nach unten
Graubünden gegen Olympische Winterspiele

Jetzt Spenden!
Sep 052011
 
Zuletzt geändert am 14.06.2014 @ 11:23

Wolfgang Zängl 5.9.2011, aktualisiert 16.6.2013

“Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral.” Bertolt Brecht

Atomenergie für den Sport
Im Jahr 2014 kommt die FifaFußball-WM nach Brasilien, und im Jahr 2016 werden die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro ausgetragen. Über 100 Milliarden Dollar will Brasilien für beide Sport-Großevents investieren (Burghardt 13.7.2010).
Das sind Unsummen an sinnlos investiertem, verlorenem Geld in einem Land mit katastrophaler Armut.

Die immensen Stromkapazitäten, bzw. die Stromspitzen, die direkt und indirekt für die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 benötigt werden, sollen laut offiziellen brasilianischen Angaben aus zwei zusätzlichen Quellen kommen: dem dritten AKW-Block Angra 3 im Angra-Komplex und dem Wasserkraftwerk Belo Monte mit 11.000 Megawatt mitten im Amazonas, für das 500 Quadratkilometer Amazonas-Urwald gefällt und geflutet werden müssen. Denn das Land sucht „nach mehr Strom für seinen Wirtschaftsboom, die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 stehen ins Haus“ (Burghardt 11.7.2011).

Als Begründung wird von der brasilianischen Regierung neben den großen Stromausfällen 2001 und 2009 explizit die nötige zusätzliche Energieversorgung für die Fußball-WM 2014 und für die Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro genannt. Besonders peinlich war der Stromausfall vom November 2009 in 18 brasilianischen Bundesstaaten: „Gerade hatte Brasilien den Zuschlag für die WM 2014 und Olympia 2016 bekommen“ (Schoepp 28.8.2010). Schließlich hatte der frühere Staatspräsident Luiz Ignacio Lula da Silva versprochen: „Wir werden die beste WM organisieren, die der Planet jemals gesehen hat“ (Burghardt 13.7.2011). Er erklärte den Bau von Belo Monte zur Chefsache (Blasberg 22.9.2011).
Seine Nachfolgern Dilma Rousseff führt Lulas Pläne fort. „Brasilien ist auf dem Weg zur fünftgrößten Wirtschaftsmacht, veranstaltet 2014 die Fußball-WM und 2016 Olympia. Brasilien braucht Strom…“ (Burghardt 8.8.2011).

In Zusammenhang mit der Hermes-Bürgschaft (siehe unten) für Angra 3 bat die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff “im Juli 2011 Bundespräsident Christian Wulff um deutsche Unterstützung für die Finanzierung und machte ihn auf Möglichkeiten für deutsche Firmen vor WM und Olympia aufmerksam” (Burghardt 11.7.2011).
So profitiert die Atomindustrie nach Fukushima und nach dem geplanten deutschen Ausstieg bis 2022 von der Fußball-WM 2014 und den Olympischen Spielen 2016!

Brasilianische Atomkraftwerks-Veteranen
Das Atomprogramm der Atomkraftwerke Angra 1 bis 3 wurde noch unter der brasilianischen Militärdiktatur geplant – mit dem damaligen Ziel, eine Atombombe zu bauen. Brasilien hat im Übrigen den Atomwaffensperrvertrag bis heute nicht ratifiziert.

Angra 1 wurde in den 70er Jahren vom amerikanischen Atomkonzern Westinghouse geliefert und war ein „Pleite-Meiler“ (Thieme, Kunath 18.3.2011), der nur eingeschränkt funktionierte.

Der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt und der brasilianische General Ernesto Geisel schlossen 1975 einen Kooperationsvertrag über die Errichtung von acht brasilianischen Atomkraftwerken, eine Reaktorfabrik, eine Urananreicherungsanlage, eine Wiederaufbereitungsanlage und die Erschließung der brasilianischen Uranvorkommen (n-tv 26.6.2007; urgewald, Atomexportförderung). Davon wurde nur Angra 2 realisiert. Die Siemens-Tocher KWU sowie zahlreiche Banken profitierten von dessen Bau.

Angra 2 wurde vom Siemens-Konzern geliefert und produzierte nach 25 Jahren Planung und Bau im Jahr 2000 erstmals Strom. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima wurde bekannt, dass Angra 2 seit 2001 ohne Betriebsgenehmigung läuft (urgewald 6.7.2011).

