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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Feb 012011
 
Zuletzt geändert am 18.02.2011 @ 14:17

Wolfgang Zängl
1.2.2011, aktualisiert 18.2.2011

Der Löscher-Ude-Parallelslalom

Am 10.1.2011 informierte der Bezirksausschuss Maxvorstadt über Pläne des Siemens-Konzerns, anlässlich der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen (7. bis 20.2.2011) ein Public Viewing auf dem Wittelsbacher Platz zu veranstalten. Die Nationalfahnen aller wichtigen Skinationen sollen auf der Rampe in 10 Meter Höhe gehisst werden, begleitet von einem Pyrofeuerwerk. Neben Großbildschirmen soll eine 40 Meter lange, künstlich beschneite Skipiste (aus „reinstem M-Wasser und Ökostrom“), VIP-Zelte und Hüttengaudi nebst nächtlichen Ski-Partys bis 22 Uhr das Publikum erfreuen. Siemens versprach eine „klimaneutrale Veranstaltung“ mit Bergfeeling“ und „uriger Après-Ski-Almhütte“ (Loerzer, Sven, „Snow City“ begeistert nicht alle, in SZ 25.1.2011).
Die Kreisgruppe München des Bund Naturschutz protestierte. Die Vorsitzende der Münchner Grünen, Katharina Schulze, kritisierte: „Was Siemens betreibt, ist reines Greenwashing“ (Siemens darf Skipiste aufbauen, in SZ 22.1.2011). Und der Bezirksausschuss wurde vor vollendete Tatsachen gestellt: Das Event war wohl schon über Monate vorbereitet worden (Pressemitteilung Bündnis 90/Die Grünen im BA3 Maxvorstadt, 10.1.2011). Auch die Anlieger des Wittelsbacher Platzes waren über die Siemens-Plänen verärgert, da es sich wohl um eine „abgekartete Sache zwischen der Stadt und Siemens handelt“, wie der Geschäftsführer eines Einrichtungshauses formulierte. Ein Anwalt wurde eingeschaltet (Loerzer, Sven, „Bei Null ist ein lauter Knall zu hören“, in SZ 17.1.2011).

Der Siemens-Konzern wolle damit „die Ski-WM ins Herz der Stadt holen“ (Neumeier, Karin, Ski-Piste am Wittelsbacher Platz, in merkuronline 11.1.2011) und wartete am 10.1.2011 nur noch auf die Genehmigung des Kreisverwaltungsreferates, die trotz der Ablehnung durch CSU, FDP und Grüne im Bezirksausschuss umgehend am 21.1.2011 mit minimalen Einschränkungen erteilt wurde. Die SPD im BA war euphorisch: „Siemens schenkt der Stadt eine echte Attraktion, sie wird massenhaft Zustrom haben.“

Dann führte Siemens Greenwashing in Reinkultur vor: „Wir sind sauber“,  behauptete eine Siemens-Sprecherin: Der Kunstschnee würde nämlich aus Wasser und regenerativer Energie hergestellt (Wörmann, Caroline, Skigaudi am Wittelsbacher Platz: Die Piste wächst bereits, in merkur-online 24.1.2011). Die Veranstaltung sei zu „100 Prozent klimaneutral“… Die Rampe selbst wird nicht gekühlt – was schmilzt, wird nachproduziert…“ (Loerzer, Sven, 28 Tonnen Schnee in 24 Stunden, in SZ 29.1.2011).

Damit will Siemens suggerieren, dass die Produktion von Kunstschnee eine umweltfreundliche Angelegenheit sei. Die Methode hat der Konzern von der Bewerbungsgesellschaft München 2018 abgeschaut. Dass man jede Einheit regenerativer Energie nur einmal verbrauchen kann – und dass es wahrlich sinnvollere Einsätze gäbe als Kunstschnee auf dem Wittelsbacher Platz für ein München-2018-Ski-WM-2011-Event -, wird in der Konzernspitze des Elektro-Konzerns bewusst ignoriert.


