung bewerben. Dieser Passus wird vor allem ein in Zürich lebendes IOC-Mitglied enttäuschen: Joseph Blatter, der in seiner Eigenschaft als Fifa-Präsident ex officio dem IOC angehört, vollendet im März 2016 sein achtes Lebensjahrzehnt. Spätestens dann muss er das IOC verlassen“ (Weinreich 18.11.2014).
Jörg Winterfeldt in der Berliner Zeitung: „Bei der näheren Betrachtung des strategischen Zukunftsplans der olympischen Bewegung wächst der Verdacht, dass nach Abzug der ganz großen Propagandawelle nicht allzu viel übrig bleibt, um die Spiele auf einen optimistischeren Kurs zu setzen. Und Bach selbst muss erst einmal den Verdacht ausräumen, sich vor allem selbst ein Vermächtnis mit dem Projekt setzen zu wollen. So rang er schon bei der Vorstellung gestern um die Deutungshoheit bei seinem Reformprogramm. Als befände sich das Bewerbungsverfahren um Olympische Spiele nicht gerade in der schwersten Krise seit 40 Jahren, verblüffte Bach mit seiner Sicht: „Während des vergangenen Jahres haben mich viele Menschen gefragt, warum das Verlangen bestehe, Veränderungen durchzuführen“, ließ er sich zitieren, „eigentlich, sagen sie, haben die Olympischen Spiele, das IOC und die olympische Bewegung viele Erfolge genossen und wir sind in einer guten Position“ (Winterfeldt 18.11.2014).
Benedigt Voigt im Tagesspiegel: „Darüber hinaus formuliert das IOC das Ziel nachhaltigerer, billigerer und flexiblerer Olympischer Spiele. Es reagiert damit auf die politisch höchst umstrittenen, 50,8 Milliarden Dollar teuren Winterspiele 2014 in Sotschi sowie den Rückzug aller demokratischen Bewerberstädte für die Winterspiele 2022 – nur noch Almaty (Kasachstan) und Peking (China) stellen sich zur Wahl“ (Voigt 19.11.2014).
Marc Hagedorn im Weser-Kurier: „Das IOC hat ein Problem: Olympia ist toll, Olympia sorgt für weltweite Einschaltquoten, mit Olympia kann man viel Geld verdienen. Das Dumme nur: Es gibt im Grunde keine seriösen Ausrichter mehr, die diese Mammutveranstaltung noch schultern könnten. In Zeiten von sozialen Problemen, schwächelnden Volkswirtschaften und hoher Arbeitslosigkeit sind aberwitzige Millionenausgaben und rigide IOC-Vorgaben für die Ausrichtung solcher Spiele in den meisten westlichen Demokratien kaum mehr zu rechtfertigen(Hagedorn 19.11.2014).
Gabriele Hiller, NOlympia Berlin: „Doch der große Wurf für die ausrichtenden Städte ist bisher nicht erkennbar. Unser Konsens bleibt, dass wir eine Olympiabewerbung verhindern wollen“ (SID 20.11.2014).
Markus Weise, Hockey-Bundestrainer: „Es geht nur noch um Events. Und nebenbei machen wir den Sport kaputt“ (Armbrecht, Anne, Penders, Peter, Schneller, höher, schlanker, in FAZ 12.12.2014).
Evi Simeoni in der FAZ zum Wandel vom Sport hin zum Event: „Nach den Sommerspielen in Rio 2016 werden die Hauptamtlichen im IOC, angeführt von Olympia-Direktor Christophe Dubi, jeden einzelnen der 306 Wettbewerbe unter die Lupe nehmen. War die Show auch wirklich gut? Haben sich genügend Zuschauer dafür interessiert? Dieser Umstand dürfte auch erklären, warum kein Weltverband sich darüber beschwert hat, dass der Zeitplan der Wettkämpfe ohne viel Federlesens an die Fernseh-Primetime der Länder mit dem größten Interesse angepasst wurden“ (Simeoni, Evi, Was wird aus Olympia, in FAZ 14.12.2014).
Noch mehr Brot und Spiele – und noch mehr IOC- TV. Noch mehr Einnahmen. Noch mehr IOC-Diktat. Noch weniger Mitbestimmung – die Quote regiert. (Der genannte Christophe Dubi zeichnete sich übrigens durch seine verächtlichen Bemerkungen zur Ablehnung von Oslo 2022 aus.)
Alfons Hörmann, DOSB-Präsident: „Manche Sportarten werden sich noch wundern. Die Agenda 2000 lässt mehr zu, als es manchem sympathisch ist“ (Ebenda).
Man denke an Punkt 10: vom Sport-basiertem zum Event-basiertem Programm… Damit kann das IOC viele althergebrachte Sportdisziplinen killen – zugunsten Event, Extrem-Sport, etc., die man anderen Organisationen wie ESPN oder X-Games abspenstig macht.
Jochen Klingovsky in den Stuttgarter Nachrichten zur unzureichenden IOC-Agenda 2020: „Denn so lange das IOC zum Beispiel auch künftig Steuererleichterungen von Olympiastädten fordert, wird es den Makel der Profitgier so schnell nicht los. Und das Dopingproblem, siehe Russland, scheint eher größer als kleiner zu werden. Einen Zirkus aber, der nur aufs Geld schaut und in dem Artisten auch noch als Betrüger überführt werden, wird die Gunst des Publikums nicht gewinnen“ (Spiele in Berlin? Die Skepsis bleibt, in stuttgarter-nachrichten.de 9.12.2014).
Thomas Kistner in der SZ zum Thema Abstimmungserhalten: „Nicht eine Gegenstimme gab es am Montag, als am Nachmittag manchem Vertreter schon der Sekundenschlaf zusetzte, brachten Bach und Mitstreiter auch flott ihr Herzensprojekt durch: einen olympischen TV-Kanal. In rauen Zeiten ist auch mediale Kontrolle ein hohes Gut“ (Kistner, Thomas, Konzertierte Verdrängung, in SZ 9.12.2014).