Für Angra 3 wurde die Atomtechnologie und der Reaktorbehälter Anfang der 80er Jahre von der damaligen Siemens-Tochter Kraftwerk Union AG für 750 Millionen Dollar nach Brasilien geliefert. Die Arbeiten am dritten Block wurden 1984 begonnen und 1986 aufgrund ökonomischer und ökologischer Probleme eingestellt. Die gelieferten Reaktorteile wurden seither ein Vierteljahrhundert für 20 Millionen Dollar pro Jahr eingelagert – „angeblich gut geschützt gegen Feuchtigkeit, Salzwasser und Tropenhitze“ (Thieme, Kunath 18.3.2011).

Seit 2007 wird Angra 3 reanimiert. Seit September 2008 wurden Fundament und Sockel betoniert. Angra 3 soll bis 2015 für schätzungsweise sieben Milliarden brasilianische Real (umgerechnet ca. drei Milliarden Euro) fertiggebaut werden – mit dem Reaktor aus den 80er Jahren.
Und so errichten 3000 Arbeiter den AKW-Block Angra 3 auf dem Atlantik-Sand. 12.429 Tonnen Material, im Jahr 1984 geliefert, werden nun zu einem AKW zusammengeschraubt (Burghardt 18.6.2012).

Von Fukushima zu Angra
Die brasilianischen Atomkraftwerke Angra 1 und 2 (und das geplante AKW Angra 3) stehen direkt an der Atlantikküste; ihre Abklingbecken sind nur 50 Meter vom Meer entfernt. Sie liegen in einer erdrutschgefährdeten Bucht und in der einzigen erdbebengefährdeten Region Brasiliens. Im Jahr 2008 wurde bei einem Erdbeben in der Region der AKWs eine Stärke von 5,2 erreicht
(Russau 15.3.2011).

„An Fukushima muss man denken, wenn man  auf Angra 1, 2, 3 schaut. Der Anblick ist erschreckend ähnlich“ (Burghardt 18.6.2012).
Alle AKWs des Angra-Komplexes stehen am Strand auf Sand. Beim Ausheben der Baugrube von Angra 2 sackte das Maschinenhaus von Angra 1 ab.

Rio de Janeiro (rund 12 Millionen Einwohner) ist 100 Kilometer Luftlinie entfernt, Sao Paulo (rund 20 Millionen Einwohner) 200 Kilometer. Im Katastrophenfall müssten bei einem 20-Kilometer-Radius 170.000 Menschen evakuiert werden: dazu ist der zentrale Fluchtweg, die Straße BR-101, nur mäßig ausgebaut. Die brasilianischen Evakuierungspläne sehen im übrigen nur einen Radius von fünf Kilometer vor (urgewald, Atomexportförderung; campact undatiert; Wikipedia).

Die Atommüll-Probleme der brasilianischen AKWs sind völlig ungeklärt: Der Atommüll der Angra-AKWs – derzeit etwa 2000 Kubikmeter hochradioaktives Material -, lagert, wie erwähnt, in Abklingbecken 50 Meter vom Atlantik entfernt, wo am 28.5.2001 22.000 Liter radioaktives Wasser unkontrolliert ins Meer ausliefen. Der brasilianische Minister für Bergbau und Energie, Edison Lobao, verweist an dieser Stelle gern auf die ungelösten Atommüll-Probleme in den Industrieländern (Russau 15.3.2011). Das wissenschaftlich erwiesene Ansteigen des Meeresspiegels, mögliche Erdbeben und Flutwellen sind – auch nach Fukushima – nicht als Problem reflektiert worden.

Angra 3 entspricht technisch dem Stand des bayerischen Altreaktors Grafenrheinfeld. In Deutschland wird das AKW Grafenrheinfeld nach den Plänen der Bundesregierung im Jahr 2015 abgeschaltet. In Brasilien soll das AKW Angra 3 im Jahr 2015 hochgefahren werden (Campact 2.8.2011). Woher für Angra 3 etwaige Ersatzteile, die zu modernisierende Steuerungstechnik, die den neuesten Sicherheitsstandards entsprechende Technik kommen sollen, ist ungeklärt.

