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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Sep 092013
 
Zuletzt geändert am 19.09.2013 @ 11:45

Wolfgang Zängl 9.9.2013, aktualisiert 19.9.2013

(1) Anreise
Buenos Aires, IOC-Kongress, schwer bewachtes Hilton Hotel: “Das silbrige Gebäude ist zum Bunker geworden, als treffe sich dort die G20″ (Burghardt, Peter, Eingetroffen im Raumschiff, in SZ 5.9.2013).
Gianni Merlo, Präsident des Internationalen Sportjournalisten-Verbandes AIPS: “Die Straßen sind wie leergefegt. es sieht aus, als ob hier Krieg herrscht und kein Sport-Treffen stattfindet” (AIPS-Präsident Merlo kritisiert IOC scharf, in zeitonline 5.9.2013). – “Der 66-Jährige prophezeit dem IOC eine schwierige Zukunft, der neue Präsident stehe vor großen Herausforderungen: ‘In ein paar Jahren wird das IOC wie die Titanic sinken. Alle singen und tanzen noch, aber der Eisberg ist schon nahe. Wenn sie weiter nur dem Dollar folgen, wird der Sport sterben’” (Ebenda; Hervorhebung WZ).
Zur Strategie: Samstag 7.9. Wahl des Austragungsortes für die Olympischen Sommerspiele 2020 (Tokio bekommt sie); Bleibt Ringen olympisch? Oder kommt Baseball bzw. Softball? (Bleibt es). Dienstag, 10.9. Der neue IOC-König wird gekrönt.
Die Olympischen Jugendspiele kommen 2018 nach Buenos Aires. Strippenzieher bei allem ist neben dem Katarer Ahmad Al-Fahad Al-Sabbah der argentinische NOK-Patron Gerardo Werthein, vormals Reiter, Miteigentümer des argentinischen Telekommunikationskonzerns Telecom (Burghardt 5.9.2013).

(2) Jacques Rogge tritt ab
Der scheidende IOC-Präsident Jacques Rogge steigerte die Reserven des IOC von 105 Millionen Dollar im Jahr 2001 auf fast eine Milliarde Dollar (765 Millionen Euro) zum Ende 2012. Die TV-Einnahmen stiegen von 2,2 Mrd. Dollar in der Periode 2002/2004 auf mehr als 4 Milliarden Dollar in der Periode 2014/2016. Die zehn TOP-Sponsoren werden für die Periode 2013 bis 2016 eine Milliarde Dollar überweisen (IOC sitzt auf einer Milliarde Dollar, in news.at 8.9.2013).
Rogge ist Jens Weinreich zufolge mit seinen Reformvorhaben gescheitertgescheitert: Das IOC liefert keinen ordentlichen Finanzbericht ab, seine Kommunikationspolitik ist eine Katastrophe, die Ethikkommission funktioniert undurchsichtig. Rogge wollte bei Amtsantritt gegen Gewalt und Gigantismus antreten, für die Glaubwürdigkeit des Sports und eine Reformierung des olympischen Programms. “Beim Thema Gigantismus und ausufernde Olympiakosten ist er kolossal gescheitert” (Weinreich, Jens, Mit stumpfem Skalpell, in spiegelonline 7.9.2013). Rogges Einführung der “Olympischen Jugendspiele” (eine geklaute Idee, wie so vieles beim IOC) hat den Gigantismus noch erhöht. Oligarchen (wie der Russe Arkady Rotenberg und Putins Judofreund Marius Vizer, der kürzlich zum Präsidenten der Sport-Weltverbände Sportaccord, früher GAISF gewählt wurde) und Öl-Scheichs (wie der Katarer Ahmad Al-Fahad Al-Sabbah) bestimmen zunehmend den Kurs (Ebenda). Der um das IOC-Präsidentenamt kandidierende Thomas Bach wurde sogar gerade im Spiegel als der “Strohmann” von IOC-Mitglied Al-Sabah, Scheich aus Kuwait, bezeichnet (Osang, Alexander, Der Strohmann, in Der Spiegel 36/2.9.2013). Dazu kommen Milliardäre wie der Argentinier Gerardo Werthein, siehe oben.
Das dubiose IOC-Personal sieht langsam wieder so aus wie unter Juan Antonio Samaranch, der von 1980 bis 2001 IOC-Präsident war.

(3) Das Altern eines IOC-Präsidenten
“Es gibt IOC-Mitglieder, die ihren Gesprächspartnern gern zwei Bilder zeigen und dazu fragen: ‘Bist du sicher, dass es das ist, was du willst?’ Auf den Fotos ist jeweils Jacques Rogge zu sehen, einmal im Jahr 2001, als der Belgier in Moskau zum Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gekürt wurde – und einmal im Jahr 2013. Der Unterschied ist frappierend, für manche gar schockierend. (…) Unter der Last des Amtes, der wichtigsten Funktion des Weltsports, scheint Rogge nicht um zwölf, sondern um 30 Jahre gealtert zu sein” (Weinreich, Jens, Mit stumpfem Skalpell, in spiegelonline 7.9.2013).
Bach sollte doch IOC-Präsident werden!

(4) Drei Fußkranke bewerben sich um Olympische Sommerspiele 2020.
Zu Madrid, Istanbul und Tokio siehe hier.
Mein persönlicher Tipp im Olympischen Kaffesatzlesen am 7.9.2013 um 18 Uhr: Angesichts der Unruhen beim Confed-Cup der Fifa in Brasilien im Juni 2013, der angespannten Situation in Sotschi 2014 und der Situation Rio de Janeiro 2016 werden beim IOC die Nerven blank liegen. Da wirkt Tokio trotz Fukushima sicher. Und da dem japanischen Ministerpräsidenten Shinze Abo trotz der schwindelerregenden Staatsverschuldung Japans die Milliarden sehr locker sitzen, wäre Tokio doch der geeignetste Kandidat. Denn es geht doch um Geld. Nur um Geld. Und natürlich würde die Wahl mit der olympischen Hilfe zur Überwindung der Fukushima-Katastrophe begründet.
Wenn nur niemand an Nagano 1998 denkt! Die Stadt trug die Olympischen Winterspiele 1998 aus – und ist noch immer mit rund zehn Milliarden $ verschuldet.
Madrid und Spanien waren arrogant: „50 der 98 IOC-Mitglieder haben versprochen, Madrid zu wählen“ hatte die spanische Zeitung El Mundo letzte Woche verkündet und eine Fotogalerie der IOC-Befürworter abgedruckt (Kistner, Thomas, Nicht einmal Messi kann helfen, in SZ 9.9.2013). Das Ergebnis am 7.9.2013: Tokio erhält in der ersten Runde 42 Stimmen, Madrid und Istanbul je 26. In der Stichwahl erhält Istanbul 49, Madrid 45 Stimmen. Tokio “gewinnt” dann mit 60 zu 36 Stimmen gegen Istanbul. “Riesenjubel in Tokio” (Olympische Sommerspiele gehen nach Tokio, in spiegelonline 7.9.203; 60 : 36 für Tokio, in SZ 9.9.2013).
Die armen Japaner! Dieser “Erfolg” wird sie teuer zu stehen kommen – dabei sind sie mit Fukushima schon furchtbar abgestraft.
Vergleiche auch: Drei Fußkranke bewerben sich

(5) Reaktionen auuf die Wahl von Tokio
Christoph Neidhart
, SZ-Korrespondent Japan: „Ziemlich verärgert reagierten viele der 150.000 Nuklear-Flüchtlinge aus der Gegend hinter dem Kernkraftwerk Fukushima I auf die Vergabe der Spiele. Im Fernsehen äußerten mehrere von ihnen die Befürchtung, sie würden nun ganz vergessen. Besonders wütend waren sie auf Tsunekazu Takeda, den Präsidenten des japanischen Olympischen Komitees, der in Buenos Aires sagte, Tokio sei sicher, auch die Lebensmittel, es liege 250 Kilometer von der Reaktorruine entfernt; für die Leute von Fukushima hatte er aber kein Wort der Solidarität übrig. Derweil behauptete Premierminister Abe wider besseres Wissen vor dem IOC, man habe Fukushima I im Griff“ (Der vierte Pfeil, in SZ 9.9.3013).
Evi Simeoni in der FAZ: „Aufgabe des IOC ist es nicht, einem Volk bei der Selbsthypnose zu helfen, sondern die bestmöglichen Olympischen Spiele für seine Sportler auszurichten. Wie konnten die Sportfunktionäre bei ihrer Entscheidung, die Spiele 2020 nach Tokio zu vergeben, das atomare Risiko in Fukushima ausblenden? … Noch am Dienstag verabschiedete die japanische Regierung einen Notfallplan für den überforderten Betreiber Tepco, der mit den Lecks in den Kühltanks nicht zurechtkommt … Tokio verspricht die größte Prime-Time-Fernsehgemeinde, die es je gab. Den größten Ticketmarkt. Und einen beeindruckenden kommerziellen Erfolg. Schon jetzt gibt es 21 Sponsorenpartner“ (Teurer Sand in den Augen der Sportfunktionäre, in faz.net 8.9.2013).
Von „Brot und Spiele“ zu japanischen „Katastrophen und Spiele“: Der Ablenkungseffekt ist absolut gewollt.
Thomas Kistner
, SZ: „Tokio gilt als die krisensicherste Wahl. Man muss nur ignorieren, dass sich die Jugend der Welt nun auf einen ganz besonderen Ort vorzubereiten hat. Weiß man wirklich, ob und wie sich die Strahlungsgefahr über die nächsten Jahre eindämmen lässt? … Zu vermuten ist, dass der Weltsport erst jetzt über solche Fragen nachzudenken beginnt“ (Wenn sich der Wind dreht, in SZ 9.9.2013).
Jens Hungermann in der Morgenpost: „Zudem ist die Vergabe ein Hinweis auf den wachsenden asiatischen Einfluss im Milliardenbusiness Olympia. Dabei gewann Tokio die Wahl nicht wegen Fukushima – sondern trotz Fukushima. Die jüngst abermals zugespitzte Lage im havarierten Atomkraftwerk ist weltweit nicht nur medial ein Thema. Sondern auch im IOC“ (Tokio 2020 bringt Berlin ins Spiel, 9.9.2013).
Christiane Schlötzer in der SZ: „‚Tokio hat Istanbul gerettet‘, twittert Vasif Kortun, einer der bekanntesten Kunstexperten der Türkei. Kortun gehört zu jenen, die gefürchtet hatten, die Spiele 2020 würden Istanbul endgültig zur Beute von Bauinvestoren machen. Misstrauen erregte beispielsweise, dass die Regierung die Olympia-Bauten der staatlichen Agentur Toki anvertrauen wollte. Deren Markenzeichen sind Trabantenstädte mit häufig gesichtslosen Hochhausblöclken – von Kritikern ‚Tokistan‘ genannt“ (Zum Trost gibt’s Fußball, in SZ 9.9.2013).“

(6) Ringen wieder olympisch
Es gab 49 IOC-Stimmen für den Verbleib von Ringen als olympische Sportart; Baseball/Softball und Squash werden nicht aufgenommen. Davor gab es für den olympischen Verbleib von Ringen eine seltene Allianz der Länder USA, UDSSR und Iran. Und der Ringer-Weltverband hatte in Windeseile seine Sportart modernisiert. Allerdings zählt Ringen nicht mehr zu den olympischen Kernsportarten – so geht das Zittern bei den Olympischen Sommerspielen 2028 weiter (Visionen gewünscht, in SZ 10.9.2013).
Damit bleibt von Rogges groß angekündigten Modernisierungen der olympischen Sportarten die Aufnahme von Golf und Rugby bei den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio übrig (Ringen bleibt olympisch, in spiegelonline 8.9.2013; Weinreich, Jens, Schultersieg für die Ringer, in spiegelonline 8.9.2013).

(7) Krebsartiges Wachstum Olympischer Spiele
1896 Athen: 14 Länder (LÄ), 241 Sportler (SR), 19 Sportarten (SA), 43 Wettbewerbe (WB)
1948 London: 59 LÄ, 4955 SR, 17 SA, 136 WB
1960 Rom: 83 LÄ, 5338 SR, 17 SA, 150 WB
1972 München: 121 LÄ, 7134 SR, 23 SA, 195 WB
2000 Sydney: 199 LÄ, 10651 SR, 28 SA, 300 WB
2012 London: 204 LÄ, 10568 SR, 26 SA, 302 WB (Von Athen bis Tokio, in SZ 9.9.2013).
Die 25 „Kernsportarten“ für Tokio: Badminton, Basketball, Bogenschießen, Boxen, Fechten, Fußball, Gewichtheben, Handball, Hockey, Judo, Kanu, Leichtathletik, Moderner Fünfkampf, Radsport, Reiten, Rudern, Segeln, Schießen, Schwimmen, Taekwondo, Tennis, Tischtennis, Triathlon, Turnen, Volleyball, dazu Ringen als zusätzliche Sportart (Mit Golf und Rugby, in SZ 9.9.2013).

