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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Jan 092011
 
Zuletzt geändert am 09.01.2011 @ 16:56

Zur Abgabe des Bid Book München 2018 am 11.1.2011

Wolfgang Zängl 9.1.2011

Da am 11.1.2011 unter großem Olympischen Jubelchor das sogenannte Bid Book der Bewerbung München 2018 beim IOC in Lausanne abgegeben werden wird, soll hier auf einige Details der Entstehungsgeschichte eingegangen werden.

I Was der Münchner Stadtrat so alles beschlossen hat

(Alle Zitate: Oberbürgermeister, Stabsstelle München 2018, Sitzungsvorlage Nr. 08.14/V05051: Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 6.10.2010)

Am 6.10.2010 stimmte der Münchner Stadtrat den Eckdaten zum Zweiten Bewerbungsdokument (Bid Book), den 47 Garantien des „Multi-Party-Agreement“, dem „Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzept“, der Verpflichtungserklärung zum Gastgebervertrag und dem eigentlichen Gastgebervertrag (Host City Contract), der Vereinbarung zur gemeinsamen Vermarktung (Joint Marketing Programme Agreement), der Nebenvereinbarung, den Gestattungsverträgen und dem Verhandlungsergebnis mit Bund und Land bezüglich der Finanzierung zu.

Mit diesem „olympischen Ermächtigungsbeschluss“ erlaubte der Stadtrat dem Oberbürgermeister, all diese Vereinbarungen, Verträge und Garantien zu unterzeichnen (S. 6). Der Münchner Oberbürgermeister hatte die Verteilung von Kosten, Lasten und Risiken durch das IOC noch im November 2009 als „Zumutung“ bezeichnet. Anlässlich der Bewerbung um Olympische Winterspiele 2014 sprachen Salzburger Juristen von „Knebelverträgen“.

Dieses Abstimmungsverhalten des Stadtrates grenzt nicht nur an Selbstentmündigung, es ist auch insoweit von Interesse, als mit Sicherheit die allerwenigsten Stadträte den Inhalt dessen kannten, dem sie frohgemut, willig und unbeirrt zugestimmt haben. Sämtliche Abmachungen sind seitens des IOC einseitig veränderbar, für die Ausrichter (Bund, Land, München und Austragungsorte) sind sie bindend und nicht zu verändern und würden im Fall eines Zuschlags die Steuerzahler sehr teuer zu stehen kommen, sowie die bürgerlichen Freiheiten stark einschränken.

Unverträglich mit deutschem Recht

Die Sitzungsvorlage der „Stabsstelle München 2018“ erklärte weiter: „Gemessen am deutschen Rechtssystem sind Verpflichtungen in dem vom IOC gewünschten Umfang eigentlich nicht möglich. Eine rechtliche Prüfung und Bewertung, wie sie sonst bei Verträgen üblich ist, ist bei den vom IOC geforderten Unterlagen auch nicht zielführend, da die Auslegung des Vertrags nach Schweizer Recht erfolgt und wesentliche Elemente wie z.B. der Gastgebervertrag sowie die Anerkennung der Olympischen Charta mit den sich ergebenden Konsequenzen nicht verhandelbar sind (S.14; Hervorhebung W.Z.).

Deshalb werden diese Knebelverträge offenbar gar nicht erst geprüft!

„Hinzu kommt, dass die Bewerbungsdokumente sehr umfangreich sind und dazu noch jederzeit einseitig vom IOC abgeändert werden können. Bestandteil des Vertrages sind ca. 29 zum Teil sehr umfangreiche technische Handbücher in englischer Sprache“ (S. 14; Hervorhebung W.Z.).

Die 29 Handbücher wird sich wohl ebenfalls niemand angesehen haben.

„Nach Auskunft der Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH hat es auch trotz der weitreichenden Garantien bei bisherigen Bewerbungsverfahren keine großen Probleme beim Vollzug gegeben“ (S. 14).

Nach Auskunft der Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH gab es also mit diesen rigiden Garantien, die mit dem deutschen Rechtssystem nicht kompatibel sind, „keine großen Probleme“ (was nicht stimmt); dazu benötigt die Bewerbungsgesellschaft München 2018 offiziell kein öffentliches Geld (was nicht stimmt), braucht angeblich nur „0,48 Hektar Fläche“ (was nicht stimmt) und hilft auch noch der Umwelt (endgültig falsch).

Die Garmisch-Partenkirchner Grundstücks-Saga

„Im Rahmen der Bewerbung müssen die privaten Grundstücke, die für die Ausführung der Olympischen und Paralympischen Spiele temporär benötigt werden, mittels eines Gestattungsvertrages gesichert werden. Dies betrifft Grundstücke beispielsweise in Garmisch-Partenkirchen“ (S. 15; Hervorhebung W.Z.).

Diese Gestattungsverträge wurden nicht unterschrieben: Da diese Unterschriften aber maßgeblich für das Bid Book sind, hätte man die Bewerbung spätestens jetzt zurückziehen müssen. Stattdessen wurden im Januar 2011 Enteignungen diskutiert, die laut DOSB-Präsident Bach „nichts ungewöhnliches“ bei Olympischen Bewerbungen darstellen.

In Absprache mit dem Bayerischen Bauernverband hat die Bayerische Staatkanzlei mit der Bewerbungsgesellschaft die Situation der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke abgeklärt und gemeinsam einen Mustervertrag erarbeitet…“ (S. 15)

Auch diese Verträge wurden nicht unterschrieben!

Die Olympische Familie lässt lieber intern rechnen

„Das Budget des Organisationskomitees wurde im Auftrag der Bewerbungsgesellschaft von renommierten Wirtschaftsfachleuten auf Basis der gemachten Erfahrungen vergangener Winterspiele sowie plausibler Einzelannahmen erarbeitet“ (S. 17).

Zu den „renommierten Wirtschaftsfachleuten“ gehört der Hamburger Professor (und ehemalige Olympia-Teilnehmer) Prof. Wolfgang Maennig. Er ist im Olymp kein Unbekannter.

Maennig saß im deutschen Achter bei den Olympischen Sommerspielen 1988 in Seoul und erhielt Gold. Er verfasste für die deutschen Skandalbewerbungen um Olympische Sommerspiele Berlin 2000 und Leipzig 2012 Gutachten zur Finanzierbarkeit und erstellte für München 2018 ein Gutachten über die Bewerbungsausgaben und eines über die Finanzierung. Im Jahr 2000 erhielt er den „Olympischen Orden“ (Wikipedia). Für München 2018 geht Maennig übrigens von Sponsoreneinnahmen von 436 Millionen Euro aus. (!)

Diese Zahl überrascht umso mehr, als ja nicht einmal die 33 Millionen Euro für die Bewerbung eingeworben wurden, sondern nur etwa 25 Millionen Euro, davon rund 7 Millionen Euro an Sachleistungen – und etwa ein Drittel von öffentlichen Unternehmen. Dazu munkelt man, dass die Bewerbungsgesellschaft bald schon wieder in Geldnöten stecken wird’s.

München 2018 macht kein Defizit

Nach der Amtshilfe von Rechenexperten wie Maennig und Deloitte (siehe weiter unten) geht es weiter im Text des Münchner Stadtratbeschlusses: „Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist davon auszugehen, dass Defizite bei der Durchführung der Spiele kaum entstehen“ (S. 18). Und dann wird ausgerechnet Nagano 1998 aufgeführt als „ausgeglichenes Budget“, obwohl die Stadt Nagano seitdem ein zweistelliges Milliardendefizit abträgt und dadurch so gut wie pleite ist. Erwähnt wird auch Turin 2006, ebenfalls mit „ausgeglichenes Budget“: Hier musste der italienische Staat einspringen, und die kleinen Austragungsorte sind seitdem so gut wie pleite sind. (Siehe auch: Bisherige Erfahrungen mit olympischen Winterspielen)

So würde es München auch ergehen. Kleines Beispiel: Die Kosten für Sicherheit werden mit 31,7 Millionen heruntergerechnet, obwohl sie bei den Olympischen Winterspielern in Vancouver bei ca. 700 Millionen Euro lagen. Denn in München werden nur die Kosten für private Sicherheitsdienste berechnet: Die Polizei, Katastrophenschutz etc. fallen unter den Tisch: „Die Kostenangaben zur Sicherheit beziehen sich im wesentlichen auf Maßnahmen des Katastrophenschutzes, deren Verrechnung an den Verursacher mangels Rechtsgrundlage nicht möglich ist“ (S. 21).

So wird die Öffentlichkeit bewusst getäuscht und der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Dazu verabschiedete  der Bayerische Landtag mit den Stimmen aller anwesenden Abgeordneten von CSU, SPD, FDP und Freien Wählern in vorauseilendem Gehorsam am 14.12.2010 das „Olympiagesetz“, in dem eine unbegrenzte Bürgschaft gewährt wird, womit die Bayerische Haushaltsordnung außer Kraft gesetzt wurde.

II Die olympische Deloitte-Bilanz

(Vergl. auch: Deloitte )

Deloitte ist in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und Wirtschaftsberatung tätig und ein Verein Schweizerischen Rechts, der in Zürich residiert. Er hat sich mit folgender Bemerkung in einer hauseigenen Studie als IOC-abhängig geoutet: „Die Untersuchung … basiert auf öffentlich verfügbaren Informationen und Dokumenten des Internationalen Olympischen Komitees… Wir haben zum Zwecke dieser Studie keine Überprüfung der Informationen und Dokumente oder aus anderen Quellen durchgeführt“ (Deloitte, Olympisches Wachstum – Die wirtschaftliche Entwicklung der Olympischen Winterspiele, September 2009, S. 21).

Die Deloitte-„Fachleute“

(Alle Zitate: Deloitte, MOCOG Budget, 3.9.2010; MOCOG heißt in diesem Fall: Munich Organising Committee for the Olympic Games – zu dem es hoffentlich nie kommen wird!)

In allen Papieren der Bewerbungsgesellschaft München 2018 steht ein ähnlicher Satz: „Dieser Zwischenbericht darf keinem Dritten ohne vorherige Einverständniserklärung von Deloitte zugänglich gemacht werden“ (S. 1).

Auch bei der Bewerbung München 2018 übernimmt Deloitte nahtlos die Vorgaben der Bewerbungsgesellschaft: „Die Verantwortung dieser Annahmen obliegt der Bewerbungsgesellschaft“ (MOCOG Budget, Exclusive Summary, 2.9.2010, S. 2).

Soviel zum Thema Transparenz.

Im folgenden werden ausgewählte Punkte behandelt, welche auch die Dimension des Unterfangens deutlich machen.

Einnahmen

Deloitte weist darauf hin, dass das IOC früher vorab einen prozentualen Anteil an den Einnahmen von Radio- und Fernsehrechten bestimmt hat, während jetzt vom IOC Ececutive Committee eine Pauschale an das MOCOG nach eigenem Gutdünken festgelegt wird (S. 12).

Zur Einnahmenseite des OCOG-Budgets (siehe später) wird auf die Berechnungen des erwähnten Wolfgang Maennig Bezug genommen (S. 2): 436 Millionen Euro sollen durch „Local Sponsoring“ eingenommen werden (S. 8). Für München 2018 wird davon ausgegangen, „dass sich rund 8 nationale Sponsoren ersten Ranges finden lassen, die pro Jahr jeweils rund € 4 Mio. Leistungen einbringen.“ – „Für die Kategorie zweiten Ranges wird von rund 17 Sponsoren ausgegangen (S. 16), die durchschnittlich je rund € 1,5 Mio. p.a. einbringen. Im dritten Rang werden rund 23 Sponsoren erwartet, die je rund € 0,3 Mio. p.a. einbringen“ (S. 16)

So sollen die 436,6 Mio. € zustande kommen: Das sind völlig unrealistische Annahmen: Die Ausgabenseite wird konsequent heruntergerechnet und die Einnahmenseite schöngerechnet. Genauso war dies bei den Bilanzschätzungen früherer Austragungsorte der Fall.

Die Ticketpreise gestalten sich wie folgt: „Rd. 615.000 Tickets kosten 39 € und weniger, 328.000 Tickets zwischen 40 und 59 €, rd. 377.000 Tickets zwischen 60 und 99 €, rund 405.000 Tickets 100 € und mehr“ (S. 20). Damit sollen über 153 Millionen Euro aus Ticketverkäufen eingenommen werden. Bezeichnenderweise steht in diesen doch „exakten Zahlen“ auch noch auf S. 23 der Austragungsort Romanshöhe/Oberammergau verzeichnet!