Das Deutsche Institut für Systemtechnologie (ISTec), eine Tochter der Deutschen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), kam in einer Überprüfung des AKW Angra 3 zu dem Urteil, „dass das Projekt deutsche und internationale Standards einhält“.

Dieses Gutachten Pro Angra 3 wurde von Atomkritikern als „Gefälligkeitsgutachten“ bezeichnet. Der Atomexperte Helmut Hirsch äußerte in einer Analyse für Greenpeace: „Es gibt keine systematische Darstellung, welche Regeln und Richtlinien im Einzelnen inwieweit herangezogen wurden.“ Es sei nicht möglich, zu beurteilen, ob Angra 3 den deutschen Sicherheitsstandards entsprechen würde (Kreutzfeldt 21.4.2010). Selbst das ISTEC-„Gutachten“ räumt ein, dass Angra 3 „nicht gegen Flugzeugabsturz gemäß der deutschen RSK-Richtlinie ausgelegt ist“ (ISTec-Gutachten 2009, S. 6, zitiert nach campact.de)

Angra 3 wäre als Druckwasserreaktor der zweiten Generation heute „in Westeuropa nicht mehr durchsetzbar“ (Bergius 24.1.2010).

Deutsche Hermes-Bürgschaft für Angra 3
In den siebziger Jahren stellte der damalige AKW-Produzent Siemens den Antrag auf eine Hermes-Bürgschaft für das iranische AKW Bushehr – mit den bekannten Folgen bis heute. 2002 stellte das Konsortium Areva/Siemens einen Antrag auf eine staatliche Hermes-Bürgschaft. Unter der rot-grünen Regierung war aber im Jahr 2001 eine Beendigung von staatlichen Hermes-Bürgschaften für den Export von Atomtechnologie beschlossen worden. In den deutschen Umweltleitlinien hieß es: „Ausgeschlossen von der Exportförderung Nukleartechnologien zum Neubau beziehungsweise zur Umrüstung von Atomanlagen.“ Er galt – auch unter der schwarz-roten Regierung – von 2001 bis 2009. Im Oktober 2009 kündigte die neue Regierung aus Union und FDP an, für den Export von Atom-Technologie wieder Kreditgarantien zu vergeben (Bauchmüller, Öchsner 23.10.2009).
Nach der Bundestagswahl 2009 und dem Wechsel zur schwarz-gelben Regierung stellte Areva/Siemens erneut einen Antrag auf eine Hermes-Bürgschaft (Greenpeace 29.1.2010). Die Merkel-Regierung unter Führung des Bundeswirtschaftsministers Rainer Brüderle (FDP) hob den Hermes-Stopp für Atomtechnologie Anfang 2010 auf. „Seitdem hat die Bundesregierung neben Angra 3 weitere Bürgschaften für Lieferungen an Atomkraftwerke in Schwellen—und Entwicklungsländer erteilt. Zulieferungen für Atomkraftwerke in China, Japan, Südkorea, Litauen, Slowenien und Russland wurden verbürgt“ (campact, undatiert).

Für das AKW Angra 3 will Deutschland eine Hermes-Bürgschaft leisten. Die Begründung aus dem Jahr 2010: zur Sicherung des deutschen Know-how in der Nukleartechnik. Zunächst wurden 2,5 Milliarden Euro genannt; derzeit ist noch von 1,3 Milliarden Euro die Rede: Die Hermes-Bürgschaft in dieser Höhe wurde im Februar 2010 grundsätzlich erteilt, aber bis heute noch nicht endgültig zugesagt – weil beteiligte französische Banken zusätzliche Sicherheitsanalysen gefordert haben (! W.Z.) (urgewald 6.7.2011).

Diese Banken haben also nicht ohne Grund offenbar ein anspruchsvolleres Sicherheitsbewusstsein als die ISTec oder die deutsche Bundesregierung!

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle war im März 2010 auf Staatsbesuch in Brasilien. Er äußerte in Zusammenhang mit Angra 3, er wolle „die Außenwirtschaftsförderung nicht mehr mit spitzen Fingern anfassen“, sondern ins Zentrum der Außenpolitik rücken. Westerwelle setzte sich hier zur Freude der Areva-Manager „massiv“ für die Atomwirtschaft ein: Er sah ein „großes Potenzial für die friedliche Nutzung der Kernkraft in Brasilien“ (Thieme, Kunath 18.3.2011).

