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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Dez 042011
 
Zuletzt geändert am 31.12.2011 @ 16:20

4.12.2011, aktualisiert 31.12.2011

Am 3.12.2011 tagte die Mitgliederversammlung des DOSB in Berlin – wie immer in Anwesenheit der offiziellen Staats- und Sportvertreter Bundespräsident Christian Wulff und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Es folgt darüber eine kurze Chronologie:

Donnerstag, 1.12.2011:

Der DOSB hat sich für eine neue Olympia-Kandidatur ausgesprochen – ohne einen Zeitpunkt zu nennen (zeitonline 1.12.2011). DOSB-Präsident Bach plädierte im Vorfeld für München – mit Garmisch-Partenkirchen und Berchtesgaden. Aber: „Die  Entscheidung wird offen bleiben“ (merkur-online 1.12.2011).

Freitag, 2.12.2011:

Jetzt war klar, dass das Präsidium des DOSB München 2022 endgültig absagen lässt. Schließlich will sich Bach alle Chancen auf seine mögliche Kandidatur um das Amt des IOC-Präsidenten im Jahr 2013 offen halten. „Ausgerechnet ein Deutscher könnte den Olympia-Träumen entscheidend schaden. DOSB-Chef Thomas Bach werden Ambitionen auf das Amt des IOC-Präsidenten nachgesagt“ (Schmidt 2.12.2011).

Die „offizielle Begründung“ des DOSB lautete: Wahlen in der Landeshauptstadt, in Bayern und im Bund – soviel politische Unwägbarkeiten seien dem IOC nicht zuzumuten.

Erstmals kam die Diskussion auf, ob Berchtesgaden der neue alpine „Partner“ einer Bewerbung für künftige Winterspiele werden könnte (rp-online 2.12.2011; merkur-online 2.12.2011). Ein DOSB-Vertreter äußerte gegenüber der SZ, dass die Grundstücks-Diskussion geschadet habe und der Ort durch seine Außendarstellung politisch wie sportpolitisch inzwischen isoliert sei. Ein anderer sagte: „Garmisch-Partenkirchen ist nicht verlässlich. Das gilt für alle Projekte und Investitionen.“ Bürgermeister Schmid bezeichnete dies als „Ente“ und leugnete weiterhin Probleme mit den Grundstücken (Holzapfel 2.12.2011).
 Auch der SPD-Fraktionschef im Münchner Rathaus, Alexander Reissl, konnte sich gut vorstellen, ohne Garmisch-Partenkirchen anzutreten: „In Südbayern gebe es auch noch andere Wintersportorte“ (SZ 1.12.2011)
Die so oft beschworene olympische Freundschaft zwischen München und Garmisch-Partenkirchen war augenscheinlich alles andere als nachhaltig: Sie währte bis maximal zum 6.7.2011, dem Tag, als das IOc in Durban die Spiele an Pyeongchang vergab.
Garmisch-Partenkirchen soll wohl wegen der aufmüpfigen Bevölkerung vom DOSB abgestraft und abserviert werden – unabhängig von seinen 65 Millionen Euro hohen Investitionen in den Wintersport! Die hiesigen Kritiker der maßlosen Investitionen in den Wintersport werden recht behalten: Das war für die Entwicklung des Ortes ein schwerer Fehler, auch und gerade wegen der Klimaerwärmung!

Bereits am 2.12.2011 wurde – gezielt gesteuert – die Beschlussvorlage des DOSB-Präsidiums für die Mitgliederversammlung am nächsten Tag bekannt. In der Tischvorlage (Stand 2.12.2011) stand bereits u. a.: „Die Mitgliederversammlung spricht sich … dafür aus, zum jetzigen Zeitpunkt von einer Bewerbung um die XXIV. Olympischen Winterspiele und  XIII. Paralympischen Winterspiele 2022 abzusehen.“

Auch OB Ude war  über die Absage „erleichtert, weil ich die sofortige Fortsetzung der Kontroverse mühsam fände“ (Fahrenholz et al sueddeutsche.de 2.12.2011).
Schließlich muss Ude ja im Landtagswahlkampf noch die dritte Startbahn am Münchner Flughafen durchsetzen die ebenfalls mit großen Kontroversen verbunden ist!