Fackellauf

Man geht von einem 60tägigen Event aus mit „10.000 Slots“, also Teilstrecken bei Slotlängen von etwa 400 Metern wie in Turin. Ein Slot kostet etwa 500 €: „Der Wert der Slots beläuft sich damit insgesamt auf rund € 4 Millionen (S. 35f). An anderer Stelle werden für das 60-tägige Spektakel 2000 Kilometer mit 4000 Teilstrecken zu 500 Metern angegeben (S. 64). Damit nicht genug: Die Fackeln werden zu einem Verkaufspreis von € 250 abgegeben und bringen noch einmal rund € 1,3 Millionen (S. 35).

Vom OCOG-Budget zum Non-OCOG-Budget

Jetzt kommt die Geschäftsphilosophie ins Spiel: „Das OCOG Budget ist das operative Budget für die Organisation der Olympischen und Paralympischen Winterspiele. Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen der Wettkampfstätten, Olympischen Dörfer, des IBC und MPC oder andere größere Infrastrukturmaßnahmen sollten nicht im OCOG Budget enthalten sein“ (S. 39).

Mit den sogenannten White Elephants, den Wettkampfruinen oder überzogenen Straßenbauprojekten (wie die drei zusätzlichen Autobahn-Tunnels in Garmisch-Partenkirchen)  etc. häufen sich die Schulden für die Steuerzahler an. Und genau daraus haben sich die enormen Schulden von anderen  Austragungsorte wie Nagano 1998, Turin 2006 und Vancouver 2010 ergeben.

Ausgaben:

Temporäre Anlagen
Der Anteil der temporären Anlagen „Sport Venues“ (die also für drei Wochen aufgebaut und wieder abgerissen werden) ist bei München 2018 kontinuierlich gestiegen. Deloitte gibt ihn mit 98,4 Millionen Euro an (S. 42): Auch dieser Ansatz dürfte weitaus zu niedrig sein. Allein die temporäre Eisschnelllaufhalle in München mit 8000 Plätzen soll 44,2 Millionen Euro kosten, dazu kommen die Anlagen in Schwaiganger („Nordisches Zentrum“ für 25 Millionen Euro) und in Garmisch-Partenkirchen (u. a. mit einem temporären Olympischen Dorf).

Die Baukosten temporärer Anlagen (Zelte, Zeltbauten, Containereinheiten, Verkehrsflächen, Freiflächen, etc.) für Journalisten, Sportler, Olympische Familie usw. wird allein mit 140,7 Millionen Euro angegeben (S. 48).

Die „Security“-Ausgaben stehen, wie schon erwähnt, mit 31,8 Millionen Euro im Budget (zum Vergleich: Vancouver 2010 ca. 700 Millionen Euro).

Technologie
Darunter fallen Kosten für Zeitmessung, Datenverarbeitung, IT-Infrastruktur, Technischer Support, etc. Die Gesamtkosten für München 2018 werden mit 132,4 Millionen Euro angegeben (S. 57).

„In Vancouver und Whistler war Omega mit 220 Zeitnahmespezialisten und Ingenieuren aus zwölf verschiedenen Ländern vertreten. Sie reisten mit einer etwa 250 Tonnen schweren Ausrüstung für die Zeitmessung, Vor-Ort-Ergebnissen und Fernsehdienste an und wurden vor Ort von 290 speziell ausgewählten und geschulten Helfern unterstützt“ (S. 57).

Der TOP-Sponsor Atos Origin organisiert „die notwendigen Systeme zur Veranstaltung der Spiele wie Online-Akkreditierung für rund 90.000 Athleten, Offizielle, Medienvertreter und Mitarbeiter und das HR Management“ (S. 58).

„Der aktuelle TOP Partner für den Bereich Computer ist Acer. In Vancouver wurden 6.200 Desktops und Notebooks und 4.700 Monitore eingesetzt“, dazu mehr als 100 Techniker und 560 Server (S. 59).

Zeremonien und Kultur
Der Posten beinhaltet 46,7 Millionen Euro. Allein die Eröffnungsfeier im Münchner Olympiastadion wird mit 14,9 Millionen und die Abschlussfeier mit 9,9 Millionen Euro angegeben, die Kosten des Fackellaufs mit 9,1 Millionen Euro (S. 64, siehe auch „Fackellauf“).

Catering
Für 19,1 Mio. Euro sollen Athleten, Offizielle, Helfer und die „Olympische Familie“ verpflegt werden. Die Kosten pro Tag liegen für Athleten bei 13 € und für Offizielle bei 10 €. Die Verpflegung der „Olympischen Familie“ kommt teurer: Hier rechnet Deloitte pro Tag mit 27,84 € plus Getränke und Snacks für 18 €.

Transportkosten
Sie werden mit insgesamt 81,5 Mio. € angesetzt, die u. a. durch die Anmietung tausender Transportfahrzeuge mit entstehen (36,3 Mio. €). Im Umweltkonzept der Bewerbungsgesellschaft wurde allein der automobile Bedarf der „Olympischen Familie“ mit 3000 Pkws angegeben (dort S. 112).

Transport operative Kosten:
Darunter fällt das „Herrichten der Olympic Lanes“, (Kremlspuren), die „den ungehinderten Verkehr der Olympischen Familie gewährleisten sollen“ (S. 76) für 6,8 Mio. €, der Auf- und Abbau temporärer P+R-Flächen für 14,2 Mio. € und temporärer Busparkplätze für 3,2 Mio. €. Dazu kommen 10 Mio. € für „Ladestationen E-Mobile und Benzinkosten Hybrid-Busse“.

Sicherheit:
Das Equipment schlägt mit 13,2 Mio. € zu Buch, Private Sicherheitsdienste mit 15,8 Mio. €. Für die Kontrollstrecken werden „Gepäckdurchleuchtungsanlagen mit Metalldetektor und Handsonden sowie Zelten gemietet“: „Pro Kontrollstrecke können durchschnittlich der Personen pro Minute kontrolliert werden… Der äußere Sicherheitsgürtel des Ice-Parks München, des Snow Village Garmisch-Partenkirchen und der Wettkampfstätten besteht jeweils aus einem Sicherheitszaun in massiver Gitterausführung, Videoüberwachung im Ice Park München und am Snow Village Garmisch-Partenkirchen…“ (S. 80; Hervorhebung W.Z.). „Der innere Sicherheitsgürtel umfasst die nochmalige Zugangskontrolle durch einen privaten Sicherheitsdienst und Ordner zum jeweiligen Veranstaltungsort“ (S. 81).

Benötigt werden u. a. 256 Kontrollstrecken, 31.500 laufende Meter Sicherheitszaun, 260 Überwachungskameras, 20.000 laufende Meter Video-Leitungsnetz und 266 Kontrollzelte (S. 81).

Das wird angesichts der globalen Terrorismusentwicklung bis zum Jahr 2018 nicht ausreichen!

Marketing und Werbung
Hierfür werden 41,4 Mio. € angesetzt. Für die „Ausschmückung der Stadt“ („Look of the Games“) wird allein 10 Millionen € berechnet.

Umwelt
Hier wurden auch die Plusenergiedörfer (30 Mio. €), das Zentrum für Nachhaltigkeit (22,5 Mio. €, soll als Pressezentrum während der Winterspiele dienen) aufaddiert. Dazu kommen neben diversen belanglosen Vorhaben noch das den Deutschen Alpenverein begünstigende Projekt „BergTour“ (4 Mio. €) und das den Landesbund für Vogelschutz begünstigende Projekt „Aufwertung Biotopqualität alpiner Sportstätten“ (1,5 Mio. €).

Beherbergung
Die „Olympische Familie“ schlägt hier wieder besonders zu: Hotelzimmer der 4-Stern-Kategorie werden mit 202 €/Tag, die 5-Stern-Kategorie für CEO, Präsident und „Ceremony Stars“ mit 647 €/Tag (S. 94f) angesetzt.

III Die Abgabe eines Phantoms

Nun wird also am 11.1.2011 das sogenannte Bid Book mit diesen fingierten finanziellen Berechnungen, den aufgeblasenen Umweltleitprojekten und den unrealistischen Planungen von der „glamourösen“ Delegation München 2018 in Lausanne abgegeben. Mit großem Pomp wird die Fahrt mit Elektro-Mini (Sponsor München 2018: BMW) zum Flughafen (Sponsor München 2018: Flughafen München) inszeniert, um das Flugzeug (Sponsor München 2018: Lufthansa) nach Genf bzw. Lausanne zu nehmen.

Die Bewerbungsgesellschaft München 2018 versucht den Anschein zu erwecken, dass alles „in trockenen Tüchern“ sei. Es wird versucht, den Druck auf die Garmisch-Partenkirchner Grundeigentümer zu verstärken, Dadurch wird der soziale Frieden in dem Ort weiter gestört. Das alles interessiert die Bewerbungsgesellschaft München 2018, den Deutschen Olympischen Sportbund, den Münchner Oberbürgermeister und den Rest der Jubel-Olympioniken natürlich nicht.

Aus diesen und weiteren Gründen gibt es nur eine Lösung: Die Bewerbung muss zurückgezogen werden.

Jan 082011
 
Zuletzt geändert am 08.01.2011 @ 17:02

Bund Naturschutz erläutert zu erwartende „Olympische Jubelarien“ am Montag

„Hurra, wir sind so doll!“ – Viel Gejuble, wenig Fakten
Bei der für Montag angekündigten Jubelarie über die Inhalte des Bid Books für „München 2018“ und die „überragende“ und „nachhaltige“ Bewerbung werden sicher die gleichen Parolen verbreitet werden wie bisher. Deshalb nimmt der Bund Naturschutz (BN) gleich im Vorfeld dazu Stellung.

Pressemitteilung des Bund Naturschutz in Bayern Kreisgruppe München zur Bewerber-PK am 10.1.2010

Jan 082011
 
Zuletzt geändert am 08.01.2011 @ 16:30

8.1.2011

Am Samstag, den 8.1.2011 erhalten Katarina Witt und Bernhard Schwank als “Zugpferde der Münchner Olympia-Bewerbung”  jede Menge Sendezeit im ZDF-Sportstudio.  Als zusätzliche Unterstützung lässt das ZDF-Sportstudio eine Online-Abstimmung laufen unter:

http://sportstudio.zdf.de/ZDFde/inhalt/23/0,1872,8187063,00.html?dr=1

Wen wundert es, dass zunächst etwa 60 Prozent der (einschlägig interessierten) Sportstudio-Zuschauer für die Spiele waren? Wenn man Biertrinker befragt, ob sie Bier mögen oder Raucher, ob sie gern rauchen, würde ebenfalls die Mehrheit dafür sein. Das Ganze schien zunächst relativ sicher. Aber am 8.1. gegen 16 Uhr waren nur noch 54 Prozent dafür und schon 46 Prozent dagegen.

Das scheint spannend zu werden.

