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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Nov 192010
 
Zuletzt geändert am 26.11.2010 @ 9:01

Wolfgang Zängl

19.11.2010

In dem (streng vertraulichen) Berichtsentwurf der Unternehmensberater von Deloitte zur Schätzung des Durchführungsbudgets werden unter Punkt 21 die Sicherheitskosten für München 2018 mit 31,8 Millionen Euro angegeben. Die Monitor-Sendung vom 18.11.2010 zitierte dagegen aus einem Papier des Bundesinnenministeriums, in dem gerade die Sicherheitskosten wesentlich höher angesetzt werden. Deshalb ist die Entwicklung der Sicherheitskosten der Olympischen Winterspiele in Vancouver 2010 und der Olympischen Sommerspiele in London 2012 aufschlussreich.

Vancouver

Die Kosten:
Die Angaben über die Kosten differieren, aber die Kostenentwicklung ist bei den verschiedenen Quellen jeweils eindeutig um das Fünffache höher. Übrigens kalkulierte auch bei Vancouver 2010 das Unternehmen Deloitte die ursprünglichen Kosten für Sicherheit.

Die Sicherheitskosten der Olympischen Winterspiele in Vancouver 2010 wurden bei Vergabe der Spiele 2003 mit 175 Millionen C$ (kanadischer Dollar), rund 126 Millionen Euro angesetzt und lagen schon Anfang 2009 bei 900 Millionen C$, rund 648 Millionen Euro (Braune 26.2.2009)

Der Chef-Organisator von Vancouver, John Furlong, nannte im Februar 2010 hohe Sicherheitskosten von fast einer Milliarde C$ (rund 720 Millionen Euro) und verteidigte sie, da an der Sicherheit nicht gespart werden dürfe. „Wir wollen ein glückliches Olympia-Theater, das allen Spaß macht“ (Kleine Zeitung 9.2.2010). Ein teurer Spaß…

In The Telegraph wurde im September 2010 für Sicherheitskosten in Vancouver eine Steigerung von ursprünglich 110 Millionen Pfund (129 Millionen Euro) auf 565 Millionen Pfund (661 Millionen Euro) angegeben (Magnay 9.9.2010). Und in der Neuen Züricher Zeitung wurden im November 2010 Sicherheitskosten von „rund einer Milliarde Franken“ genannt, etwa 735 Millionen Euro (nzz-online 17.11.2010).

Einzelposten Vancouver:
Der kanadische Sicherheitsminister Peter Van Loan gab im Februar 2009 im Handelsblatt für die Kosten folgende Zusammensetzung an: „Fast 500 Mio. Dollar (315 Mill. Euro) stehen der Bundespolizei RCMP zur Verfügung. Die Unterstützung durch das Militär kostet weitere 212 Mill. $. Weitere Posten sind die Luftraumüberwachung (25 Mill. $), der Einsatz des Geheimdienstes CSIS (11 Millionen $) und die Netzwerke für die Kommunikation der Sicherheitskräfte untereinander (9,8 Mill. $). Als Reserve für unvorhergesehene Ereignisse sind 137 Mill. $ im Budget eingestellt“ (Braune 26.2.2009).

Das Personal:
Zur „Vancouver 2010 Integrated Security Unit“ gehörten 7000 Polizisten und 4500 Soldaten, dazu 5000 Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste. 900 Überwachungskameras wurden an den Sportstätten angebracht (Völker 3.2.2010). Schon im Vorfeld der Spiele wurden Pfefferspray und Gummigeschosse gegen Demonstranten und Angehörige der indigenen Völker eingesetzt.

London 2012

Bereits im September 2010 war sicher, dass 600 Millionen Pfund (rund 700 Millionen Euro) nicht ausreichen würden, um sichere Spiele zu gewährleisten. Dazu kommen weitere 238 Millionen Pfund (278 Millionen Euro) öffentlicher Gelder für Sicherheits-Eventualitäten (Magnay 9.9.2010).

Der größte europäische Rüstungskonzern BAE Systems entwickelt einen Drohnentyp, der den Londoner Luftraum über den Olympischen Spielen 2012 überwachen soll. Der Polizeichef von Kent äußerte, Olympia 2012 sei eine „klare Deadline“ für die Genehmigung ziviler Drohneneinsätze, egal ob es sich „um Demonstrationen oder die Olympischen Spiele“ handele (spiegelonline 24.1.2010).

München 2018

In der Monitor-Sendung vom 18.11.2010 wurden „etwa 900 Millionen Dollar“ Sicherheitskosten für Vancouver angegeben. In den Deloitte-Unterlagen und im Münchner Bid Book werden nur 31,7 Millionen Euro im Durchführungs-Budget  (OCOG-Budget) für Sicherheitskosten genannt. Frau Mühlhäuser von der Bewerbungsgesellschaft München 2018 erklärte in einer Email vom 28.10.2010 die Diskrepanz zu Vancouver damit, dass die 31,7 Millionen Euro nur für „private und öffentliche Sicherheitsdienstleistungen“ angesetzt seien: „Personalkosten für Polizeikräfte in Bayern z.B. sind nicht extra ausgewiesen, da diese ohnehin gezahlt würden, ob mit oder ohne Olympische und Paralympische Winterspiele.“
Das ist natürlich auch eine Methode, die Sicherheitskosten zu senken!