Nachtrag 1: Bachs Agenda 2020 – noch mehr Wettbewerbe. Der unermüdliche olympische weltreisende IOC-Präsident Thomas Bach besuchte die USA. „Seine US-Tour hat ihn zunächst zum Super Bowl nach Glendale/Arizona geführt, dann hat er einen Abstecher zur alpinen Skiweltmeisterschaft nach Vail und Beaver Creek gemacht. Auch in Boston hat er vorbeigeschaut, dort würde man gern die Olympischen Sommerspiele 2024 sehen. (…) In Colorado aber kündete der IOC-Boss, einen weiteren alpinen Bewerb durchaus als Olympia-tauglich zu sehen. Es handelt sich dabei um den Teambewerb, der beim Publikum jetzt nicht gerade der große Straßenfeger ist. Und es gibt genug Athleten, die einen großen Bogen um diesen Mannschaftsbewerb (Nations Team Event) machen. Aber Bach gefällt’s, der Internationale Ski-Verband (FIS) hat seine Freude. (…) „Eine Entscheidung soll noch vor dem nächsten IOC-Kongress im Juli 2015 in Kuala Lumpur fallen. Wobei die olympische Bewegung gut beraten wäre, das Programm nicht noch zusätzlich aufzublasen. Sondern endlich einmal zu straffen“ (Wiederstein, Wolfgang, Olympia droht zu explodieren, in diepresse.com 7.2.2015).

Nachtrag 2: Gian-Franco Kasper zweifelt an der Agenda 2020
Fis-Präsident Kasper ist bezüglich der IOC-Agenda 2020 mehr als skeptisch: „Ob das den Gigantismus zurückholt, das bezweifele ich. Es wird eher noch größer, weil man zusätzliche Städte mit einbaut… Das wird eine gefährliche Gratwanderung, das durchzusetzen“ (Angriff auf die “Götter”, in faz.net 10.2.2015).

