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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Mrz 052011
 
Zuletzt geändert am 07.03.2011 @ 10:46

Ges(ch)ichtsklitterung – Wie der DAV die Oberammergauer einmal vor Olympia gerettet hat…

5.3.2011

Die DAV-Oberen sorgen sich momentan um ihre 850000 Mitglieder. Am 28.2.2011 hat es in der SZ geheißen, „Alpinisten werben für Olympia“ – und der DAV war gemeint. Da stellt sich doch jedem gestandenen Alpinisten die Frage, warum macht „unser“ Bergsteiger- und Naturschutzverein bei dem olympischen Zauber überhaupt mit? Gerade jetzt, wo sogar noch die Zugspitze über das Platt mit einem Tunnel bis zum Ehrwalder Skigebiet erschlossen werden soll! Von Süden soll zur Vollendung der Skischaukel eine dritte Seilbahn auf die Zugspitze gebaut werden. Die Begründung der Betreiber: Die olympische Option muss genutzt werden (Münchner Merkur vom 25.1.2011)! Da nutzt es nichts, wenn der DAV gegen den Zusammenschluss der Skigebiete Garmisch und Ehrwald über die Zugspitze hinweg mit einer einsamen Presseerklärung zu Felde zu zieht. Schließlich hält er gleichzeitig die olympische Idee des Schneller-Weiter-Höher hoch! Und höher als die Zugspitze geht es in Deutschland halt nicht. Und schneller als mit einem Tunnel kommt man vom Platt auch nicht ins Ehrwalder Skigebiet, um den olympischen Mehrwert einzuheimsen. Wer das olympische JA sagt, der muss auch das olympische B sagen, B wie Bumerang.

Der DAV ist dabei, als Naturschutzverband das Gesicht zu verlieren. Was Wunder, dass der DAV auf Erfolgssuche an der olympischen Naturschutzfront ist.

Am härtesten umkämpft ist der Austragungsort für das „Nordische Zentrum“ mit den Biathlon- und Langlaufwettbewerben. Zweimal musste der von der Bewerbungsgesellschaft ausgemachte Standort aufgegeben werden und die Suche von neuem beginnen. Die Odyssee um den geeigneten Standort hat – jeden Naturschutz ignorierend – bei Kaltenbrunn und Krün zwischen Mittenwald und Garmisch begonnen, hat dann in Oberammergau, unter Missachtung des Ortes als weltberühmter Passionsspielstätte und seiner authentischen Landschaft, Zwischenstation gemacht – und ist nun in einem Akt der Ratlosigkeit im ebenfalls ungeeigneten Schwaiganger gestrandet. Dennoch, die Entscheidungen scheinen gefallen zu sein. Da könnte man doch im Rückblick zur Rettung seines Rufes als Naturschutzverein gefahrlos punkten: In einer Pressemitteilung vom 27.2.2011 berichtet der DAV, wie er sich in der Fachkommission Umwelt der Bewerbungsgesellschaft für die Sache des Naturschutzes nicht nur ein-, sondern sogar durchgesetzt habe:

»In diesem Prozess hat sich der DAV mit seinem Sachverstand als Naturschutz- und Sportverband eingebracht. So wurden auf Drängen des DAV Kaltenbrunn und Krün sowie Oberammergau als Standorte für die Nordischen Disziplinen verworfen. Im ersten Fall hätten die Wettbewerbe das Schutzgebiet „Mittenwalder Buckelwiesen“ und mehrere Biotopflächen betroffen. Im Fall Oberammergau wären Probleme mit der Verkehrsanbindung und der mangelhaften Wasserversorgung der Beschneiungsanlagen unausweichlich gewesen. Sollten die Spiele 2018 nach München kommen, würden die Nordischen Disziplinen jetzt am Gut Schwaiganger bei Murnau stattfinden.«

(http://cms.alpenverein.de/download_file.php?id=7500&showfile=1 oder http://www.alpin.de/news/news/8542c1bc-e477-4cc1-8eff-dce996020a41)

Jetzt ist es also raus: Es war der DAV, der dafür gesorgt hat, dass zuerst Kaltenbrunn und Krün abgeschmettert und dann Oberammergau als Standort für die nordischen Disziplinen Biathlon und Langlauf »verworfen« worden ist. Nimmt man die Aussage beim Wort – und das ist in einer Pressemitteilung wohl beabsichtigt –, dann hat die Bewerbungsgesellschaft mit dem DAV einen selbsternannten „Naturschutzpartisan“ in ihren Reihen!

Ja, so klittert man Geschichte und damit gleich auch das eigene Naturschutzgesicht:

Gegen Kaltenbrunn und Krün sprach von Anfang an schlicht und ergreifend das bestehende Naturschutzrecht. Dafür als „anerkannter Naturschutzverband“ die Stimme nicht zu erheben, wäre für den DAV schlichtweg blamabel gewesen. Er tat mit anderen Naturschutzverbänden seine Pflicht. Hier sind keine Meriten zu holen, auch nicht für den DAV.