Die Kosten für Polizei und Katastrophenschutz wurden laut Handelsblatt im Non-OCOG-Budget dann doch mit 33 bis 55 Millionen Euro angesetzt, d.h. zusammen mit maximal 87 Millionen Euro. Das wären immer noch weniger als zehn Prozent der Sicherheitskosten von Vancouver. München 2018 erklärte dazu: „Die Kosten sind aufgrund der geografischen Lage nicht mit denen der Winterspiele in Vancouver zu vergleichen“ (Handelsblatt 19.11.2010).

Sicherheits-Perspektiven 2018
Wir erleben seit geraumer Zeit Terrorwarnungen in jeglicher Hinsicht. Auch durch die deutsche Teilnahme am Afghanistankrieg erfolgen entsprechende Racheankündigungen. Öffentliche Verkehrsmittel und die Luftfracht waren bereits im Focus aktueller Anschlagsszenarien und -versuche. Kriminalbeamte drängten im November 2010 auch auf den Einsatz der Bundeswehr zum Schutz der Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen (spiegelonline 23.11.2010). Es ist mehr als wahrscheinlich, dass sich die Sicherheitslage im Jahr 2018 – also in fast acht Jahren – noch weiter verschärfen wird. Als bevorzugte Angriffsobjekte gelten insbesondere „Örtlichkeiten mit hohem Symbolwert“ (Diehl 19.11.2010).
Zur besonderen Vorgeschichte in München gehört das furchtbare Attentat bei den Olympischen Sommerspielen 1972: Damals verübten palästinensische Terroristen einen Angriff auf die israelische Olympia-Mannschaft, in dessen Verlauf die elf israelischen Geiseln, fünf Geiselnehmer und ein deutscher Polizist getötet wurden. Und im Jahr 1980 wurde in München das Oktoberfestattentat verübt. Im Fall Olympischer Winterspiele 2018 in München müsste das Sicherheitskonzept diese Vorgeschichte berücksichtigen: D.h. der Sicherheitsapparat müsste nicht nur in der gesamten Landeshauptstadt, sondern an allen Austragungsorten entsprechend ausgebaut werden.

Münchens Innenstadt (geplante Medaillenvergabe auf dem Marienhof!), aber auch der Großraum um München inklusive Flugplatz und Teile des Voralpenlandes würden zum Hochsicherheitstrakt. Demokratische Grundrechte werden schon durch „normale“ Olympische Spiele bzw. den Host City Contract des IOC stark eingeschränkt. Olympische Winterspiele München 2018 würden vorher und nachher polizeistaatliche Maßnahmen mit sich bringen, die sich heute noch kaum jemand vorstellen kann und die über Jahre undemokratische und irreversible Nachwirkungen hätten.

Das Massenereignis Olympische Spiele verschärft in jedem Fall die Sicherheitsmaßnahmen und trägt zu einer Entwicklung in Richtung Polizeistaat bei: mit unabsehbaren Kosten. „Die freundlichen Spiele?“ Von wegen.
Deshalb: Bewerbung München 2018 zurückziehen!

Vergleiche auch: http://www.nolympia.de/grunde-gegen-olympia-2018/sicherheitsmassnahmen-gegen-burgerrechte/

Quellen:
Braune, Gerd, Die Sicherheitskosten für Vancouver explodieren, in Handelsblatt 26.2.2009
Britische Polizei will Bürger mit Drohnen überwachen, in spiegelonline 24.1.2010
Diehl, Polizei rüstet sich für den Terror-Ernstfall, in spiegelonline 19.11.2010
Dowd, Allan, Vancouver’s 2010 security costs rise sharply, in Reuters.com 19.2.2009
Effern, Heiner, Olympia 2018 – ein Kostenrisiko, in SZ 19.11.32010
Kriminalbeamte verlangen Hilfe der Bundeswehr, in spiegelonline 23.11.2010
Magnay, Jacquelin, London 2012, 600 million Pounds budget unlikely to be enough for Games security, in The Telegraph 9.9.2010
München 2018 weist Fehlplanungs-Vorwürfe zurück, in Handelsblatt.com 19.11.2010
Kostenfalle Olympia: Wie die Winterspiele Kommunen ruinieren, Monitor 18.11.2010
Vancouvers OK-Chef Furlong verteidigt Sicherheitskosten, in Kleine Zeitung 9.2.2010
Völker, Markus, Dr. No und der Marktstalinismus, in taz, 3.2.2010
„Wir müssen zurück in die Berge“, in nzz-online 19.11.2010

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