Eine weitere Kuriosität stellt der Ausstieg des Siemens-Konzerns aus der Kooperation mit der französischen Atomfirma Areva NP zum 31.1.2012 dar: Areva NP wird dann im staatlichen Konzern Areva SA aufgehen, die Angra 3 fertig stellen wird. Die staatliche deutsche Hermes-Bürgschaft soll also für den Bau eines brasilianischen AKWs durch einen staatlichen französischen Atomkonzern geleistet werden!

Dazu kommt, dass die deutsche Regierung nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 im eigenen Land aus der Atomenergie aussteigen möchte, in Brasilien aber einen höchst gefährlichen Neubau mitfinanziert und garantiert. Der Greenpeace-Atomexperte Christoph von Lieven: „In Deutschland aus der Atomenergie auszusteigen und gleichzeitig in anderen Ländern hochgefährliche Atomkraftwerke zu unterstützen, ist doppelzüngig.“ Link zu Greenpeace hier; urgewald 8.6.2011).

Wasserkraftwerk Belo Monte
Neben der Elektrizität für die Aluminiumerzeugung soll Belo Monte auch den Spitzenstrom für die beiden Groß-Sportevents WM und Olympischen Sommerspiele liefern: Es wird mit 11.000 Megawatt das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt und umgerechnet acht Milliarden Euro kosten.

Belo Monte („schöner Berg“) liegt mitten im Amazonasgebiet: Der Rio Xingu soll aufgestaut und 500 Quadratkilometer überflutet werden (fast die Größe des Bodensees). Fünf indigene Indianerstämme verlören mit den Wäldern ihre Ernährungsgrundlage, die überschwemmt würden (Burghardt SZ 3.6.2011; 8.8.2011). 16.000 Menschen müssten umgesiedelt werden, sagt die Regierung; Kritiker sprechen von 50.000 (Schoepp 28.8.2010). Eine Angehörige des Juruni-Stammes, der Belo Monte bekämpft, sagte: „Für uns liegt der Himmel unter Wasser, das ist spirituell. Der Rio Xingu ist unser Fluss, wir haben immer hier gelebt“ (Burghardt 8.8.2011).

Der Bundesstaat Pará hatte die Ausschreibung noch gestoppt und Belo Monte als „Affront gegen die Umweltgesetze“ bezeichnet; die brasilianische Regierung setzte sich darüber hinweg (Schepp 24.4.2010). „Spätestens bis zu Olympia im Jahr 2016 in Rio wünscht sich Brasilia, dass das Wasserkraftwerk am Netz ist“ (Burghardt 3.6.2011).

Auch der Plan für Belo Monte stammt noch aus der Zeit der brasilianischen Militärdiktatur; der frühere „linke“ (? W.Z.) Präsident Luiz Inacio Lula da Silva aktivierte ihn 30 Jahre später wieder. Der brasilianische Bischof Erwin Kräutler fürchtet wegen des rücksichtslosen Kraftwerksbau um die Zukunft Amazoniens: “Belo Monte ist der letzte Dolchstoß… Wenn das kommt, können wir Amazonien das letzte Requiem singen” (Burghardt 8.8.2011). „Dieser Damm ist eine soziale Bombe“ (Blasberg 22.9.2011). Im Januar 2011 wurde Dilma Rousseff Präsidentin; der Chef des brasilianischen Umweltamtes trat wegen Belo Monte zurück; sein Nachfolger genehmigte kurz danach den Staudamm.
Vgl. auch Pro Regenwald

Das IOC behauptet, Olympische Spiele seien nachhaltig und klimaneutral: Aber langfristig nachhaltig werden vor allem die durch sie hervorgerufenen Umweltzerstörungen sein!