Grob klitternd agiert der DAV im Umgang mit den Bürgern von Oberammergau: Dass der olympische Kelch am Passionsspielort vorbei gegangen ist, das haben die Oberammergauer ausschließlich sich selbst zu verdanken. Es war das rasant anlaufende Bürgerbegehren, das der Bewerbungsgesellschaft sehr schnell gezeigt hat, dass die Oberammergauer auch mit mehr als 30 Silberlingen für einen Verrat an ihrer Natur und Landschaft nicht zu haben sind.

Der DAV hat zwar mehrmals auf die Wasser- und Verkehrsproblematik in Oberammergau hingewiesen – aber nicht als „no go“-Kriterien, sondern als Aufgaben, die gelöst werden müssen und können.

Man hat es noch immer in den Ohren, wie sich der DAV-Hauptgeschäftsführer Thomas Urban am 9. Juli 2009 vor der Presse für das neue Konzept in die Bresche geworfen hat. Kaltenbrunn und Krün waren aus Naturschutzgründen tabu, Oberstdorf und Ruhpolding waren wieder im Gespräch. In der Bewerbungsgesellschaft war es dann endgültig zum Schwur gekommen: Gegen Oberstdorf und Ruhpolding und für Oberammergau. Dem DAV als einzigen Naturschutzverband im Aufsichtsrat der Bewerbungsgesellschaft war dann der Job zugefallen, für ein olympisches Oberammergau die ökologischen Kohlen aus dem Feuer zu holen:

Süddeutsche Zeitung, 10.07.2009:
»Der Deutsche Alpenverein, der als einziger Naturschutzverband auch im Aufsichtsrat der Bewerbungsgesellschaft sitzt, fordert hier [für den Austragungsort Oberammergau] ein schlüssiges Verkehrskonzept. Im Übrigen könne man [der DAV] aus ökologischer Sicht voll hinter der Bewerbung stehen.«

Abendzeitung – Online, 9.7.2009:
»Was sagen Naturschützer?
„Nach jetzigem Stand ist das Konzept absolut naturverträglich“, sagt Thomas Urban vom Deutschen Alpenverein, „auch mit Oberammergau können wir gut leben.“«

Münchner Merkur, 9.7.2009:
»Unter den sportfachlichen, ökologischen sowie verkehrstechnischen Aspekten sei das Areal unterhalb der Romanshöhe [in Oberammergau] der beste Standort, lobte Schwank. Thomas Urban, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Alpenvereins, stimmte zu: Es sei die wesentlich bessere Lösung. „Das können wir naturschutzfachrechtlich absolut mittragen.“«

Welt kompakt, 10.07.2009:
»Thomas Urban vom Deutschen Alpenverein gibt diesen Plänen aus umweltfachlicher Sicht seinen Segen: „Es [Langlauf und Biathlon in Oberammergau] ist ökologisch das beste Konzept!“ Der Vorschlag, die Langlauf- und Biathlon-Wettbewerbe nach Oberstdorf und Ruhpolding zu verlegen, sei keine Alternative.«

Am 15.3.2010, acht Monate nach der olympischen Kür von Oberammergau, lieferte Willy Bogner beim IOC in Lausanne das Mini-Bid-Book (die „kleine Bewerbunsgschrift“) für München 2018 ab. Darin immer noch und fraglos: Oberammergau. Acht Monate hätte der DAV Zeit gehabt, darauf zu drängen, dass Oberammergau „verworfen“ wird. Nichts ist geschehen. Am 16.4.2010, also einen Monat nach der Präsentation des Mini-Bid-Books, informiert der DAV-Hauptgeschäftsführer Thomas Urban seine Mannen über den weiteren Ablauf der Olympiaambitionen des DAV. Er nutzt dazu das „Forum“ (Nr. 4/2010), das eigens für die »interne Kommunikation mit Entscheidungsträgern« und für Ehrenamtliche da ist. Er schreibt:

»Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018

… Wichtigster Schritt der jüngsten Zeit war zum einen die Abgabe des Mini-Bid-Books durch die Bewerbungsgesellschaft an das IOC sowie die Verabschiedung des Umweltkonzeptes Ende März durch die Fachkommission Umwelt. Dieses Umweltkonzept hat gegenüber dem letzten Entwurf substanziell an Qualität gewonnen und stellt nach Ansicht des DAV eine gute Basis für das weitere Vorgehen dar. … Allerdings weist das Umweltkonzept derzeit noch einige kritische Punkte auf, die dringend geklärt werden müssen. Diese sind aus Sicht des DAV

  • offene Fragen zur Beschneiung in Oberammergau. Das dafür benötigte Wasser müsste der Ammer entnommen werden, doch dafür reicht die Wasserführung des Flusses im Winter nicht aus;
  • der fehlende Ansatz, wie die vom IOC vorgeschriebene Verbreiterung der Skipiste am Gudiberg in Garmisch-Partenkirchen umgesetzt werden soll, da der gesamte umgebende Bereich FFH-Gebiet ist und somit keine Erschließung mehr zulässig ist;…«

Der Tenor ist eindeutig: Es werden von Urban Defizite angemahnt, aber weder Oberammergau noch der Gudiberg werden als Austragungsorte in Frage gestellt. Das Umweltkonzept, das wesentlich um Oberammergau kreist, wird über den Schellenkönig gelobt. Im Bodensatz der Kritik, die ein „anerkannter Naturschutzverband“ angesichts der Wucht der Pläne schon anstandshalber im Munde führen muss, findet sich nicht einmal mehr die prekäre Verkehrsanbindung Oberammergaus.

