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Jul 262010
 
Zuletzt geändert am 29.07.2010 @ 12:49

25.7.2010

Für London 2012 gibt das IOC folgende TOP-Partner (The Olympic Partner) an: Coca-Cola, Acer, Atos Origin, General Electric, McDonald’s, Omega, Panasonic, Samsung und Visa.
Im Juli 2010 kam ein neuer TOP-Sponsor dazu. Es ist der Chemie-Gigant Dow Chemical Company.

Dow Chemical ist einer der umstrittensten Konzerne der Welt – aus vielen Gründen:

– Napalm
Alleinhersteller der im Vietnam-Krieg eingesetzten Chemikalie war Dow Chemical (Der Spiegel 21/1968). Da Napalm extrem schlecht verheilende Brandwunden und große Schmerzen verursacht, fällt es inzwischen unter die übermäßiges Leid verursachenden geächteten Waffen des Artikels 23 der Haager Landkriegsordnung (Wikipedia). Das schließt aber die weitere Anwendung nicht völlig aus.

– Agent Orange
wurde von den US-Firmen Dow Chemical und Monsanto hergestellt. Agent Orange war der militärische Codename eines dioxinhaltigen Entlaubungsmittel, das im Vietnamkrieg aus amerikanischen Flugzeugen oder Helikoptern versprüht wurde. Ziel war die Entlaubung der Wälder – viele dieser Wälder sind abgestorben, Erosion und Überschwemmungen nahmen zu. Auch Ackerflächen und sogar Dörfer wurden besprüht. Die US-Armee soll während der Vietnamkriegs 80 Millionen Fässer Agent Orange über Nordvietnams versprüht haben, die insgesamt 300 Kilogramm reines Dioxin (genauer: TCDD) enthielten. Zum Vergleich: Während des Sevesounglücks 1976 wurden „nur“ 1,5 kg an die Umwelt freigesetzt. TCDD ist ein anerkanntes Karzinogen (aerzteblatt.de, April, 2009). Ein weiteres Dioxin (OCDD) gilt als „typisches Waldbranddioxin“ und verursachte Waldbrände (wie auch Napalm). Neuere Untersuchungen belegen, dass Dioxine in Vietnam noch immer im Boden und im Grundwasser bis in 20 m Tiefe nachgewiesen werden können (Forschungsprojekte April 2007: dieuniversitaet-online). Laut Angaben des Vietnamesischen Roten Kreuzes leiden zirka 500.000 Vietnamesen an den Spätfolgen von Agent Orange. Eine Gruppe vietnamesischer Opfer hat gegen die amerikanischen Hersteller Klage eingereicht, die jedoch im März 2005 abgewiesen wurde (Wikipedia).

– Bhopal
Im indischen Werk des amerikanischen Chemiekonzerns Union Carbide ereignete sich am 3.12.1984 die bislang größte Chemiekatastrophe aller Zeiten. Durch Fehleinleitung von Wasser in einen Tank erhöhte sich der Innendruck, und 36 Tonnen Methylisocyanat (MIC), ein Vorprodukt des Pestizids Sevin, entwichen in die Umgebung. Nach Schätzungen wurden mehr als 20.000 Menschen getötet und eine halbe Million gesundheitlich schwer geschädigt. Noch heute leiden 100.000 Menschen an den Folgen.
Fast sämtliche Sicherheitssysteme waren abgeschaltet, Notfallpläne nicht vorhanden, das Personal nicht ausgebildet: Schließlich hatte Union Carbide das Werk in Bhopal aus Gründen niedriger Löhne und niedriger Sicherheitsvorschriften errichtet. Union Carbide zahlte erst 1989 aufgrund eines Urteils des Obersten Indischen Gerichtes 470 Millionen Dollar Entschädigung; der Konzern machte zu dieser Zeit fast 10 Milliarden Dollar Umsatz.
2001 wurde Union Carbide ein Tochterunternehmen von Dow Chemical. Das Bhopal-Gelände ist nach wie vor verseucht. Dow Chemical verweigert weitere Entschädigungszahlungen an die Opfer.

– Pestizide
Dow Chemical gehört mit seinem 100 prozentigen Tochterunternehmen DowAgroSciences zu den fünf weltweit führenden Pestizid-Herstellern. 2008 wurde Dow Chemical in die Top 3 des „Toxic 100 Index“ aufgenommen. Greenpeace zählt 2008 DowAgroSciences zu den „schwärzesten Pestizid-Portfolios“ mit hohen Risiken für Gesundheit und Umwelt.