(8) Von Tokio 2020 zu München 2022: Unbeirrbarer Ude
Nach der Wahl Tokios tat der Münchner OB Ude kund: Damit hätte München 2022 eine “große Chance” bekommen.  Ude erzählte etwas vom “Proporz der Kontinente” (Ude sieht große Olympia-Chancen, in SZ 9.9.2013). DOSB-Präsident Bach pfiff Ude übrigens sofort zurück. Die Wahl Tokios hätte keine Auswirkungen auf München: “Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe” (Fahrenholz, Peter, Ude sieht große Olympia-Chance für München, in 8.9.213).
Man muss sich mehrfach bewerben, hieß es bei München 2018 im Hinblick auf Pyeongchang, das erst beim dritten Mal den Zuschlag für 2018 erhielt. Hallo: Madrid hat bei 2020 nun das dritte Mal verloren, Istanbul zum fünften Mal!
Für Herrn Ude ruft Mykonos, nicht der Wintersport. Am 15.9.2913 sind die bayerischen Ministerpräsidenten-Allüren ausgestanden. Dann muss Ude – nach den verlorenen Bürgerentscheiden vom 10.11.2013 – hoffentlich endlich olympische Ruhe geben. Und ab Mai 2014 ist er kein Münchner OB mehr. Das wars dann. Wobei sich nun endgültig die Frage stellt, welches Movens Udes olympisches Engagement hat: Karriere? Politische Potenz? Pekuniäres? Nachruhm?

Derzeitige Kandidaten für 2022 neben München: Oslo (nach der Abstimmung am 9.9.2013 mit 53,5 Prozent Ja-Stimmen), Barcelona (hat sofort nach der Abwahl von Madrd 2020 sein Interesse an kundgetan), Lwiw/Ukraine, Krakau 2022 mit Polen und Slowakei, Almaty/Kasachstan.
Axel Doering von NolympiaGarmisch-Partenkirchen äußerte im Interview: „Hoffentlich endet es nicht so, dass niemand Olympia haben will und wir es sofort bekommen… Ich fürchte, die Befürworter werden uns vor dem Bürgerentscheid mit Werbematerial überfluten“ (Holzapfel, Matthias, Wochen der Vorentscheidung, in Garmisch-Partenkirchner Tagblatt  9.9.2013). – „Schon jetzt finden regelmäßig geheime Arbeitskreistreffen statt. Das Büro Albert Speer & Partner treibt wie beim ersten Anlauf die Pläne voran. Und es finden Gespräche mit Sponsoren statt“ (Ebenda).
Laut Walther Tröger hätte der DOSB von den Sommersportverbänden die Zustimmung für eine Bewerbung München 2022 erhalten: Dies sei allerdings das letzte Mal (Tröger: Letzte Olympia-Chance für München, in handelsblatt.com 9.9.2013). Der Präsident des Berliner Landessportbundes, Klaus Böger (SPD), meldete nach der Wahl Tokios umgehend, das Berlin für 2024 zur Verfügung stehen würde (Hungermann 9.9.2013). Böger: „Wenn München erneut antreten darf, wird das die Chancen Berlins für eine Kandidatur nicht gerade verbessern“ (Zawatka-Gerlach, Ulrich, „Berlin muss eine Vision entwickeln“, in tagesspiegel.de 8.9.2013).
Schaun mer mal, was der DOSB am 30.9.2013 macht. In jedem Fall wackellt der Schwanz (DOSB) mit dem Hund (Bundesrepublik, Bayern, Landeshauptstadt München etc.).

(9) Neuer IOC-Präsident aus Deutschland?
Wolfgang Hettfleisch erwähnt zu Bachs Biographie: den Tauberbischofsheimer Fecht-Papst Emil Beck, Adidas-Chef Horst Dassler, NOK-Präsident und IOC-Mitglied Willi Daume und Bachs Förderer Juan Antonio Samaranch, den früheren IOC-Präsidenten (Hettfleisch, Wolfgang, Die Geduld des Fechters, in berliner-zeitung.de 5.9.32013. Im Kritischen Olympischen Lexikon steht Entsprechendes zu Thomas Bach.) “Sollte Bach zum Präsidenten des IOC gewählt werden, wird sich dort nichts grundlegend ändern. Er ist ein Konformist durch und durch, der Kandidat des Systems, gegen das er nie aufbegehrt, dessen Prinzipien er nie infrage gestellt hat” (Ebenda).
IOC-Mitglied und Scheich Al-Sabah aus Kuwait hat in letzter Zeit offenbar etwas zu intensiv für Bach geworben – unter Verweis auf ihre “gemeinsame Vision” (Osang, Alexander, Der Strohmann, in Der Spiegel 36/2.9.2013) und erwähnt nebulös eine zwölf Jahre alte Abmachung (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Letzte Hoffnung der Abgeschlagenen, in SZ 7.9.2013). Osang bezeichnet Bach als den “Strohmann” von Al-Sabah, der 2012 vom ehemaligen IOC-Mitglied Mario Vazques Rana der Korruption und des Stimmenkaufs bezichtigt wurde (Weinreich, Jens, Bach und der Strippenzieher-Scheich, in spiegelonline 3.9.2013). Al-Sabah wurde wegen seines offenen eintretens für Bach von der IOC-Ethikkommission schriftlich verwarnt (Germann, Daniel, Ein unerlaubter Befreiungsschlag, in nzz.ch 10.9.2013).
Erste Proteste gab es bereits. Der Schweizer Kandidat für das IOC-Präsidentenamt, Denis Oswald, sagte schon im Juni 2013: “Wenn es stimmt, ist das nicht unbedingt das, was ich unter Demokratie verstehe” (Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas, Antwort mit der Charta, in SZ 2.9.2013). Bachs Konkurrent Ser Miang Ng aus Singapur äußerte, die olympische Bewegung brauche “einen Präsidenten von höchster Integrität, der unabhängig ist, frei von jeglichem Einfluss von außen und frei von Vorwürfen” (Ebenda). IOC-Mitglied und Kandidat um die Präsidentschaft, Denis Oswald,  über Thomas Bach: „Er benutzt seine Position, um für die Gesellschaften, die er (als Anwalt) vertritt, Vorteile herauszuholen. Ich wünsche mir einen unabhängigen Präsidenten“ (Germann 10.9.2013; Weinreich, Jens, Bachs größter Gegner, in spiegelonline 10.9.2013).
So lange der Schweizer Oswald zur Wahl steht, müssen sich seine vier Schweizer IOC-Kollegen bei der Präsidentenwahl enthalten: Von ihnen würde wohl nur Sepp Blatter (!) Bach wähen. Die anderen Schweizer Stimmen – von Patrick Baumann, René Fasel, Gian-Franco Kasper und Oswald selbst – würden dann wohl an Richard Carrion gehen (Kistner, Thomas, Schlammschlacht am Rio de la Plata,, in SZ 100.9..2013).
Das deutsche IOC-Ehrenmitglied Walther Tröger sieht den deutschen Einfluss im IOC schwinden – unter der Ägide Bach (Teuffel, Friedhard, Wir sind IOC? in tagesspiegel.de 6.9.2013). Ein IOC-Präsident könne auch nicht Olympische Spiele – siehe München 2022 – ins eigene Land holen. Bach, konstatiert Jens Weinreich, “ist im IOC nicht beliebt. Man respektiert ihn, manche fürchten ihn, einige hat er mit seiner Sieger-Attitüde und seinen harschen Reaktionen nach der Niederlage des Olympiakandidaten München vor zwei Jahren verärgert” (Weinreich 3.9.2013).
Und was wäre Bachs Position im internationalen Anti-Doping-Kampf, zur Welt-Anti-Doping-Agentur Wada? “Bach ist vehement gegen ein Antidopinggesetz. Er sieht keinen Handlungsbedarf und stellt bei Bedarf auch Persilscheine aus. (…) Dopingskandale tut er als bedauerliche Ausnahmen ab” (Hettfleisch 5.9.2013). In diesem Zusammenhang dürfte auch die absurde DOSB-Diskussion in Zusammenhang mit der Studie “Doping in Deutschland” sicher aufmerksam im IOC verfolgt werden.
Siehe hierzu: „Doping in Deutschland:“: Randnotizen; Die Trickser von DOSB, BISp und BMI
Meine nächste Prognose nach der zur Wahl Tokios: Ich glaube nicht, dass Bach am Ende des 10.9.2013 IOC-Präsident ist.

(10) Die Wahl
Am Dienstag, 10.9.2013 wurde der 9. IOC-Präsident gewählt.
Es ist weitgehend egal, wer Präsident wird: Der Host City Vertrag bleibt ein  Knebelvertrag, das IOC bleibt eine olympische Heuschrecke, Doping und Korruption bleiben Doping und Korruption, die Sponsoren wie Coca Cola, McDonald’s und Dow Chemical bleiben die Sponsoren und die TV-Sender werden weiter hunderte Millionen für die Übertragungsrechte an den Gladiatorenspielen entrichten.
Nun also doch Bach: Im zweiten Wahlgang 49 Stimmen (dank Scheich Al-Sabah). Bei anderen Kandidaten hätte man sich ja mehr erwartet. Bei Bach weiß man, was einen erwartet – und was nicht. Beim Thema Doping zum Beispiel gar nichts.
Nun sind also zwei Haupt-Schüler von Horst Dassler an der obersten Spitze der wichtigsten Internationalen Verbände: Sepp Blatter, Fifa-Präsident seit 1998 und Bach, 2000 bis 2004 und 2006 bis 2013 IOC-Vize, nun Präsident. Nun ja.

Thomas Kistner zur Wahl Bachs in der SZ: „Die Kür lief für den Deutschen letztlich so, wie es Brauch ist im undurchsichtigen Weltsportgeschäft: Mit internem Druck, den sportpolitische Seilschaften offenkundig vor der Wahl ausübten, sowie dann in der Wahl mit soliden Stimmpaketen aus der Dritten Welt“ (Olympia-Chef von Scheichs Gnaden, in sueddeutsche.de 10.9.2013).
Für Kistner geht nun die Ära von Juan Antonio Samaranch mit dessen Ziehsohn Bach weiter: Die Ära Rogge könnte von daher nur ein Intermezzo gewesen sein (Ebenda).
Wie die Regie von Al-Sabah funktionierte, zeigte sich bei der Wahl des IOC-Exekutivkomitees. Der kritische Geist Richard Pound fiel überraschend durch, gewählt wurde die unkritische Amerikanerin Anita DeFrantz. Diese hatte Denis Oswald vor der Wahl bereits von einer Anfrage aus dem Umfeld von Scheich Al-Sabah berichtet, ob sie denn in die Exekutive wolle – und so geschah es dann auch.
Ein Ausblick auf die kommende Sportdemokratur unter Scheich Al-Sabah…
Der Scheich hatte ein beeindruckendes Jahr 2013 hingelegt: im Mai 2013 machte er Scheich Salman Bin Ibrahim Al Khalifa aus der Herrscherfamilie von Bahrain zum Präsidenten des asiatischen Fußballverbandes, Ende Mai wurde Marius Vizer Chef von Sportaccord – und nun ist Bach IOC-Präsident von Al-Sabahs Gnaden.
Und Al-Sabah ist es egal, wer unter ihm IOC-Präsident ist: Hauptsache, der Strohmann spurt…