Jan 012011
 
Zuletzt geändert am 26.05.2014 @ 0:44

31.01.11:
BN/GöF: Stellungnahme zum „Bid Book“ der Olympia-Bewerbung 2018 – „Unprofessionelle und mangelhafte Schönrederei“
dapd: Naturschutzverbände werfen Olympiabewerbung bewusste Täuschungen vor
transparency.de: Transparency stellt Anfrage zur Olympiabewerbung der Stadt München
BN, Kreisgruppe Berchtesgadener Land: Vernunft bleibt auf der Strecke
DER SPIEGEL: Würstchenbude inklusive
Merkur: S-Bahn-Tunnel: Ude ruft CSU und FDP zur Räson
Kleine Zeitung: Die Angst vor dem Tag danach

30.01.11:
Deutschlandfunk: Die Olympiabewerbung München 2018 und die dunklen Schatten der Vergangenheit – Stasi- und Dopingbelastete Altkader im deutschen Wintersport
BR, Unter unserem Himmel: Maschinenschnee und Wintersport – Wie eine Skiabfahrt entsteht

28.01.11:
DNR: DNR korrigiert Bewerbung von München für Olympische Winterspiele 2018
Merkur: S-Bahn sorgt für Koalitionskrach
TT: Traum vom Skitunnel auf Zugspitze

27.01.11:
on3.de: „Unsere Generation muss die Folgen ausbaden“
on3.de: Der Kampf vor den Spielen
on3.de: Wie hältst Du’s mit Olympia?
SZ: Enteignung auf unsicherem Grund
violavoncramon.de: Zur Verfassungsmäßigkeit von Enteignungen anlässlich der Austragung von Olympischen Spielen
ludwig-hartmann.de: Einseitige Profitinteressen statt Naturschutz in den Alpen
Merkur: Zweite Stammstrecke auf der Kippe
junge Welt: Winterspiele: Mit Honduras zu Olympia
FNP: Ski-Spektakel als Garmischer Visitenkarte
SF: Dunkle Schatten am Fusse der Zugspitze

26.01.11:
OVB: Rosenheimer Delegation im Verkehrsministerium – Baubeginn wohl erst 2013

25.01.11:
taz: Alpine Atmosphäre der Angst
SZ: ‚Snow City‘ begeistert nicht alle
Merkur: Ein Skifahrer-Tunnel an der Zugspitze

24.01.11:
Legal Tribune: Drohende Enteignung – Bauern-Aufstand trübt Olympia-Hoffnung
Merkur: Skigaudi am Wittelsbacherplatz: Die Piste wächst bereits

22.01.11:
Deutschlandfunk: Graswurzeldemokratie ohne Folgen – Kritische Fragen zur Olympiabewerbung dominieren de Maizières Online-Audienz
BMI: Olympiabewerbung München 2018: Sie fragen – der Minister antwortet
DAV Panorama: Leserbriefe
FAZ: Das Snowboard-Herz soll verpflanzt werden

21.01.11:
nolympia.de: Nolympia schreibt an alle IOC-Mitglieder einen Brief
DK: Drohungen gegen NOlympia
Augsburger Allgemeine: Die zerrissene Sportstadt
SZ: Bürgerbegehren zu Olympia auf der Kippe

20.01.11:
Merkur: Platzt das ­Bürgerbegehren?
dpa: Probleme mit geplantem Olympia-Bürgerbegehren
wochenanzeiger.de: „Ja, aber“ zu Olympia 2018

19.01.11:
Merkur: Sportvereine sehen Olympia 2018 skeptisch

18.01.11:
SZ: Der totgesagte Park – Bund Naturschutz kritisiert OB Ude wegen Aussagen zum Bundeswehrgelände
SZ: Das Lächeln der Anderen
ödp: Ortstermin in Schwaiganger mit ödp-Bundeschef Sebastian Frankenberger

17.01.11:
BN München: Unkenntnis oder Falschinformation? – Bund Naturschutz erschüttert über Aussagen des Münchner Oberbürgermeisters
GöF: Das Olympische Dorf 2018 – eine Architekturkritik
Grüne Jugend Bayern: Keine Geldschleuder Olympia 2018

16.01.11:
Deutschlandfunk: „In spätestens vier Wochen muß Klarheit herrschen“ – Garmischer Olympiagegner bereiten Bürgerbegehren vor

15.01.11:
Deutschlandfunk: Interview mit Ludwig Seitz: „Die Öffentlichkeit wird hinters Licht geführt“
Deutschlandfunk: „Bauernland in Sportlerhand“? – Das Grundgesetz zieht für Enteignungen zugunsten Olympischer Spiele enge Grenzen

14.01.11:
DIE LINKE im Stadtrat München: mitLINKS – Olympia extra
sid: Bach erteilt Ruhpolding endgültige Olympia-Absage

13.01.11:
stern.de: Nun begeistert Euch doch endlich!
SZ: 1700 Garmischer müssten unterschreiben
freiewelt.net: Bauernopfer für Olympia
SZ: Freistaat baut neue Hochschul-Sportanlage
SZ: Widerstand gegen „Snow City“ – Ballermann in der Innenstadt

12.01.11:
Merkur: Keine Angst vor dem Bürgerbegehren
Merkur: Bürgerbegehren gegen Olympia-Bewerbung?
gap-fakten.blog.de: Bürgerbegehren: Spät aber doch?
Wiener Zeitung: Weggelächelt ist nicht aufgehoben
sid: Münchens Problem: IOC braucht Koreas Millionen
dpa: Olympia: IOC und USA ringen um das große Geld

11.01.11:
Deutsche Welle: Interview mit Ludwig Hartmann
Deutsche Welle: Interview mit Ludwig Seitz
SpOn: Holprige Olympia-Bewerbung
ludwig-hartmann.de: Gründungsjubiläum von NOlympia
SZ: Drohung aus München
ARD, tagesschau.de: Kandidaten geben Bewerbungsbücher ab
Deutschlandradio Kultur: Ludwig Hartmann erwartet keine schnelle Lösung des Grundstücksstreits
Tages-Anzeiger: Aufstand der Bauern gegen Bayerns Olympia-Kandidatur
Welt: Häuslebauer wollen Olympia in Bayern sabotieren
taz: Arrogant ausgesessen
on3.de: Katharina Schulze: Dafür statt dagegen
Wiener Zeitung: Ein olympisches Phantom

10.01.11:
NaturFreunde Deutschlands: Münchner Olympia-Bewerbung überzeugt nicht
nolympia.de: Das Bid-Book-Märchen
Tagesspiegel: Kein olympischer Friede in München
dpa: Olympia-Streit: Anwalt dementiert Verhandlungen
BN Garmisch-Partenkirchen: München 2018 – Bewerbung gegen die Bürger
FAZ: Spiele in der „Ja-Aber-Republik“
gamesbids.com: PyeongChang 2018 Olympic bid continues to lead BidIndex; Annecy gains ground

09.01.11:
nolympia.de: Der olympische Ermächtigungsbeschluss
BN München: Olympia-Bewerbung im ZDF-Sportstudio durchgefallen
Deutschlandfunk: Münchens nächste Hürde auf dem Weg zu den Winterspielen
SZ: Pokern bis zur letzten Minute
sid: Alternative Flächen für Olympia 2018
WamS: Olympia-Ort Garmisch arbeitet seine braune Vergangenheit auf

08.01.11:
BN München: „Hurra, wir sind so doll!“ – Viel Gejuble, wenig Fakten
SZ: Der Steuerzahler bürgt für finanzielle Schäden – in jeder Höhe
SZ: Bei der Kür des Austragungsortes gab es immer Favoriten – genützt hat das den wenigsten
SZ: 59 Grundstücksbesitzer wollen bis zuletzt hart bleiben
SZ: Doppelte Winterspiele

07.01.11:
FAZ: Blatter gegen IOC: „Finanzgebaren einer Hausfrau“
Merkur: Grundstücksstreit an der Kandahar: Vertrag unterzeichnet – Ski-WM ist gesichert
SZ: Ski-WM: Ziel vor Augen
taz: Piste mit Lücke

06.01.11:
dpa: Keine Einigung im Kandahar-Streit

05.01.11:
BR, Klugsch-Eisser & Co. KG: Monika Gruber über (N)Olympia 2018 München

04.01.11:
SpOn: Bavarian farmers threaten bid for Olympic Games
Merkur: Bewegung im Grundstücksstreit an der Kandahar
Merkur: Weitere Stimmen zu den Olympia-Plänen in Garmisch

03.01.11:
DER SPIEGEL: Im freien Fall
sportschau.de: Olympia 2018 – Zweifel an der Nachhaltigkeit
Merkur: Grundstücksstreit an der Kandahar: Situation spitzt sich dramatisch zu
Merkur: Peter Fischer zum Grundstücksstreit an der Kandahar: „Wir haben keine Zeit mehr“
Merkur: Alle drei Kandidaten haben Probleme
taz: München trainiert für Olympia

02.01.11:
Merkur: Unterschiedliche Ansichten zu Olympia 2018 in Garmisch
tz: Nebulöser Krisengipfel

Weitere interessante Artikel kann man bei gap-fakten.blog.de finden!

weiter zur Presseschau für Dezember 2010

Jan 012011
 
Zuletzt geändert am 07.01.2011 @ 19:34

Gedanken zum Jahreswechsel nach einem Jahr NOlympia
von Dr. Andreas Keller
Grainau, den 31.12.2010

Das immer wieder aufregende Abenteuer der Bewerbung um Olympische Spiele wird auch diesmal von Politikern und Sportfunktionären angegangen und betrieben, ohne aus früheren Desastern gelernt zu haben.

Erinnern wir uns:

Schon 1979 hat der Markt Garmisch-Partenkirchen beschlossen, sich um die Austragung der Olympischen Winterspiele 1988 oder 1992 zu bewerben. 1982 trat dann der damalige Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen, Toni Neidlinger, mit der Ankündigung an die Öffentlichkeit, dass sich der Ort um die Spiele 1992 offiziell bewirbt. Man erwartete einen Werbeeffekt und positive Impulse für den Tourismus. Es wurde behauptet, die gesamte Bürgerschaft stünde hinter dieser Bewerbung. Damals sollte Garmisch-Partenkirchen die Spiele noch alleine ausrichten, mit dem Argument, dass eine Aufteilung der Spiele bei der Bewerbung keine Chance hätte. Auch wurde behauptet, die erforderlichen Sportstätten seien im Prinzip schon alle vorhanden, obwohl dies ebenso falsch war wie heute.

Für eines seiner Hauptargumente verknüpfte Neidlinger mit der Bewerbung den vorgezogenen Bau von Umgehungsstraßen, die ohne die Spiele auf Jahrzehnte hinaus nicht verwirklicht würden. Damit wurde jeder, der gegen die Bewerbung um die Spiele war, automatisch zum Gegner der Umgehungsstraßen , also ein böser Mensch. Diese perfide Verknüpfung von ohnehin geplanten und notwendigen Aufgaben der Daseinsvorsorge mit einer risikobehafteten Mammutveranstaltung wurde auch für die folgenden Bewerbungen für Winter-Großveranstaltungen zum System.

NOK-Präsident Willi Daume sah „überhaupt keine finanziellen Probleme“ und behauptete wider besseres Wissen, „mit 50 Millionen Dollar lassen sich Olympische Winterspiele durchführen“. Zwei Jahre vor der Aussage von Herrn Daume fanden die Winterspiele in Lake Placid (1980) statt. Diese kosteten etwa das Fünffache der von Daume genannten Summe (242 Mio. $). Nach den Spielen war Lake Placid pleite, das Organisationskomitee musste seine Zahlungsunfähigkeit bekennen. Statt des erhofften Aufschwungs folgte Depression.

Die Kosten der nächsten Spiele in Sarajevo 1984 sind nicht bekannt; die der darauf folgenden Spiele in Calgary 1988 sollten ca. 400 Mio. $ betragen, beliefen sich am Ende aber auf ca. 1.000 Mio. $. Die Stadt Calgary war schon vor Beginn der Spiele pleite.

Selbstverständlich wurden auch 1982 die Bevölkerung und die betroffenen Grundbesitzer nicht gefragt ob sie die Spiele haben wollten und man verwies auf die „schweigende Mehrheit“. Die Landwirte kündigten jedoch entschiedenen Widerstand an, da sie erhebliche Erschwernisse und Gefahren für ihre Landwirtschaft befürchteten. Die Bürger forderten ausführlich und ehrlich informiert und gefragt zu werden, ob sie die Party überhaupt bezahlen wollen. Eine Bürgerbefragung wurde mit den gleichen abgedroschenen Behauptungen abgelehnt wie heute: „Die Straße sollte nicht das Sagen haben.“

So gründete sich eine Bürgerinitiative, die sich „Bürger fragen Bürger zu Olympia“ nannte. Diese informierte die Öffentlichkeit eingehend, regte eine intensive Diskussion an und ließ im Juli 1983 eine Umfrage von Infratest Sozialforschung durchführen, da ein Bürgerbegehren zu dieser Zeit noch nicht möglich war. Das Ergebnis der Bürgerbefragung: 64 % waren gegen die alleinige Bewerbung von Garmisch-Partenkirchen, 35 % dafür.

Damit war die Bewerbung von Garmisch-Partenkirchen gestorben. Das deutsche NOK entschied im November 1983, Berchtesgaden in das Rennen für die Spiele 1992 zu schicken. Auf seiner Sitzung im Frühjahr 1986 entschied sich das IOC für Albertville in Frankreich – Berchtesgaden schied bereits im ersten Wahlgang mit 6 % der Stimmen blamabel aus. Die Spiele in Albertville stehen noch heute für ein „ökologisches Negativbeispiel“ und sie produzierten ein finanzielles Desaster.

Garmisch-Partenkirchen blieb von der Blamage und den Desastern verschont. Nach dem Streit um die Bewerbung kehrte wieder Friede im Ort ein. Die Umfahrung von Farchant ist mittlerweile gebaut, die Umfahrung von Garmisch mit Kramertunnel ist im Bau, für die Umfahrung von Oberau laufen die Rodungsarbeiten – alles ganz ohne Wintersport-Megaereignisse!