Und so wummert schon seit Tagen die “Snow Box” (Werbeslogan: „Alles andere ist Schnee von gestern“) laut vor sich hin, um für eine 43 Meter lange und 12 Meter breite Piste 150 Tonnen Schnee zu produzieren – 28 Tonnen pro Tag. Die elektrische Leistungsaufnahme beträgt laut technischem Datenblatt 90 bis 100 kW – das wären unter Volllast in drei Wochen über 50.000 Kilowattstunden (kWh). Die Kosten für das Spektakel hält Siemens geheim. Allein die “Snow Box” kostet laut Mietpreisliste für drei Wochen 33.000 Euro, dazu kommen Kosten pro Betreuungstechniker von 350 Euro pro Tag plus natürlich die nicht unbeträchtlichen Kosten für Strom und Wasser. Die Gesamtkosten der Veranstaltung “Snow City” dürfte auf einen siebenstelligen Betrag kommen.

Der Münchner Kreisverwaltungsreferent sagte, es sei Aufgabe des Ordnungsamtes,  „Ausnahmen mit Augenmaß zuzulassen, wenn dies im öffentlichen Interesse ist“ – und dies sei gegeben, weil München „Wintersport live“ erleben könne (SZ 25.1.2011).
So einfach lässt sich das Interesse des Oberbürgermeisters, eines Industriekonzerns und der Bewerbungsgesellschaft als „öffentliches Interesse“ begründen.

Der Hausherr des benachbarten Innenministeriums, Minister Joachim Herrmann, bügelte den Protest herunter: „Es gibt schon ein paar Griesgrämige, die sich über den Lärm beschweren“ (Sonnabend, Lisa, Der Berg ruft, in SZ 7.2.2011). Der SPD-Fraktionschef Alexander Reissl stellte zur Rechtfertigung von „Snow City“ fest: „Offensichtlich gibt es ein Bedürfnis“ (SZ 27.1.2011).
Kein schlechter Ausdruck für diese Veranstaltung.

Die Begeisterung der SPD war kein Wunder, sollte das Event doch auch als Werbeveranstaltung für München 2018 herhalten: OB Ude und Siemens-Chef Peter Löscher wollten zum Auftakt im „Kurzschwungwettbewerb“ gegeneinander antreten (Loerzer, Sven, Verballermannisiert, in SZ 13.1.2011). Ein Dringlichkeitsantrag von Tobias Ruff/ÖDP, dass Ude nicht als Vertreter der Stadt am Skispektakel teilnehmen solle, wurde dann auch am 26.1.2011 umgehend abgebügelt (Wimmer, Barbara, Die kurze Ski-Karriere des Christian U., in tz-online 26.1.2011). Ude zog selbst am 26.1. zurück: Er war das einzige Mal mit 13 Jahren für ganze 15 Minuten auf Skiern gestanden und hatte sich dabei umgehend verletzt (Hutter, Dominik, Lode, Silke, Ude geht nicht auf die Piste, in SZ 27.1.2011).

Und so feuert die Landeshauptstadt München aus allen Rohren und mit allen Behörden für München 2018: mit ihrem Presse- und Öffentlichkeitsamt („Die Stadt informiert“), der Lokalbaukommission (Sondergenehmigungen für überdimensionierte Plakatflächen der Immowelt 2018), dem Kreisverwaltungsreferat ( Genehmigungen für „Snow City“ etc.), dem Umweltreferat (aktive und euphorische Begleitung von München 2018), dem Abfallwirtschaftsamt (alle Müllwagen werben für 2018), der Stadtbaurätin, dem Kreisverwaltungsreferat etc.

Siemens, Olympische Spiele und Skifahren

Das Spektakel am Wittelsbacher Platz kommt nicht von ungefähr. Siemens-Chef Löscher wird auch aktiver Besucher der Ski-WM im Februar 2011 in Garmisch-Partenkirchen sein: „Irgendwie schafft er es, Siemens als Skizirkus-Weltmarktführer zu verkaufen. In zwei von drei Skigebieten der Welt werde schließlich Siemens-Technik verwendet… Bis zu 15 Milliarden Euro werden laut Siemens in den kommenden zehn Jahren weltweit in Skigebiete investiert, davon will der Konzern ein Stück für sich“ (Hesse, Martin, Der Gipfelstürmer, in SZ 15.1.2011). Der Siemens-Konzern macht mit Antriebs- und Steuerungstechnik für Lifte und Seilbahnen jährlich rund 100 Millionen Euro Umsatz (Fasse, Markus, Höpner, Axel, Hofer, Joachim, Konzerne wetteifern bei der Ski-WM, in Handelsblatt 7.2.2011).
Löschers Eltern waren übrigens Seilbahnbesitzer.

