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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Okt 022014
 
Zuletzt geändert am 03.11.2014 @ 12:38

2.10.2014, aktualisiert 3.11.2014

Der Rückzug
Am 1.10.2014 zog die norwegische Premierministerin Erna Solberg (Konservative Partei) dann die Bewerbung um Olympische Winterspiele 2022 zurück. Solberg sagte: „Die Unterstützung im Volk war einfach zu gering“ (Oslos Bewerbung ist gescheitert, in spiegelonline 1.10.2014). – „Am Mittwoch entschied sich die Regierung um Ministerpräsidentin Erna Solberg dagegen, die für eine Bewerbung nötige Summe an Staatsgarantien von mindestens 24,9 Milliarden Kronen (3,04 Milliarden Euro) bereitzustellen“ (Aus für Oslo, in sueddeutsche.de 1.10.2014). Und das, obwohl im Vorfeld der geplanten Abstimmung über die Defizitgarantie in der zweiten Oktoberhälfte das Budget der Bewerbung um Olympische Winterspiele in Oslo 2022 bereits um eine Milliarde Euro verringert und auf (völlig unrealistische) Kosten von 2,13 Milliarden Euro gesenkt (Reinke, Emanuel, Olympische Winterspiele 2022 gesenkt worden war; Oslo sagt „Nein“, in SID, 2.10.2014).
Anmerkung: Die Summe hätte dem IOC nicht gereicht – wie in Graubünden und in Bayern zuvor wollte man auch in Norwegen die Öffentlichkeit zunächst hinters Licht führen. Denn: Das IOC verlangt von jedem Bewerber um Olympische Spiele eine unbegrenzte Defizitgarantie. In der „Olympischen Charta“ steht: „Das NOK, das OK (Organisationskomitee) und die Gastgeberstadt haften gesamtschuldnerisch für alle Verpflichtungen … mit Ausnahme der finanziellen Haftung für Ausrichtung und Durchführung dieser Spiele, die vollständig die Gastgeberstadt und das OK gesamtschuldnerisch trifft … Das IOC übernimmt keinerlei finanzielle Haftung hinsichtlich Ausrichtung und Durchführung der Olympischen Spiele“ (Olympische Charta S. 38; Hervorhebung WZ).

Ablehnung wuchs kontinuierlich
Es hatte sich schon länger angedeutet. Die Umfrageergebnisse für Oslo 2022 sanken beständig – und nicht nur in den Landesteilen, sondern auch in Oslo selbst. Auch der Last-Minute-Sparvorschlag mit der (unrealistischen) Kostenreduzierung von einer Milliarde Euro – im Vergleich zum angfänglichen Kostenansatz von sechs Milliarden Euro – änderte nichts mehr.
Anders Todal Jenssen, Professor in Trondheim, sah ein hohes Risiko für Solbergs Konservative Partei, falls diese die mehrheitliche Volksmeinung missachten sollte. Jenssen wies auf den enormen Druck durchLobbyisten von Sport, Geschäftswelt und Arbeitswelt hin, die auf  die vom IOC verlangte Staatsgarantie drängten. Aber auch innerhalb der Konservativen Partei formierten sich Gegner wie zum Beispiel der populäre Bürgermeister von Tromso, Jens Johan Hjort, der zuerst für Oslo 2022 war und nun öffentlich verkündete, seine Meinung geändert zu haben (Berglund, Nina, Solberg caught in Olympic battle, in newsinenglish.no 30.9.2014).