Nachtrag 3: Die wahre IOC-Agenda 2020 (I) = Naturzerstörung
Das Naturschutzreservat Marapendi in Rios Stadtteil Barra war eines der letzten in Rio de Janeiro. Hier lebten unter anderem Wasserschweine, Dreibindengürteltiere und Breitschnauzenkaimane. Lebten. Denn jetzt ist hier eine Großbaustelle: Hierher kommt der Olympische Golfplatz 2016. Dagegen leisten seit Ende letzten Jahres 40 Protestierende von „Ocupa Golfe“ im Dreischichtbetrieb Widerstand. Der Biologe Marcello Mello sagte: „Man hält sich hier nicht lange mit der Umsiedlung dieser Tiere auf, die werden einfach erschossen“ (Herrmann, Boris, Schmutziges Grün, in SZ 5.3.2015). Dagegen der Chefplaner von Rio 2016, Joaquim Monteiro: „Das Gebiet des Golfplatzes war ein absolut verlassenes Gelände, da war gar nichts. Jetzt wird alles schön grün“ (Ebenda).
Für Mello ist der Golfplatz nur eine „Zwischennutzung“, nur die Möglichkeit, ein geschütztes Biotop in Bauland zu verwandeln: „Aus meiner Sicht ist dieser Golfplatz nicht für die Olympischen Spiele gebaut worden, sondern für die Interessen einiger privater Unternehmer, die eng mit der Lokalpolitik verbandelt sind“ (Ebenda). Die Staatsanwaltschaft in Rio ermittelt gegen Rios Bürgermeister Eduardo Paes. Ihm wird vorgeworfen, dass sein Wahlkampf von Pasquale Mauro finanziert wurde, dem halb Barra und neuerdings auch der Golfplatz gehören. Die Staatsanwaltschaft will von Paes wissen, ob er an der Umwandlung des Naturschutzgebietes Marapendi in Baugelände beteiligt war und ob Mauro den Grund zum Spottpreis von umgerechnet 20 Millionen Euro erhalten hat. „Als Bauland dürfte das knapp 100 Hektar große Gelände, auf dem auch Luxuswohnungen entstehen sollen, aber ein Vielfaches davon wert sein“ (Ebenda). Der Biologie Mello: „Wir haben es hier mit zwei offensichtlichen Verbrechen zu tun, mit einem an der Umwelt und einem am Steuerzahler“ (Ebenda). Dazu erlebt Rio gerade eine  gravierende Trockenperiode: Die Aktivisten gegen den Golfplatz berichten von täglich 1,5 Millionen Litern, die zur Pflege des Golfplatzes nötig sind. 20 Autominuten vom Olympischen Dorf liegt übrigens der Golfclub Itanhangá: Er zählt gemäß „Golf Digest“ zu den hundert besten außerhalb der USA (Ebenda).

Nachtrag 4: Die wahre IOC-Agenda 2020 (II) – Zensur
Der Dokumentarfilmer Alexander Gentelev hatte 2014 den kritischen Beitrag „Putins Spiele“ über Sotschi 2014 gedreht. Anfang 2015 kam seine zweite Dokumentation „Putins Spiele – Ein Jahr danach“ heraus. Das IOC verweigerte Gentelev in Kenntnis des kritischen ersten Beitrags sämtliche offiziellen Filmaufnahmen. „Die Juristen des MDR rieten auch dazu, das Wort ‚Olympia‘ zu streichen. (…) In Deutschland regelt das ein eigenes Gesetz, das Olympiaschutzgesetz (OlympSchG), das 2004 erlassen wurde, weil Leipzig sich für die Spiele 2012 bewarb. Danach dürfen Begriffe wie ‚Olympia‘ oder olympische Symbole nicht kommerziell genutzt werden. Kritiker halten das Gesetz für verfassungswidrig“ (Schneider, Martin, Offenbar politisch, in SZ 6.3.2015). Der DOSB hatte kürzlich Air Berlin abgemahnt: Die Fluglinie ist zwar Unterstützer der Bewerbung Berlin 2024, aber kein offizieller Partner des DOSB und musste deshalb auf dem Berlin-2024-Logo ihrer Flugzeuge das Wort „Olympia“ streichen.
Die betreuende MDR-Redakteurin Katja Wildermuth berichtete außerdem, dass alle Protagonisten, die sich im ersten Film kritisch geäußert hatten, „Besuch bekamen“ (Ebenda). – „Im zweiten Film kommt unter anderem Oppositionspolitiker Boris Nemzow zu Wort. Der Nemzow, der vergangenen Freitag in Moskau erschossen wurde“ (Ebenda).

