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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Dez 262010
 
Zuletzt geändert am 27.12.2010 @ 8:46

26.12.2010

Der Brief an das IOC

167 Grundeigentümer hatten vor der Entscheidung am 6.10.2010 über das Eckdatenpapier einen Brief an den Gemeinderat in Garmisch-Partenkirchen geschrieben und betont, dass ihre Grundstücke nicht zur Verfügung stehen würden.

Ungeachtet der eindeutigen Eigentumsverhältnisse wurde bewusst am 6.10.2010 im Münchner Stadtrat, im Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat und in Berchtesgaden für München 2018 abgestimmt, und noch am 14.12.2010 hatte man das Olympiagesetz im Bayerischen Landtag durchgewunken.
Das war also die Strategie von Staatsregierung und DOSB: Grundeigentümer ignorieren, Rechtsanwaltsschreiben nicht beantworten, Probleme aussitzen, Fakten schaffen, Rechtsgrundlagen beschließen.
Aber die Herrschaften haben sich zu einer olympischen Party eingeladen, ohne die Hausherren um Erlaubnis zu fragen.

Juristische Realitäten

Am 13.12.2010 schrieb Anwalt Seitz dem Staatskanzlei-Minister Siegfried Schneider einen Brief, in dem er diesem mitteilte, dass er 59 Garmisch-Partenkirchner Grundeigentümer vertrete. Deren Grundstücke sind für die Sportstätten „Kandahar“, „Hausberg“ und „Ski-Stadion Gudiberg“ unverzichtbar. Seitz verwies auf weitere fehlende Grundstücke an den Sportstätten, für die es keine Vertragsentwürfe gebe. „Die im Gasthof Zum Lamm versammelten Grundeigentümer hatten Ihnen auf Nachfrage einstimmig erklärt, dass deren Grundbesitz für die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele definitiv nicht zur Verfügung steht. Dies gilt insbesondere und gerade auch für die sämtlichen Flächen, unserer Mandantschaften, die im Kernbereich der drei Sportstätten liegen und die conditio sine qua non für die Olympia-Bewerbung darstellen.

Namens und im Auftrag der sämtlich von uns vertretenen Grundeigentümer bitten wir, uns umgehend zu bestätigen, dass – gemäß Ihrer Ankündigung – die Bewerbung offiziell zurückgezogen wird. Sollte uns diese Bestätigung nicht bis Mittwoch, 22. Dezember 2010 vorliegen, so erlauben wir uns, das Internationale Olympische Komitee direkt zu verständigen.“

Seitz übermittelte dieses Schreiben auch an die Bewerbungsgesellschaft München 2018 und dem Markt Garmisch-Partenkirchen. Er betonte die Notwendigkeit dieses Briefes für seine Mandanten: „Ansonsten hätte ihnen der Vorwurf gemacht werden können, sehenden Auges die Abgabe der Bewerbungsunterlagen hingenommen zu haben“ („Die Wahrheit ist auf unserer Seite“, Interview mit Ludwig Seitz in taz.de 18.12.2010).

Vergleiche auch: http://www.nolympia.de/2010/12/der-siegfried-schneider-bluff-findet-ein-ende/

Brief an Jacques Rogge

Auch dieser Brief von Rechtsanwalt Seitz wurde von den Adressaten – bis auf einige arrogante Statements der bayerischen Staatsregierung  – nicht beantwortet, und sie ließen auch die Frist 22.12.2010 verstreichen. Damit übersandte Seitz wie angekündigt am 23.12.2010 per Fax, Email und Post einen Brief an IOC-Präsident Jacques Rogge.

Seitz teilte diesem mit, dass am 11.1.2011 das Bid Book für München 2018 eingereicht werde, dass aber „die Funktionsfähigkeit der Sportstätten in Garmisch-Partenkirchen – Kandahar, Hausberg, Ski-Stadion Gudiberg – nicht gegeben ist. Denn unsere Mandanten sehen sich nicht in der Lage, ihren privaten Grundbesitz – zum größten Teil seit Jahrhunderten im Familienbesitz – zur Verfügung stellen. Eine Enteignung unserer Mandanten ist ausgeschlossen. So auch die ständig wiederholten Beteuerungen der Bayerischen Staatsregierung.“