Gründe für die Absage
Auf über 7.000 Seiten lieferte das IOC den Rahmen, in dem die Vorgaben der Spiele präzisiert wurden. Dazu gehörte u. a.:
– Ein Treffen der IOC-Bosse mit König Harald von Norwegen vor der Eröffnungsfeier mit Cocktails (Bezahlung entweder durch den Königspalast oder das Oslo Organisationskomitee). “Erst sollte der IOC-Präsident sprechen, dann der König” (Luft, Linda, Olympia: Der Forderungskatalog des IOC, in ndr.de 14.10.2014). Dazu die Synchronisation der Ampelschaltung mit dem IOCVerkehr in der Hauptstadt: Für die Norweger war der nationale Stolz und gesunder Menschenverstand wichtiger als die Olympischen Spiele (Kucera, Joshua, In Kazakhstan, Hope and Scepticism About Hosting 2022 Olympics, in thediplomat.com 9.10.2014).
feierliche Begrüßungszeremonie für den IOC-Präsidenten auf dem Rollfeld; eigenes Eingangsgate für ihn am Flughafen;
– Olympic Lanes auf den Autobahnen exklusiv für die IOC-Autos, Ampelschaltung für den olympischen Verkehr, damit die olympischen Teilnehmer Vorfahrt gegenüber allen anderen haben;
– ein neues Samsung-Telephon für alle IOC-Mitglieder mit norwegischer SIM-Karte;
– eine Flotte von Autos mit Fahrern für jeden IOC-Boss, jedes IOC-Mitglied und allen, die das IOC für würdig hält, ein eigenes Auto mit Fahrer für die Dauer der Spiele zu beanspruchen;
– des weiteren Steuerbefreiungen, diverse Hoteldienste inklusive Butler und Wäscherei, „High-Quality“-Verpflegung und Drinks zu jeder Tageszeit. Dazu die volle Kontrolle über die Werbung in der Stadt während der gesamten Dauer der Spiele, um sicher zu gehen, dass nur die olympischen Sponsoren gefördert werden. Exakte Meetingroom-Temperatur von 20 Grad Celsius – und alle IOC-Mitglieder müssen mit einem Lächeln empfangen werden, wenn sie in ihr Hotel einchecken (Berglund, Nina, IOC blamed for killing OL spirit, in newsinenglish.no 2.10.2014).
– Die Minibars in den IOC-Hotels müssen ausschließlich mit Produkten von Coca-Cola befülllt werden (Gertsch, Christoph, Auf einen Apero mit dem König, in nzz.ch 3.10.2014).
Für Nolympia-Aktive gegen München 2018 und 2022 ist das nichts wirklich Neues. Aber für die norwegischen Parlamentarier, denen die 7.000 Seiten zum Lesen gegeben wurden, war das sicher harte olympische Kost.
IOC-Präsident Thomas Bach warf Nebelkerzen: „Es handle sich bei dem Katalog lediglich um Empfehlungen, nicht um Forderungen“ (Luft, Linda, Olympia: Der Forderungskatalog des IOC, in ndr.de 14.10.2014).
Zur Aufstellung der Stadt Oslo von den Original-IOC-Dokumenten mit 7.000 Seiten: hier. Das IOC erklärte verblüffenderweise zehn Tage nach der Absage Oslos, es handele sich keineswegs um einen „Forderungskatalog“, sondern um ein „technisches Manual“: „Die sogenannten ‚Forderungen‘ aus den technischen Menüs sind nichts dergleichen. Sie sind (…) lediglich Vorschläge und Empfehlungen auf Grundlage von Erfahrungen der Organisatoren vorheriger Spiele“ (IOC widerspricht: Keine „Forderungen“ an Olympiabewerber, Übersetzung DOSB, dosb.de 10.10.2014).
Reine Irreführung und Desinformation des IOC.

Wer will noch Olympische Winterspiele?
Damit wurden aus neun Bewerbern für Olympische Winterspiele 2022 letztlich nur zwei: Barcelona 2022 wurde von Thomas Bach persönlich aufgefordert, zurückzuziehen. Vorreiter des weiteren olympischen Desasters war die Abwahl von Graubünden 2022 Anfang März 2013 (mit den Aktiven vom Olympiakritischen Komitee Graubünden). Dann kam die vierfache Abwahl von München 2022. Dann zogen Stockholm 2022 und Lviv/Lemberg 2022 zurück; Krakau 2022 wurde zu 70 Prozent abgewählt. Und nun zog Oslo 2022 zurück. Es verbleiben für 2022 von neun Bewerbern nur noch zwei Bewerber aus lupenreinen Diktaturen: Almaty/Kasachstan und Peking/China.