Nachtrag 5: Interview mit Walther Tröger in der Berliner Zeitung
Wolfgang Hettfleisch fragte das langjährige IOC-Mitglied Walther Tröger, wie viele der Vorschläge der Agenda 2020 ihm denn bekannt vorgekommen sind. Tröger: „So gut wie alle. Und ich habe meiner Kollegin Claudia Bokel auch zunächst gesagt, dass ich vom Ergebnis enttäuscht war, worüber sie wiederum enttäuscht war“ (Hettfleisch, Wolfgang, „Die Präsentation Berlins war die beste aller Zeiten“, in berliner-zeitung.de 9.3.2015).

Nachtrag 6: Verwandlung in eine Gastgeberstadt
Christopher Gaffney, Geograph, der sich u. a. mit den Auswirkungen der Fußball-WM 2014 in Brasilien beschäftigt hat: „In der ‚Agenda 2020’ steht nichts, was das Geschäftsmodell in Frage stellt. Es besteht darin, die Stadt kurzfristig in eine Gastgeberstadt zu verwandeln. Öffentlicher Raum wird privatisiert, viel Geld für Veranstaltungen und Sicherheit ausgegeben, und es werden keine Einschränkungen bei der Immobilienspekulation oder beim Verkehr akzeptiert. Dann macht sich das IOC aus dem Staub, ohne Rechenschaft dafür zu geben, was mit der Stadt passiert“ (Knödler, Gernot, „Stadien werden zerstört“, in taz.de 17.6.2015).

Nachtrag 7: Notpapier Agenda 2020
Thomas Hahn schrieb in der SZ zur Agenda 2020 im Zusammenhang mit der Bewerbung Hamburg 2024: „Die Debatten um Menschenrechtsfragen in den nicht-demokratischen Olympia-Ländern China und Russland führte das IOC nicht neutral, sondern im Sinne seiner Gastgeber. Und bei den Urproblemen des Sports, Korruption und Doping, reagierten die Verbände meistens erst, wenn Behörden oder Medien die Autonomie des Sports durchbrachen. Der Doping-Zustand der russischen Leichtathletik, auf den der Weltverband IAAF jetzt mit Sperren und Zetern reagiert, kam auch erst durch Recherchen der ARD auf. Angeblich besinnt sich das IOC. Gerade in Hamburg verweist man ständig auf dessen Agenda 2020, die den Spiele-Gigantismus eingedampft habe. Aber erstens ist das Papier der 40 Empfehlungen auch erst aus der Not geboren, nachdem ein europäischer Winterolympia-Bewerber nach dem anderen an der Bevölkerung gescheitert war. Zweitens sind die Spiele dadurch nicht kleiner geworden. Die Agenda kommt einem fast vor wie eine PR-Maßnahme, mit der das IOC davon ablenken kann, dass es seinen Spiele-Ballon in Wirklichkeit gar nicht richtig verändern will“ (Hahn, Thomas, Streiche gegen die Skepsis, in SZ 28.11.2015).