(11) Viola von Cramon, über Thomas Bach
(Viola von Cramon ist sportpolitische Sprecherin von Bündis 90/Die Grünen und Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestages)
… Thomas Bach wird als Teil des System von Antonio Samaranch, dem Vorgänger von Jacques Rogge als IOC-Präsident, wahrgenommen. Samaranch war bis zu seinem Tod ein bekennender Faschist. Ich frage mich, ob es gut ist, wenn einer, der als ‚Nachkomme‘ von Samaranch gilt, nun zum IOC-Präsidenten gewählt würde.
… Thomas Bach ist seit einigen Jahren der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Wenn Sie die Ohren offen halten, dann wissen Sie, dass kaum Reformen angefasst wurden, dass es Bach nicht darum geht, eine Debattenkultur zu entwickeln oder um möglichst viel Mitsprache und Kompetenz der Fachverbände. Bach geht es in allererster Linie um seine eigene Karriere. Warum sollte ihn der Reformeifer gerade jetzt im IOC packen? Denken wir nur an die derzeitige Debatte um Doping im deutschen Sport. Bach steckte als Mitglied der Olympiamannschaft von 1976 mitten drin im deutschen Sportgeschehen. Jetzt spielt er die personifizierte Ahnungslosigkeit. Es ist jedenfalls kein gutes Zeichen, wenn er kritische Anfragen durch einen Medienanwalt abwehren lässt. Ich glaube nicht, dass so jemand ein aufrichtiger Kandidat ist, der die Glaubwürdigkeit des Sports wiederherstellen kann.
… Thomas Bach ist dem Sportausschuss jahrelang ausgewichen. Ich habe ihn als Menschen erlebt, der keine Position bezieht, als Menschen, der immer gerne ausweicht. Er hat keine klare Vision. Er ist ein Mensch, der meist reagiert, statt zu agieren. Er ist gut vernetzt, weiß, wie er Parteien gegeneinander ausspielen kann. Er macht Politik in Hinterzimmern“ (Ahäuser, Jürgen, „Personifizierte Ahnungslosigkeit, in fr-online.de 9.9.2013).
„… es ist natürlich auch mit einer gewissen Hoffnung verbunden – Hoffnung darauf, dass es möglicherweise wirklich Reformen geben wird, dass man möglicherweise zurückkehren kann zu der olympischen Idee, weg von dem kommerziellen Hype, den wir in den letzten 20 Jahren beim Internationalen Olympischen Komitee gesehen haben. Aber letztendlich bin ich natürlich sehr skeptisch, wenn ich mir anschaue, in welcher Form Dr. Thomas Bach bisher in der internationalen Sportpolitik gewirkt hat, und vor allem, mit welcher Unterstützung er die Wahl gewonnen hat. Das heißt zum einen der Scheich, das heißt zum anderen der Vorsitzende von Sportaccord, der Marius Vizer, mit einem ganz engen Draht zu Putin, zu anderen Diktatoren, dann muss man sich natürlich schon Gedanken machen, welche Stimmen da gesammelt wurden, um an die Spitze dieses Sportverbandes zu kommen.
… auf jeden Fall hat Thomas Bach natürlich jahrelang, jahrzehntelang auf diesen Thron hingearbeitet. Das ist sicherlich unbestritten. Er hat dabei, würde ich mal sagen, den deutschen Sport eher vernachlässigt als befördert, denn Reformen in den letzten Jahren sind ja im DOSB überhaupt nicht angefasst worden. Er hat ja mit der Karriereplanung im Grunde den deutschen Sport gelähmt. Anders kann ich das jedenfalls nicht einschätzen“ (Barenberg, Jasper, Von Cramon: Thomas Bach hat den deutschen Sport vernachlässigt, in dradio.de 11.9.2013).

Vergleiche auch: Der Sport-Pate – Scheich Al-Sabah

Sep 072013
 
Zuletzt geändert am 26.11.2016 @ 16:59

7.9.2013, aktualisiert 8.9.2013
Kurzpräsentation der gerade mal drei Kandidaten:

Madrid 2020: Spanien ist wirtschaftlich erledigt: „Europäische Finanzkrise, Rekord-Arbeitslosigkeit und die Bankenrettung durch die Europäische Union haben den Ruf Madrids ebenso beschädigt wie die Doping-Skandale im internationalen Sport“ (Frayer, Lauren, Koch, Martin, Madrid hofft auf die Spiele, in dw.de 4.9.2013).
Madrid selbst ist derzeit mit sieben Milliarden Euro verschuldet. Als Folge wird ein – völlig unrealistisches – Investitionsbudget von weniger als 2,3 Milliarden Euro angegeben. Angeblich sollen 80 Prozent der Infrastruktur vorhanden sein. „Es fehlten nur noch ein paar kleinere Sportanlagen sowie das Olympische Dorf. Weniger als 100 Kilometer Zugangsstraßen und einige U-Bahn-Stationen müssten noch gebaut werden“ (Wandler, Reiner, Madrid will sportlich durch die Krise, in taz.de 5.9.213). Für die Sicherheit werden gerade einmal 150 Millionen Euro veranschlagt (Ebenda; zum Vergleich: Die Sicherheitskosten bei London 2012 lagen im Juli 2012 bei 1,2 Milliarden Euro (Thibaut, Michael, Nervosität kurz vor Olympia, in tagesspiegel.de 6.7.2012).
Dazu kommen die üblichen falschen Versprechungen vom Nationalen Olympischen Komitee (NOK). Dessen Chef Alejandro Blanco: „Keine Investition ist für eine Stadt profitabler als Olympische Spiele… Ein großer Teil des Gewinns wird finanziell sein, aber von unschätzbarem Wert ist die Verbesserung unseres Ansehens“ (Frayer, Koch 4.9.2013).
Die Realität für den Breitensport Madrids sieht anders aus: „’Eine Stadt, die nicht garantiert, dass die Bewohner bei optimalen Bedingungen ihrem Sport nachgehen können, verdient Olympische Spiele nicht’, sagt der Sprecher der Vereinigten Linken (IU) im Stadtrat, Angél Pérez. Sporthallen verfallen, Schwimmbäder wurden geschlossen oder gar abgerissen. Nutzungsgebühren steigen. Die spanische Regierung gibt 2013 nur noch so viel für Breitensport aus wie im Jahr 1985“ (Wandler 5.9.2013).
Der Manager Paul Saez erwartet höchstens eine kurzfristige Belebung des Arbeitsmarktes und sieht in der Bewerbung ein Ablenkungsmanöver von dem Korruptionsskandal, in den die spanische Regierung verwickelt ist. „Die Mieten werden steigen, und große Konzerne werden versuchen, mit uns Geld zu machen – und unsere Regierung wird währenddessen ihre Ausgaben für Gesundheit und Bildung immer weiter zurückfahren“ (Ebenda).

Istanbul 2020: Die 13-Millionen-Metropole hat sich seit 2000 viermal – erfolglos – um Olympische Spiele beworben. Das harte Durchgreifen der Staatsgewalt und die Demonstrationen gegen die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan, ihr Gigantismus und die damit verbundenen Umweltzerstörungen ließen die Bewerbung auf den letzten Platz rutschen (Simeoni, Evi. Gespannt auf den Tag P, in faz.net 4.9.2013). Für die türkische Regierung ist heute schon klar: „Falls das IOC am Samstag Istanbul nicht den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 2020 gibt, ist die Demokratiebewegung schuld“ (Gottschlich, Jürgen, Klotzen am Bosporus, in taz.de 4.9.2013).
„Laut ‚Bidbook’ sollen rund drei Milliarden US-Dollar in die Sportstätten investiert werden. Die Investitionen in die Infrastruktur sind mit zirka 20 Milliarden US-Dollar beziffert“ (Sokollu, Senada, Istanbul will Olympia 2020, in dw.de 3.9.2013). Städteplaner kritisieren bereits das unkontrollierte Wachstum Istanbuls, wo noch dazu eine große Erdbebengefahr besteht. Im Gefolge der Bewerbung tauchten noch eine dritte Brücke über den Bosporus und ein dritter Flughafen auf (Ebenda). Das unkontrollierte Wachstum bedroht auch die Wälder im Norden der Stadt, die Lunge Istanbuls: Hier ist im Gefolge der Bewerbung 2020 die sogenannte „Forest Zone“ vorgesehen: mit Radsportstadion und Kanuslalom – nur eben ohne Forest! (Ebenda).
Eine wachsende Anti-Olympia-Bewegung bildete sich aus NGO-Aktivisten, Architekten und Wissenschaftlern. Ein renommierter Städteplaner äußerte zur Bewerbung: „Keiner in der Türkei hat diese Pläne gemacht, keiner weiß, wer sie gemacht hat. Sie machen historische Stätten kaputt, zerstören großflächig den Wald nördlich von Istanbul und von den wichtigen Infrastrukturprojekten wird keines umgesetzt. Keiner hat hier irgendwen gefragt, ob das ein sinnvolles Konzept ist. Das ist es ja. Und wenn man diskutieren will, ist man gleich ein Verräter“ (Maaßen, Hendrik, Die verspielte Bewerbung? In dradio.de 31.8.2013).
Der Ökonom Mustafa Sönmez kritisierte: „Außerdem sind olympische Investitionen nie produktiv. Sobald das Event vorbei ist, werden die Sportstätten nicht mehr benutzt. Die Türkei braucht andere Investitionen, unter anderem in das Gesundheitssystem und Bildungssystem“ (Ebenda). Der Istanbuler Politologe Cengiz Aktar: „Die Spiele wären der letzte Sargnagel in einer überbevölkerten, überdimensionierten, ungastlichen Metropole“ (Schlötzer, Christiane, Vor dem großen Sprung, in SZ 7.9.2013). Und unter dem Stichwort „Erdbebensicherung“ läuft folgender Prozess ab: „Aus ihren schlichten Innenstadtquartieren werden die ärmeren Istanbuler vertrieben, um Platz für ein kaufkräftgeres Publikum zu machen. 15 Milliarden Euro will der Staat für die Spiele ausgeben“ (Ebenda).
Gewinner aller Olympischen Spiele ist die Immobilienwirtschaft: Und Mieten und Immobilienpreise steigen weiter.
„Mücella Yapici, Vorsitzende der Istanbuler Architektenkammer und eine der Sprecherinnen der Gezi-Bewegung, glaubt, dass die AKP-Regierung Istanbul zu einer Global City machen will, einem Finanzzentrum und Mekka für Investoren, in dem die Bevölkerung kaum noch zählt: ‚Olympia wäre ein weiterer Schritt in diese Richtung’“ (Gottschlich 4.9.2013).

Tokio 2020: Die Dreifachkatastrophe von Fukushima (Tsunami, Erdbeben, Atom-Gau), 200 Kilometer von Tokio entfernt, hat das Land tief getroffen. Anfang August 2013 demonstrierten mehrere Dutzend Demonstranten in der japanischen Hauptstadt unter dem Motto: „Wir brauchen keine Olympischen Spiele in Tokio“ (Fritz, Martin, Tokio greift nach den Olympischen Ringen, in dw.de 30.8.2013).
Die unverfrorene Aussage des NOK-Chef Tsunekazu Takeda im Zusammenhang mit Fukushima: „Japan tut viel für den Wiederaufbau, Olympia würde helfen“ (Ebenda). Und der Gouverneur von Tokio, Naoki Inose: „Die Strahlung in Tokio ist genauso niedrig wie in Paris oder New York (Ebenda).
Die Staatsverschuldung wächst rasant. „Allein das neue Olympiastadion werde umgerechnet 1,2 Milliarden Euro kosten. Das müssten die Stadtbürger über höhere Steuern finanzieren. (…) 200 Millionen Dollar hat bereits der erste Bewerbungsversuch (für 2016; WZ) gekostet“ (Fritz 30.8.2013). Und Japan hat territoriale Konflikte mit China, Taiwan, Südkorea: Ob deren IOC-Mitglieder für Tokio stimmen, ist zweifelhaft (Lill, Felix, Japan will sich profilieren, in taz.de 3.9.2013). Hinter der Bewerbung steht die „Creme de la Creme“ der japanischen Wirtschaft – Toyota, der Mobilfunkanbieter NTT Docomo etc. (Fritz 30.8.2013).
Nur mit der Politik hapert es – sie zieht nach rechts. Der frühere Bürgermeister von Tokio, Shintaro Ishihara, war Rechtspopulist, der neue Bürgermeister Naoki Inose äußerte im Frühjahr 2013, Muslime seien nicht in der Lage, Olympische Spiele zu organisieren. Und der derzeitige Finanzminister Taro Aso empfahl Japan, „das Land solle sich  für die Änderung seiner Verfassung die Nazis zum Vorbild nehmen“ (Neidhart, Christoph, Wo bleibt das Herz? in SZ  79.2013).

Anpassungsleistung als Demütigung: „Alle drei Anwärter werden von den Ministerpräsidenten ihrer Länder begleitet: Shinze Abo aus Japan, Mariano Rajoy aus Spanien und Recep Tayyip Erdogan aus der Türkei“ (Simeoni 4.9.2013).
So etwas schätzt das IOC: höchste und demütige Bittsteller.