Jedoch, die Geschichte wiederholt sich und die Rituale sind die gleichen:

Wieder bewirbt sich der Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen mit dem Gemeinderat, diesmal zusammen mit München und Schönau um die Olympischen Winterspiele 2018. Und wieder wurden die Betroffen weder gefragt noch in die Diskussion einbezogen. Anstatt vorher zu informieren, wurde in einem kleinen Kreis die Bewerbung aufbereitet und der Öffentlichkeit als bereits weitgehend entschiedenes Projekt präsentiert.

Man hat zwar geringfügig dazugelernt und verlangt nicht mehr die mittlerweile von 57 auf 86 gestiegenen Disziplinen an einem Ort durchzuführen. Der offizielle Bewerber München bewirbt sich mit einem sog. „2-Cluster-plus“-Konzept. Im Olympiapark in München soll für die Austragungen sämtlicher Eissportarten das „Ice-Cluster München“ (Eis-Park) gebildet werden. Für die Austragungen der Ski-Disziplinen bildet Garmisch-Partenkirchen das sogenannte „Snow-Cluster“ (Schnee-Park). Zusätzlich zu den 2 Sportstätten-Clustern München und Garmisch-Partenkirchen ist in Schönau am Königssee ein sogenannte „Stand Alone Venue“ für die Wettkämpfe im Bobfahren, Rennrodeln und Skeleton vorgesehen.

Doch wieder verkaufen die Organisatoren der Bewerbung nur Illusionen und keine Tatsachen:

Illusion: Wie immer, werden mit der Großveranstaltung ein „unbezahlbarer“ Werbeeffekt und positive Impulse für den Tourismus suggeriert. Für den Wohnungsmarkt wird ein entlastender Effekt durch die Olympischen Dörfer versprochen. Die Winterspiele sollen „Schubwirkung“ für die Wirtschaftskraft in Bayern entwickeln.

Tatsache: Eine Analyse früherer Austragungsorte zeigt, dass die Besucherzahlen zurückgehen und den Kommunen meist ein kräftiges Defizit bleibt, während das IOC und Großkonzerne mit Milliarden-Gewinnen nach Hause gehen.

Besonders degoutant ist hierbei, dass in den letzten Jahren von der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen ca. 200 Sozialwohnungen für ein Butterbrot und ein Ei verkauft wurden, um die Schulden wegen der übermäßigen Investitionen in den Wintersport nicht ins Uferlose steigen zu lassen. Jetzt sollen die Winterspiele wieder Wohnungen, wahrscheinlich der Luxusklasse, produzieren.

Illusion: Wie vor fast 30 Jahren wird behauptet, für die Austragung der Spiele wäre fast alles vorhanden und die Einbeziehung existierender (und teurer) Sportstätten wie Inzell (neue Eisschnelllaufhalle für WM 2011, 36 Mio. €), Oberstdorf (ausgebaut für Nordische Ski-WM 2005) und Ruhpolding (Chiemgau-Arena wurde gerade für 16 Mio. € für die Biathlon-WM 2013 ausgebaut) würde die Chancen einer Bewerbung zunichte machen.

Tatsache: Die gleichen Anlagen sollen nur für die olympische Nutzung nochmals in München und Schwaiganger neu gebaut und nach den Spielen 2018 wieder abgerissen werden – ein volkswirtschaftlicher Irrsinn!

Was für die Spiele alles gebaut werden soll, permanent oder temporär,  kann unter www.nolympia.de nachgelesen werden.

Illusion: Wieder wird die Bewerbung um ein Megaevent mit dem Bau von Straßen verknüpft und somit suggeriert, dass Infrastrukturmaßnahmen nur noch mit olympischen Geldverschwendungen erreicht werden können. So soll für die Spiele die B 2 im Loisachtal durchgängig 4-spurig autobahngleich ausgebaut werden. Neben der bereits im Bau befindlichen Umfahrung von Garmisch mit Kramertunnel wird der Bau von drei weiteren Tunneln  ausgemalt (Auerbergtunnel im Anschluss an das Ende der A 95, Umfahrungstunnel um Oberau, Wanktunnel zur Umfahrung von Partenkirchen).

Tatsache: Für diese gigantische Straßenbaumaßnahme in so kurzer Zeit ist keine Finanzierbarkeit vorstellbar. Bei dem überhasteten Bau so vieler Straßenprojekte in so kurzer Zeit zwischen einem eventuellen Zuschlag bis zu den Spielen, besteht auch die Gefahr der Realisierung nicht optimal geplanter Straßenführungen. Negativbeispiel: Kramertunnel – die verheerende Trassenführung ist der Ski-WM 2011 zuzuschreiben.

Illusion: Wieder wird das finanzielle Risiko der Spiele heruntergespielt. Im Gegenteil, es wird behauptet, dass diese ein massiver Reichtumsgenerator für die Austragungsorte, die Region und das Land wären; die Staatsregierung malt ein „Wertschöpfungspotential“ für den Kreis von weit über 500 Mio. € an die Wand.

Tatsache: Wie die Zahlen vergangener Spiele zeigen, ist die Vorstellung von Olympischen Spielen als Gelddruckmaschine überaus reizend … aber immer ein Mythos. Die Schätzung der wahren Kosten für die Spiele erinnert an ein Hütchenspiel. Für den Bürger ist es schwer, zwischen operativen und organisatorischen Kosten (OCOG-Budget), sowie investiven Kosten (NON OCOG-Budget) zu unterscheiden. Was nicht in den OCOG-Etat passt, wird in den NON-OCOG-Etat ausgelagert. Die Folgekosten – Abriss oder die nicht unerheblichen Unterhaltskosten der meist völlig unternutzten olympischen Bauten – gehen meist in keine Kostenkalkulation ein. Wohin die Kosten der Sicherheit gebucht werden, ohne die moderne Spiele nicht mehr durchführbar sind, ist vollkommen schleierhaft.

Illusion: Als „Herzstück“ der Bewerbung wird ein Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzept vorgestellt und mit ihm ein „Olympisches Naturerbe“ versprochen. Die „grünsten Spiele aller Zeiten“ sollen es werden.

Tatsache: Das auf ca. 190 Seiten ausgewalzte Umweltkonzept ist lang an Plattitüden, jedoch bemerkenswert kurz an brauchbaren Ideen. Außer breiigen Wiederholungen ohnehin gesetzlicher Verpflichtungen ist in diesem Konzept kein olympisches Feuer für den Umweltschutz zu finden.

Ein Dank an die verantwortungsbewussten Grundstückseigentümer

Sämtliche Nutzungen der Wettkampfstätten und Olympischen Dörfer zusammengefasst ergibt sich eine genutzte Gesamtfläche (permanent und temporär) von rund 211 ha, das sind 2,11 km2, Davon werden für „temporäre Flächennutzung und Infrastruktur“ 140 ha eingeplant, das entspricht 66 %, und diese Flächen sind überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen.

Um sich die Größenordnung der für die Spiele 2018 insgesamt beanspruchten Flächen vorstellen zu können, muss man sich vor Augen halten, dass die gesamte Fläche des Talbodens des Loisachtales von Grainau bis Eschenlohe nur etwa 24 km2 beträgt. Davon bleibt nach Abzug der Moorflächen von 5,25 km2 noch eine für den Menschen nutzbare Fläche von ca. 18,75 km2. Fast exakt die Hälfte dieser Fläche ist schon besiedelt (9,5 km2). Zieht man noch die Flächen für die Loisach, Straßen, Bahn (zusammen grob geschätzt 0,5 km2) und Golfplätze (0,6 km2) ab, so bleiben der Landwirtschaft gerade noch ca. 8 km2 für ihre lebenswichtige Aufgabe der Lebensmittelproduktion und dem Erhalt der Kulturlandschaft.

Über 2 km2, also ein Areal so groß wie etwa 1/4 der den Bauern im Loisachtal zur Verfügung stehenden Flächen, würde für die Durchführung der Spiele 2018 insgesamt permanent oder temporär beansprucht. Oder anders ausgedrückt, ein Teil der von den Flächenbeanspruchungen betroffenen Bauern müssten mit der Landwirtschaft aufhören. Von verantwortlicher Seite wird wider besseres Wissen versprochen, dass nach den Spielen „alles wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt“ würde.

Doch die Besitzer von für die Winterspiele 2018 notwendigen Grundstücken und auch weitere Grundstückseigentümer im Loisachtal haben in einem Schreiben an die Bayerische Staatskanzlei die Nutzung ihrer Grundstücke für die Olympischen Winterspiele 2018 „klipp und klar und ohne jedes Wenn und Aber“ kategorisch abgelehnt. Damit zeigen sie ein weit höheres Verantwortungsbewusstsein für die Daseinsvorsorge als Politiker und Sportfunktionäre, die den Lustgewinn einer zweiwöchigen Wintersportgaudi höher werten, als die Erhaltung der Grundlagen für Heimat und Lebensqualität.

Wenn Ministerpräsident Horst Seehofer auch nach diesem überdeutlichen Signal aus Garmisch-Partenkirchen noch immer tönt „Die Olympiabewerbung ist nicht gefährdet“, will er damit nur sagen, dass ihm die Meinung der betroffenen Bürger egal ist und darauf keine Rücksicht genommen wird. In dieses Bild passt auch, dass trotz der Beteuerung, eine Enteignung zu Gunsten „eines höchst temporären Ereignisses“ wie Olympische Winterspiele oder eine Ski-WM definitiv ausscheide, gleichzeitig die Enteignung auf die Dauer von 30 Jahren! und damit auch für die Winterolympiade 2018, gegen einen Grundstückseigentümer vorangetrieben wird.

Nolympia dankt Pepsch Gottscheber

Die Bürgermeister und die Gemeindegremien machen sich durch Selbstentmündigung zum Affen für das IOC

München, Garmisch-Partenkirchen und der Landkreis Berchtesgadener Land entmündigten sich in zwei Stufen:

Schon bei der Erklärung der deutschen Bewerbung mussten die Ausrichterorte einen Beschluss fassen, in dem sie sich verpflichteten, eine Garantie zu unterschreiben „… die noch nicht vorliegt. Die Beschlussfassung über diese Garantie muss daher ohne Kenntnis des späteren Vertragsinhalts und damit das Eingehen der entsprechenden Verpflichtungen erfolgen“.

Am 6. Oktober 2010 ermächtigten dann München und Garmisch-Partenkirchen den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), im Falle eines Zuschlags für die Winterspiele 2018 einen sogenannten Host City Contract (HHC) mit dem IOC abzuschließen.

In diesem HHC verlangt das IOC von den Gastgeberorten und -ländern eine vollkommene Unterwerfung. In Salzburg bezeichneten Experten den ähnlichen Vertrag für die Bewerbung um die Spiele 2014 als sittenwidrigen Knebelvertrag. Peter Heermann, Professor für Sportrecht, kommt zu dem Schluss, dass sich das IOC „dem Vorwurf des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung“ aussetze.

Der HHC ist 75 Seiten lang, umfasst 58 Paragraphen, schließt etwa 30 Handbücher ein und zeichnet sich zusammengefasst dadurch aus, dass er

  • ein maximales Ausmaß an Verpflichtungen und Verbindlichkeiten vor allem für die Austragungsorte, sowie
  • ein minimales Ausmaß an Verpflichtungen und Verbindlichkeiten für das IOC

beinhaltet.

Hier eine Auflistung nur einiger hervorstechender Bestimmungen:

  • Der HHC kann jederzeit einseitig vom IOC abgeändert werden
  • Die rechtlichen Vorgaben des IOC sind nicht verhandelbar, da die Auslegung des Vertrags nach Schweizer Recht erfolgte.
  • Die Zuständigkeit für alle Streitigkeiten liegt unter Ausschluss nationaler Gerichtsbarkeit beim internationalen Sportgerichtshof in Lausanne, dem Sitz des IOC.
  • Das IOC behält sich einseitige Änderungen von Sportarten und Disziplinen vor, die hohe Kosten verursachen können.
  • Die Austragungsorte oder das OCOG müssen alle eventuell zu tragenden Steuern zahlen. Wenn eine Steuer an das Gastgeberland, die Schweiz oder eine andere Jurisdiktion zu zahlen ist, muss die Zahlung so erhöht werden, dass das IOC nach der anwendbaren Steuer denselben Betrag erhält.
  • Der vom IOC zu zahlende Beitrag an das OCOG liegt in dessen alleinigem Ermessen.

usw.