IOC: unveränderte Arroganz und Ignoranz
Den Rückzug von Oslo kommentierte das IOC mit eigenwilliger Ignoranz und Arroganz.
Christophe Dubi, Exekutiv-Direktor der Olympischen Spiele beim IOC, schrieb in der Pressemitteilung: „Das ist eine verpasste Gelegenheit für die Stadt Oslo und für die norwegische Bevölkerung… Und es ist eine verpasste Gelegenheit für die herausragenden norwegischen Sportler, die nun nicht mehr in der Lage sind, neue olympische Höhen in ihrem Heimatland zu erreichen“ (IOC Statement on Oslo 2022, olympic.org 1.10.2014).
– Dubi verwies auf die Oslo entgangenen 880 Millionen US-Dollar: Dass diese Summe angesichts der Milliarden-Ausgaben ein Danaer-Geschenk wären, war den Oslo-Bewerbern am Ende sehr wohl klar.
– Dubi verstieg sich auch noch zu folgender Aussage, dass die letzten Olympischen Winterspiele wie zum Beispiel Vancouver 2010 und Sotschi 2014 entweder eine schwarze Null schrieben oder Gewinn machten. (Die russischen olympischen Kunstrechner behaupteten in der Tat, bei Ausgaben von 50 Milliarden US-Dollar beim Durchführungsbudget (OCOG-Budget) einige Millionen US-Dollar Gewinn gemacht zu haben – ein buchhalterisches Kunststück.)
– Dubi verwies auf ein IOC-Meeting für die drei Bewerberstädte, an dem bedauerlicherweise die Oslo-Vertreter nicht teilgenommen hätten: „Aus diesem Grund konnten ranghohe norwegische Politiker nicht entsprechend auf den Bewerbungsprozess vorbereitet werden und mussten ihre Entscheidungen auf der Basis von Halbwahrheiten und sachlichen Ungenauigkeiten treffen“ (Ebenda). Daraufhin antwortete Trond Helleland, einer der „senior politicians“, ärgerlich: „Das Problem besteht darin, dass das IOC eine Organisation ist, die sehr wenig Reaktion auf Signale zeigt“ (Berglund 2.10.2014). Norwegens ranghohe Politiker wären sehr wohl in der Lage, eine Entscheidung ohne „Halbwahrheiten“ und „sachlichen Ungenauigkeiten“ zu treffen. Das norwegische Volk hätte seinen Widerstand gegen das IOC und die olympischen Kosten manifestiert, und die Politiker hätten zugehört. Helleland zum IOC: „Sie müssen mit dem Finger auf sich selbst zeigen. Deutschland, Schweden, die Schweiz, Polen und Norwegen haben nun alle ’nein‘ gesagt, sich um Olympische Spiele zu bewerben. Nur zwei Länder sind bereit, die beide extrem undemokratisch sind. Das IOC muss endlich damit beginnen, interne Veränderungen durchzuführen, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen“ (Ebenda). Als die Forderungen des IOC bei den Olympischen Winterspielen in Lillehammer 1994 diskutiert wurden, stellten einige Kommentatoren sogar infrage, ob norwegische Sportler überhaupt bei künftigen Spielen teilnehmen sollten, um dem IOC so Widerstand zu leisten (Ebenda). 

Fazit
– Aus der Tatsache, dass sich das Bewerberfeld für 2022 von neun auf zwei reduzierte, zieht das IOC bewusst keine Schlüsse.
– Die vom IOC geplante Agenda 2020 wird hier keine großen Ergebnisse oder Verbesserungen bringen.
– Die Arroganz und Ignoranz der IOC-Pressemitteilung auf den Rückzug von Oslo 2022 beweisen, dass das IOC lernunwillig und kritikunfähig ist.