Nachtrag 8: Tokio 2020 und die Agenda 2020
„Tokio hatte den Zuschlag für vernünftige, kostengünstige, ökologische Spiele erhalten: Sie sollten insgesamt 768 Milliarden Yen kosten, rund 6,7 Milliarden Euro. Dabei war Hadids Stadion in dieser Rechnung nicht einmal enthalten, da es nicht von der Stadt, sondern der Zentralregierung gebaut wird. In den Bewerbungs-Unterlagen hatte Tokio behauptet, fast alle Wettkampfstätten würden bereits bestehen, sie müssten nur erneuert werden. Kaum hatte Tokio den Zuschlag, wurden die Spar-Vorsätze jedoch dem Hang zum Größenwahn geopfert. Jede Einrichtung sollte die beste der Welt sein. Und weil in Japan bei der Vergabe von öffentlichen Bau-Aufträgen Seilschaften wichtiger sind als der Wettbewerb, werden die Projekte zwangsläufig teuer. Und im Laufe der Bauzeit noch teurer. Schon für die Sommerspiele 1964 in Tokio explodierten die Kosten, die Korruption war gigantisch, die Verschwendung auch. Tokio 1964 waren bis dahin die teuersten Olympischen Spiele. Tokio 2020 ist auf dem besten Weg, das zu wiederholen. (…)  Bürgermeisterin Koike war mit dem Versprechen zur Wahl angetreten, sie werde mit dem Filz in der Stadtregierung aufräumen. (…) Die Kommission, die sie einberufen hat, um die Kosten von Olympia zu durchleuchten, argumentiert, mit ‚Tatsumi‘ verfüge Tokio über eine olympiawürdige Schwimmhalle unweit vom geplanten Neubau; sie müsste bloß renoviert werden. Das Volleyball-Turnier könne in die ‚Super-Arena‘ des Vororts Saitama verlegt werden, wo 2006 die Basketball-WM stattfand. Fürs Rudern wurde bereits 1964 ein Becken ausgehoben, zudem verfüge Japan über gute Ruderseen. Als Kronzeugen gegen diese Einsparungsvorschläge führen Mori (Yoshiro Mori ist Präsident des Japanischen Olympischen Komitees; WZ) und sein Organisationskomitee das IOC und die internationalen Fachverbände an – die seien damit nicht einverstanden. John Coates, der Verbindungsmann des IOC, hat in der Tat bereits Bedenken angemeldet. Das fällt dem IOC und den Fachverbänden leicht, sie zahlen ja nichts für die Spiele. Und geben wie Yoshiro Mori das Geld anderer Leute großzügig aus: Nach den IOC-Regeln wird die Stadt Tokio, also deren Steuerzahler, 97,5 Prozent der Kosten tragen“ (Neidhart, Christoph, Mit dem Geld anderer Leute, in SZ 6.10.2016).
Im Sommer 2016 – also vier Jahre vor den Spielen – liegen die Kosten von Tokio 2020 bereits bei 30 Milliarden Dollar.