Als Gipfel der Unterwerfung wird in einem sog. Multi Party Agreement ohne Notwendigkeit in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem IOC von der Bundesrepublik Deutschland, dem Freistaat Bayern, der Landeshauptstadt München, der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen, dem Landkreis Berchtesgadener Land, dem DOSB und der Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH in einem Zusatzvertrag in über 40 Garantien noch einmal ausdrücklich erklärt, dass sie alle vom IOC diktierten Bedingungen erfüllen und sich dabei gegenseitig kontrollieren werden. Einziges Ziel dieser gegenseitigen Vereinbarung kann nur der endgültige Ausschluss der Bürger und Steuerzahler von jeglicher Mitwirkung und Mitbestimmung bei der Bewerbung und eventuellen Durchführung der Spiele, z.B. durch ein Bürgerbegehren, sein.

Die Konsequenz: Die offenbar unaufhaltsam voranschreitende Olympische Maschine muss gestoppt werden!

Das Zauberwort „Olympische Spiele“ verleitet offenbar Länder, Politiker und die Gremien möglicher Austragungsorte dazu, bereits im Vorfeld einer Bewerbung auf alle Bedingungen einzugehen, die von einem Verein diktiert werden, der von der Organisation „One World Trust“ den ehrenvollen Titel „intransparentestes Gremium der Welt“ verliehen bekam.

Wenn es so weit gekommen ist, dass das Bewerberland und die Bewerberstadt im sklavischen Kotau gegenüber dem IOC sogar nationale Gesetze und Bürgerrechte auszuhebeln beginnen, dann ist es höchste Zeit einzuschreiten und eine grundlegende Reform der Wintespiele zu fordern. Jedoch, angesichts der riesigen Mittel für Öffentlichkeitsarbeit, die den Olympiaanheizern zu Verfügung stehen, ist die Herausforderung für Olympiagegner außerordentlich groß.

Nach dem klaren Votum der Grundbesitzer, der mehrheitlichen Ablehnung der Spiele durch die befragten Mitglieder der Sektion Garmisch-Partenkirchen im Deutschen Alpenverein, der ständig sinkenden Werte für die Zustimmung zu den Spielen in öffentlichen Umfragen, der Ablehnung der Spiele in der Vorbereitung zu einer Bürgerbefragung in Oberammergau, dem Nein der Jungen Union in Garmisch-Partenkirchen, usw., ist es eine Frage der politischen Kultur, jetzt endlich den Bürger zu fragen, ob er das Wintersportspektakel wirklich will. Nach zwei abgelehnten Anträgen zu einem Ratsbegehren in Garmisch-Partenkirchen, wäre es für die verantwortlichen Politiker spätestens jetzt an der Zeit, sich von den Wählern für die in jeder Hinsicht weitreichende Entscheidung für oder gegen die Bewerbung um die Winterspiele 2018 eine Legitimation geben zu lassen.

Doch in einer Komplizenschaft zwischen Bürgermeistern und deren Gremien, Politikern und Sportfunktionären wird nach Gutsherrenart sowohl über die Bürger als notwendige Teilnehmer, als auch über deren Finanzen entschieden. Denn „die freundlichen Spiele“ (The friendly Games) können der betroffenen eigenen Bevölkerung nicht „unfreundlich“ übergestülpt werden. Die von Anfang an ohne die Einbeziehung der Bevölkerung mit ständigen Fehlplanungen, falschen Versprechungen und Fehlinformationen etc.  unsensibel vorangetriebene Bewerbung stößt auf immer mehr Widerstand und spaltet die Gesellschaft. Nicht die Gegner der Bewerbung sind schuld an der Spaltung der Gesellschaft, sondern die Arroganz und Ignoranz der Bewerber sowie der verantwortlichen Politiker.

Es wäre fatal zu glauben, man könnte mit dem von den politischen Verantwortungsträgern wie  Horst Seehofer, Siegfried Schneider und dem Münchner OB Ude verkündeten „Weiter so“ die ganze Sache aussitzen. Auch der Versuch die Bauern als „knorrig“ und „renitente Hinterwäldler“ zu bezeichnen und in die Ecke habgieriger Grundstücksbesitzer, die für sich nur möglichst viel rausholen wollen, zu stellen (SZ 14.12.2010), muss scheitern.

Sollte die Regierung nicht aus jüngsten Ereignissen gelernt haben und immer noch glauben, mit Brachialgewalt eine Entscheidung für ein Mega-Sportereignis zugunsten eines korrupten Vereins (IOC), mit aller Macht durchsetzen zu müssen, so kann das zu unvorhersehbaren Reaktionen in der Bevölkerung führen. Die Spaltung in der Bevölkerung ist schon zu weit getrieben worden. Nur eine Aufgabe der Bewerbung um die Spiele 2018 kann den Frieden vor allen in dem Ort, der schon im Vorfeld der Bewerbung am meisten gelitten hat, wieder herstellen.

Dez 282010
 
Zuletzt geändert am 28.12.2010 @ 12:18

28.12.2010

Online-Umfragen zur Akzeptanz von Olympischen Winterspielen 2018 in München:

Online-Umfragen zu München 2018, zusammengestellt von Christian Hierneis.
zusammengestellt von Christian Hierneis

Dez 262010
 
Zuletzt geändert am 27.12.2010 @ 8:46

26.12.2010

Der Brief an das IOC

167 Grundeigentümer hatten vor der Entscheidung am 6.10.2010 über das Eckdatenpapier einen Brief an den Gemeinderat in Garmisch-Partenkirchen geschrieben und betont, dass ihre Grundstücke nicht zur Verfügung stehen würden.

Ungeachtet der eindeutigen Eigentumsverhältnisse wurde bewusst am 6.10.2010 im Münchner Stadtrat, im Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat und in Berchtesgaden für München 2018 abgestimmt, und noch am 14.12.2010 hatte man das Olympiagesetz im Bayerischen Landtag durchgewunken.
Das war also die Strategie von Staatsregierung und DOSB: Grundeigentümer ignorieren, Rechtsanwaltsschreiben nicht beantworten, Probleme aussitzen, Fakten schaffen, Rechtsgrundlagen beschließen.
Aber die Herrschaften haben sich zu einer olympischen Party eingeladen, ohne die Hausherren um Erlaubnis zu fragen.

Juristische Realitäten

Am 13.12.2010 schrieb Anwalt Seitz dem Staatskanzlei-Minister Siegfried Schneider einen Brief, in dem er diesem mitteilte, dass er 59 Garmisch-Partenkirchner Grundeigentümer vertrete. Deren Grundstücke sind für die Sportstätten „Kandahar“, „Hausberg“ und „Ski-Stadion Gudiberg“ unverzichtbar. Seitz verwies auf weitere fehlende Grundstücke an den Sportstätten, für die es keine Vertragsentwürfe gebe. „Die im Gasthof Zum Lamm versammelten Grundeigentümer hatten Ihnen auf Nachfrage einstimmig erklärt, dass deren Grundbesitz für die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele definitiv nicht zur Verfügung steht. Dies gilt insbesondere und gerade auch für die sämtlichen Flächen, unserer Mandantschaften, die im Kernbereich der drei Sportstätten liegen und die conditio sine qua non für die Olympia-Bewerbung darstellen.

Namens und im Auftrag der sämtlich von uns vertretenen Grundeigentümer bitten wir, uns umgehend zu bestätigen, dass – gemäß Ihrer Ankündigung – die Bewerbung offiziell zurückgezogen wird. Sollte uns diese Bestätigung nicht bis Mittwoch, 22. Dezember 2010 vorliegen, so erlauben wir uns, das Internationale Olympische Komitee direkt zu verständigen.“

Seitz übermittelte dieses Schreiben auch an die Bewerbungsgesellschaft München 2018 und dem Markt Garmisch-Partenkirchen. Er betonte die Notwendigkeit dieses Briefes für seine Mandanten: „Ansonsten hätte ihnen der Vorwurf gemacht werden können, sehenden Auges die Abgabe der Bewerbungsunterlagen hingenommen zu haben“ („Die Wahrheit ist auf unserer Seite“, Interview mit Ludwig Seitz in taz.de 18.12.2010).

Vergleiche auch: http://www.nolympia.de/2010/12/der-siegfried-schneider-bluff-findet-ein-ende/

Brief an Jacques Rogge

Auch dieser Brief von Rechtsanwalt Seitz wurde von den Adressaten – bis auf einige arrogante Statements der bayerischen Staatsregierung  – nicht beantwortet, und sie ließen auch die Frist 22.12.2010 verstreichen. Damit übersandte Seitz wie angekündigt am 23.12.2010 per Fax, Email und Post einen Brief an IOC-Präsident Jacques Rogge.

Seitz teilte diesem mit, dass am 11.1.2011 das Bid Book für München 2018 eingereicht werde, dass aber „die Funktionsfähigkeit der Sportstätten in Garmisch-Partenkirchen – Kandahar, Hausberg, Ski-Stadion Gudiberg – nicht gegeben ist. Denn unsere Mandanten sehen sich nicht in der Lage, ihren privaten Grundbesitz – zum größten Teil seit Jahrhunderten im Familienbesitz – zur Verfügung stellen. Eine Enteignung unserer Mandanten ist ausgeschlossen. So auch die ständig wiederholten Beteuerungen der Bayerischen Staatsregierung.“

Die Grundstücke der Mandanten sind zwischen 5.000 und 6.000 Quadratmeter groß und „liegen innerhalb des Areals, das nach den Vorgaben des IOC bei der jeweiligen Sportstätte unverzichtbar ist (innerhalb des geforderten Sicherheitszaunes). Ohne diese Grundstücke sind die Sportstätten ‚Kandahar’, ‚Hausberg’ und ‚Ski-Stadion Gudiberg’ nicht funktionsfähig.“
Der erwähnte Sicherheitszaun soll nach IOC-Vorschrift vier Meter hoch sein (Bauer gegen Olympia, Interview mit Ignaz Streitel, tz-online 15.12.2010).

Seitz schrieb Rogge weiter, dass die Entscheidung der Grundeigentümer unumstößlich ist, dass auch die Einlassung der Bewerberseite mit einem „Plan B“ unrealistisch ist: „Unsere 59 Mandantschaften möchten darauf hinweisen, dass sich über 100 weitere Grundeigentümer mit ihnen solidarisiert haben.“ (Hervorhebung: W.Z.) Schließlich wies Seitz noch für den Fall einer Enteignung auf die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten hin.

Die 59 Grundeigentümer und ihre Familien „siedeln zum ganz überwiegenden Teil seit Jahrhunderten in dem engen Werdenfelser Tal. Sie möchten ihre Kulturlandschaft pflegen, Eingriffe in Natur und Landschaft vermeiden und den – ohnehin weltweit bekannten – schönen Wintersportort Garmisch-Partenkirchen in seinem Charakter bewahren.

Bitte berücksichtigen Sie dies bei Ihren weiteren Entscheidungen.

Gez. Ludwig O. Seitz“

Drohende Enteignung

In einem Brief vom 23.12.2010 an den Rechtsanwalt der Bewerbungsgesellschaft München 2018, Alfred Sauter, zitierte Seitz aus einem Brief von Staatskanzlei-Minister Schneider vom 15.12.2010 an einen seiner Mandanten: „Klarstellen möchte ich auch, dass entgegen teilweise kursierenden Behauptungen ein Eigentumsübergang oder gar eine Enteignung für olympische und paralympische Spiele 2018 in Garmisch-Partenkirchen nicht erfolgen wird.“

Seitz erwähnte den eingereichten Enteignungsantrag gegen einen seiner Mandanten, der ein 4000 Quadratmeter großes Grundstück an der Zieleinfahrt der Kandahar besitzt. Der Antrag sieht eine Enteignung auf die Dauer von 30 Jahren vor und bezieht sich auch auf der Ski-WM „ähnliche Veranstaltungen“, damit auch auf eine Winterolympiade 2018. Seitz forderte die Bewerbungsgesellschaft München 2018 auf, „auf die Rücknahme des evident unzulässigen Enteignungsantrages hinzuwirken, soweit er sich auf eine Winterolympiade 2018 bezieht“.

DOSB-Präsident Thomas Bach tat so, als bestünde auch nach dem Brief an Rogge nach wie vor kein Grund zur Beunruhigung. „Die IOC-Mitglieder wissen einzuschätzen, wie so etwas abläuft, und dass es für so ein Großprojekt nie 100 Prozent Zustimmung geben kann.“ Von den 59 Bauern seien nur wenige von den olympischen Planungen betroffen. Laut Bach wäre eine Enteignung der Grundstückseigner laut Gesetz möglich, aber „keine Option“. Gleichzeitig drohte er: „Natürlich haben wir Enteignungen erlebt bei anderen internationalen Bewerbungen, es wäre nichts ungewöhnliches“ (Hannemann, Raik, Hungermann, Jens, „Enteignung nichts Ungewöhnliches“, in welt.de 26.12.2010).