Nachtrag zu Belo Monte im April 2012:
1)53 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich unterschrieben im Mai 2011 einen Appell an den Vorsitzenden der Voith Hydro AG, welche die Technologie für das Wasserkraftwerk liefert. Darin wiesen sie den Konzern auf die juristischen und ökonomischen Risiken hin, auf die verfassungs- und arbeitsrechtlichen Aspekte, auf die Auswirkungen auf indigene Völker (70 Kilometer vom geplanten Staudamm wurden bisher unkontaktierte Indigene beobachtet) und deren Rechte sowie auf die ökologischen und sozialen Auswirkungen.
Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Voith Hydro, Roland München, antwortete darauf im Juni 2011 mit einem Brief, der gespickt mit EDV-Satzbausteinen war und nur am Rand auf den Inhalt des Appels einging. Brasilien sei eine Demokratie, und die Genehmigung von Großprojekten erfolge auf Grundlage des geltenden Rechts. Die Umsiedlung von 19.242 Menschen, die bisher in Lehmhütten am Fluss leben, sei problemlos, da sie neue Häuser erhalten würden. „Zum Punkt Schutz der indigenen Geniete möchte ich feststellen, dass die nachhaltige Entwiccklung und der Schutz dieser Gebiete zu den Aufgaben der Regierung zählen.“ Schließlich seien auch nach Angaben der Investoren zwischen 2007 und 2010 zwölf öffentliche Anhörungen und zehn Workshops in dem betroffenen Gebiet durchgeführt worden. Mit Verweis auf die 25 Prozent Weltmarktanteil bei Turbinen und Generatoren für Staudammprojekte von Voith Hydro merkte Münch an: „Wir vertreten die Auffassung, dass das Projekt dem Land Vorteile einbringen wird, die die daraus resultierenden Beeinträchtigungen bei weitem übertreffen werden“ (Antwort Münch vom 10.6.2012).
Die Vorteile haben ausschließlich die zuliefernden Industriezweige. Der Antwortbrief von Münch zeigte letztlich nur, wie beinhart ein solcher Konzernherr seine Interessen in den Vordergrund stellt und wie wenig ihn das Schicksal der ansässigen Bevölkerung interessiert.
2) Der Rückversicherungskonzern Munich Re hat die Absicherung der Bauphase des Staudammprojektes übernommen: Deshalb wurde er im März 2012aus dem Global Challenges Index (GCX) ausgeschlossen (Global Challenges Index 8.3.2012)

Nachtrag zu Belo Monte im Januar 2013: Belo Monte de Merde
Die Bauherren nennen den brasilianischen Riesenstaudamm “Belo Monte”, schöner Berg. Die Feinde nennen den Staudamm “Belo Monte de Merde”, schöner Berg aus Scheiße. “Ab 2015 soll sich die erste von 24 Turbinen drehen. So viel elektrische Leistung wie elf Atomkraftwerke sollen sie ab 2019 erzeigen können. Dafür bewege 18000 Arbeiter mehr Erde als beim Bau des Panama-Kanals… 40.000 Menschen müsse die Regierung umsiedeln… Fast elf Milliarden Euro soll der Damm kosten… Deutsche Unternehmen werden für eine knappe Milliarde Euro vier dieser Turbinen liefern, dazu Generatoren, alle Transformatoren, die komplette Automatisierung. Es ist ein Konsortium um die Firmen Siemens und Voith. Mercedes liefert die Lastwagen, die Münchner Rück versichert einen Teil des Projekts ” (Stock, Jonathan, “Der Rest vom Paradies, in Der Spiegel 5/28.1.2013). Bischof Erwin Kräutler befürchtet, dass die Regierung noch weitere Staudämme in den Amazonas setzen wird. “… viele der Indianer, sagt er, die seien ruhig gestellt mit Geld, mit Entschädigungszahlungen für ihr Land, das der Staudamm vernichten wird. Umgerechnet 570 Millionen Euro sollen die Indigenen von der Regierung bekommen haben. Immer wieder haben prominente Indianer gegen den Damm protestiert, die meisten aber haben resigniert” (Ebenda).

Deutsche Konzerne verdienen an WM und Olympischen Sommerspielen
Letztlich sind die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 in Brasilien mit geschätzten Investitionen von 40 Milliarden Euro ein Riesengeschäft für die deutsche Wirtschaft. Die deutsche EADS Defence & Security liefert Sicherheit, der Hochgeschwindigkeitszug von Rio nach Sao Paolo für 19 Milliarden Dollar wird Siemens Umsatz bringen. Oder wie es der damalige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Bernd Pfaffenbach, ausdrückte: “Wir bauen klimaneutrale Stadien, wir bringen die Fans dorthin. Wir überwachen den Verkehr, helfen beim Flughafenbau und können für die Sicherheit sorgen” (Schoepp 2.6.2010).
Die Turbinen für Belo Monte kommen von der Siemens-Tochterfirma Voith Hydro und dem österreichischen Turbinenbauer Andritz: “Der Verbund von Siemens und Hydro bekam einen Auftrag über 443 Millionen Euro für Turbinen, Generatoren, Transformatoren und Automatisierung” (Burghardt 8.8.2011; Sieg der Zierfischzüchter, in SZ 30.9.2010).