Persönlicher Tipp im Olympischen Kaffesatzlesen am 7.9.2013 um 18 Uhr: Angesichts der Unruhen beim Confed-Cup der Fifa in Brasilien im Juni 2013, der angespannten Situation in Sotschi 2014 und der Situation Rio de Janeiro 2016 werden beim IOC die Nerven blank liegen. Da wirkt Tokio trotz Fukushima sicher. Und da dem japanischen Ministerpräsidenten Shinze Abo trotz der schwindelerregenden Staatsverschuldung Japans die Milliarden sehr locker sitzen, wäre Tokio doch der geeignetste Kanditat. Denn es geht doch um Geld. Nur um Geld. Und natürlich würde die Wahl mit der olympischen Hilfe zur Überwindung der Fukushima-Katastrophe begründet.
Wenn nur niemand an Nagano 1998 denkt!

Das Ergebnis am 7.9.2013: Tokio „gewinnt“ mit 60 zu 36 Stimmen gegen Istanbul. „Riesenjubel in Tokio“ (Olympische Sommerspiele gehen nach Tokio, in spiegelonline 7.9.203). Wie es im IOC so geht: „50 der 98 IOC-Vertreter hätten ihre Stimme Madrid versprochen, meldete die spanische Zeitung El Mundo (Burghardt, Peter, Der Abschied des Seglers, in SZ 6.9.2013). Auch  Jens Weinreich, derzeit Buenos Aires, hatte auf Madrid getippt (Weinreich, Jens, Madrid hat die besten Chancen auf Olympia 2020, in spiegelonline 7.9.2013). Madrid und Istanbul hatten hinter Tokio die selbe Stimmenzahl: Die „Stichwahl“ gewann Istanbul mit 49 zu 45 Stimmen. Ein „Vorteil“ Tokios: „Nachhaltige, mit Olympia verbundene Proteste, Demonstrationen und andere Unannehmlichkeiten drohen in Tokio ebenfalls nicht“ (Weinreich, Jens, Tokio siegt mit Geld und Charme, in spiegelonline 8.9.2013).
Die armen Japaner! Dieser „Erfolg“ wird sie teuer zu stehen kommen – dabei sind sie mit Fukushima schon furchtbar abgestraft.

 

Sep 042013
 
Zuletzt geändert am 19.09.2013 @ 10:37

4.9.2013, aktualisiert 18.9.2013

Zum Beitrag „Doping in Deutschland: Randnotizen“: hier.

Zeit-Tricksereien
Zur Diskussion der Studie „Doping in Deutschland“ der Berliner Historiker um Giselher Spitzer war im Sportausschuss des Deutschen Bundestages zunächst am 29.8.2013 eine Sondersitzung geplant: Sie wurde auf den 2.9. verschoben. Da war DOSB-Präsident Thomas Bach schon auf dem Weg nach Buenos Aires, wo er bei der Wahl zum IOC-Präsidenten als Kandidat antritt. „Im Hintergrund wird gemutmaßt, dass das FDP-Mitglied Thomas Bach seine Parteikollegen um eine Verschiebung der Sitzung in den September gebeten hat. Damit er mit einer guten Entschuldigung unbequemen Fragen entgeht“ (Wellinski 15.8.2013).

Der Bundessportminister
Die Sitzung begann um 9 Uhr. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich wollte bis 10.30 bleiben – mit aufgeteilter Redezeit: „Die Grünen dürfen den Sportminister demnach exakt acht Minuten befragen. Die Linke bekommt neun Minuten, die FDP elf, die SPD 18. die CDU 29“ (Herrmann 3.9.2013).
Friedrich begann – symptomatisch – seine Aussage mit dem Satz: „Ich möchte zunächst einmal im Namen der Bundesregierung erklären, dass wir Thomas Bach alles Gute wünschen“ (Herrmann 3.9.2013).
„Über den Inhalt der Studie redete Friedrich nicht, vielleicht auch, wie sich in der Debatte herausstellte, weil er sie nicht allzu genau gelesen haben kann“ (Fritsch 2.9.2013). Etwas wusste Friedrich aber doch zur Studie „Doping in Deutschland“: „Der Bericht war nicht das, was wir in Auftrag gegeben haben. Deshalb wollten wir ihn nicht veröffentlichen” (Reinsch 2.9.2013). Er betonte den „historischen Kontext“: „Das war mitten im Kalten Krieg. Es war eben eine andere Zeit, mit anderen Maßstäben“ (Ahrens 2.9.2013).
Zur weiteren Vorgehensweise erklärte Friedrich, „er werde Experten fragen und Kommissionen bilden. Auf deutsch: erst mal nichts tun“ (Ebenda). Ausschussmitglied Viola von Cramon (Bündnis 90/Die Grünen) fragte: „Wie viele Experten wollen Sie denn noch fragen, bevor Sie handeln?“ (Ebenda).
„Friedrich verlässt den Saal um 10.56. Auf inhaltliche Details der Studie ist er bis dahin nicht eingegangen“ (Herrmann 3.9.2013).

Die Taktik
Die ganze Sitzung war von der Union und der FDP taktisch vorbereitet – siehe auch die auf Parteien anteilig verteilte Redezeit. Der sportpolitische Sprecher der Union ist bzw. war  Klaus Riegert, der im übrigen von seinem eigenen CDU-Ortsverband nicht mehr für die Bundestagswahl 2013 aufgestellt wurde. Riegerts Qualifikation unter anderem: Er hat mit 304 Toren in 319 Spielen mit Abstand die meisten Tore für die Bundestagsfußballer geschossen (SZ-Magazin 35/30.8.2013). Riegert hat seine eigene Auffassung zum Thema Doping: „Meine Kollegen meckern, dass wir in fast jeder Sitzung über Doping reden“ (Herrmann 3.9..2013). Riegert „lobte die Autonomie des Sports, lobte Bundesinnenminister Hans-Pater Friedrich (CSU), lobte den Deutschen Olympischen Sportbund DOSB und immer wieder auch die eigene Arbeit. Monolog beendet. Stille“ (Sachse 3.9.2013).
Riegert „tritt dabei nach allgemeinem Eindruck wie ein Pressesprecher von BMI und DOSB auf“ (Ebenda). Er „ließ in der Fragerunde stets diejenigen Experten zu Wort kommen, die seiner Haltung und der seiner Kollegen genugtuend recht gaben: die des Verharmlosers. Das Thema Doping versandete in einer unwürdigen, parteipolitischen Debatte… Auf Antrag von Union und FDP wurde die Geschäftsordnung kurzfristig geändert, das hatte eine Kürzung der Redezeit zur Folge. Die Experten mussten ihre Statements runter rattern. Auch deswegen gingen die Verteidigungen Spitzers in der Bundestagsarena fast unter“ (Fritsch 2.9.2013).
Riegerts Kollege Joachim Günther (FDP) betrieb Doping-Geschichtsklitterung: „Damals ging es um den Sieg um jeden Preis… Damals wusste man gar nicht, was Doping ist“ (Herrmann 3.9.2013).
Schwarz-Gelb nutzte dann „die Vorlage zum ‚erwarteten Schlachtfest‘, wie ein Forscher nach der Sitzung sagte“ (Fritsch 2.9.2013).

Vorwurf Unwissenschaftlichkeit
Bei einer Anfrage von MdB Viola von Cramon gab die Bundesregierung zu, „seit 1970 über ihr Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) 14 Anträge zur Doping-Forschung gefördert zu haben, ‚bei denen im Sport verbotene Substanzen einbezogen waren'“ (Schweidler 30.8.2013).
Das BISp als Auftraggeber wurde durch die Studie schwer belastet: Doping wurde durch das für den Sport zuständige Bundesministerium des Innern (BMI) und das BISp seit den siebziger Jahren quasi unter staatlicher Leitung durchgeführt. Das zeigte Reaktionen. Bereits im Vorfeld hatte das BISp auf 40 Seiten der Studie handwerkliche Fehler vorgeworfen; es seien „nicht immer die gängigen Standards guter wissenschaftlicher Praxis“ eingehalten worden“ (handelsblatt.com 29.8.2013). Ausführungen und Schlussfolgerungen „sind nach wissenschaftlichen Maßstäben fragwürdig“ (Ebenda). Außerdem sei die Forderung der Forscher nach einem Anti-Doping-Gesetz „nicht angemessen“ (Ebenda).
Die BISp-Argumentation folgt also ganz klar der Linie des Bach-Vesper-DOSB.

Bei der Sitzung am 2.9. war dann auffällig, dass von Leuten, die üblicherweise mit Wissenschaft nichts zu tun haben, nun die Studie als angeblich „unwissenschaftlich“ abqualifiziert wurde.
Der Staatssekretär im BMI, Christoph Bergner (CDU): Die Studie „entspreche nur bedingt den Kriterien wissenschaftlicher Praxis“ (Reinsch 2.9.2013). – „Ein Mitglied der CDU sprach ihnen gleich die Wissenschaftlichkeit ab“ (Fritsch 2.9.2013).
Klaus Riegert, Diplom-Verwaltungswirt (FH) und strammer Vertreter des Bach-Vesper-DOSB: „Hier wurde mangelnde wissenschaftliche Akribie durch rege Pressearbeit ersetzt“ (Ahrens 2.9.2013).
Projektbeirat und Sportarzt Klaus-Michael Braumann nannte die Studie „wissenschaftlich fragwürdig“; die Forscher hätten „Ethik mit Empörung“ verwechselt. Der Studie zufolge „ist irgendwann jede Tasse Kaffe Doping“ (Ebenda; man beachte das beachtliche Argumentationsniveau – ausgerechnet eines Sportarztes!).
Jürgen Fischer, der Leiter des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, schloss sich Braumann an“ (Fritsch 2.9.2013).
Andrea Gotzmann, die Geschäftsführerin der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), kündigte juristische Schritte an, da die Forscher der Nada vorgeworfen hatten, wissenschaftlich relevante Akten zurückgehalten zu haben. Spitzer dazu: „Vor dem Prozess habe ich keine Angst“ (Herrmann 3.2013).
Und dann kam der unvermeidliche DOSB-Generaldirektor Michael Vesper als Vertreter von Bach und vertrat die DOSB-Generallinie bzw. die Generalunwahrheit: „Deutschland steht heute an der Spitze der Anti-Doping-Bewegung“ (Ahrens 2.9.2013). Vesper „präsentierte eine Liste von sieben Personen, die unter der Leitung des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo Steiner bis März 2014 ‚Handlungsempfehlungen’im Umgang mit den Ergebnissen der Dopingstudie geben sollen. ‚Ich denke, dass wir deren Bewertung abwarten sollten‘, meinte Innenminister Friedrich. Mit anderen Worten: Erstmals tun wir gar nichts und danach schauen wir mal weiter“ (Sachse 3.9.2013).
Vergleiche hierzu: Die Reihen fast geschlossen; Der DOSB-Dopingexperte
Von den Ausschuss-Mitgliedern der Union und der FDP „verließ so mancher von ihnen den Sitzungssaal mit einem Lächeln und breiter Brust“ (Fritsch 2.9.2013).
Denn sie wissen sehr genau, was sie tun…

Die Doping-Kritiker
Doping-Historiker Gerhard Treutlein stellte fest: „Doping ist im Westen von der Basis her gewachsen… Die Selbstheilungskräfte des Sports haben versagt“ (Ahrens 2.9.2013). – „Deutschland habe viele historische Chancen verpasst, die Weichen gegen Doping zu stellen, sagte Treutlein. ‚Hoffentlich schauen wir in zehn oder zwanzig Jahren nicht auf 2013 zurück und sagen das Gleiche’“ (Fritsch 2.9.2013).
Henk-Erik Meier von der Uni Münster: „Deutschland müsse sich von der Vorstellung verabschieden, ein Vorreiter im Kampf gegen Doping gewesen zu sein. Spitzer sprach von einer Tradition der Doping-Mentalität (Fritsch 2.9.2013).
Wenn der Bach-Vesper-DOSB tonangebend bleibt, wird sich nichts ändern.

Der Verein Doping-Opfer-Hilfe und seine Vorsitzende Ines Geipel verlangten, die Namen der Doping-Täter zu veröffentlichen: „Nach wie vor gibt es erschreckende personelle Kontinuitäten an Doping-Trainern, Medizinern und Wissenschaftlern, die sich trotz ihrer festgestellten Doping-Täterschaft im vereinten deutschen Sport bestens dotiert und sicher einrichten konnten, während die Geschädigten von damals aus der Sport-Familie ausgeschlossen bleiben“ (PM vom 1.9.2013).