DOSB-Generaldirektor Vesper übte sich wie üblich in Vieldeutigkeit: „Der DOSB legt immerhin grundsätzlich ein klares Bekenntnis zu einer erneuten Bewerbung ab. Und auch für 2022 ist die Tür noch nicht zu“ (Fahrenholz et al 3.12.2011).
Die Skirennfahrerin Maria Höfl-Riesch fand die Absage nicht gut: „Ich habe von Anfang an gesagt, dass man sich sofort wieder bewerben sollte… die Chancen steigen von Mal zu mal, wie man bei Pyeongchang gesehen hat“ („Das ist etwas für die Ewigkeit“, in tagesspiegel.de 31.12.2011).
Ungeniert und ungerührt würde Höfl-Riesch München drei Mal antreten lassen: Die drei BEWERBUNGEN von Pyeongchang haben rund 150 Millionen Dollar gekostet. Und Pyeongchang 2018 wird Pyeongchang sehr teuer kommen!

Samstag, 3.12.2011:

Der Chef der Bayerischen Staatskanzlei, Thomas Kreuzer (CSU) sagte am Samstag, die Bewerbung sei „in allererster Linie Sache des DOSB und möglicher Bewerberstädte“ (abendzeitung-muenchen.de 3.12.2011).
Damit beschrieb er die Realität: Der DOSB bestimmt allein, wann der Steuerzahler viele Milliarden für die wenigen Wochen der olympischen Party aufbringen darf: Mitzureden haben augenscheinlich weder der Staat noch der Bürger. 33 Millionen Euro hat allein die Bewerbung München 2018 gekostet – der größte Anteil kam von staatlichen Unternehmen. Und eine neuerliche Bewerbung Münchens, so erwarten Experten, soll knapp 50 Millionen kosten (sueddeutsche.de 4.12.2011).

Die Mitgliederversammlung des DOSB nahm, wie zu erwarten war, den „Vorschlag“ des DOSB-Präsidiums ohne Gegenstimme mit vier Enthaltungen an. Leise Kritik wurde geäußert, dass die Beschlussvorlage vor der Konferenz der Spitzenverbände an die Öffentlichkeit gelangt war. Diese Kritik wurde von DOSB-Generaldirektor Vesper umgehend abgebügelt (merkur-online.de 3.12.2011).
Bei Shakespeare heißt es: Much Ado about Nothing. Viel Lärm um nichts.

Bundespräsident Christian Wulff lobte den DOSB: „Die Bedeutung des Sports steigt“ und erhielt hierfür und für sein Engagement zugunsten München 2018 und seine großen Verdienste um Förderung und Entwicklung des deutschen Sports die Ehrenmedaille des DOSB (Ebenda; er ist schließlich schon seit 30.6.2010 in diesem Amt). Wulff redete dem DOSB nach dem Mund: „Es stünde uns gut an, wenn wir alsbald wieder Ausrichter Olympischer Spiele  werden“ (sueddeutsche.de 4.12.2011). Auch der für den Sport und seine dreistelligen Millionenbeträge aus Steuergeldern zuständige Bundesinnenminister Friedrich sagte dem DOSB seine volle Unterstützung für eine neuerliche Bewerbung zu (spiegelonline 3.12.2011).Nicht nur aus diesem Grund schrieb Robert Kempe über die DOSB-Veranstaltung: „Auf der Versammlung äußerte die Politik keine Kritik am organisierten Sport“ (Kempe 3.12.2011).

Neben Problemen des Spritzensports, der Korruption, der intransparenten und undemokratischen Strukturen in den nationalen und internationalen Sportverbänden hätte die Politik zum Beispiel das Problem diskutieren können, warum immer mehr nichtolympische Sportverbände aus der Spitzensportförderung des Bundesinnenministeriums herausfallen und deren bisherige Fördergelder den olympischen Verbänden zugeschlagen werden. Der Sprecher der nichtolympischen Verbände, Gunter Fahrion, sieht die Tendenz, „in Zukunft nur noch den Olympischen Sport fördern zu wollen“ (Ebenda).
So wird es kommen! Und der nichtolympische Sport und der Breitensport werden ausgehungert.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Sitzverteilung bei der DOSB-Mitgliederversammlung: Die Olympischen Spitzenverbände haben 229 Stimmen, die nichtolympischen Spitzenverbände haben gerade einmal 45! (Stimmaufteilung für die 7. Mitgliederversammlung des DOSB am 3.12.2011).