Die deutsche Versicherungswirtschaft profitierte wiederum von Angra 3: „Seit 1984 überprüft die Allianz regelmäßig die gelagerten Bestandteile für den Reaktor und erhält von Brasilien 20 Millionen Dollar pro Jahr“. Der Allianz-Konzern hat auch den Vertrag über die Bausicherung (Russau 15.3.2011).

Widerstand gegen Angra 3 und Belo Monte
Im Juli 2008 hatte Greenpeace vor dem Sitz der brasilianischen Umweltbehörde Ibama gegen die Erteilung der vorläufigen Baugenehmigung für Angra 3 protestiert und zwei Klagen vor Gericht eingereicht (Russau 15.3.2011).

Im Januar 2010 informierten die sechs Umweltverbände Urgewald, Greenpeace, Erlassjahr, Gegenströmung, Deutsche Umwelthilfe und IPPNW den Haushaltsausschuss des Bundestages über die Angra-3-Problematik und die damit verbundenen ökonomischen, politischen und sicherheitstechnischen Risiken sowie das völlig ungeklärte Problem des Atommülls im Angra-Komplex, der derzeit in den 50 Meter vom Atlantik befindlichen Abklingbecken lagert (urgewald et al, 25.1.2010).

In Brasilien klagt derzeit die Anwaltskammer gegen Angra 3, weil der damalige Beschluss zum Bau der drei AKWs nicht durch die Verfassung von 1988 abgedeckt sei (Burghardt 11.7.2011). Vor der deutschen Botschaft in Brasilia protestierten Greenpeace-Aktivisten gegen den Bau von Angra 3 mit Transparenten „Kein Geld für Atomprojekte in Brasilien, Frau Merkel“ (Greenpeace-Link hier; urgewald 8.6.2011)

Vor dem Berliner Kanzleramt protestierten die NGOs Attac, Campact und Urgewald am 6.7.2011 gegen die deutsche Hermes-Bürgschaft (urgewald 6.7.2011).
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) verweigerte Anfang August 2011 die Übergabe von 125.000 Protestunterschriften gegen Angra 3, welche die Umweltorganisation Campact gesammelt hatte (Campact 2.8.2011). Die Unterschriften sollen nun Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) übergeben werden.

Der Regisseur James Cameron (Avatar) und andere Prominente protestierten zusammen mit Mitgliedern der indigenen Völker gegen den Kraftwerksbau und die Zerstörung des Regenwaldes. „Wir brauchen keine Gringos, die ihre Nasen in Dinge stecken, die sie nichts angehen“, brüstete sich der damalige brasilianische Präsident Lula im Sommer 2010 (Blasberg 22.9.2011).
Pro Regenwald übergab im August 2011 den brasilianischen Botschaftern und Konsulen in Berlin und München Protestschreiben gegen den Bau von Belo Monte.
Zierfisch-Züchter klagten gegen den Bau: Im Rio Xingu leben 372 Fischarten, die durch den Staudammbau bedroht würden. Ein Richter im Bundesstaat Pará untersagte dem Konsortium Norte Energía Ende September 2011 den Weiterbau (Burghardt in SZ 30.9.2011; Brasilien: Justizministerium stoppt den Bau von Belo Monte, in www.regenwald.org 20.9.2011). Es steht aber zu befürchten, dass die Regierung in Brasilia sich durchsetzen wird.
Die beiden Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, Brigitte Behrens und Roland Hipp, schrieben am 30.9.2011 einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie verwiesen auf den von Merkel betriebenen Ausstieg Deutschlands aus der Atomkraft und protestierten gegen eine Hermes-Bürgschaft für Angra 3 (Greenpeace, 30.9.2011).