Nachtrag 9: IAAF überholt die IOC Agenda 2020
Im Dezember 2016 will der Internationale Leichtathletikverband IAAF unter seinem im August 2015 gewählten Präsidenten Sebastian Coe die Skandal-Ära des früheren Präsidenten Lamine Diack überwinden und Reformen beschließen. „Coe ist seit 13 Jahren im Council der IAAF vernetzt, einer Art Regierung der Leichtathletik, er will vom mafiösen Treiben aber nie etwas mitbekommen haben. Diese Konstellation allein treibt tiefe Beulen in seine Reputation. Umso wichtiger ist für ihn nun das Vorhaben, die Satzung umzubauen, eine Mauer hochzuziehen zwischen damals und heute. Und die Bausteine seiner Reform sind sogar recht solide. Der Präsident soll künftig höchstens zwölf Jahre im Amt bleiben. Er kümmert sich mit seinem Council nur noch um den Sport, der Rest wird einer neuen Exekutivkammer und dem Geschäftsführer zugeschoben. Eine unabhängige Kommission soll alle Mitarbeiter durchleuchten, die künftig in die IAAF rücken. Externe Buchprüfer sollen zudem die Geschäftsbilanzen ausleuchten – alles, damit sich nie wieder eine Schattenregierung einnisten kann. (…) Coes Reformen bergen zudem Belastungen fürs innenpolitische Klima. Er will ja schon ordentlich durchlüften, zwei große Fenster öffnen, durch die externe Prüfer bald in die Hinterzimmer des Sports schauen können: bei der Buchprüfung und der Einlasskontrolle der Integritätsprüfer. Das steht bloß im scharfen Kontrast zu dem, was dem organisierten Sport behagt, vor allem der Oberaufsicht vom Internationalen Olympischen Komitee und seinem Chef Thomas Bach: Der predigt gerne Autonomie und Selbstkontrolle. Dass Coe, Hüter der olympischen Kernsportart, nun ein mutigeres Reformpapier vorlegt als Bachs Agenda 2020, ist kein Zufall. Coe hat sich vom IOC-Chef emanzipiert, das Verhältnis ist zerrüttet, sagen Beobachter. Die IAAF hatte Russlands Leichtathleten kollektiv von Bachs Leistungsmesse in Rio ausgesperrt, wegen tiefwurzelnden Dopings. Am Freitag hielt sie die Sperre aufrecht, eine Resozialisierung zur WM 2017 wird unwahrscheinlicher. Dieser Kurs lässt Bach bis heute miserabel aussehen; das IOC hatte sich vor Rio ja gegen einen Ausschluss Russlands gestemmt, trotz erdrückender Indizien“ (Knuth, Johannes, Lüften bitte! in SZ 3.12.2016).

Nachtrag 9: Illegales Tropenholz bei Tokio 2020
„Eine breite internationale Koalition aus der Zivilgesellschaft fordert, dass für die Olympischen Spiele in Tokio 2020 kein Tropenholz aus illegalem Holzschlag oder mit Menschenrechtsverletzungen verbunden für Bauten verwendet wird. Der Bruno Manser Fonds übergab heute in Lausanne dem Olympischen Komitee im Namen von 40 Organisationen einen entsprechenden Brief. Es besteht ein beträchtliches Risiko, dass für das neue Olympische Stadion für die Spiele 2020 in Japan illegales Holz aus den bedrohten Regenwäldern Malaysias und Indonesiens verwendet werden wird. Japan ist weltweit der grösste Importeur von Sperrholz, welches während den Bauarbeiten Verwendung findet. Die japanischen Gesetze sind ungenügend und verhindert nicht, dass Tropenholz aus illegalem Holzschlag oder im Kontext von Menschenrechtsverletzungen geschlagen auf die Baustellen gelangt.
Die Hälfte vom nach Japan importierten Sperrholz stammt aus Sarawak, einem malaysischen Bundesstaat auf der Insel Borneo. Sarawak hat eine der höchsten Abholzungsraten der Welt und kämpft auch mit hohen Raten illegaler Abholzung. ‚Sarawaks Abholzungsfirmen zerstören unsere Wälder, verschmutzen unser Trinkwasser und missachten unsere Rechte. Die Abholzungsfirmen und Politiker werden reich, während sie uns unserer Lebensgrundlage berauben‘, sagt Nicholas Mujah von der indigenen Organisation SADIA. Unabhängige Untersuchungen verbinden das Sperrholz der Taisei Corporation, welche das neue Olympische Stadion in Japan baut, direkt mit der malaysischen Abholzungsfirma Shin Yang. Shin Yang ist bekannt für ihre unhaltbare Abholzungspraxis und die systematische Verletzung der Rechte der lokalen Bevölkerung, insbesondere der ansässigen Penan“ (Medienmitteilung des Bruno Manser Fonds: Zivilgesellschaft warnt Olympisches Komitee vor Tropenholzgebrauch für Spiele 2020, Basel 6.12.2016).