Mitautor Erik Eggers nahm im Berliner Tagesspiegel Stellung: hier. Fünf Minuten bekamen die Autoren Zeit, über drei Jahre Forschung zu referieren. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich erzählte, dass „in den 60er Jahren Doping nicht verboten“ gewesen sei. Staatssekretär Christoph Bergner (CDU), Agrarwissenschaftler: „Man sollte den historischen Kontext nicht aus den Augen verlieren“ (Eggers 9.9.2013). „Kurzum, es war eine ziemlich unwürdige Show, die da im Sportausschuss aufgeführt wurde. Wenn irgendwann Historiker die Protokolle dieser Sitzung lesen, werden sie sich gehörig wundern, auf welch erbärmlichem Niveau die Aufarbeitung der westdeutschen Dopinggeschichte im Parlament stattgefunden hat. Die Volksvertreter haben zwar Aufklärung gefordert. Gewollt war diese Aufklärung, von wenigen Ausnahmen abgesehen, tatsächlich nicht“ (Ebenda).

Prof. Giselher Spitzer nahm zur Sitzung des Sportausschusses am 2.9.2013 in der FAZ vom 16.9.2013 Stellung, siehe hier.

Quellen:
Ahrens, Peter, „Irgendwann ist jede Tasse Kaffee Doping“, in spiegelonline 2.9.2013
BISp kritisiert Autoren der Dopingstudie, in handelsblatt.com 29.8.2013
Doping-Opfer-Hilfe e.V., Dopingopfer kritisieren DOSB-Präsident Bach scharf, PM 1.9.2013
Eggers, Erik, Fünf Minuten für drei Jahre, in tagesspiegel.de 9.9.2013
Fritsch, Oliver, Sportausschuss-Doping-Debatte versandet in unwürdiger Parteipolitik, in zeitonline 2.9.2013
Herrmann, Boris, Kabarett im Sportausschuss, in SZ 3.9.2013
Reinsch, Michael, „Angst vor der Debatte“, in faz.net 2.9.2013
Sachse, Jonathan, Die Politik zieht keine Konsequezen, in dw.de 3.9.2013
Schweidler, Manfred, Bund förderte 14 Projekte zu Doping, in mainpost.de 30.8.2013
Wellinski, Patrick, Passender Termin, in dradio.de 15.8.2013
Wir hätten da mal ein paar Fragen, in SZ-Magazin 35/30.8.2013

 

Sep 012013
 
Zuletzt geändert am 15.02.2014 @ 0:41

30.09.13:
nolympia.de: Pressemitteilungen des Netzwerks Nolympia
ludwighartmann.de: DOSB entscheidet sich für eine aussichtslose Bewerbung
SZ: DOSB befürwortet Münchner Olympia-Bewerbung
Merkur: DOSB votiert geschlossen für Olympia 2022
Welt: Fifa, Uefa und IOC – Großmeister der Verdrängung
Kurier: Die Macht im Sport ist Putins Ziel

29.09.13:
Augsburger Allgemeine: Münchens zweiter Versuch
SZ: Sportverbände für Olympia-Kandidatur
Berliner Zeitung: Schon wieder München
ARD, Weltspiegel: Sotschi – Wenig Brot trotz teurer Spiele
FAZ: WM-Ausrichter Qatar: „Ein Sklavenhändler-Staat“

28.09.13:
OVB: „Verlierer ist die Natur“
Merkur: Sportbund tagt – Tag der Entscheidung in München
BadZ: „Doping beschädigt den Sport“

27.09.13:
nolympia.de: Traunsteiner Widerstand gegen München 2022
BR: Traunsteiner Kreistag stimmt für Bewerbung
chiemgau24.de: So viel kostet die Olympia-Bewerbung
AZ: Traunsteiner Politiker wollen Winterspiele 2022
centralasiaonline.com: Kazakhstan enters fray to host 2022 Winter Olympics

26.09.13:
ND: Warten auf das Startsignal
SZ: Gewerkschaft berichtet von Hunderten Toten bei WM-Vorbereitungen in Katar
SpOn: Vorbereitungen für 2022: Katar soll WM-Arbeiter wie Sklaven halten
sid: Bach kostet das IOC täglich knapp 2000 Dollar
DLF: Rückschlag für den Pharao – Handballpräsident Hassan Moustafa unterliegt vor Schweizer Bundesgericht
FAZ: Doping in den Siebzigern: Rezepte vom Guru

25.09.13:
SZ: Königssee: Aus für umstrittenes Luxushotel
Bürgerinitiative Königssee: Hotel-Projekt am Königssee eingestellt
Berliner Zeitung: Bachs Versäumnis
RIA Novosti: Nordkaukasus: Radikale schlagen vor Olympia zu
nolympia.de: Kritisches Olympisches Lexikon: Gazprom
Berliner Zeitung: UCI: Machiavellis Erben

24.09.13:
nolympia.de: Hallo München 2022-Fans
Die Südostschweiz: Olympia-Kandidatur kostete 5,1 Millionen
sid: Kostenexplosion auch beim Sportgerichtshof CAS
FAZ: Ben Johnson: Das dreckigste Rennen

23.09.13:
ND: Albtraum dahoam
suedostschweiz.ch: Silva Semadeni will in Sachen Olympiarechnung Klarheit
Wiener Zeitung: Das Ende der Patriarchen – WM- und Olympia-Ausrichter kämpft gegen Korruption und Vetternwirtschaft
Berliner Zeitung: Folgen der Bundestagswahl: Schrumpfende Schnittmengen
DLF: Wer geht, wer bleibt? – Bundestagswahl verändert auch das Gesicht des Sportausschusses

22.09.13:
Tagesspiegel: Berlin: Gelb geärgert

21.09.13:
FAZ: Doping-Experte Pound: „Am Kampf gegen Doping ist niemand interessiert“

20.09.13:
Die Linke, KV München: Die nächste Olympiabewerbung steht uns ins Haus: „Gewinnmaschine Olympia“ soll 2022 wieder nach Oberbayern
FAZ: Bach-Nachfolge beim DOSB: Noch ein Kandidat
FAZ: Eishockey-WM in Minsk: Lukaschenka unter Druck

19.09.13:
Zeit online: Gazprom wird auch Sponsor der Fifa

18.09.13:
Merkur: Die Zukunft des Olympia-Skistadions
sid: Rekordteam in Sotschi
Zeit online: Sport und Betragen: 6
SZ: Fußball-WM 2022 in Katar: Blatter bestätigt politischen Einfluss bei WM-Vergabe
NZZ: Olympische Jugendspiele 2020: Swiss Olympic verärgert Zentralschweiz

17.09.13:
dpa: DOSB diskutiert über Olympia-Bewerbung 2022
Berliner Zeitung: DOSB: Und die Welt schaut zu
FAZ: Bach-Nachfolge beim DOSB: Wer macht für ein Jahr den Vorturner?
SpOn: DOSB: Bach-Nachfolger soll im Dezember feststehen
SZ: Umsiedlung in Tokio: Olympia vertreibt japanischen Rentner zum zweiten Mal
DW: Kommt das Anti-Doping-Gesetz?

16.09.13:
nolympia.de: Chronologie der Ereignisse im August 2013
SpOn: Eklat bei Scheich-Party: „Interessiert mich einen Scheiß, was im SPIEGEL steht“
sid: Wiesenthal Center machte Druck über UN
FAZ: Giselher Spitzer im Gespräch: „Unsere Ergebnisse wurden vorverurteilt“

15.09.13:
sid: WM 2022: Rummenigge will „europäische Position“

14.09.13:
DLF: Deutscher Präsident, deutsche Spiele?
sid: Kasper: DOSB will lieber Sommerspiele
dpa: Olympia 2022: Ski-Chef Kasper rät zur Ruhe

13.09.13:
nolympia.de: Der Sport-Pate: Scheich Al-Sabah
Welt: Atomeisbrecher fährt Olympia-Flamme zum Nordpol
Berliner Zeitung: Genug gezündelt!
FAZ: Report des Weltklimarats: Vernebelter Klimawandel
DLF: Moral-Debatte um Sotchi 2014 – Forderungen an IOC-Chef Thomas Bach

12.09.13:
Berliner Zeitung: Verlorene Sache
sid: Olympia 2022 in Ruhpolding und Partenkirchen
SZ: Thomas Bach und Ahmed al-Sabah: Fürsorglich umzingelt vom Scheich
SZ: Bach-Nachfolge beim DOSB: Abhängig vom Segen des Präsidenten
FAZ: Bach-Nachfolge beim DOSB: Debattierklub sucht Orientierung
SpOn: Nach dritter Pleite: Madrid verzichtet auf weitere Olympia-Bewerbung
FAZ: „Wir gegen Doping“-Initiative – Forschung fortsetzen!

11.09.13:
dpa: «Nolympia» sieht gesunkene Chancen für München 2022
Traunsteiner Tagblatt: Die Grünen: Nein zu Olympia
Tagesspiegel: Bach kommt – und Oslo auch
BR: Was bedeutet Bachs Wahl für München?
FAZ: Bach und das gekaufte Olympia
DLF: Von Cramon: Thomas Bach hat den deutschen Sport vernachlässigt
NZZ: Bach – mehr als ein Strohmann?
SpOn: Bach-Nachfolge beim DOSB: Das ungeregelte Erbe
dpa: Führung gesucht: Heißer Herbst für deutschen Sport
BR, kontrovers: Ausverkauf der Alpen: Wie unsere Berge zum Funpark werden

10.09.13:
Nolympia Garmisch-Partenkirchen: Olympische Winterspiele – nein danke!
sid: Olympia 2022: Starke Konkurrenz für München
SpOn: Oslos Bevölkerung stimmt für Winterspiele 2022
newsinenglish.no: Oslo said ‘yes’ to Olympics after all
SpOn: Neuer IOC-Präsident: Bach im Olymp
Zeit online: Dieser IOC-Präsident vermittelt keine Hoffnung
SZ: Olympia-Chef von Scheiches Gnaden
SpOn: Schweizer IOC-Kandidat Oswald: Bachs größter Gegner
NZZ: Denis Oswald greift Thomas Bach an – Ein unerlaubter Befreiungsschlag
dpa: IOC will von Armstrong die Olympia-Medaille zurück
Merkur: Gutachter: Zweite Röhre ist brandgefährlich

09.09.13:
nolympia.de: 125. IOC-Session, Buenos Aires, September 2013
Merkur: Olympia 2022: Die Wochen der Vorentscheidungen
PNP: Olympia 2022: Bayerwald-Sportstätten ohne Chance
sid: Tröger: Letzte Olympia-Chance für München
WDR, sport inside: Weiße Westen
DRadio Wissen: „I“ wie intransparent – Das Internationale Olympische Komitee und sein schlechter Ruf
FR: „Personifizierte Ahnungslosigkeit“ – Viola von Cramon hält nichts vom Präsidentschaftskandidaten Thomas Bach
SpOn: IOC-Kandidat Thomas Bach: Favorit im Schattenwahlkampf
BadZ: Heikle Fragen: Thomas Bach und die Freiburger Sportmedizin
Tagesspiegel: Doping in der BRD: Fünf Minuten für drei Jahre
Berliner Morgenpost: Tokio 2020 bringt Berlin ins Spiel
velonews: McQuaid denies leaked file alleging deep UCI corruption

08.09.13:
WSJ: Many in Oslo are leery of 2022 Olympics bid
APA: IOC sitzt auf einer Milliarde Dollar
SpOn: Zuschlag für Olympia 2020: Tokio und die Folgen
SZ: IOC-Entscheidung über Tokio 2020: Wenn der Wind sich dreht
FAZ: Teurer Sand in den Augen der Sportfunktionäre
Tagesspiegel: Landessportbund-Präsident Klaus Böger: „Berlin muss eine Vision entwickeln“
stern.de: Protest in Brasilien: Demos gegen Sport-Spektakel halten an

07.09.13:
ARD: Ist Olympia noch zeitgemäß? – Die Spiele zwischen Kult und Kommerz
nolympia.de: Olympische Sommerspiele 2020: Drei Fußkranke bewerben sich
TLZ: Anti-Doping-Kämpferin Ines Geipel kritisiert Thomas Bach
Tagesspiegel: Verschärfte Sicherheitsbestimmungen: Berlin-Marathon hinter Gittern

06.09.13:
si: Bevölkerung von Oslo stimmt über Olympia 2022 ab
newsinenglish.no: Oslo’s Olympic bid draws more fire
Grüne München: Doping überall oder Geld regiert den Sport? Im Gespräch mit Imke Duplitzer
Tagesspiegel: Wir sind IOC?

