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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Jan 192012
 
Zuletzt geändert am 12.08.2012 @ 14:56

19.1.2012, aktualisiert 25.1.2012

Warum Olympische Jugendspiele?
Im Juli 2007 beschlossen die IOC-Mitglieder bei ihrer Session in Guatemala auf Vorschlag von Jacques Rogge einstimmig eine Jugendversion der Olympischen Spiele. Bei den Olympischen Sommer-Jugendspielen sollen maximal 3500 Jungsportler und 875 Betreuer mitmachen, bei den Olympischen Winter-Jugendspielen 1000 Jungsportler und 500 Betreuer.
Die ersten Olympischen Jugend-Sommerspiele fanden 2010 in Singapur statt, die ersten Olympischen Jugend-Winterspiele 2012 in Innsbruck/Österreich. Dann ist 2014 Nanjing/China 2014 dran, und so weiter. Der Dollar/Euro/Rubel rollt. Und die Gelder für die Fernsehrechte fließen, ebenso wie die Sponsorengelder: „Die Sponsoren waren nicht zu übersehen in Innsbruck…“ (Hahn, Thomas, Hoffnungsfabrik Innsbruck, in SZ 24.1.2012).
Die Olympischen Jugendspiele sind ein Lieblingskind des IOC-Präsidenten Jacques Rogge und sollen sich als weitere Cash Cow entwickeln. Sie sollen sich aber auch behaupten gegen IOC-ferne Aktivitäten wie die X-Games, die Ticket-To-Ride-Tour (TTR) etc.
Und sie bieten eine weitere Möglichkeit für das IOC, “um abgelehnte Bewerberstädte für Olympische Sommerspiele und Winterspiele zu vertrösten” (Michalek 15.1.2012).
Dabei birgt diese neue IOC-Spezialität für die jungen Sportler vielfältige Gefahren, nicht zuletzt „eine immer frühere Ausrichtung der jugendlichen Athleten auf Großereignisse und Spitzenergebnisse“ (Bauer 23.1.2012). Auch hier gibt es – aus gutem Grund – Dopingkontrollen.

Die Kosten trägt der Steuerzahler
Vom 13. bis 22. 1.2012, also zehn Tage lang, kämpfen in Innsbruck 1000 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren aus 70 Nationen in sieben Sportarten und 15 Disziplinen um Medaillen.
Die Kosten der ersten Olympischen Sommer-Jugendspiele 2010 in Singapur lagen bei hohen 220 Millionen Dollar. 23,7 Millionen Euro kosteten die ersten Olympischen Winter-Jugendspiele: mit einem Minus von acht Millionen Euro wird gerechnet. „Doch auch die bescheidene Variante finden in Tirol nicht alle toll, auch weil einigen Sportvereinen Fördermittel gestrichen wurden, um die Spiele finanzieren zu können“ (Rüthenauer 13.1.2012; Hervorhebung W.Z.).
Der Veranstalter Innsbruck, das Land Tirol und der Bund haben die Hauptkosten zu tragen: Sie zahlen je fünf Millionen Euro. Dazu kommen Sponsoren. Das IOC trägt gerade sechs Millionen Euro bei (Krutzler 13.1.2012) „Das IOC muss nur für Kost, Logis und Fahrtkosten der Sportler und Betreuer aufkommen“ (Michalek 15.1.2012).
Bei Olympischen Jugendspielen wird aber der selbe Trick wie bei normalen Olympischen Spielen angewendet: Es gibt ein Durchführungsbudget und ein (nicht darin enthaltenes) Infrastrukturbudget. Zu letzterem gehören u. a. ein Wohnkomplex mit 444 Wohnungen, ein Freestyle-Zentrum mit permanenter Halfpipe in Kuhtai, eine 108-Meter-Schanze und eine 75-Meter-Schanze in Seefeld, ein neues Nordisches Zentrum mit Langlauf- und Biathlon-Anlage für 4,4 Millionen Euro (Krutzler 13.1.2012).

Sponsor McDonald’s
Am 13.1.2012 wurden in Innsbruck die ersten Olympischen Jugend-Winterspiele eröffnet. Und am 13.1.2012 verkündete der Fastfood-Konzern und TOP-Sponsor McDonald’s die Verlängerung des Sponsorenvertrages mit dem IOC bis 2020. Geschätzter Geschäftsumfang: 200 Millionen Dollar (Rüthenauer 13.1.2012). IOC-Präsident Jacques Rogge spazierte persönlich mit dem Präsidenten von McDonald’s, Don Thompson, in ein McDonald’s-Fastfood-Restaurant, um sich zu einem Werbetermin mit den Konzernabgeordneten zu treffen und den Deal pressewirksam zu verkündigen (Heinrich 13.1.2012).
Das IOC braucht Geld, und das IOC braucht die Jugend. Also verjüngt man das Geschäftsmodell und „hat in Innsbruck ein Erziehungslager für heranwachsende Athleten organisiert“ (Rosner 13.1.2012). Hier werden die Jugendlichen auch mit den olympischen Werten versorgt: Dazu gehört auch Fastfood von McDonald’s und Süßgetränke von Coca-Cola.