– Gentechnik
DowAgroSciences (Jahresumsatz: 4,5 Mrd $US – Firmeninformation) zählt zu den „six gene giants“ – zu den sechs Weltmarktführern in der Agro-Gentechnik (Ute Sprenger, BUND -12/2008). Zu DowAgroSciences gehören u.a. „Mycogen Seeds“ und „PhytoGen“. Seit wenigen Jahren gehen diese Konzerne – zu denen außer DowAgroSciences die Konzerne Monsanto, BASF Plant Science, Syngenta, Bayer CropScience und DupontPioneer gehören – strategische Zusammenschlüsse im Bereich von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen aus dem Nahrungs- und Bioenergie-Bereich ein. Diese transgenen Pflanzen – wie Mais, Soja, Baumwolle und Raps – tragen in erster Linie sogenannte Herbizid- und Pestizid-Resistenzen, die an die jeweiligen Firmen-Pestizide angepasst sind.
Beispiele:
– Gen-Mais „Herculex“ von Dow gemeinsam mit Pioneer Hi-Breed
– Gen-Mais 1507, von „Mycogen Seeds, c/o DowAgroScienes LLC und Pioneer Hi-Breed International, Inc.“ in der EU beantragt (Antrag efsa, European Food Safety Authority – s. dazu die Kritik von: www.testbiotech.de). Der gentechnisch veränderte Mais darf inzwischen in die EU importiert werden, die Genehmigung für den Anbau steht kurz vor der Bewilligung. Das hat bereits zu heftigen Protesten der Gentech-Kritiker geführt.
– Gen-Mais „SmartStax“ von Dow und Monsanto: Er enthält sechs verschiedene Genkonstrukte für Insektengifte, und zwei Genkonstrukte für Herbizidtoleranz. Dieser Mais zeigt, wie sehr die Gentechnik zu einer Spirale des Wettrüstens auf dem Acker führt, während Beikräuter und Insekten sich immer weiter anpassen.
– Gen-Baumwolle: Lizenzabkommen von DowAgroSciences/PhytoGen-Baumwollsaatgut mit BayerCropScience. Dies beeinhaltet auch das US-Patent von Dow auf Gen-Baumwolle mit Glyphosat-Resistenz. Man will u.a. den nord- und südamerikanischen Markt aufrollen (Quelle: PM Bayer, 20.5.2010).
– KEIN Patent auf Leben: Dow hat mit den genannten Tochterfirmen mehrere Patente am Europäischen Patentamt erteilt bekommen – sowohl auf Gen-Pflanzen als auch auf „High oil Maize“ ohne Gentechnik.

Pecunia non olet – Geld stinkt nicht:
Jetzt ist Dow Chemical TOP-Sponsor des IOC geworden und darf mit den fünf Ringen für seine Produkte werben. Das IOC ist derzeit etwas knapp bei Kassen, da vier TOP-Sponsoren abgesprungen sind. Da kann man offenbar nicht so wählerisch sein bei der Auswahl seiner Groß-Förderer. Dow Chemical zahlt für die auf zehn Jahre angelegte Partnerschaft immerhin 100 Milllionen USD. (Werbe-) Beginn dieser wunderbaren Freundschaft sind die Olympischen Sommerspiele 2012 in London.

Sylvia Hamberger, Wolfgang Zängl, Gesellschaft für ökologische Forschung, 26.7.2010

Quellen:
aerzteblatt.de, Dioxine, 23.4.2009
Bayer CropScience und DowAgrosciences-Firmeninformationen
Dieuniversitaet-online, Vietnam: Dioxin im Grundwasser, Forschungsprojekte, 11. April 2007
EFSA – European Food Safety Authority, Zusammenfassung des Gutachtens, Antrag (Referenz EFSA-GMO-NL-2005-15) von Mycogen seeds …, The EFSA Journal (2009), 1074
Greenpeace e.V.: Die schmutzigen Portfolios der Pestizidindustrie, Deutsche Zusammenfassung, Juni 2008
Kazim, Hasnain, Stadt unterm Leichentuch, in spiegelonline 2.12.2009
Kessler, Manuela, Der schleichende Tod von Bhopal, in SZ 2.12.2004
Matern, Tobias, Freier Eintritt zur Hölle, in SZ 16.11.2009
spiegelonline: Der Spiegel, Nr. 21/1968
stern.de, Nachforschungen: Im Vietnam-Krieg wurde mehr „Agent Orange“ versprüht, 17.4.2003
Tippe, Dr. Ruth, Kein Patent auf Leben, mündliche Mitteilungen
Ute Sprenger, Studie im Auftrag des BUND, Die Heilsversprechen der Gentechnikindustrie – ein Realitäts-Check, Dezember 2008
Wikipedia
www.testbiotech.de

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