05.09.13:
sid: AIPS-Präsident Merlo kritisiert IOC scharf
Tagesspiegel: Sotschi darf sich nicht wiederholen
Berliner Zeitung: Die Geduld des Fechters
taz: Madrid will sportlich durch die Krise

04.09.13:
NDR, Zapp: Juristische Mittel gegen journalistische Recherchen
NDR, Zapp: Achim Muth über die Recherchen zu Thomas Bach
nolympia.de: Die Trickser von DOSB, BISp und BMI
FAZ: IOC-Präsidentschaftswahl: Gespannt auf den Tag P
taz: Klotzen am Bosporus
DW: Madrid hofft auf die Spiele
sid: IOC nimmt Rio in den Schwitzkasten
dpa: Putin verteidigt Rekordausgaben für Sotchi
RIA Novosti: Putin: Russische Geheimdienste werden für Sicherheit der Olympiade in Sotschi sorgen
SZ: Brucker Flugplatz: Tower wird zur Gedenkstätte

03.09.13:
Grüne, KV Berchtesgadener Land: Olympia – Nein Danke
Merkur: Neues Gewerbegebiet in Partenkirchen geplant
SpOn: IOC-Präsidentenwahl: Bach und der Strippenzieher-Scheich
NZZ: «Der Sport steht nahe am Abgrund»
SZ: Kabarett im Sportausschuss
DW: Die Politik zieht keine Konsequenzen
SZ: Transfer von Gareth Bale: 24-Stunden-Narkotikum gegen die Krise
FR: Moderner Sklavenmarkt
AAP: Sochi contractor arrested for .79m fraud
DW: Istanbul will Olympia 2020

02.09.13:
WDR, sport inside: Thomas Bach – Der neue Herr der Ringe?
SZ: IOC-Präsidentschaftskandidat Thomas Bach: Favorit in der Bredouille
Zeit online: Doping-Debatte versandet in unwürdiger Parteipolitik
FAZ: Doping-Studie: „Angst vor der Debatte“
SpOn: Manipulation in Westdeutschland : „Irgendwann ist jede Tasse Kaffee Doping“
Grüne, OV Berchtesgadener Tal: Hotel: Ja – Immobilienprojekt: Nein

01.09.13:
Dopingopfer-Hilfe-Verein: Dopingopfer kritisieren DOSB-Präsident Bach scharf

weiter zur Presseschau für August 2013

Aug 292013
 
Zuletzt geändert am 04.09.2013 @ 13:51

Wolfgang Zängl 29.8.2013, aktualisiert 4.9.2013
Vorgeschichte
Das Forschungsprojekt „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ wurde 2008 gestartet. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) stellte 550.000 Euro zur Verfügung (Herrmann 3.8.2013). Zwei Autorenteams der Universität Münster (Prof. Michael Krüger) und der Humboldt-Universität Berlin (unter anderem Prof. Giselher Spitzer und Erik Eggers) bearbeiteten bis zum Frühjahr 2013 die Thematik. Im Frühjahr 2012 lief die Finanzierung aus, sodass der Teil von 1990 bis heute nicht mehr bearbeitet werden konnte.
Auffällig: Die Historiker der HU wurden „erst im Laufe ihrer Arbeit dazu verpflichtet, nach dem Ende des Projekts alle brisanten Daten und Datenträger, die sie in Archiven gefunden hatten, zu vernichten“ (Ebenda).
Sollten die Forscher eine Rolle quasi als Spürhunde für belastendes Material haben, das im Anschluss vernichtet werden sollte?
Vergleiche auch unter „Aktuelles“: Die Reihen fast geschlossen und im Kritischen Olympischen Lexikon: Deutsche Sportärzte

Sport-Splitter
1970:

Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) wurde gegründet. Gründungsdirektor war der ehemalige Speerwerfer und Bundestrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), Hermann Rieder: Er leitete das BISp von 1970 bis 1973 (Wikipedia).
„Bereits 1970 beschloss der Kongress des Welt-Leichtathletik-Verbandes IAAF in Stockholm die Ächtung der anabolen Steroide, ein Jahr später folgte der deutsche Leichtathletik-Verband“ (mainpost.de 29.7.2013). Rieders Nachfolger war August Kirsch, der von 1973 bis 1990 das BISp leitete (und von 1970 bis 1985 Präsident des DLV war). Der Freiburger Mediziner Joseph Keul war ab 1980 im BISp-Direktorium und seit 1970 in dessen Fachausschuss Medizin, den seit 1970 der Kölner Wildor Hollmann leitete (Hacke, Ludwig 26.9.2011).

1971:
Hans-Dietrich Genscher
war von 1969 bis 1974 der damalige Bundesinnenminister und damit auch für den Sport zuständig. Er forderte 1971 von Hollmann: „Von Ihnen als Sportmediziner will ich nur eines: Medaillen für München” (Reinsch 26.9.2011). Natürlich wollte man offiziell nur die Chancengleichheit mit dem dopenden Ostblock erreichen (Herrmann 27.9.2011; Hecker, Anno, Doping kennt keine Grenzen, in faz.net 26.9.2011).
Der DLV veröffentlichte am 2.3.1971 eine Dopingliste, auf der auch Anabolika als verbotene Präparate aufgelistet war (mainpost.de 29.7.2013). Das DLV-Regelwerk zur Dopingbekämpfung vom März 1971 wurde kaum angewandt. Dafür wurden Kritiker reglementiert: Zwei Mitglieder der Anti-Doping-Kommission, die rigoroser gegen Doping vorgehen wollten, wurden 1977 aus der Anti-Doping-Kommission des DLV ausgeschlossen: Es waren der Apotheker Horst Leo Klehr und Dieter Hummel, ein früherer Oberstaatsanwalt in München (Aumüller u. a. 3.8.2013; Simon u. a. 15.8.2013). „Bekämpfen könne man Doping im Sport, so sieht es Hummel, nur mit einem Anti-Doping-Gesetz. ‚Ich bin enttäuscht von Thomas Bach, der ja immerhin Jurist ist, dass er das nicht so sieht“ (Simon u. a. 15.8.2013).

BISp als Teil des Problems
Die Freiburger Professoren Herbert Reindell und Joseph Keul schrieben am 12.10.1971 an das BISp einen Antrag über „Fortführung und Ausweitung der Arbeiten des Forschungs- und Leistungszentrums“. Darin steht auf S. 5 unter Punkt 5.d: „Wird durch Anabolika die Leistungsfähigkeit bei Kraftübungen gefördert und in welchem Maße besteht eine Gefährdung durch Einnahme von Anabolika (Fortführung bereits in diesem Jahr begonnener Versuche). „Anabole Steroide wie Testosteron oder Nandrolon führen zu einer Vermehrung der Muskelmasse: nichts anderes als Doping“ (mainpost.de 29.7.2013). Reindell, der damalige Leiter der Sportmedizin in Freiburg, war übrigens auch stellvertretender Vorsitzender des BISp-Direktoriums (Simon u. a. 15.8.2013).
Der Zusammenhang mit Olympischen Sommerspielen 1972 in München ist evident. Giselher Spitzer: „Reindells Antrag an das BISp sollte schließlich die Spiele in München vorbereiten – mit Anabolika und Insulin“ (Ebenda). Pikanterweise gehörte Reindell der IOC-Ärztekommission an.
Zu den Freiburger Medizinern Reindell und Keul kamen u. a. noch Armin Klümper, später die Doktoren Georg Huber, Andreas Schmid, Lothar Heinrich, Bernd Wolfarth (der heutige Olympia-Arzt) und andere dazu.
Die Zeit schrieb dazu im Februar 2013, in Freiburg wirkte eine Doktorenschaft, „die Doping systematisch praktizierte. Weil das mit Steuergeldern geschah, gilt Freiburg seither als westdeutsches Abziehbild des DDR-Dopingstaatsplans“ (Hartmann 7.2.2013). Spitzer nannte dies „staatlich subventionierte Dopingforschung“ (Herrmann 27.9.2013). Und Boris Herrmann schrieb in der SZ: „Im Fall des BISp lautet das Fazit der Wissenschaftler sogar ganz explizit: Der Auftraggeber ist Teil des Problems“ (Ebenda).

1972:
Der ehemalige Frauen-Bundestrainer im Kugelstoßen, Hansjörg Kofink, trat zurück, da er nicht am Anabolika-Doping beteiligt sein wollte. (Hecker 4.8.2013).
Aktenvernichtung: Das Bundesarchiv in Koblenz hatte bis zum Jahr 2005 vom BISp Dokumente erhalten. Dieser Antrag und eine zweite Akte sind aber die einzigen verbliebenen im Bundesarchiv Koblenz zur frühen deutschen Dopinggeschichte: Alle anderen Akten der Jahre 1969 bis 1988 sind anscheinend – durch eine „Vernichtungsermächtigung“ des BISp an das Bundesarchiv – vernichtet worden (Herrmann 1.8.2013).

1989:
Aus der Doping-Studie: Die Doping-Tests wurden „seitens der Verbände nur unzureichend umgesetzt und Trainingskontrollen bis 1989/90 systematisch verschleppt“ (Aumüller, Kistner 5.8.2013).

1997:
Der Radprofi Jörg Paffrath schilderte detailliert das Doping im Radsport: „Er bekam eine lebenslange Sperre vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR) wegen seines Doping-Geständnisses und Schädigung des Ansehens des BDR und wurde erst 2003 begnadigt“ (Hansjörg Kofink, Hecker 4.8.2013).

2008:
Im Jahr 2008 vergaben DOSB und BISp den Auftrag, die westdeutsche Dopinghistorie zwischen 1972 und 1989 zu untersuchen („Doping in Deutschland…“). Die zwei Forschungsgruppen aus Münster (unter Leitung von Michael Krüger und Henk Erik Meier) und Berlin (unter Leitung von Giselher Spitzer und Erik Eggers) untersuchten das Funktionieren der „staatlich finanzierten Dopingforschung in der Bundesrepublik“ (Strang, Spitzer September 2011; Reinsch 27.9.2011). Zur Terminierung stand im Antrag: „Der Abschlussbericht ist mit Ende der Projektlaufzeit vorzulegen“ (BISp S. 3): Das wäre im November 2011 gewesen.
Giselher Spitzer sprach im Folgenden von „staatlich subventionierter Dopingforschung” (Herrmann 27.9.2011). Michael Krüger äußerte: „Der Staat wurde zum maßgeblichen Akteur im Sportgeschehen” (Ebenda). Das BISp war ein „lukratives Finanzierungsinstrument” für Keul, Klümper, Hollmann (Hacke, Ludwig 26.9.2011).

2011:
Der Zwischenbericht mit 700 Seiten wurde von Spitzer und Krüger im August 2011 abgegeben; sie kündigten eine Veröffentlichung für Dezember 2011 an (Teuffel 26.9.2011; Herrmann 27.9.2011). Als es um die Veröffentlichung ging, kam heftigste Kritik von den 13 Vertretern des deutschen Sports im Projektbeirat: „Diese haben sich vorbehalten, die Berichte der Forschungsgruppe aus Berlin und Münster zu kürzen, womöglich zu redigieren und Namen zu schwärzen“ (Reinsch 27.9.2011
Im Oktober 2011 äußerte der Heidelberger Dopingexperte Prof. Werner Franke „die Befürchtung, die Endfassung könnte vom Auftraggeber, dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft, vor der Veröffentlichung noch einmal ‚überarbeitet’  werden“ (focus.de 5.10.2011).
BISp und DOSB verhinderten lange, dass die Studie veröffentlicht wurde. „Mal heißt es, es müsse noch an der Lesbarkeit der Forschungsergebnisse gefeilt werden, mal argumentieren DOSB und BISp im Namen des Datenschutzes. Die Historiker nennen in ihrem 700-Seiter belastete westdeutsche Verbandsärzte, Bundestrainer und Sportfunktionäre beim Namen. Sie sagen, wenn man das nicht täte, hätten sie zwei Jahre lang umsonst geforscht, weil sich die historischen Zusammenhänge ohne Namen eben nicht erschließen würden. Genau das wollen die Auftraggeber aber hinter den Kulissen offenbar erreichen. ‚Die wollen am liebsten alle Namen und Sportarten anonymisiert haben’, heißt es. Das hat wohl auch damit zu tun, dass so mancher dieser Namen noch aktiv ist“ (Herrmann 27.9.2011).
Dazu beklagten die Berliner Forscher, „dass sowohl ihre Endergebnisse als auch ihre 2010 und 2011 vorgelegten Zwischenberichte von allen 14 Mitgliedern des BISp-Beirats abgesegnet werden mussten“ (Herrmann 3.8.2013).