Die Grundstücke der Mandanten sind zwischen 5.000 und 6.000 Quadratmeter groß und „liegen innerhalb des Areals, das nach den Vorgaben des IOC bei der jeweiligen Sportstätte unverzichtbar ist (innerhalb des geforderten Sicherheitszaunes). Ohne diese Grundstücke sind die Sportstätten ‚Kandahar’, ‚Hausberg’ und ‚Ski-Stadion Gudiberg’ nicht funktionsfähig.“
Der erwähnte Sicherheitszaun soll nach IOC-Vorschrift vier Meter hoch sein (Bauer gegen Olympia, Interview mit Ignaz Streitel, tz-online 15.12.2010).

Seitz schrieb Rogge weiter, dass die Entscheidung der Grundeigentümer unumstößlich ist, dass auch die Einlassung der Bewerberseite mit einem „Plan B“ unrealistisch ist: „Unsere 59 Mandantschaften möchten darauf hinweisen, dass sich über 100 weitere Grundeigentümer mit ihnen solidarisiert haben.“ (Hervorhebung: W.Z.) Schließlich wies Seitz noch für den Fall einer Enteignung auf die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten hin.

Die 59 Grundeigentümer und ihre Familien „siedeln zum ganz überwiegenden Teil seit Jahrhunderten in dem engen Werdenfelser Tal. Sie möchten ihre Kulturlandschaft pflegen, Eingriffe in Natur und Landschaft vermeiden und den – ohnehin weltweit bekannten – schönen Wintersportort Garmisch-Partenkirchen in seinem Charakter bewahren.

Bitte berücksichtigen Sie dies bei Ihren weiteren Entscheidungen.

Gez. Ludwig O. Seitz“

Drohende Enteignung

In einem Brief vom 23.12.2010 an den Rechtsanwalt der Bewerbungsgesellschaft München 2018, Alfred Sauter, zitierte Seitz aus einem Brief von Staatskanzlei-Minister Schneider vom 15.12.2010 an einen seiner Mandanten: „Klarstellen möchte ich auch, dass entgegen teilweise kursierenden Behauptungen ein Eigentumsübergang oder gar eine Enteignung für olympische und paralympische Spiele 2018 in Garmisch-Partenkirchen nicht erfolgen wird.“

Seitz erwähnte den eingereichten Enteignungsantrag gegen einen seiner Mandanten, der ein 4000 Quadratmeter großes Grundstück an der Zieleinfahrt der Kandahar besitzt. Der Antrag sieht eine Enteignung auf die Dauer von 30 Jahren vor und bezieht sich auch auf der Ski-WM „ähnliche Veranstaltungen“, damit auch auf eine Winterolympiade 2018. Seitz forderte die Bewerbungsgesellschaft München 2018 auf, „auf die Rücknahme des evident unzulässigen Enteignungsantrages hinzuwirken, soweit er sich auf eine Winterolympiade 2018 bezieht“.

DOSB-Präsident Thomas Bach tat so, als bestünde auch nach dem Brief an Rogge nach wie vor kein Grund zur Beunruhigung. „Die IOC-Mitglieder wissen einzuschätzen, wie so etwas abläuft, und dass es für so ein Großprojekt nie 100 Prozent Zustimmung geben kann.“ Von den 59 Bauern seien nur wenige von den olympischen Planungen betroffen. Laut Bach wäre eine Enteignung der Grundstückseigner laut Gesetz möglich, aber „keine Option“. Gleichzeitig drohte er: „Natürlich haben wir Enteignungen erlebt bei anderen internationalen Bewerbungen, es wäre nichts ungewöhnliches“ (Hannemann, Raik, Hungermann, Jens, „Enteignung nichts Ungewöhnliches“, in welt.de 26.12.2010).

Bachs Nichtverständnis der Situation in Garmisch-Partenkirchen ist gewollt und Teil seiner Strategie. Und dass für das IOC Enteignungen nichts Ungewöhnliches sind (Peking/China, Sotschi/Russland), lässt tief blicken! Bach verrät seit geraumer Zeit bei seinen öffentlichen Auftritten, dass er seinem Ziehvater Juan Antonio Samaranch politisch näher steht als dem Grundgesetz.

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