Siemens bietet vieles rund um den (Kunst-)Schnee an: Seilbahnen, Beschneiungsanlagen etc. So lieferte zum Beispiel der Bereich Siemens Industrial Solutions and Services für die neue Galzigbahn in St. Anton Antriebs- und Automatisierungstechnik und Siemens Alpine Technologies die neue Kombibahn am Penken in Mayrhofen. (Siemens AG 2009: Gipfelsturm am Penken; Galzigbahn – St. Anton, www.seilbahn.net) Referenzregionen sind Altenmarkt-Zauchensee, Garmisch-Partenkirchen, Ischgl, Kaprun, Kitzbühel, Nassfeld, Obertauern, Rauris, Saalbach-Hinterglemm, Schladming, St. Anton a. Arlberg, Zell a. See – unter dem Motto: „High-tech for cool fun… We give the winter a helping hand – Siemens Alpine Technologies“ (Siemens Alpine Technologies, September 2009).
Und schließlich war Siemens auch in den Bau der Skihalle in Dubai involviert: Der „Sunny Mountain Ski Dome“ hat eine 400 Meter lange Piste und benötigt 6000 Tonnen Pulverschnee – bei Außentemperaturen von über 40 Grad Celsius! (Skifahren in Dubais Wüste, in spiegelonline 8.5.2005)
Die Siemens AG und Siemens AG Österreich waren als technische Ausrüster in die Katastrophe mit der Standseilbahn in Kaprun am 11.11.2000 involviert: 155 Skifahrer starben, als ein Zug der Standseilbahn zu brennen begann. Die österreichische Justiz sprach 2004 alle Angeklagten – Techniker, Lieferanten, Betreiber – frei. („Vollständige Entlastung der Angeklagten“, in faz.net 20.2.2004; US-Kaprun-Verfahren: US-Richterin ordnete Vergleich an, in Der Standard 28.8.2006; Andre, Luc, Isemann, Ralf, Als 155 Menschen in der Feuerfalle von Kaprun starben, in welt.de 11.11.2010)

Siemens ist ein globaler Technikzulieferer für sportliche Großereignisse. Der Konzern liefert auch die Technik für Olympische Sommer- und Winterspiele und erhält Aufträge für Verkehrswege, Stadien, Hotels, Energieversorgung und technische Infrastruktur im weiteren Sinn. Siemens stattete für die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking Stadien und Hotels aus und lieferte technische Anlagen für U-Bahnen und ein Gepäcktransportsystem für den Flughafen. Der Konzern gab den Gesamtumsatz für Peking 2008 mit 1,1 Milliarden Euro an.

Für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi gab Siemens Ende 2009 bekannt, für den Ausbau des Verkehrssystems die Züge zu liefern (Siemens liefert für Sotschi, in SZ 20.12.2009). Offizielle Mitarbeiter von Olympstroy schätzen die gesamten Kosten für den Eisenbahnausbau der Russischen Eisenbahn für Sotschi auf 8,5 Milliarden Dollar (Lee, Jeff, Security and environmental concerns, cost overruns: Russia readies for Games, Vancouver Sun 15.6.2010).

Siemens kann bei der Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018 in München nicht als Sponsor dabei sein, da der Konkurrent General Electric TOP-Sponsor des IOC ist. Enge Beziehungen bestanden (bestehen?) zu DOSB-Präsident und IOC-Vizepräsident Thomas Bach: „Von Siemens bekam Bach vor allem für Tätigkeiten im arabischen Raum am Ende 400.000 Euro pro Jahr, dazu 5000 Euro pro Tag. Im Frühjahr (2008; W.Z.) wurde der Vertrag publik und schließlich aufgelöst, wobei Siemens versicherte, es habe alles seine Ordnung gehabt“ (Kistner, Thomas, Ott, Klaus, Ritzer, Uwe, Leipziger Altlast, in SZ 8.8.2008).
Vergleiche auch: Kritisches Olympisches Lexikon: Bach, Thomas

Der „Lügendetektor“ des Greenpeace-Magazins schrieb zur „Snow City“: „Die grüne Tünche am Siemens-Event wirkt wie die Öko-Versprechen, mit denen sich München und Garmisch derzeit für die olympischen Winterspiele 2018 bewerben – deren sogenanntes Nachhaltigkeitskonzept haben bayerische Umweltverbände als Schönfärberei und „olympische Lügen“ verdammt“ (Siemens: Öko-Image aus der Schneekanone, in lügendetektor, Greenpeace-Magazin 7.2.2011).

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