2012:
Im März 2012 wurde von den Berliner Forschern der Abschlussbericht abgegeben (Eggers 12.8.2013). Erik Eggers: „Eigentlich sollte unser Projekt bis März 2013 laufen. Aber das BISp hat uns mit der Finanzierung für das letzte Jahr so lang hingehalten, dass wir aufgeben mussten“ (Ebenda).
Damit blieb die wichtige Zeit von 1990 bis heute unbearbeitet: Dies war wohl gewollt

2013:
Januar 2013
Jürgen Fischer
, Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaften (BISp), zeigte sich zuversichtlich, „dass nun doch wie geplant ein Abschlussbericht bis zum 31. März 2013 erstellt werden könne“ (handelsblatt.com 16.1.2013).

Juni 2013
Erik Eggers: „Am 4. Juni hat das BISp Spitzers Kurzfassung dem Bundesdatenschutzbeauftragten vorgelegt. Einen Monat später sagte der: alles in Ordnung. Doch das wurde uns nicht mitgeteilt“ (Eggers 112.8-2013).
Der Bundessport-Ausschuss wurde nicht informiert:„In der letzten regulären Sitzung der Legislaturperiode Ende Juni hatte das Innenministerium den Ausschuss düpiert, indem es den Abschlussbericht der Studie nicht wie angekündigt vorgelegt hatte“ (SZ 5.8.2013). „Eine der Begründungen war angeblich die Haftungsfrage: Da die Forscher in ihrem Text zum Teil aktive Ärzte, Sportler, Funktionäre und Politiker belasten, verlangen sie von ihrem Auftraggeber Rechtsschutz. Den wird es laut Innenministerium jedoch nicht geben“ (Ebenda).
Der sportpolitische Sprecher der CDU und stramme Freund des Bach-Vesper-DOSB, Klaus Riegert, sagte Ende Juni im Sportausschuss: „Das klären wir in Ruhe in der nächsten Legislaturperiode“ (Herrmann 6.8.2013).
Riegert wird nicht mehr dabei sein: Er wurde von seiner eigenen Partei nicht mehr für die Bundestagswahl 2013 aufgestellt.

Auf der Sitzung der Justizminister der Länder im Juni sprachen sich zwei Drittel für die Einführung eines Anti-Doping-Gesetzes aus (Hacke u. a. 12.8.23013). Auch bedingt durch die Doping-Studie wurde die Forderung nach einem Gesetz gestärkt: Der Staat als Doping-Förderer: „Dieses Bild treibt mächtige Wortführer in das Lager der Gesetzesbefürworter. Sie alle eint der Widerstand gegen die Grundhaltung der DOSB-Führung“ (Hecker 23.8.2013).

Juli 2013
„Doping in Deutschland“, seit März 2013 fertig, ist immer noch unveröffentlicht. „Zumindest hat das Bundesinstitut für Sportwissenschaften (BISp) offenbar kein Interesse, den von ihm und dem Deutschen Olympischen Sportbund in Auftrag gegebenen Forschungsbericht „Doping in Deutschland“ zu veröffentlichen. Nach Angaben einiger Autoren sollen sie nun alleinverantwortlich ihre wahrscheinlich brisanten Erkenntnisse zum Doping der Deutschen bis hinein in die Gegenwart der Öffentlichkeit präsentieren. Im Klartext: Das BISp übernimmt keinen Rechtsschutz, falls die in dem 800 Seiten starken Bericht genannten Doper und Mitwisser Klage erheben sollten. Deshalb droht die mit Steuergeldern finanzierte Aufarbeitung im Archiv zu verschwinden, als gäbe es die Ergebnisse nicht, als seien nie Dokumente gefunden und ausgewertet worden. Wahrscheinlich ist das nicht jedem Funktionär in dieser Republik unangenehm“ (Hecker 30.7.2013).
Am 4.8.2013 hatte ein Sprecher des BMI erklärt, dass der Bundesdatenschutz-Beauftragte Peter Schaar Bedenken gegen die erste Fassung des Abschlussberichtes geäußert hätte. Schaar dementierte dies am selben Tag mit dem Satz: „In den letzten Tagen geäußerte Vorwürfe, datenschutzrechtliche Bedenken hätten die Veröffentlichung der seit vielen Monaten vorliegenden Studie verzögert oder behindert, kann ich nicht nachvollziehen“ (spiegelonline 7.8.2013). Er, Schaar, begreife „den Datenschutz nicht als Decke, die über Versäumnisse der Vergangenheit gebreitet werden darf“ (Ebenda).

August 2013
Die Süddeutsche Zeitung zitiert aus dem originalen 804-seitigen Bericht. Fazit: Der westdeutsche Staat hat über Jahrzehnte aus Steuermitteln Versuche mit Anabolika, Testosteron, Östrogen und Epo gefördert. Allein das BISp hat zehn Millionen D-Mark an die sportmedizinischen Standorte Freiburg, Köln und Saarbrücken überwiesen. Studien sollten nachweisen, dass entsprechende Stoffe nicht leistungsfördernd seien. „Stellte sich der Stoff als leistungsfördernd heraus, kam er schnell zum Einsatz“ (Aumüller u. a. 3.8.2013). – „In einem Antrag des Freiburger Sportmediziners Joseph Keul sei zudem – im Zusammenhang mit Anabolika-Forschung – zu lesen, es sei bereits bei einer Förderklasse von 16-jährigen Jungen und einer Sportklasse mit elfjährigen Jungen mit Untersuchungen über den Einfluss des Alters auf die Wirkung des Dopingmittels begonnen worden. Einer anderen Notiz ist zu entnehmen, dass ein hochrangiger Leichtathletik-Funktionär von Anabolika-Gaben an eine 17-Jährige berichtet. Ein Zeitzeuge spricht sogar davon, 14-Jährige seien mit Dopingmitteln versorgt worden“ Ebenda). – „Die Auftraggeber – also das BISp selbst sowie dessen übergeordnete Behörde, Das Bundesinnenministerium (BMI) – werden darin in vielen Details beschuldigt, seit den Siebzigerjahren Doping und Dopingforschung staatlich subventioniert zu haben“ (Herrmann 6.8.2013).  Bei Keuls Studie zu den Testosteron-Auswirkungen „handelte es sich hier keineswegs um ein seriöses wissenschaftliches Experiment, sondern um staatlich subventionierte Dopingforschung“ Herrmann 9.8.2013).
Der Deutsche Sportbund (DSB) erklärte noch 1987, „dass es rechtliche Bedenken gegen Trainingskontrollen gebe; die Autoren trieben allerdings ein Rechtsgutachten auf, das vom Verband bereits vier Jahre zuvor in Auftrag gegeben worden war und zum gegenteiligen Schluss kam“ (Ebenda). Dopingkontrolleur Manfred Donike, dessen Institut vom BISp und vom BMI finanziert wurde, erhielt zur Reglementierung in den achtziger Jahren einen Brief vom damaligen BISp-Direktor: „Letztlich profitieren Sie doch in erheblichem Maße von der Zusammenarbeit mit dem organisierten Sport; Sie ersparen mir sicherlich, dies mit Zahlen zu unterlegen. Daher muss es eigentlich verwundern, dass jemand so beharrlich an dem Ast sägt, auf dem er sitzt“ (Aumüller u. a. 3.8.2013).

Der Mitautor der Berliner Studie, Erik Eggers, stellte im August im Spiegel fest. „Die großen Schwierigkeiten begannen, als wir 2011 herausfanden, dass das BISp eine Schaltzentrale der Dopingforschung war – und dass sich der damalige stellvertretende BISp-Direktor 1977 für einen Einsatz von Anabolika  eingesetzt hatte. Das hatte die heutige BISp-Führung wohl nicht erwartet. (…) Das BISp wollte anfangs tatsächlich durchsetzen, dass wir weder Namen noch Sportarten nennen… Sie blockierten unsere Arbeit. Und es wurden Fakten, die für das BISp bis heute unangenehm sind, angezweifelt“ (Eggers 12.8.2013). Auch über die Resonanz so mancher ist Eggers konsterniert: „’Ich bin erschüttert, wie manche mit den Ergebnissen der Studie umgehen’, regt sich Eggers auf. Etwa Michael Vesper, Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes, der erklärte, das sei alles nichts Neues für ihn. ‚Dabei steht der Vorwurf des Dopings von Minderjährigen im Raum’, sagt Eggers“ (Simon u. a. 15.8.2013).

Freiburger Universität mauert weiter
Parallel zur Düpierung der Dopingaufklärung in Westdeutschland wurde die Evaluierungskommission zur Dopingvergangenheit der Freiburger Sportmedizin in ihrer Arbeit behindert. Die Kommission wurde 2007 etabliert. 2009 übernahm die belgische Kriminologin und Professorin Letizia Paoli den Vorsitz. Ihr detaillierter Arbeitsplan wurde vom Freiburger Rektor Hans-Jochen Schiewer abgelehnt. Erst im September 2010 konnte Paoli die Arbeit wieder aufnehmen – unter erschwerten Bedingungen: „Im Februar 2011 wurden uns auf meine explizite Anfrage an Rektor Schiewer die Existenz und der Verbleib aller erhaltenen Abteilungsunterlagen und der gesamten Geschäftskorrespondenz von Professor Joseph Keul im Umfang einiger tausend Blatt von einer Abteilungsleiterin des Rektorats mit einer Unwahrheit verschwiegen respektive vorenthalten“ (Strepenick 19.8.2013). Die Universitätsjustiziarin Ursula Seelhorst hatte fünf Kisten mit Keuls Korrespondenz zuhause gelagert. Erst seit Oktober  2012 sind diese Unterlagen zugänglich. Paoli: „Seit Juni 2012 versuchen wir den offiziellen, also von Altrektor Wolfgang Jäger nicht manipulierten Arbeitsauftrag einer Untersuchung der gesamten Freiburger Sportmedizin der letzten 50 Jahre doch noch zu erfüllen“ (Ebenda).

Zensur durch Kürzen
Am 5.8.2013 stellte das Bundesministerium des Innern einen stark gekürzten Bericht ins Internet. Veröffentlicht wurden vom BMI nur Teile, so statt der 804 Seiten der Berliner Forscher um Giselher Spitzer gerade einmal 140 Seiten (SZ 5.8.2013): „Die Humboldt-Universität hat diesen Bericht auf Anweisung des BISp eingekürzt” (Herrmann 6.8.2013). Das BISp teilte auf Anfrage mit, die Kürzungen wären erfolgt, weil die Studie ‚nicht die formalen Anforderungen an einen Abschlussbericht’ erfülle“ (Aumüller u. a. 6.8.2013).
Das nicht überraschende Ergebnis: „Durchaus wesentliche Details und Erkenntnisse wurden nicht publiziert” (Hofmann, René, Öffentliche Kontrolle, in SZ 6.8.2013). Wichtige Teile fehlen wohl bewusst in der offiziellen Veröffentlichung des BMI, so zum Beispiel der Bericht über die Testosteron-Studie: „Neben so manchem Namen von Personen des öffentlichen Lebens fehlen in der Kurzfassung aber auch Details, die Aufschluss über die Doping-Strukturen in der BRD geben. Der jetzt veröffentlichte inhaltliche Schlussbericht der HU umfasst 117 Seiten. Im Original wird alleine die BISp-Studie ‚Regeneration und Testosteron’ auf 98 Seiten behandelt. Sie wird von den Historikern als „herausragendes Fallbeispiel für die Geschichte des Dopings in Westdeutschland“ bezeichnet. Der Text liest sich bisweilen wie ein Krimi, unter anderem auch an jener Stelle, an der das BMI 1991 auf SPD-Anfrage darlegen soll, dass es keine Dopingforschung bezuschusst hat – und sich damit ziemlich schwer tut“ (Aumüller u. a. 6.8.2013). An dieser Testosteron-Studie war auch der heutige Arzt der Olympiamannschaft, Bernd Wolfahrt beteiligt (Hartmann 7.8.2013; vgl. auch LINK)
Die Forscher zitieren aus einem Referentenentwurf des BMI sowie aus einem 14-seitigen Strategiepapier, das laut Autoren höchstwahrscheinlich aus der Sportabteilung des BMI stammt und vor allem einen Zweck habe: die Irreführung der Öffentlichkeit. In der vom BISp veröffentlichten  Kurzversion sind derartige Belege verschwunden.