Schwere Bobs
Da das neue Geschäftsmodell Olympische Jugend-Winterspiele recht überstürzt entwickelt wurde, müssen die 17- bis 18-jährigen Bobfahrer in den schweren Erwachsenenbobs starten, die 170 Kilogramm und mehr wiegen, das macht mit Piloten 360 Kilogramm. Leichtere Bobs hätten mehr als die 40.000 Euro gekostet, die ein schwerer Bob kostet. „Normal brauchen wir einen anderen Schlitten“, sagte Thomas Schwab vom Bob- und Schlittenverband Deutschland BSD (Kreisl  5.10.2011). Die Jugendlichen werden also in den schweren Zweierbobs mit bis zu 130 km/h zu Tal rasen. Dabei haben einige erst vor wenigen Wochen angefangen, Bob zu fahren (Michalek 15.1.2012).
„Unbedingt wollte der Bob-Weltverband FIBT unter seiner mittlerweile abgelösten Führung ein Jugend-Olympiarennen haben – obwohl viele Experten dagegen waren, denn als der Olympiawettkampf beschlossen wurde, da hatte er noch gar keine Jugendlichen“ (Kreisl 20.1.2012). Deshalb schrieb Volker Kreisl schon im Oktober 2011: „Die Idee, Schüler in Erwachsenenbobs fahren zu lassen, gilt als Schnapsidee” (Kreisl SZ 5.10.2011).
Schon für erwachsene Bobfahrer erweisen sich die Rennen als sehr gefährlich, siehe den Tod des georgischen Rodlers in Vancouver 2010. Wieso wird eine so gefährliche Sportart für so junge Menschen zugelassen?

Alte und junge Zeremonien
Volker Kreisl schrieb in der SZ, dass Innsbruck ein Elitetreff ist, „der so tut, als ob er nicht spitze ist… Medaillen werden zwar mit Hymne und allem drum und dran überreicht, aber, zumindest offiziell, nicht gezählt.“ Es bestünde die Gefahr, dass das junge Olympia nur ein Ableger dessen sei, „was das alte längst ist: ein Theater“ (Kreisl 13.1.2012).
Marc Heinrich schrieb in der FAZ: „Doch die Frischzellenkur ist in sich noch längst nicht schlüssig, denn sie verzichtet eben nicht auf all die Insignien des großen Sports. Es wird Siegertreppchen geben, Nationalhymnen erklingen für die Gewinner, Fahnen werden gehisst – und ohne Dopingproben geht es selbstverständlich auch bei den Teenagern schon nicht mehr. Nur auf den Medaillenspiegel wird verzichtet. zumindest offiziell“ (Heinrich 13.1.2012).
Zu den Medaillen äußerte der „Chef de Mission“, Ulf Tippelt: „Wir wollen kein Medaillenzählen veranstalten“, um sogleich zu ergänzen: „Natürlich geht es um Bestleistungen, natürlich kämpfen die Sportler um Medaillen.“ Und: „Die olympischen Jugendspiele sind ein wichtiger Schritt auf der Leiter eines Spitzensportlers“ (Rüthenauer 13.1.2012).
Der Saarbrücker Profesor für Sportökonomie, Eike Emrich hat den Verdacht, „dass das IOC über die Jugendspiele eigentlich versucht, anschlussfähig zu bleiben gegenüber der Jugend der Welt. Es geht ja um künftige Märkte. Man muss neue Sportarten gerieren. Und man muss auch seinen eigenen Nachwuchs und seine Anhängerschaft produzieren.“ Emrich zufolge sind „die betreuenden Systeme außerhalb der Vereine wichtiger geworden (.) als die Athleten selbst. Extrem formuliert: Der Athlet dient nur noch als Mittel zum Zweck der Aufrechterhaltung eines Fördersystems“ (Hahn 13.1.2012).

Vergleiche auch im Kritischen Olympischen Lexikon: Olympische Jugendspiele

Quellen:
Bauer, Florian, „Olympische Verjüngungskur“, in wdr.de 23.1.2012
Hahn, Thomas
– Balanceakt mit Werten, in SZ 13.1.2012
– Unter die Ringe gekommen, in SZ 16.1.2012
– Im Namen des Vaters, in SZ 17.1.2012
– Olympische Worte, in SZ  18.1.2012
Hecker, Anno, Crashcurs für Bob-Novizen, in faz.net 16.11.2011).
Heinrich, Marc, Frühstück mit Rogge: Junge Küche, volle Kasse, in faz-net 13.1.2012
Köhn, Rüdiger, Burger für Olympia, in faz.net 13.1.2012
Kreisl, Volker
– Experiment im Eiskanal, in SZ 5.10.2011
– Theater mit doppeltem Boden, in SZ 13.1.2012
– ABC lernen bei Tempo 130, in SZ 20.1.2012
Krutzler, David, Spiele der Jugend, Symbolik der Sparflamme, in Der Standard 13.1.2012
Michalek, Gerd, Kleines Olympia – Was steckt hinter der Idee von Jugendspielen? in dradio.-de 15.1.2012
Rosner, Simon, McOlympia in Innsbruck, in wienerzeitung.at 13.1.2012
Rüthenauer Andreas, Mitmachzirkus für die Kleinen, in taz.de 13.1.2012

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