Bachs Nichtverständnis der Situation in Garmisch-Partenkirchen ist gewollt und Teil seiner Strategie. Und dass für das IOC Enteignungen nichts Ungewöhnliches sind (Peking/China, Sotschi/Russland), lässt tief blicken! Bach verrät seit geraumer Zeit bei seinen öffentlichen Auftritten, dass er seinem Ziehvater Juan Antonio Samaranch politisch näher steht als dem Grundgesetz.

Dez 232010
 
Zuletzt geändert am 27.12.2010 @ 8:42

Bauern und Grundbesitzer fordern Rückzug der Bewerbung München 2018

Dr. Wolfgang Zängl 23.12.2010
Die Grundeigentümer in Garmisch-Partenkirchen waren für die Bewerbungsgesellschaft und die Staatsregierung lange nicht existent. Im August 2010 hatte Ignaz Streitel im Fernsehen gefordert, dass endlich mit ihnen gesprochen würde. Am 6.10.2010, dem Tag, an dem der Gemeinderat dem Eckdatenpapier zustimmten sollte, schrieben die Grundeigentümer an ihn einen Brief und wiesen vor der Abstimmung erneut daraufhin, dass ihre Grundstücke nicht zur Verfügung stünden. Der Brief blieb folgenlos, und der Gemeinderat stimmte zu und verfügte damit über fremdes Eigentum.
Rechtsanwalt Ludwig Seitz war vorher in Verbindung mit den Grundstückseigentümern getreten. „59 willigten ein, sich von ihm vertreten zu lassen. Erst jetzt wurde aus den Einzelkämpfern eine Gruppe, und bis zum Ultimatum sollten Monate vergehen, in denen man in der Staatskanzlei vor allem eines tat: sich taub stellen. Als erstes forderte Anwalt Seitz von der Staatskanzlei die Pläne für Olympia an. Keine Antwort. Seitz verfasste wieder ein Schreiben. Wieder keine Antwort. Anfang November erhielt er ein Fax, kaum lesbar, es waren die Pläne. Seitz schrieb erneut. Schließlich kamen die Pläne, per Post. Erst jetzt erfuhren die Bauern, wo was gebaut werden sollte“ (Frenzel, Veronica, Die Olympia-Gegenspieler, in Tagesspiegel 21.12.2010).
Wieder einmal ein Beweis für die Intransparenz von München 2018!

Von Minister Schneider und der Bewerbungsgesellschaft wurde immer wieder fälschlicherweise der Eindruck erweckt, die für die Bewerbung nötigen Grundstücke stünden zur Verfügung. Ungeachtet der eindeutigen Eigentumsverhältnisse wurde ungeniert am 6.10.2010 im Münchner Stadtrat, im Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat und in Berchtesgaden für München 2018 abgestimmt, und noch am 14.12.2010 hatte man das Olympiagesetz im Bayerischen Landtag durchgewunken.

Das war also die Strategie von Staatsregierung und DOSB: Grundeigentümer ignorieren, Rechtsanwaltsschreiben nicht beantworten, Probleme aussitzen, Fakten schaffen, Rechtsgrundlagen beschließen.

Am 13.12.2010 schrieb Anwalt Seitz dem Staatskanzlei-Minister Siegfried Schneider einen Brief, in dem er diesem mitteilte, dass er 59 Garmisch-Partenkirchner Grundeigentümer vertrete. Deren Grundstücke sind für die Sportstätten „Kandahar“, „Hausberg“ und „Ski-Stadion Gudiberg“ unverzichtbar: Schneider selbst hatte dieses Wort bei einer Versammlung am 26.11.2010 vor den Mandanten verwendet und den Abschluss der Gestattungsverträge als zwingend erforderlich bezeichnet. Der Staatskanzlei-Chef hätte außerdem mit Nachdruck betont, dass eine Enteignung zu Gunsten „eines höchst temporären Ereignisses“ wie Olympische Winterspiele oder eine Ski-WM definitiv auszuschließen seien, da die Enteignung .für ein solch höchst temporäres Ereignis in unserem Rechtsstaat undenkbar sei. Schneider hatte bei dieser Versammlung auch darauf hingewiesen, dass die Stellung des Bayerischen Ministerpräsidenten – gerade mit Blick auf sein bundespolitisches Gewicht – durch einen Rückzug der Bewerbung empfindlich geschwächt werde.

Seitz verwies auf weitere fehlende Grundstücke an den Sportstätten, für die es keine Vertragsentwürfe gebe. „Die im Gasthof Zum Lamm versammelten Grundeigentümer hatten Ihnen auf Nachfrage einstimmig erklärt, dass deren Grundbesitz für die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele definitiv nicht zur Verfügung steht. Dies gilt insbesondere und gerade auch für die sämtlichen Flächen, unserer Mandantschaften, die im Kernbereich der drei Sportstätten liegen und die conditio sine qua non für die Olympia-Bewerbung darstellen.

Namens und im Auftrag der sämtlich von uns vertretenen Grundeigentümer bitten wir, uns umgehend zu bestätigen, dass – gemäß Ihrer Ankündigung – die Bewerbung offiziell zurückgezogen wird. Sollte uns diese Bestätigung nicht bis Mittwoch, 22. Dezember 2010 vorliegen, so erlauben wir uns, das Internationale Olympische Komitee direkt zu verständigen.“

gez. Ludwig O. Seitz

Seitz übermittelte dieses Schreiben auch an die Bewerbungsgesellschaft München 2018 und dem Markt Garmisch-Partenkirchen. Er betonte die Notwendigkeit dieses Briefes für seine Mandanten: „Ansonsten hätte ihnen der Vorwurf gemacht werden können, sehenden Auges die Abgabe der Bewerbungsunterlagen hingenommen zu haben.“

Die bisherigen „Erfolgsmeldungen” von Minister Schneider entsprachen also nicht den Tatsachen, und die Grundstücke standen nie zur Verfügung. Minister Schneider hatte mit einer „Initiativgruppe“ in Garmisch-Partenkirchen über die Grundstücke verhandelt, die der falsche Ansprechpartner war. Denn diese Initiativgruppe hatte für die meisten Grundstücke kein Mandat.

Trotz mehrfacher Klarstellungen und eines Briefes, der im Namen von 167 Grundeigentümern am Tag der Entscheidung über das „Bid-Book“ an den Gemeinderat gerichtet wurde, wurde von Minister Schneider und der Bewerbungsgesellschaft immer wieder fälschlicherweise der Eindruck erweckt, die für die Bewerbung nötigen Grundstücke stünden zur Verfügung. In den vergangenen Monaten waren wiederholte Aufforderung, den Grundeigentümer endlich die genauen Pläne vorzulegen, unbeantwortet geblieben.
Eine Umplanung ist kaum möglich, da auch bei einer Planungsänderung ebenfalls nicht zur Verfügung stehende Grundstücke betroffen wären. Bei einer bereits angesprochenen Verlegung der Kandaharabfahrt ist aber wegen weiterer massiver Eingriffe in den Bergwald mit schärfstem Widerstand der Umweltverbände zu rechnen.

Der Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen, Axel Doering, rechnete nicht mit einem „Plan B“, denn die dann benötigten Grundstücke „gehören dann wahrscheinlich auch Leuten aus dem Kreis der 59.“ Doering urteilte über die Bewerbung: „Es war eine Katastrophenplanung von Anfang an. Die haben die Einwände nicht ernst genommen. Ich habe schon im Herbst, als die Jubelmeldung kam, Olympia sei gerettet und die Grundstücksfrage so gut wie geklärt, gesagt: ‚Es hat sich doch gar nichts geändert’. Und jetzt holt das die Bewerbung eben ein.“ Doering sagte noch voraus: „Diese Bewerbung wird bald enden. Und dann kommt der Untersuchungsausschuss“ (Hettfleisch 15.12.2010). Wohl auch deshalb kam Wolfgang Hettfleisch zu dem Schluss: „Denn sportliche Großereignisse werden nicht nur bei Wladimir Putin von oben verordnet“ (Hettfleisch, Wolfgang, Garmisch 21, in fr-online 15.12.2010)

Die Forderung von Nolympia, die Pannenbewerbung München 2018 endlich einzustellen, erhält durch das Ultimatum der Grundbesitzer weiteren Rückhalt.

MdL Ludwig Hartmann kritisierte den Leiter der Staatskanzlei: „Schneider hat die Lage schöngeredet, um in den Gremien die Beschlüsse herbeizuführen“ (Hutter, D., Effern, H., Sebald, C., Szymanski, M., Bauern setzen Regierung Ultimatum, in SZ 14.12.2010).

Die Landtagsgrünen warnten die Staatsregierung davor, sich über den Willen der Bevölkerung hinwegzusetzen: „Wir hoffen nicht, dass Staatskanzleichef Schneider zu ‚entsprechenden Ersatzlösungen’ auch Enteignungen zählt“ (Olympia: Wo bleibt die Transparenz, Pressemitteilung Fraktion Bündsnis 90/Die Grünen, 14.12.2010).  Schneider hatte dies vor Journalisten explizit ausgeschlossen.

Bereits am 8.12.2010 hatte merkur-online gemeldet, dass die „förmliche Enteignung“ des Grundbesitzers an der Kandahar für die Ski-WM im Februar 2011 in der Sitzung des Marktgemeinderates am 14.12.2010 beschlossen werden soll (Grundstücksstreit vor der Ski-WM: Lösung noch vor Weihnachten? in merkur-online 8.12.2010). Die Rede war auch von „temporärer Enteignung“ (Drohung lässt Bewerberteam kalt, in br-online 14.12.2010). In einem späteren Bericht im Merkur stand, dass der Garmisch-Partenkirchner Bürgermeister Schmid (ohne den Marktgemeinderat darüber abstimmen zu lassen!) ein Enteignungsverfahren gegen den Eigentümer eines 5000 Quadratmeter großen Grundstücks im Zielbereich der Kandahar-Abfahrt eingeleitet hat: „Und zwar nicht nur, wie offiziell behauptet wird, für die Zeit rund um die Ski-WM im Februar 2011, sondern auch für ‚ähnliche Veranstaltungen’ – und zwar in den nächsten 30 Jahren!“ (de Ponte, Wolfgang, Olympia: Der Brandbrief ans IOC, in merkur-online 22.12.2010).

Anwalt Seitz sieht im Fall eines Zuschlags an München 2018 das Ende der Kompromisse, denn dann würde das „komplette Planungsinstrumentarium greifen“ – einschließlich Enteignungen (Etscheid, Georg, Spiele auf fremden Grund, in zeit.de 17.12.2010). Obwohl Enteignungen rechtlich möglich seien, schrieb Alexander Müller, sähen sie „zu sehr nach chinesischen Methoden auf deutschem Boden aus“ (Müller, Alexander, Rebellische Bayern, in Mannheimer Morgen 15.12.2010).

München-2018-Fans wiegeln ab

– Ministerpräsident Horst Seehofer ließ verlauten: „Die Bewerbung ist nicht gefährdet.“ Und: „Von einem Rechtsanwalt lassen wir uns kein Ultimatum stellen“ (Seehofer greift Bauern-Anwalt an, in SZ 15.12.2010).

– Staatskanzlei-Minister Siegfried Schneider sagte: „Lediglich eine Handvoll Grundstücke sind relevant für die geltende Planung“. Schneider selbst hatte allerdings am 26.11.2010 bei einem Treffen im Garmisch-Partenkirchner Gasthof Lamm vor 50 Zeugen geäußert, „die besagten Areale seien unverzichtbar, sonst müsste die Bewerbung zurückgezogen werden“ (Hutter, D., Effern, H., Sebald, C., Szymanski, M., Bauern setzen Regierung Ultimatum, in SZ 14.12.2010). Bei diesem Treffen wies Schneider auch darauf hin, dass ein Rückzug aus der Bewerbung besonders Ministerpräsident Seehofer treffen würde, der dadurch an bundespolitischem Gewicht verlöre (Kippt dieser Brief Olympia? in tz-online 14.12.2010). Die SZ zitierte auch aus dem Umfeld der Staatsregierung: „Es wird immer schwieriger zu sagen, jetzt geht es auch ohne dein Land. Man hat noch nicht alle Flächen definitiv zusammen“ (Münchens Olympia-Bewerbung in Gefahr, in SZ 14.12.2010; Müller, Thomas, Garmischer Bauern bleiben hart: Kippt jetzt Olympia 2018? in abendzeitung.de 14.12.2010).