Siehe auch: Oslo 2022-Bewerbung

Stimmen zur Absage:
spiegelonline: „Die Kandidatenwahl für den Olympia-Gastgeber von 2022 entwickelt sich für das Internationale Olympische Komitee (IOC) und dessen deutschen Präsidenten Thomas Bach zu einem Desaster: Nachdem bereits die Schweizer Region Graubünden, München und Stockholm im Vorfeld wegen der hohen Kosten zurückgezogen hatten, war Oslo der einzige Vertreter eines traditionellen Wintersportortes. Bereits für die Winterspiele in Sotschi/Russland (2014) und Pyeongchang/Südkorea (2018) wurden und werden enorme Kosten aufgewendet, um neue Wintersportgebiete zu entwickeln“ (Oslos Bewerbung ist gescheitert, in spiegelonline 1.10.2014).
Carsten Eberts in sueddeutsche.de: „Zu hoch die Kosten, zu gering der Rückhalt in der Bevölkerung. Zu gering auch die Lust, sich die korrupte und prunksüchtige IOC-Entourage ins Land zu holen“ (Westen wendet sich von Olympia ab, in sueddeutsche.de 2.10.2014).
Jarle Aabo, Reputationsexperte: „Das IOC ist nun in der Situation, wo alles schief gehen kann. Wenn demokratische, reiche Länder wie Norwegen ‚Nein‘ zur Bewerbung um Olympische Spiele sagen aufgrund der Korruption und Aufgeblasenheit des IOC, wirkt das wie eine Bombe auf den Rumpf der Organisation“ (Oslo 2022: Reaction to the ’no‘ vote, in thelocalno 2.10.2014). 
Christoph Wolf in n-tv: „Mit Oslos endgültiger Absage zu einer Bewerbung für die Winterspiele 2022 ist der  schlimmste olympische Alptraum des IOC wahrgeworden. (….) Oslos Ohrfeige schmerzt nicht nur ihn (Bach; WZ) und seine Olympier. Sie macht die olympische Akzeptanzkrise der ganzen Welt überdeutlich. Und sie zeigt endgültig, wie dem Größenwahn der internationalen Sportverbände in Demokratien begegnet werden muss: Mit einem selbstbewussten Nein statt devoter Unterwerfung. Die Norweger haben sich strenggenommen nicht gegen eine Bewerbung entschieden, sondern gegen die Spiele selbst votiert. (…) Nach der Schweiz (Graubünden), Deutschland (München) und Schweden (Stockholm) hat mit Norwegen nun auch das letzte traditionelle Wintersportland entschieden: Olympia 2022? NOlympia!“ (Wolf, Christoph, Thomas Bachs IOC muss endlich aufwachen, in n-tv 2.10.2014).
Kjersti Buass, norwegischer Snowboarder und viermaliger Teilnehmer an Olympischen Spielen, der auch in Sotschi dabei war: „Wir sind eine Wintersport-Nation, aber der Ausstieg zeigt, dass wir auch ein Hirn haben und größere Zusammenhänge sehen, und ich denke, die norwegische Bevölkerung sollte stolz darauf sein. Ich sehe das nicht  als versäumte Gelegenheit an. Ich sehe es eher als Gelegenheit, gegen eine große, große Organisation Widerstand zu leisten, gegen die nicht viele Leute Widerstand leisten. Und das ist die einzige Möglichkeit, Dinge zu verändern“ (Clarey, Christopher, A Winter Games Few Care to Host, in nytimes.com 2.10.2014).
Kommentar in bluewin.ch: „‚Die Winterspiele sind nach wie vor ein Hochglanzprodukt, wahrscheinlich mehr denn je‘. Alleine die Tatsache, dass ein IOC-Präsident (Bach; WZ) das Wort Hochglanzprodukt‘ im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen verwendet, sagt eigentlich alles“ (Auch Oslo will nicht – Was ist bloß aus den Winterspielen geworden? in bluewin.ch 2.10.2014).