Merkel-Regierung verlängert Hermes-Bürgschaft
Alle Proteste in Deutschland nutzten nichts. Ende September 2011 wurde bekannt, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung ohne Skrupel am 1.9.2011 die Hermes-Bürgschaft für Angra 3 um weitere sechs Monate verlängert hatte. Der Beschluss wurde im „Interministeriellen Ausschuss für Exportkreditgarantien“ getroffen, in dem neben dem federführenden Ministerium für Wirtschaft (FDP-geführt) auch das der Finanzen (CDU), des Auswärtigen (FDP) und für wirtschaftliche Zusammenarbeit (FDP) vertreten sind.
Ich wünsche mir an dieser Stelle, dass die FDP nicht mehr im nächsten Bundestag vertreten sei!

MDB Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen) schrieb dazu in einer PM vom 26.9.2011: „Der schwarz-gelbe Atomlobbyismus im Ausland geht auch nach der nuklearen Katastrophe in Fukushima weiter. Es ist dreist und empörend, dass die Bundesregierung die Grundsatzzusage für die Hermesbürgschaft verlängert hat und den Bau des Risikomeilers Angra 3 in Brasilien weiter finanziell fördern will. Zu Hause alte Schrottreaktoren abschalten und im Ausland den Bau von unsicheren Atomkraftwerken fördern, ist schizophren. Es ist auch ökonomisch unsinnig: Mit deutschem Steuergeld sollten besser erneuerbare Energien in Brasilien und damit auch viele Arbeitsplätze in Deutschland gefördert werden.“
Kindler wies auch darauf hin, dass wieder einmal ein Gutachten erstellt werden soll – neben der Bundesregierung auch im Auftrag von Areva. Dieses Gutachten wird natürlich ausgerechnet wieder von der bereits hinlänglich bekannten ISTec GmbH verfasst. Er erinnerte auch daran, dass das AKW im erdbeben- und erdrutschgefährdeten Gebiet steht, es keine unabhängige brasilianische Atomaufsicht gibt und Brasilien das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat, sodass keine internationalen Inspektoren unangemeldet kontrollieren dürfen (Zur PM hier).

Anfang März 2012 protestierte Greenpeace in 66 Städten gegen die Hermes-Bürgschaft der Bundesregierung. Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl: „Der deutsche Atomausstieg ist inkonsequent und unehrlich, so lange weiterhin AKW-Projekte im Ausland gefördert werden“ (Erbrich 3.3.2012). Dazu erbrachte eine Studie von Greenpeace und Urgewald, dass für die probalistische Sicherheitsanalyse nicht Angra 3, sondern als Referenz-AKW Biblis B genommen wurde. Die Brasilien-Expertin von Urgewald, Barbara Happe: „Alles, was in Fukushima zur Katastrophe geführt hat, ist auch bei Angra 43 zu finden: falsche Annahmen, ein ungeeigneter Standort und veraltete Technik“ (Erbrich 6.3.2012).

Fazit
Die offizielle Begründung der brasilianischen Regierung für Angra 3 und Belo Monte sind der gigantische Spitzenstrombedarf der Fußball-WM 2014 und der Olympischen Sommerspiele 2016. Im Hintergrund machen Bauwirtschaft und Atomindustrie ihre schmutzigen Geschäfte. Indigene Völker werden vertrieben; der Amazonas-Urwald wird großflächig abgeholzt und geflutet. Die Bevölkerung bezahlt den Sport-Größenwahn, der Natur großflächig zerstört. Ökologie und Ökonomie werden mit der Rechtfertigung durch die beiden Sport-Großereignisse ruiniert.

In jedem Fall sind Angra 3 und Belo Monte Musterbeispiele: wie im Windschatten von Mega-Sportevents industrielle Großprojekte durchgezogen werden.

Nachtrag 1
Ein brasilianisches Bundesgericht hat einen sofortigen Baustopp für den Amazonas-Staudamm Belo Monte angeordnet. “Die bisher erteilten Baugenehmigungen durch Kongress sowie den Obersten Gerichtshof seien wegen Formfehlern nicht rechtsgültig” (SZ 16.8.2012).
Es wird nicht dabei bleiben!

Nachtrag 2
Stand Januar 2013: 40.000 Menschen müssen nach wie vor wegen dem Staudammprojekt Belo Monte umgesiedelt werden. Laut Bischof Erwin Kräutler werde die Regierung gegen all ihre Versprechungen weitere Staustufen am Rio Xingu bauen. Umgerechnet fast elf Milliarden Euro wird Belo Monte kosten.
Deutsche Unternehmen machen eine knappe halbe Milliarde Umsatz: Ein Konsortium um Siemens und Voith liefert die vier Turbinen plus Generatoren, Mercedes die Lkws, die Münchner Rück versichert.
Und die Indianer sollen mit umgerechnet 570 Millionen Euro Entschädigungsgeld ruhig gestellt worden sein. „Die Indianer kommen jetzt in die Stadt und kaufen mit geschenktem Geld Dinge, die sie vorher nicht gebraucht haben“ (Stock 28.1.2013).

