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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Jul 162010
 
Zuletzt geändert am 28.07.2010 @ 7:34

17.7.2010

Insolvenz! Welch eine drohende Blamage für die Bewerbungsgesellschaft! Schnell wird das Budget um 10% auf 33 Mio. erhöht. Zuwenig für die Filme von Willy Bogner. Aber besser wie nix. Das Geld von den Sponsoren dümpelt immer noch bei 22 Mio. Ministerpräsident Seehofer spricht hoffnungsfroh von „Dingen, die noch in der Pipeline sind“. Man wird den „Dingen“ mit Krediten auf die Sprünge helfen müssen. Bogner hat’s am 15.7. im SZ-Interview gesagt: „Wir brauchen eine Garantie von der Politik, eventuelle Defizite auszugleichen.“

Das fängt ja schon gut an – und es wird so weitergehen. Bogner, du Prophet! Der Markt gibt nicht her, was man von ihm erwartet. Deshalb die Garantie von der Politik, dass deren eigener Ehrgeiz von den Steuerzahlern gesponsort werden muss. Natürlich nur, wenn’s eng wird. Das gilt für 2010, das gilt für 2018.

Aber es wird eng werden, das beweisen alle andern Großplanungen. Man muss gar nicht nach Turin gehen, man muss nur an der neuen Großschanze in Garmisch-Partenkirchen  Maß nehmen: Von 10 Mio. auf nahezu 20 Mio. fast verdoppelt!

Aber woher kommt die Abstinenz der Wirtschaft? Krise, sagen alle. Aber welche Krise? Nur die Finanzkrise? Der Markt weiß mehr, sagen die Wirtschaftsliberalen. Die Unsicherheit im Jahr 2018 ist die Klimakrise: Sind dann Winterspiele noch opportun? Die Münchner Rück investiert in der Krise mit anderen Unternehmen 400 Mrd. für das Wüstenprojekt Desertec, um dort in Jahrzehnten Sonnenenergie einzufangen. Im Jahr 2018 dagegen kann man sich in Garmisch-Partenkirchen nur die Schnee-Insolvenz einfangen. Und die Begeisterungs-Insolvenz.

Die Begeisterungs-Insolvenz, die gibt es jetzt schon. Deshalb auch der allseits beklagte Hochmut der Politiker. Die haben sich einfach nicht vorstellen können, dass man den Leuten die fünf Ringe hinhält, und keiner springt begeistert durch. Nach den Oberammergauern am wenigsten die Wirtschaft. Die einen rechnen mit ihren Wiesen, die anderen mit ihrem Kapital: Was bringt die Zukunft, was bringt Zukunft?

Andere haben für ihre Zukunft kein Wiesen- und kein Geldkapital, sondern symbolisches Kapital. Wiesenkapital haben die Bauern, Geldkapital haben die Unternehmen, symbolisches Kapital haben die Naturschützer. Ihr symbolisches Kapital ist ihre Reputation in Umweltsachen. Und da passiert Erstaunliches: Was die einen an Wiesen und Geld der Bewerbungsgesellschaft aus Weitsicht und Vorsicht nicht geben, verschleudern die anderen mit vollen Händen: Ihre Reputation als Natur- und Umweltschützer. 2018 wird schon alles gut gehen – 2018 muss alles gut gehen! Keine Klima-Insolvenz, keine Platz-Insolvenz in den engen Tälern, keine Zustimmungs-Insolvenz!

Ausgerechnet die Naturschutzexperten vom Deutschen Alpenverein (DAV) und vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) sind noch dabei, nachdem der Bund Naturschutz (BN), CIPRA Deutschland, Mountain Wilderness und der Verein zum Schutz der Bergwelt (VzSB) bereits letztes Jahr sich geweigert haben, der Olympia-Bewerbung das grüne Feigenblatt vor die ökologische Blöße zu halten. DAV & LBV sind die letzten, die noch in der Umweltkommission mitpaddeln, denen noch nicht die Düse geht, dass sie zu den Verlierern gehören könnten. Willy Bogner weiß das schon lange, deshalb wollte er sich auch davonmachen, bis ihn der Bayerische Horst am Krawattl gepackt hat, dass er nicht öffentlich den Horst macht, den anderen Horst.

Die Naturschutzverbände haben außer ihrer Vereinskasse nur symbolisches Kapital. Das ist das Wichtigste, was sie haben, im Kampf für die Nachhaltigkeit. Nein, nicht für die Nachhaltigkeit der olympischen Winterspiele, da ist Nachhaltigkeit sowieso nur Lug und Trug, das hat der Markt schon längst kapiert. Nein: Für ihren Einsatz für Natur und Umwelt vor und nach 2018. Dieses Kapital wird gerade verspielt. „Poker um die Spiele“, hat der Kommentar in der SZ vom 16.7. geheißen.

Die Naturschutzverbände, die noch in der Umweltkommission sitzen, die haben, anders als die Wirtschaft, in diesem Poker schon längst die Arschkarte gezogen. Höchste Zeit, dass sie den Spieltisch verlassen. Sonst könnten ihre Mitglieder, aber auch die ganze Gesellschaft merken, dass sie gerade die Zukunft verspielen. Nicht nur ihre, nicht nur symbolisch: Eine Natur- und Umwelt-Insolvenz können wir uns nicht leisten, noch weniger als eine finanzielle Insolvenz.

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