Und jetzt brüstet man sich, man habe u.a. wegen der »Probleme mit der Verkehrsanbindung« dafür gesorgt, dass Oberammergau verworfen worden ist!

Die wahre Passion

Am 9.6.2010 findet in Oberammergau im Pfarrsaal eine Bürgerversammlung „Nein zu Olympia 2018“ statt. Mitte Juni formieren sich Oberammergauer zu einem Bürgerbegehren mit der Frage: „Sind Sie dafür, dass Oberammergau alle Planungen hinsichtlich Olympia 2018 auf dem Gemeindegebiet sofort einstellt, damit unsere einmalige Landschaft in ihrem derzeitigen Zustand weitgehend erhalten bleibt?“

Am 2. Juli wurden bereits 773 Unterschriften eingereicht, um den Bürgerentscheid zu beantragen. Nur 410 Unterschriften wären dafür notwendig gewesen. Am 14. Juli hätte der Gemeinderat über die Rechtmäßigkeit des Antrages abstimmen müssen, aber da war Oberammergau schon aus der Bewerbung genommen worden. Bereits am 3.7.2010 schreibt die FAZ:

»Oberammergau aus dem Spiel

Wegen massiver Proteste der Bevölkerung verändert die Münchner Bewerbungsgesellschaft das deutsche Olympia-Konzept für die Winterspiele 2018. Der Sportstätten-Standort Oberammergau soll ersetzt werden, … Stattdessen soll auf staatliche Flächen ausgewichen werden. „Wir aktivieren Plan B“, zitiert die Zeitung einen hochrangigen Mitarbeiter. Der Widerstand im Dorf, wo am Donnerstag 773 Unterschriften übergeben wurden, sei zu deutlich. … Als Ausweich-Areal für die Wettbewerbe in Biathlon und Langlauf bietet sich das traditionsreiche Gestüt Schwaiganger im Landkreis Garmisch-Partenkirchen an. Es ist seit 90 Jahren in Staatsbesitz und liegt vergleichsweise nahe an der Autobahn A95.«

Wo war der DAV bei dieser Selbstrettung der Oberammergauer Bürger zwischen dem 9. Juli 2009 und dem 3. Juli 2010? Er hat für seinen Dachverband, den DOSB, die fünf Ringe hochgehalten, damit auch die Naturschützer für ein Zuckerl durchspringen!

»Pragmatischer Naturschutz« und der »positive Effekt der Mitgestaltungsmöglichkeit«

Die beiden Vorstände der größten Sektionen des DAV „München“ und „Oberland“ haben Ende letzten Jahres ein paar „Experten“ eingeladen zu einem Brainstorming über die Rolle des DAV bei der Olympiabewerbung 2018. Man kann durchaus sagen, die Bergler kreißten und gebaren eine Maus, siehe alpinwelt Nr. 1-2011.

Der Naturschutz wurde bei diesem Treffen zwar nicht neu erfunden, aber neu definiert. Er heißt nun »pragmatischer Naturschutz«. Laut Wikipedia bedeutet »Pragmatismus«: Ein »Verhalten oder Handlungen, die sich nach den bekannten Gegebenheiten richten, und auf eine theoretische Analyse und genaue Begründung der Wirkungen verzichten.« Das heißt für die beiden größten Sektionen des DAV: Wenn es für die Natur wirklich ums Eingemachte geht, wie z.B. bei den Olympischen Winterspielen 2018 im Werdenfelser Land, dann hält man sich an die »bekannten Gegebenheiten«, d.h. an die Stadt- und Staatsraison und „trägt Mitverantwortung für Eingriffe in Natur und Landschaft“, immerhin mit »dem positiven Effekt der Mitgestaltungsmöglichkeit«! Aber welche wäre das?

Der DAV unter seinem Hauptgeschäftsführer Thomas Urban hat es in der Causa Oberammergau vorgemacht, welcher »Effekt der Mitgestaltungsmöglichkeit« für einen Naturschutzverein im olympischen Bewerbungsprozess bleibt: Dem DOSB und dem Rumpelstilz Christian Ude die Naturschutz-Kohlen aus dem Feuer holen – und dann das verlorene Gesicht mit Geschichtsverdrehungen an eben dieser Causa wieder zurechtklittern. In der Hoffnung, dass das öffentliche Gedächtnis kurz ist. Und auf Kosten der Ehre der Oberammergauer, einer Ehre, die der DAV gerne heute für sich reklamiert hätte. Es waren aber allein die Oberammergauer, die sich gegen den erheblichen Druck der Presse und der Politik nicht haben unterkriegen lassen – und niemand sonst!

„By fair means“? Für den DAV offensichtlich kein olympisches Prinzip, um ans Ziel zu kommen. Bleibt die Frage: Welches Ziel?

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