Quellen:
AKW mit deutscher Hilfe – Brasilien wird Angra 3 bauen, in n-tv.de 26.6.2007
Atomexporteur Deutschland?, in Der Spiegel 51/17.12.2011
Bauchmüller, M., Öchsner, T., Koalition fördert Atomexporte, in SZ 23.10.2009
Baustopp für Staudamm, in SZ 16.8.2012
Bergius, Michael, Alarmbrief gegen Atomexport, in Frankfurter Rundschau 24.1.2010
Blasberg, Marian, Das Judas-Projekt, in zeitonline 22.9.2011
Burghardt, Peter
– Ein Turnier wie eine Postkarte, in SZ 13.7.2010
– Brasilien baut Mega-Damm, in SZ 3.6.2011
– Kritik an deutscher Bürgschaft für Atommeiler, in SZ 11.7.2011
– Weggespült, in SZ 8.8.2011
– Geisterstunde, in SZ 18.6.2012
Campact
– Atomtod exportiert man nicht (undatiert, Stand 2011)
– Angra 3: Entwicklungsminister Niebel verweigert Annahme von 125.000 Unterschriften, www.campact.de 2.8.2011
Erbrich, Marissa
– Protest gegen Atom-Außenpolitik der Bundesregierung, in greenpeace.de 3.3.2012
– Bundesregierung will für brasilianisches Risiko-AKW bürgen, in greenpeace.de 6.3.2012
Global Challenges Index: Munich Re wegen Umweltverstoß ausgeschlossen, 8.3.2012
Greenpeace, Keine Exportbürgschaft für Atomkraft (Angra 3), Hamburg 30.9.2011
Kindler, Sven-Christian, PM: Schwarz-gelber Atomlobbyismus bei Risiko-AKW Angra 3 geht weiter, 26.9.2011
Kreutzfeldt, Malte, „Gefälligkeitsgutachten“ fürs AKW, in taz.de 21.4.2011
Preuschoff, Beate, Regierung will mit Brasilien über AKW-Bürgschaft sprechen, Dow Jones Newswire 23.3.2011
Pro Regenwald, Stoppt Monster-sta udamm im Amazonasgeiet. Soldiaritäts-aktionen gegen brasiliansches ‚Belo Monte‘-Orojekjt, www.pro-regenwald.de, PM 22.8.2011
Russau, Christian, Brasilien baut Atomenergie weiter aus, in amerika21.de 15.3.2011
Schoepp, Sebastian
– 50.000 Menschen verlieren ihre Heimat, in SZ 24.4.2010
– “Die Trägheit wird überwunden”, in SZ 2.6.2010
– Wellen der Wut, in SZ 28.8.2010
– Angriff auf Mutter Erde, in SZ 29.10.2011
Stock, Jonathan, „Der Rest vom Paradies“, in Der Spiegel 5/28.1.2013
Thieme, Matthias, Kunath, Wolfgang, Berlin bürgt für Schrottreaktor, in Frankfurter Rundschau 18.3.2011
Totz, Sigrid, Deutsche Hermes-Bürgschaft für brasilianisches Risiko-AKW, www.greenpeace.de 29.1.2010
Urgewald
– Atomexportförderung, www.urgewald.de, undatiert
– Deutschland unterstützt Risiko-AKW in Brasilien, www.urgewald.de 8.6.2011
– 125.000 Unterschriften gegen Export von Atomtechnologie, www.urgewald.de, 6.7.2011
Urgewald, Greenpeace, erlassjahr.de, Gegenströmung, Deutsche Umwelthilfe, IPPNW, Unterrichtung des Haushaltsausschusses am 27.1.2010 zur Bürgschaft für das Atomkraftwerk Angra 3 in Brasilien
Wikipedia
www.regenwald.org

Vergleiche auch: Die Sportpalast-Architekten; Kritisches Olympisches Lexikon: Joao Havelange

nach oben