Dan Roan in bbc.com: „Die 7.000 erstaunlichen Seiten an IOC-Forderungen – einschließlich Treffen mit dem König, VIP Cocktail Parties und olympische Fahrspuren – kamen nicht gut an in Norwegen. (…) Klar ist, dass westliche Länder zunehmend besorgt sind über die Kosten der Olympischen Spiele. Sotschi hat schlicht viele verschreckt“ (Winter Olympics: What now for 2022 after Norway pulls out, in bbc.com 2.10.2014).
Dan Wetzel in Yahoo Sports: „Wesentlich ist, dass die einzigen Orte, welche die Olympischen Spiele 2022 austragen wollen, Länder sind, wo derzeit die Bevölkerung nichts mitzubestimmen hat – das kommunistische China und Kasachstan, eine präsidentiale Republik, die rein zufällig einen einzigen Präsidenten hat, seitdem es von der alten UDSSR 1989 abgespalten wurde. Wesentlich ist, dass die gesamte Welt dem IOC mitgeteilt hat, dass dieses ein korrupter Witz ist. (…) Wer denkt, das sei eine Krise für das IOC, der kennt das IOC nicht. (…) Es ist eine Riesengaunerei. Nur die Fifa treibt es noch ärger“ (Wetzel, Dan, Why no one wants to host the 2022 Olympics, in sportsyahoo.com 2.10.2014). Und zum Ausgang des Rennens Almaty 2022 gegen Peking 2022: „Eine glückliche Nation wird gewinnen. Die andere bekommt die Olympischen Spiele 2022“ (Ebenda).
Die Herausgeber von Bloomberg: „Bravo, Norweger, dass ihr die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 in Oslo zurückgezogen habt. Nichts illustriert besser den schlechten Ruf, den die Spiele inzwischen haben, oder die Notwendigkeit, wie drastisch das ganze Procedere verändert werden muss“ (An Olympic Gold Medal for Norway, in bloombergview.com 3.10.2014).
Per Olaf Lundteigen von der norwegischen Central Party: „Wir haben schlicht die Verantwortung übernommen, diese Tyrannei zu stoppen. Sie gehört nicht mehr zu unserem Zeitalter“ (‚Norway should boycott 2022 Olympics“: MP, in thelocal.no 3.10.2014).
Peter Gerber Plech, Chefredakteur von skionline.ch: „Das Olympische Feuer lodert nur noch auf Sparflamme, die Marke ‚Olympische  Spiele‘ hat ihren Glanz verloren. (…) Wenn IOC-Präsident Thomas Bach im Nachgang zu Münchens Rückzieher von ‚fehlendem Mut‘ gesprochen hat, so ist das nicht angebracht. Richtig wäre von ‚fehlendem  Übermut‘ zu sprechen“ (Plech, Peter Gerber, Olympia hat ein Problem, in skionline.ch 3.10.2014).
Thomas Kistner in der SZ: „Jetzt muss also, wer sich für die als Olympia getarnten Asien-Spiele interessiert, den Globus gar nicht mehr drehen. 2018 lockt Südkoreas Pyeongchang, 2020 geht’s nach Tokio rüber und 2022 ein Stück nach Norden. Siegt Peking, haben Chinas Sportkader nach 2008 schon beide Varianten durch, Sommer- und Winterspiele. Hohe politische Reize birgt auch die Diktatur in Almaty, die Menschenrechte nicht überbewertet: 2022 kann nun ein Sportjahr werden, das die Besten der Welt erst nach Kasachstan (Olympia) und dann nach Katar (Fußball-WM) ruft. Dass zudem die WM 2018 in Putins russischem Reich stattfindet, offenbart dramatisch die Richtung, die der Weltsport nimmt: In Demokraturen und Rohstoffländer“ (Kistner, Thomas, Getarnte Asien-Spiele, in SZ 4.10.2014).