Schließlich heißt der Spitzenverband Deutscher OLYMPISCHER Sportbund. Und so stimmen die Spitzensport-Funktionäre mit Mehrheiten ab, die an die DDR-Volkskammer erinnern.

Jonathan Sachse: Aus dem Liveblog von der Mitgliederversammlung

In seiner Eröffnungsrede äußerte DOSB-Präsident Bach u. a.: „Wir wollen keine Bedenkenträger sein, dafür sind wir zu innovativ.“ Diese Innovationskraft kostet allerdings einiges: „Wenn wir im internationalen Leistungsvergleich nicht zurückfallen wollen, muss die Förderung ausgebaut werden.“
Dies erzählen weltweit die Sportfunktionäre ihren Politikern – und jene erhöhen unterwürfig flugs die sowieso schon enormen Budgets für den Spitzensport.

Jonathan Sachse stellte weiters fest, dass die Reihen der Damen und Herren des Sportausschusses des deutschen Bundestages spärlich besetzt waren und dass die Mitgliederversammlung eineinhalb Stunden vor dem geplanten Ende keine Themen mehr  auf der Tagesordnung hatte. „Wenn ich nichts verpasst habe, gab es am ganzen Tag nur 3 (!!!) Wortmeldungen im Podium, davon nur eine kritische, alle zu den kommenden Olympiabewerbungen. Keine Nachfrage zum Haushaltsplan und zu keinem anderen Thema. Trau sich keiner?  Will keiner?  Interessiert es niemanden?  Alles unter Kontrolle von Vesper und Bach?“ (Sachse 3.12.2011).
Bach und Vesper haben den DOSB-Laden fest im Griff.

Wie geht es weiter?

München 2018
München 2022
München 2026???
München 2030???

Quellen:
„Das ist für die Ewigkeit“, in tagesspiegel.de 31.12.2011
DOSB für neue Olympiabewerbung – Zeitpunkt offen, in zeitonline 1.12.2011
DOSB-Präsident: München soll sich wieder für Olympia bewerben, in merkur-online 1.12.2011
Effern, H., Hutter, D., Lode, S., Angst vor „Olympia 21“, in SZ 1.12.2011
Fahrenholz, Peter, Krügel, Christian, Hutter, Dominik, Olympia – ach geh! in sueddeutsche.de 2.12.2011
Fahrenholz, Peter, Hutter, Dominik, Krügel, Christian, Olympia 2022 ohne München, in SZ 3.12.2011
Holzapfel, Matthias,  Olympia: Münchner Bewerbung ohne Garmisch-Partenkirchen? in merkur-online 2.12.2011
Kempe, Robert, Nicht-Olympische Verbände bangen um Förderung, in dradio.de 3.12.2011
München: Olympia-Bewerbung 2022 ist vom Tisch, in abendzeitung-muenchen.de 3.12.2011
München sieht von Bewerbung für 2022 ab, in spiegelonline 3.12.2011
Olympia-Bewerbung 2022 zerschlagen, in merkur-online 2.12.2011
Olympia-Bewerbung: „Tür nicht zu“, in merkur-online.de 3.12.2011
Sachse, Jonathan, Liveblog  von der 7. Mitgliederversammlung des DOSB, jonathansachse.de
Schmidt, Thomas, Viele Gründe gegen Olympia, in merkur-online 2.12.2011
Sportpolitik – DOSB: Olympia-Bewerbung ja, München 2022 eher nein, in sueddeutsche.de 4.12.2011
Tischvorlage für die 7. DOSB-Mitgliederversammlung am 3. Dezember 2011, Entwurf, Stand 02.12.2011
Verzicht auf deutsche Olympiabewerbung 2022, in rp-online 2.12.2011

 

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