– Bewerbungschef Bernhard Schwank sah in allem kein Problem: „Für alle Eventualitäten liegen Alternativen vor“ (general-anzeiger-bonn.de 14.12.2010)

– Kati Witt beurteilte die Situation so: Es ist natürlich bedauerlich, dass wir noch nicht alle hundertprozentig von der Bewerbung überzeugen konnten“ (Olympia 2018 in München: Probleme? Gibt’s keine, in Abendzeitung 15.12.2010).

DOSB-Generaldirektor Michael Vesper wusste sofort Bescheid: „Die Sportstätten sind von den Weigerungen einiger Grundbesitzer fast gar nicht betroffen“ (Drohung lässt Bewerberteam kalt, in br-online 14.12.2010). Im Spiegel-Interview äußerte er dann: „Die Bayerische Staatsregierung führt freundliche Gespräche… Der Tourismus dort (in Garmisch-Partenkirchen; W.Z.) würde einen gewaltigen Schub bekommen… Heute werden Pisten überall beschneit. Das ist Standard, auch im Freizeit-Sport. Der Vorteil von Garmisch-Partenkirchen ist, dass die Anlagen dort schon fast alle stehen und sowieso benutzt werden… Ich bin optimistisch, dass auch bei uns der olympische Geist siegt“ („Der Olympische Geist siegt“, in Der Spiegel 20.12.2010).
Mit diesen alten, inzwischen vielfach als falsch widerlegten „Argumenten“ wird der olympische Geist mitnichten siegen.

– Die sportpolitische Sprecherin der FDP, Julika Sandt, sah in der „Verunsicherung“ der Bauern „auch ein Ergebnis der polemischen Desinformationspolitik der Landtags-Grünen. Hier wird mit den Sorgen und Ängsten der Menschen auf unverantwortliche Weise gespielt“ (Auer, Katja, Plan B in der Hinterhand? In SZ 15.12.2010).
a) Frau Sandt hat nichts von den Nöten der Bauern im Werdenfelser Land verstanden. b) Die Abteilung Desinformation ist bei der Bewerbungsgesellschaft München 2018 angesiedelt. c) Die Sorgen und Ängste der Menschen werden erst durch eben jene Bewerbungsgesellschaft hervorgerufen.

– Die Gemeinderätin des Christlich-Sozialen Bündnisses (CSB), Alexandra Roos-Teitscheid befleißigte sich einer klar olympisch-ideologischen Sichtweise: „Man muss doch zwischen dem Wohl von 60 Leuten und den Wohl des ganzen Ortes abwägen“ (Brinkmann, Tanja, Ein „klares Signal“ der Grundbesitzer, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 15.12.2010).
Das ist leider eine absichtlich grundfalsche Sichtweise. Hier werden 60 Grundeigentümer als egoistische Minderheit dargestellt, die dem angeblichen Wohl der restlichen 26.000 Garmisch-Partenkirchner im Wege stehen. Die Grundeigentümer werden mehr Solidarität von ihren Mitbewohnern erfahren, als sich die CSB-Gemeinderätin vorstellen kann. Aber vielleicht will die CSB auch nur vom Vorgehen ihres Bürgermeisters ablenken, der durch Nichtinformation und Arroganz mitverantwortlich an dem Desaster ist.

Der Bach des Jahres

Bei der Ehrung der „Sportler des Jahres“ am 19.12.2010 durften Maria Riesch und Rosi Mittermaier lauthals für die Olympischen Winterspiele 2018 in München werben. DOSB-Präsident Thomas Bach nutzte den Auftritt im ZDF und sagte vor einem Millionenpublikum in Richtung der Grundeigentümer in Garmisch-Partenkirchen: „Hier muss die Mehrheit der Deutschen hinter diesen Spielen stehen. Unsere Chancen sind wirklich gut. Das lassen wir uns nicht von einzelnen kaputt machen“ (Hahn, Jörg, Verwirrende Signale, in faz.net 20.12.2010; Jörg Hahn bemerkte dazu: „Und das ZDF übertrug die forschen Worte in die Wohnzimmer.“)
Das ist die Bachsche Sport-Demokratie: immer fiktive Mehrheiten vortäuschen und Rechtsgrundlagen ignorieren, um die eigenen Interessen durchzusetzen.

Juristische Realitäten

Zu den Grundstücken seiner Mandanten stellte Rechtsanwalt Ludwig Seitz fest: „Sämtliche Grundstücke liegen innerhalb des Sicherheitszauns, den das IOC rund um die Olympiaanlagen verlangt“ (SZ 14.12.2010).
Dieser Sicherheitszaun ist nach IOC-Vorschrift vier Meter hoch!

Seitz weiter: „Nach dem Stand der Dinge wird Olympia hier nicht stattfinden.“ Initiatoren seien „praktizierende Landwirte, die hier Milchwirtschaft betreiben… Es geht ihnen nicht um Geld“ (Issig, Peter, Landwirte wollen Olympia in Garmisch verhindern, in welt.de 14.12.2010).

Die Grundeigentümer waren für die Bewerbungsgesellschaft und die Staatsregierung lange nicht existent. Im August 2010 hatte Ignaz Streitel im Fernsehen gefordert, dass endlich mit ihnen gesprochen würde. Dann kam Rechtsanwalt Seitz dazu.

„59 willigten ein, sich von ihm vertreten zu lassen. Erst jetzt wurde aus den Einzelkämpfern eine Gruppe, und bis zum Ultimatum sollten Monate vergehen, in denen man in der Staatskanzlei vor allem eines tat: sich taub stellen. Als erstes forderte Anwalt Seitz von der Staatskanzlei die Pläne für Olympia an. Keine Antwort. Seitz verfasste wieder ein Schreiben. Wieder keine Antwort. Anfang November erhielt er ein Fax, kaum lesbar, es waren die Pläne. Seitz schrieb erneut. Schließlich kamen die Pläne, per Post. Erst jetzt erfuhren die Bauern, wo was gebaut werden sollte“ (Frenzel, Veronica, Die Olympia-Gegenspieler, in Tagesspiegel 21.12.2010).
Wieder einmal ein Beweis für die Intransparenz von München 2018!

Seitz betonte die Notwendigkeit dieses Briefes für seine Mandanten: „Ansonsten hätte ihnen der Vorwurf gemacht werden können, sehenden Auges die Abgabe der Bewerbungsunterlagen hingenommen zu haben.“ Seitz berichtete auch von einem Vertreter eines Stuttgarter Planungsbüros, der vom nötigen Ausbau von Straßen sprach und dass „zum Beispiel auch der sehr wichtige Grüngürtel durchschnitten werden muss. Das sei alles Bestandteil des Bid Books. Auch hier wird die Öffentlichkeit hinters Licht geführt. Die Beschwichtigungsformeln gehen völlig an den Fakten vorbei“ („Die Wahrheit ist auf unserer Seite“, Interview mit Ludwig Seitz in taz.de 18.12.2010).

Seitz teilte auch mit, dass die ihm übermittelten Vertragsentwürfe „nicht einmal vollständig waren“, dass die Bewerbungsgesellschaft „Probleme verschleiere“, um das Bid Book mit der verbindlichen Planung Anfang Januar 2011 an das IOC zu übermitteln „nach dem Motto Augen zu und durch“ (Riedel, Katja, Von wegen Kompromiss, in SZ 15.12.2010). „Es handelte sich um schlampige Pauschalverträge, in denen schon mal Grundstücke und Personen verwechselt wurden. Die Papiere tragen den Vermerk „Bitte bis zum 26. November Verträge abschließen“ (Kemnitzer, Sebastian, Garmischer Schmarrn, in taz.de 21.12.2010).

Staatskanzleichef Schneider schrieb danach wieder einmal einen Brief – diesmal richtigerweise an den Anwalt Seitz zum Weiterreichen an fünf seiner Mandanten, die Flächen im Bereich der geplanten Sportarenen haben. Für die temporäre Nutzung von Oktober 2017 bis Ende April 2018 bot Schneider 1,50 Euro pro Jahr und Quadratmeter: „Das ist ein faires Angebot“ (Deutschländer, Christian, Schwer, Alexander, Neue Runde im Poker um die Pisten, in merkur-online 17.12.2010).
Nach den Spielen würde der Grund und Boden nicht wiederzuerkennen sein – trotz gegebener Garantien.

Rechtsanwalt Seitz teilte mit, dass er am 22.12.2010 bis 24 Uhr abwarten würde: „Aber danach geht unser Schreiben raus – und zwar gleich dreifach: per Einschreiben mit Rückschein, als E-Mail und per Fax“ (de Ponte, Wolfgang, Olympia: Der Brandbrief ans IOC, in merkur-online 22.12.2010).

Bauern-Land

Die Münchner tz hat die Grundstücke der Gegner aufgelistet: Am Gudiberg haben am Skistadion mindestens zwei Olympiagegner Grundstücke, an der Halfpipe am Hausberg vier Grundeigentümer und an der Kandahar-Strecke ebenfalls vier (Bauer gegen Olympia: Warum ich mein Land nicht hergebe, in tz-online 15.12.2010).

An der „Alpinarena Kandahar“ soll ein Skistadion für Slalom und Buckelpiste für 18.000 Zuschauer entstehen, an der Großen Schanze und (neu zu errichtender) Kleinen Schanze Areale für das Freestyle-Springen Plätze für 14.000 Zuschauer, am Hausberg für Snowboardcross, Parallelriesenslalom und Skicross auf der Hornabfahrt Plätze für 14.000 Zuschauer und der Halfpipe für 10.000 Zuschauer (Mein Hund, mein Grund, in ftd.de 16.12.2010).

Ignaz Streitel, langjähriges CSU-Gemeinderatsmitglied und Ex-Chef der Weidegenossenschaft, musste feststellen: „Es wurden schon zu viele Fehler gemacht. Die grüne Lunge ist längst weg“ (Vitzthum, Thomas, Scheune statt Spiele, in Welt am Sonntag 19.12.2010). Zur Haltung der Bauern sagte er: „Es geht um unsere Heimat und um sonst gar nix. Aus.“

Theo Geyer soll seinen Grund und Boden hergeben für die Halfpipe, für Parkplätze, für ein VIP-Zelt und für Tribünen am Ziel der Kandahar-Abfahrt. Die Familie fürchtet um ihren Hof, da es bereits Hangrutschungen gegeben hat. „Schon einmal ist Geyers Familie mit Olympia konfrontiert gewesen. Für die Spiele 1940, die nie ausgetragen wurden, wurde die Mutter enteignet. Zurückbekommen haben sie ihr Land nicht“ (Riedel, Katja, Von wegen Kompromiss, in SZ 15.12.2010).

„Anton Hornsteiner hat in seinem Stall 13 Milchkühe. Darunter zwei seltene, dunkelrotbraune, schlanke, edle Tiere. ‚Die sterb’n leider aus wie mia’, sagt der Bauer und streichelt die kleinere der beiden Murnau-Werdenfelser über den Kopf. ‚Sie sind halt nicht so groß, nicht so guad wie die anderen’“ (Vitzthum 19.12.2010).

Was kümmert Sportfunktionäre und Politiker das Leben dieser Bauern?

Aufruf zur Enteignung in der SZ

Eine befremdliche und einseitige Sichtweise entwickelte Annette Ramelsberger in einem Kommentar in der SZ: Die Wünsche der Mehrheit „verschwinden hinter dem lauten Protest der wenigen. Immerhin sprechen sich 64 Prozent der Garmisch-Partenkirchner für die Bewerbung aus…“ Mit dem Ultimatum „haben sie einen kritischen Punkt überschritten. Sie haben sich nicht nur im Ton vergriffen. Mit der Drohung, sich selbst an das IOC zu wenden, fordern sie die Regierung geradezu heraus: Die kann nun nicht mehr auf Einfühlungsvermögen und Entgegenkommen setzen, sie muss jetzt zeigen, dass sie das Gemeinwohl über das Eigentum der Grundbesitzer stellt“ (Ramelsberger, Annette, 59 Bauern gegen den Rest der Welt, in SZ 14.12.2010).