Nachtrag 10: Reihenweise Absagen von Austragungsorten – trotz Agenda 2020
Seit 2013 Abwahl Olympischer Spiele in: Graubünden (2013 und 2017); München (2013), Hamburg (2015), Wien (2013), Budapest (2017). Dazu Einstellung der Bewerbungen für Rom (2020 und 2024), Stockholm, Oslo, Boston. „In Budapest haben die Bürger jetzt kistenweise Unterschriften gegen Olympia auf die Straßen gepflanzt. Wenige Tage zuvor haben die Bürger im Schweizer Graubünden abgewunken. Hohe Kosten, Zweifel an Integrität und Nachhaltigkeit der Spiele, dazu die Hybris schillernder Funktionäre, die zunehmend in den Fokus von Strafbehörden rund um den Globus rücken. Da braucht es keine Fensterreden mehr und auch keine wachsweiche Agenda 2020, die sich Bachs IOC selbst gebastelt hat. Was es braucht, ist ein Kulturwechsel in der Sportführung – im IOC wie auch im anderen Affärenverband, der Fifa. Da wie dort können nur Leute aufsteigen, die alle Schichten dieses Milieus durchwatet haben und bis oben durchgereicht wurden. Eine Art freiwillige Selbstkontrolle der internationalen Sportkameradschaft. Wird diese Systematik nicht durchbrochen, ist keine Wende in Sicht“ (Kistner, Thomas, Keine Wende in Sicht, in SZ 24.2.2017). – „Dabei ist die Agenda 2020 im Kern gescheitert. Es hat kosmetische Eingriffe am Vergabeprozess gegeben. Das IOC ist aber nicht bereit, die Geschäftsgrundlagen zu ändern. Olympia bleibt ein Franchiseprodukt: Der Franchisegeber und alleinige Besitzer der Spiele, das IOC, kassiert den Profit aus der Olympiavermarktung und reicht nur einen Teil an die Ausrichter weiter. Die Franchisenehmer, die Olympiagastgeber also, tragen das volle wirtschaftliche Risiko und stellen das IOC von unkalkulierbaren Belastungen frei. (…) Die Fotos aus Rio de Janeiro, wo schon ein halbes Jahr nach den Spielen 2016 Sportarenen wie das legendäre Maracana zu Ruinen verkommen, und die Horrormeldungen aus Tokio verstärken das Dilemma“ (Weinreich, Jens, Blasse Ringe, in Der Spiegel 9/25.2.2017).

Nachtrag 11: Stockholm sagt ab – wegen Agenda 2020
Schwedens Hauptstadt Stockholm zog am 26.4.2017 die Bewerbung für Olympische Winterspiele 2026 zurück: „Es gebe keine politische Mehrheit für eine Bewerbung, erklärte die sozialdemokratische Bürgermeisterin Kerstin Wanngard. Die Zeit für eine angemessene Analyse sei zu kurz, weil zu viele Unsicherheiten über die finanziellen Rahmenbedingungen bestünden. Schuld daran sei die vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ausgerufene Agenda 2020. Deren Details zu den Regularien für Gastgeberstädte würden frühestens im November 2017 bekannt gegeben“ (Stockholm verwirft Plan für Bewerbung, in spiegelonline 26.4.2017).

Nachtrag 12: Tokio 2020 sowas von nachhaltig
„Es soll Kandidaten künftig leichter gemacht werden, im Winter und im Sommer. Doch sollte man sich von den blumigen Versprechen nicht täuschen lassen: Olympia bleibt ein Riesen-Event und ein riskantes Projekt. Da geraten auch Mega-Cities ins Straucheln, wie derzeit in Tokio zu beobachten ist. Das Gastgeber 2020 ächzt unter enormen Lasten, die Kosten hatten sich zunächst auf 20 Milliarden Dollar vervielfacht und wurden nun auf knapp 13 Milliarden gestutzt. Die Zahlen bleiben volatil. Das IOC hat die Zahl der Sportarten für Tokio von 28 auf 33 und die Entscheidungen von 306 auf 341 erweitert. Ohne eine Reduzierung von Sportarten und eine deutliche Änderung des Programms wird es bei Sommerspielen aber kaum gehen. Dagegen sperren sich die olympischen Kernsportarten mit aller Macht. Doch das war kein Thema in Lausanne. Das IOC folgte der Maxime seines Präsidenten Thomas Bach, wonach es nur Sieger, aber keine Verlierer geben sollte. Im richtigen Leben, eigentlich auch im Sport, ist das allerdings anders“ (Weinreich, Jens,  Monopolympia, in spiegelonline 12.7.2017).