John Leicester in firstpost.com: „Wie macht man aus einem höchst bezaubernden Sportereignis einen unansprechenden Brei? Indem das IOC das Management übernimmt. (…) Die Liste der Erfordernisse, die das IOC erwartet, ist auf tausende Seiten angewachsen, bis in kleinste und belangloseste Details. Sogar die Blumen für die Medaillengewinner müssen eine vom IOC vorgeschriebene Größe und nicht zu viele Pollen haben“ (Leicester, John, With 2022 games, IOC turns magic into mush, in firstpost.com 5.10.2014).
Thomas Kistner in der SZ: „Es herrscht eine gewisse Erleichterung in Oslo nach dem Rückzug aus dem Bewerb um Olympische Winterspiele 2022. Und eine große Hilfe war die Reaktion des Internationalen Olympischen Komitees. Das IOC belehrte die Norweger in einem wütenden Statement über all die Millionen und all die Milliarden und all die sportlichen Erbschaften fürs Volk, die ihnen mit dem Ausstieg angeblich flöten gingen und attestierten den Regierungspolitikern eklatante Unfähigkeit… Oslos Regionalchef Stian Berger Røsland erklärte nun also, der Wutbrief des IOC ’spricht für sich selbst‘. (…) Røsland hielt hinsichtlich der IOC-Forderung nach einem Cocktailempfang beim König fest, man lade sich nicht selbst ins Schloss ein, allenfalls werde man eingeladen“ (Kistner, Thomas/SID, Beim König lädt man sich nicht ein, in SZ 6.10.2014).
Trond Helleland, Konservative Partei: „Das IOC muss zeigen, dass es sich um das kümmert, worum es wirklich geht, nämlich den Sport. Und nicht nur um Hätschelei und Snobismus“ (Luft, Linda, Olympia: Der Forderungskatalog des IOC, in ndr.de 14.10.2014).
Eirik Bergesen in huffingtonpost.co.uk: „Das IOVC hätte wenigstens versuchen können, seinen potentiellen Trophäen-Partner zu verführen. Aber seine 7.000 Seiten Forderungen besiegelten den Pakt gegen eine gemeinsame Zukunft. Wer fragt nach eigenen Verkehrsspuren? Das UDSSR-Politbüro? Und einen Cocktail mit dem norwegischen König, den er zu bezahlen hat? Hallo: Wir sind eine konstitutionelle Monarchie – Norwegens Politiker entscheiden, wann und mit wem der König Cocktail trinkt! (Bergesen, Eirik, The End of Winter Olympics, in huffingtonpost.co.uk 6.10.2014).
Stefan Grass vom Olympiakritischen Komitee Graubünden: „Keine vernünftige Demokratie lässt sich noch freiwillig auf die Knebelverträge des IOCs ein. (…) In einer Diktatur hingegen hat ein Großprojekt wie Olympia beste Chancen, und die Machthaber können ihrem Volk erst noch gigantische Spiele präsentieren“ (Cattani, Andrea, Findet Olympia nur noch in Regimes statt? in blick.ch 6.10.2014).
IOC-Präsident Thomas Bach äußerte zum Rückzug Oslos und den zwei letzten Kandidaten für 2022 aus den Diktaturen China und Kasachstan: „Niemand muss sich Sorgen um die Olympischen Spiele machen“ (Ebenda).
Keine Angst, Herr Bach, wir vom Netzwerk Nolympia machen uns da sicher keine Sorgen und denken in diesem Zusammenhang an den Vierzeiler von Robert Gernhardt:
„Der Herr der sprach zum Knecht:
Heut geht’s mir aber schlecht.

Drauf sprach der Knecht zum Herrn:
Das hörn wir aber gern.“

(Übersetzungen und damit für Fehler verantwortlich: WZ)

Vergleiche auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Oslo 2022 – Bewerben oder Nichtbewerben
Siehe auch in Report NDR, Linda Luft, 14.10.2014: Der Forderungskatalog des IOC. Dazu die Aufstellung der 7.000 Seiten mit Original-Dokumenten: hier

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