Da dies ein direkter Aufruf zur Enteignung der bäuerlichen Gründstücke in Garmisch-Partenkirchen ist, möchte ich näher darauf eingehen:
1) Zum einen ist das mit Mehrheiten so eine Sache. Beim Online-Voting der Münchner Abendzeitung lagen bis 21.12.2010 die Gegner bei über 75 Prozent, die Befürworter nur bei 20 Prozent. Frühere Online-Voten des BR und der Augsburger Allgemeinen brachten ebenfalls klare Mehrheiten für die Gegner. Und die bekannten Tricksereien der Bewerbungsgesellschaft, nämlich eine hohe Zustimmung zu erhalten, indem man 78 Prozent Sportbegeisterte befragt, lässt doch die angegebenen 64 Prozent Befürworter in Garmisch-Partenkirchen stark bezweifeln.
Vergleiche: http://www.nolympia.de/2010/09/vorsicht-mit-statistiken-die-man-nicht-selbst-gefalscht-hat/
2) Die wirkliche Minderheit ist das IOC: Es hat allerdings Politik, Kapital und Teile des Sports mit unerfindlichen und nicht immer sauberen Mitteln hinter sich geschart. Das sind Mächte, aber keine Mehrheiten. Vor allem, da die Mehrheit der Bevölkerung, nämlich die Steuerzahler, die Zeche für die paar Wochen olympische Party zu bezahlen hätten: Verschuldung auf viele Jahre.
3) Und für diese paar Wochen olympischen Hype sollen die Bauern ihre jahrhundertealten Stadel abreißen, ihre Wiesen von schweren Fahrzeugen komprimieren und versauern und das Landschaftsbild ruinieren lassen und ihre bäuerliche Berufsausübung zwischenzeitlich einstellen oder zumindest reduzieren, dazu – wie die gesamte Garmisch-Partenkirchner Bevölkerung – jahrelang Staub und Dreck, Lärm und Baustellen ertragen? Sollen sich die Bauern quasi freiwillig enteignen und das alles gefallen lassen, ohne gesetzliche Mittel einzulegen, nachdem sie kein Gehör gefunden haben? Das kann doch kein vernünftig denkender Mensch verlangen!
4) Außerdem ist für die Frage der Tonstärke allein die Staatsregierung bzw. der Staatskanzleiminister zuständig: Im August 2010 hat Rechtsanwalt Seitz den ersten Brief geschrieben: Er blieb bis heute unbeantwortet. Die Staatsregierung ging überhaupt nicht auf die Realität ein und tat so, als ob fremdes Eigentum, nämlich das der Bauern, beliebig verfügbare Manövriermasse sei, die einfach an die Bewerbungsgesellschaft München 2018 verschoben werden könnte.
Legal sieht anders aus! Und mit Gemeinwohl hat das rein gar nichts zu tun!

Ähnlich arrogant äußerte sich der Chefredakteur der Münchner Abendzeitung, Arno Makowsky: „Bei aller Liebe zur bayerischen Folklore – so langsam reicht es jetzt mit dem Provinz-Aufstand der Garmischer Grundstücksbesitzer gegen die Olympischen Spiele. Was die Bauern und Grundeigner aufführen, mag mancher für sympathische Aufmüpfigkeit halten – in Wahrheit ist das Sturheit und Egoismus… Aber hier stehen Einzelinteressen gegen die Mehrheit. Es wäre demokratisch, sich zu beugen“ (Makowsky, Arno, Auf dem Ego-Trip, in Abendzeitung 15.12.2010).

Ist es „Sturheit und Egoismus“, wenn man seinen Beruf weiter ausüben, seine Landwirtschaft weiter betreiben und die schon stark verkleinerte historische Kulturlandschaft erhalten will? Der Herr Chefredakteur selbst hat nichts verstanden von Demokratie – und von dem undemokratischen Vorgehen von IOC und DOSB!

Als Schreiber dieser Chronik möchte ich an dieser Stelle den Garmisch-Partenkirchner Bauern und Grundeigentümern für ihre Solidarität und ihren Mut, für die Bewahrung der Heimat und das Eintreten für ihre demokratischen Rechte danken.

Dez 202010
 
Zuletzt geändert am 18.03.2011 @ 15:53

Wolfgang Zängl
20.12.2010

Geplantes Olympisches Dorf 2018: weder umweltfreundlich noch nachhaltig!

Die Bebauung des Parks der Bundeswehr war dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude schon seit langem ein Anliegen – schon lange vor den Plänen für München 2018. Über das zu bauende Olympische Dorf möchte er dieses Anliegen endlich verwirklichen und in den Besitz des Geländes kommen. Von den 36 Hektar gehören nämlich 18 Hektar dem Bund, rund 14,5 Hektar dem Freistaat und nur 3,5 Hektar der Stadt. „Olympia sei eine enorme Chance, auf dem Bundeswehr-Gebiet ein Wohnquartier zu entwickeln, sagte Ude: ‚Manche haben noch nicht verstanden, welche Möglichkeiten sich hier bieten, die Wohnungsnot zu lindern“ (Dürr, Alfred, Athleten im Landschaftspark, in SZ 4.12.2010). Und noch beim Pressegespräch am 28.12.2010 sprach Ude vom „Militärgelände“.

Hauptsache, der Oberbürgermeister hat alles verstanden: Dass nämlich eine preisgekrönte Bürobebauung mit intakten, fragilen Gebäuden einer ziemlich klotzigen Wohn-Architektur weichen würde, dafür mindestens 1280 wertvolle Bäume zu fällen seien, siehe unten und die Bundeswehr in Neubauten für 120 Millionen Euro an der Dachauerstraße umziehen müsste, was wiederum weitere zahlreiche Baumfällungen bedeuten würde. Das übliche Totschlagargument Wohnungsbau zieht hier noch weniger als sonst.

Der Wettbewerb für das Olympische Dorf (und das Mediendorf an der Leonrodstraße) wurde im EU-Amtsblatt 9.6. bis 12.7.2010 ausgeschrieben. In der Jury saßen 16 Architekten und Städteplaner, u. a. Albert Speer, der Planungschef von München 2018 sowie Bernhard Schwank und Jürgen Bühl von der Bewerbungsgesellschaft München 2018, dazu 15 Politiker, u. a. OB Ude, die Grüne Stadträtin Sabine Krieger, Stadtbaurätin Elisabeth Merk, Kommunalreferentin Gabriele Friedrich.

Anfang Dezember 2010 stellte die Stadtspitze stolz den Sieger des Wettbewerbes für das Olympische Dorf 2018 vor: das Berliner Büro Léon Wohlhage Wernik mit den Landschaftsarchitekten ST raum a, Berlin. Sie lieferten ein Modell ab, in dem die Hochhäuser aussehen wie Olympische Hochbunker mit Balkonen. Je drei Hochhäuser mit sieben bis 14 Geschossen und bis zu 50 Meter Gesamthöhe bilden eine der sechs Hochhausgruppen. Der Preisträger kann in keinster Weise an die prämierte Behnisch-Architektur von 1972 anschließen, auch wenn im Erläuterungstext steht: „Auf kongeniale Art und Weise wird das Thema der architektonischen Landschaft neu aufgegriffen, ohne sich an die existierenden Bauten von 1972 anzubiedern“ (Alle Zitate des Preisgerichts aus: competitionline, Erläuterungstext ID 43278).

München, Olympisches Dorf Winterspiele 2018, 1. Preis. Entwurf: Léon Wohlhage Wernik Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin Prof. Hilde Léon, Siegfried Wernik mit ST raum a. Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH, Berlin Stefan Jäckel, Tobias Micke

Der ruhende Verkehr ist in Tiefgaragen zwischen den Hochhäusern vorgesehen. Das Modell zeigt sehr wenig übrig gebliebene Bäume, und das entspricht auch folgender Aussage: „Positiv zu bewerten ist, dass 95 Prozent des als ‚sehr erhaltenswert’ eingestuften Baumbestandes berücksichtigt wurde. Dagegen wird der als ‚erhaltenswert’ eingestufte Bestand zu 80 Prozent beseitigt“ (Zitate Preisgericht, unter: http://www.competitionline.de/wettbewerbe/43278.

Also doch: Dramatische Fällungen!

Zur Erinnerung: Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung führte im Rahmen der Bewerbung München 2018 für das Olympische Dorf und das Mediendorf eine Untersuchung bezüglich des Bewuchses durch. Eine Aufstellung vom 28.9.2010 ergab, dass insgesamt 2630 Bäume gefährdet wären. Dazu zählen 108 sehr erhaltenswerte Bäume und 1.594 erhaltenswerte Bäume, sowie 14.784 Quadratmeter flächige Gehölzbestände (davon 4.652 Quadratmeter erhaltenswerte).

(Vergleiche unter http://www.nolympia.de/chronologie/september-2010/ in der Chronologie den Abschnitt: Olympiapark und Bundeswehrgelände München)

Geplant: mindestens 1280 gefällte Bäume

Es werden fünf Prozent des „sehr erhaltenswerten“ Gesamtbestandes gefällt, pardon, „beseitigt“, das wären sechs Bäume, dazu aber auch 80 Prozent des „erhaltenswerten Gesamtbestandes“ gefällt, also 1275 Bäume! Nach der Baumschutzverordnung der Landeshauptstadt München (Stand 12.4.2010) „sind alle Gehölze (Bäume und Sträucher), die einen Stammumfang von mindestens 80 Zentimeter in 100 cm Höhe über dem Erdboden haben, unter Schutz gestellt“.

„Sehr erhaltenswerte“ (108) und „erhaltenswerte Bäume“ (1594) ergeben zusammen 1702 Bäume. Aufaddiert wurden aber in der Liste des Planungsreferates 2630 Bäume: Hier fehlt der Nachweis, was mit den restlichen 928 Bäumen geschehen sollte: Vermutlich würde auch von ihnen ein beträchtlicher Teil gefällt.

Journalisten übernehmen oft genug unkritisch die offiziellen Presseinformationen der Stadt und der Bewerbungsgesellschaft München 2018, und das liest sich dann so: „Durch die Anordnung der Häuser können auf dem Gelände ein Biotop und 95 Prozent der wertvollen alten Bäume erhalten bleiben“ (Patzig, Johannes, Ein neues Olympiadorf für München, in merkur-online 4.12.2010). Hier wurde übersehen, dass 80 Prozent der „erhaltenswerten Bäume“, nämlich die erwähnten 1275, abgeholzt würden.

München, Olympisches Dorf Winterspiele 2018, 1. Preis. Entwurf: Léon Wohlhage Wernik Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin Prof. Hilde Léon, Siegfried Wernik mit ST raum a. Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH, Berlin Stefan Jäckel, Tobias Micke

„Nachhaltiges“ Bauen?

Kritisiert wird in der Beurteilung durch das Preisgericht: „Die Tiefgarage ist jeweils zwischen den Zeilen organisiert. Das führt zu einer hohen Versiegelung.“ Auch vom vielgerühmten „nachhaltigen Bauen“ würde vermutlich nicht viel übrig bleiben. „Die Konstruktion ist konventionell als Stahlbetonkonstruktion vorgesehen“. – „Nachhaltige Rohstoffe finden keine Verwendung: Die Wärmeverbund-Fassade ist nur bedingt (!W.Z.) dauerhaft“ (Preisgericht, competitionline, Erläuterungstext ID 43278).

Plusenergiestandard?

Und zum Plusenergiestandard heißt es: „Das Projekt bietet die baulichen Voraussetzungen, den Plusenergiestandard in der weiteren Behandlung zu erreichen“ (Preisgericht, competitionline, Erläuterungstext ID 43278).

Das ist eine mehr als schwammige Formulierung! Nun wurde der Plusenergiestandard im Vorfeld von jedem Grünen Münchner Stadtrat und jedem DOSB-Funktionär inflationär in die Debatte geworfen. Ob der Plusenergiestandard – auch angesichts der Kosten – tatsächlich erreicht werden wird, steht in den Sternen.

*

Es gibt einige interessante Parallelen von Stuttgart 21 zu München 2018: Bei Stuttgart 21 geht es um 292 erhaltenswerte Bäume, bei München 2018 um 1300 und mehr. Bei Stuttgart 21 „gehe es um die bestmögliche Verwertung der Flächen in der Innenstadt… Das Verfahren zur Planfeststellung dient in erster Linie dazu, Baurecht zu schaffen“ (Beck, Sebastian, Kopfbahnhof, eingleisig, in SZ 30.11.2010).

Im Fall des Münchner Parks der Bundeswehr, in dem das Olympische Dorf 2018 entstehen soll, schaut es bezüglich des Baurechts nicht anders aus.

Ohne die Spiele steht das Areal nicht zur Verfügung, mahnte Ude. Auch aus diesem Grund: kein München 2018!

Nicht nebenbei:

Alle Zitate zum Modell Olympisches Dorf und die Zahlen zu den verheerenden Baumfällungen sind natürlich nicht in den offiziellen Beschreibungen der Bewerbungsgesellschaft zu finden, sondern versteckt unter http://www.competitionline.de/wettbewerbe/43278, dort unter „Beitrag ansehen“ und „Beurteilung durch das Preisgericht“.

Vergleiche auch: http://www.nolympia.de/2010/11/der-munchner-park-der-bundeswehr/

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