Nachtrag 13:
„Allerdings hat die ‚Agenda 2020‘, die IOC-Präsident Thomas Bach 2014 auf den Weg gebracht hat, eines ihrer Hauptziele verfehlt: Wieder mehr Bewerberstädte für Olympische Spiele zu begeistern. Zunächst schien der Plan aufzugehen, weil sich westliche Metropolen für 2024 bewarben. Doch gleich vier Kandidaten zogen sich zurück: Boston, Hamburg, Rom und Budapest. Angst vor zu hohen Kosten spielte überall eine Rolle. Blieben noch Paris und das für Boston nachgerückte Los Angeles. Das IOC überzeugte die Amerikaner, sich mit den Spielen 2028 zu begnügen, brachte die Doppelvergabe auf den Weg – und entledigte sich damit für viele Jahre dem Problem, namhafte Bewerber finden zu müssen. Das Prestigeobjekt Olympia blieb also trotz der Reformen ein Ladenhüter.Die Agenda 2020 hat komplett versagt‘, sagt der Stadtsoziologe Christopher Gaffney. Der Stadtsoziologe ist einer der führenden Wissenschaftler, die seit langem zu den Auswirkungen von Sportgroßveranstaltungen forschen. ‚Es wird immer wieder der gleiche Fehler gemacht – und das liegt am Vertrag des IOC mit den Städten. Die Städte zahlen, wenn die Kosten explodieren. Dabei hat das IOC noch nie mehr Geld eingenommen als heute. Bei jeden Spielen machen sie mehr. Und die Städte zahlen immer mehr für die Spiele'“ (WDR, Der einzige Gewinner – das ungezügelte Geschäft des IOC mit Olympia, Ankündigung des Films von Robert Kempe und Joachim Leufgens, sportinside 10.9.2017).

Quellen:
Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Puzzle mit Stubenfliege, in SZ 19.11.2014
Catuogno, Claudio, Spiele auf Schalke, in SZ 19.11.2014
dpa, NOlympia-Bewegung zu IOC: „Die ‚Reform‘ ist keine“, in sueddeutsche.de 20.1.2014
Hagedorn, Marc, Gut fürs Image, in weser-kurier.de 19.11.2014
IOC, Olympic Agenda 2020, 20 + 20 Recommendations, Lausanne 18.11.2014
Kistner, Thomas, Russische Vergangenheit, in SZ 6.12.2014
Kreuzer, Hans-Peter, Nur Kosmetik oder ein Befreiungsschlag, in deutschlandfunk.de 23.11.2014
Oelmaier, Tobias, Kommentar: Wichtigen Punkt vergessen, in www.dw.de 18.11.2014
Reform des IOC: Olympia-Städte sollen mehr Geld bekommen, in spiegelonline 18.11.2014
SID, Kein großer Wurf, in SZ 20.11.2014
Simeoni, Evi, „Wir wollen mehr Vielfalt“, in faz.net 19.11.2014
Sulzer, Thomas, Bach: Bürgerbegehren für Olympia nötig, in bild.de 19.11.2014
Voigt, Benedikt, Thomas Bach stellt seine IOC-Reformen vor, in www.tagesspiegel.de 19.11.2014
Vrenegor, Nicole, Viel heiße Luft: Keine IOC-Reform in Sicht, nolympia-hamburg.de 20.11.2014
Weinreich, Jens, Weniger Kosten, weniger Wettbewerbe, in spiegelonline 18.11.2014
Winterfeldt, Jörg, Im Zeichen der Krise, in berliner-zeitung.de 18.11.2014

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