Sport und Politik
Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) drängte wie bisher auf eine Verschärfung des Dopinggesetzes. Mit Hilfe einer Kronzeugenregelung wolle sie „die Mauer des Schweigens“ durchbrechen (SZ 7.8.2013). . Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sprach sich Anfang August 2013 für ein wirksameres Anti-Doping-Gesetz aus (mainpost.de 2.8.2013). Der für Sport zuständige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hält sich dagegen zurück – kein Wunder: „Der organisierte Sport lehnt ein solches Gesetz ohnehin rigoros ab“ (SZ 7.8.2013). Ende August 2013 ruderte Friedrich etwas zurück: „Für den Berufssport kann man meines Ermessens über zusätzliche Regelungen in einem Anti-Doping-Gesetz reden. Wo finanzielle Vorteile durch Manipulation erzielt werden, wo ein Sportler sein Geldwertes Image durch Betrug fördert, ist so etwas überlegenswert“ (Der Spiegel 35/26.8.2013, S. 129).

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sagte: „Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Dopingstudie weiter unter Verschluss gehalten wird. Es ist ein erheblicher Vorwurf, dass mit Geldern des Innenministeriums über Jahrzehnte Doping gezielt und systematisch gefördert worden sein soll. Ich will wissen, was da dran ist. Mein Eindruck ist, Innenminister Friedrich will die unrühmliche Rolle des Innenministeriums bei der Förderung des Dopings vertuschen“ (spiegelonline 3.8.2013). – „Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, verurteilte die Rolle des Innenministers von der CSU. ‚Minister Friedrich verhindert die Aufklärung und versucht die Wahrheit über staatliches Doping zu vertuschen“ (Simeoni 7.8.2013).
Die Vorsitzende des Bundessportausschusses, Dagmar Freitag (SPD) forderte Einsicht in die Langfassung des Berichtes: „Parlamentarier sind keine Bittsteller“ (spiegelonline 4.8.2013).
DOSB-Präsident Bach gab sich uninformiert: „Wir hoffen, dass uns der Abschlussbericht baldmöglichst zugeht“ (Ebenda). Auch DOSB-Generaldirektor Vesper hat keine Kenntnis: „Es waren eher Spekulationen und zusammenfassende Bewertungen in der Süddeutschen, ich denke, wir würden gern den Bericht selber bewerten und unsere Schlüsse daraus ziehen“ (Ebenda). Angeblich hätten nämlich die DOSB-Vertreter Gudrun-Doll-Tepper, Ingo Weiss und Olav Spahl „Verschwiegenheitsklauseln unterzeichnet, so der DOSB, weshalb sie Bach den Text leider nicht weiterleiten durften… Der ehemalige Bundesminister Hans-Dietrich Genscher hat sich den 800-Seiten-Bericht binnen weniger  Tage auf dem kleinen Dienstweg vom Innenministerium besorgt. Von dort hat ihn unter anderem auch die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag bekommen. Nur Thomas Bach, der mächtige Bach, schafft es partout nicht, an dieses Dokument heranzukommen“ (Herrmann 17.8.2013).
Bach und Vesper versuchen hier also den Eindruck zu erwecken, dass der DOSB den seit März 2013 fertig gestellten Bericht nicht kennen würde, obwohl er „Initiant“ und Auftraggeber des Berichts ist!

Einer der an der Doping-Studie beteiligten Wissenschaftler äußerte Anfang August 2013, er wundere sich über die Ankündigung des DOSB, nun die Ergebnisse sehr genau prüfen zu wollen: „Der DOSB habe die Studie seit einem Jahr, sagte er“ (Catuogno 7.8.2013).
Der in der Doping-Studie im Hinblick auf Ephedrin-Doping bei der WM 1966 belastete Deutsche Fußball-Verband (DFB) bestritt einen damaligen Doping-Tatbestand, räumte aber ein: „Ja, im Jahr 2013 wäre das Einnehmen eines Nasensprays ein klarer Fall von Doping, der entsprechend verurteilt werden würde“ (SZ 21.8.2013).

Genscher kann sich nicht mehr erinnern
Hans-Dietrich Genscher
wehrte sich im August 2013 gegen die Vorwürfe, er hätte die Forderungen nach Medaillen erhoben, „koste es, was es wolle“ (Aumüller u. a. 6.8.2013) und aktiv Doping im Vorfeld von München 1972 vorangetrieben (SZ 5.8.2013). Genscher auf die Frage, ob Politiker vor München 1972 Druck auf den deutschen Sport ausgeübt hätten: „Ich wüsste nicht, wer einen solchen Druck ausgeübt haben sollte. Ich halte das für völlig ausgeschlossen“ (spiegelonline 7.8.2013). – „An den mir zugeschriebenen Äußerungen kann ich mich nach mehr als 40 Jahren beim besten Willen nicht mehr erinnern“ (SZ 10.8.2013).
Währenddessen bleibt Angela Merkel hart gegen eine Verschärfung der Doping-Gesetzgebung: „Aus Regierungskreisen hieß es, dass es innerhalb der Bundesregierung keinerlei Bestrebungen gebe, ein solches Gesetz zu erarbeiten“ (Merkel blockt, in SZ 8.8.2013).
Am 29.8.2013 war eine Sondersitzung des Bundessportausschusses geplant: Die Teilnahme von Bach gilt als wenig wahrscheinlich (Aumüller 12.8.2013). Die Sitzung findet nun am 2.9.2013 statt: Da ist Bach bereits auf dem Weg nach Buenos Aires. „Im Hintergrund wird gemutmaßt, dass das FDP-Mitglied Thomas Bach seine Parteikollegen um eine Verschiebung der Sitzung in den September gebeten hat. Damit er mit einer guten Entschuldigung unbequemen Fragen entgeht“ (Wellinski 15.8.2013). Thomas Kistner zum Sportausschuss: “‘Bis auf einige wenige Engagierte’, die seit Jahren gegen Windmühlen kämpften, seien es überwiegend ‘patriotisch beseelte Sportfans’ im Sportausschuss. Eine vernünftige Kontrolle des enorm bedeutsamen gesellschaftspolitischen Themas Sport sei nur mit unabhängigen, sportfernen Personen möglich” (May 17.8.2013).

Zeitungskommentare
Achim Muth
in der Mainpost: „Für Sportler dürfen, auch zum Schutz der sauberen Athleten, keine Kompromisse mehr gelten. Entsprechend konsequent fordert Merk eine Strafbarkeit schon bei Besitz von Arzneimitteln oder Wirkstoffen zu Dopingzwecken ab dem ersten Milligramm. Für diese Gesetzesinitiative verdient sie jede Unterstützung“ (Muth 29.7.2013).
Thomas Kistner in der SZ zum Doping Ost-West: „Staatlich geförderte Leistungsmanipulation gab es nicht nur im Ostteil des Landes“ (Kistner 3.8.2013). Der Bericht mache klar, „warum bei der Aufarbeitung des DDR-Dopings im vereinigten Land zwei Gruppen notorisch bremsten: die Funktionäre West, die ungern in einschlägige Stasi-Papiere schauten – und der für Medaillen zuständige Teil der Politik, der im Innenministerium siedelt… Im Herbst will DOSB-Präsident Thomas Bach Chef des Internationalen Olympischen Komitees werden. Eine Empfehlung ist seine Anti-Doping-Politik nicht“ (Ebenda; vgl. Bach-Interview im ZDF HeuteJournal weiter unten).
Evi Simeoni in der FAZ: „Zu keiner Zeit ist der glaubwürdige Wille auch nur einer einzigen der beteiligten Institutionen zu erkennen, Doping ernsthaft zu bekämpfen. Im Gegenteil: Die komplette Entkoppelung zwischen Reden und Handeln bei der Regierung, also dem für Sport zuständigen Innenministerium, den Sportpolitikern, der Sportwissenschaft und der Sportmedizin ist in ihrer Geballtheit die eigentlich alarmierende Botschaft der wissenschaftlichen Arbeit“ (Simeoni 7.8.2013).
René Hofmann in der SZ: „Das ganze System der Sportförderung ist zu hinterfragen, da es nur auf ‚Endkampfchancen’ – übersetzt Medaillen – ausgerichtet ist. (…) Am Ende stünde wahrscheinlich ein Spitzensport, der weniger Medaillen hervorbringen würde, der aber wieder glaubhafter als gesellschaftliches Vorbild dienen könnte. (…) Der Sport muss den Willen zeigen, den Betrug zu benennen und die Betrüger zu ächten. Das würde die Grundlage schaffen, dem Übel wirklich zu begegnen. Es passiert aber bisher nicht“ (Hofmann 9.8.2013).
Detlef Hacke, Udo Ludwig und Michael Wulzinger im Spiegel:
„Es überraschte wohl niemand mehr, dass auch im Westen gedopt worden war, anders organisiert als im Osten, klüngelhafter, aber ebenfalls systematisch“ (Hacke u. a. 12.8.2013).

Stimmen aus dem Sport
Hansjörg Kofink
zur Rolle der Politiker: „Sie haben sich immer herausgehalten, die Souveränität des Sports vorgeschoben und das Geld vom Bundesinnenministerium, das für Spitzensport zuständig ist, überweisen lassen. Das war doch der Hinweis an den Sport: Wir sind einverstanden mit dem, was ihr macht, solange Medaillen rausspringen. Die Bundespolitik hat in den siebziger Jahren das Signal an die Medizin gesendet: Macht ein bisschen was, wenn wir dann mithalten können. Die Vergabe von Anabolika ist ja heftig diskutiert worden, auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Auch auf die Gefahren wurde immer wieder hingewiesen. Konsequenzen gab es keine“ (Hecker 4.8.2013).
Kofink sagte zur Rolle des DOSB: „Der DOSB hat in dieser Sache nichts zu sagen. Die entscheidenden Leute sind in der föderalen Struktur des deutschen Sports die Präsidenten der Fachverbände und ihre Gremien. Die haben auf der Mitgliederversammlung des DOSB in Stuttgart im Dezember 2012 ein fatales Ergebnis geliefert. Sie haben eine Verschärfung der Doping-Bestimmungen abgelehnt und eine Etat-Erweiterung der Nationalen Anti-Doping-Agentur, die unterfinanziert ist. Das ist das Schlimmste, was sich der Sport antun kann“ (Ebenda).

Der ehemalige Präsident des Nationalen Olympischen Komitees und IOC-Mitglied von 1989 bis 2009, Walter Tröger: „Es wurde Doping geforscht, das war ein Auftrag der Bundesregierung“ (Aumüller, Kistner 5.8.2013).

Klaus Kleber interviewte Thomas Bach im ZDF-HeuteJournal vom 5.8.2013 zur SZ-Veröffentlichung über „Doping in Deutschland“.
Kleber: „Das kann doch nicht sein, dass Sie in all der Zeit vom Ausmaß dieser Betrügereien, wie wir das heute nennen würden, keine Kenntnis bekommen haben”
Bach: “Schon als Athlet, ich war ja selbst Mitglied der Olympiamannschaft 1976, war für uns in Fechterkreisen das Thema Doping kein Thema…”
Kleber:Nie davon gehört?”
Bach:In unseren Kreisen war das wirklich kein Thema. Wir haben dann hinterher aus Zeitungen und aus vielen anderen Quellen dann natürlich immer Einzelstücke erfahren…” (Hervorhebung WZ)

Die frühere Weitspringerin Heidi Schüller, die in München 1972 den olympischen Eid gesprochen hatte, äußerte zu Bach. „Thomas Bach muss mehr gewusst haben, als er jetzt zugibt“ (spiegelonline 6.8.2013). Doping sei in ihrer aktiven Zeit alltäglich gewesen: „Jeder konnte es im Kraftraum sehen. Anabolika wurden genommen… Dazu Kortison, das von Ärzten verschrieben wurde“ (Ebenda). Schüller zum IOC, wo sich Bach im September 2013 als Präsident bewirbt: „Dort geht es doch nur darum, ein total kommerzialisiertes Sportsystem aufrecht zu erhalten, in dem sich alle ihre Pöstchen verschaffen und dadurch sogar noch üppige Versorgungsansprüche haben. Kritische Fragen sind dort nicht erwünscht“ (Münchner Merkur 7.8.2013).

Auch Dopingexperte Fritz Sörgel, der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Heroldsberg bei Nürnberg ärgerte sich über die Aussage von Bach, dass zu dessen aktiver Zeit als Fechter Doping dort kein Thema gewesen sein soll: „Dass Thomas Bach zur Hochzeit des Dopings in den 1970-er Jahren als Spitzensportler davon nichts mitbekommen haben soll, ist für mich nur schwer vorstellbar. Das gehörte damals ja fast schon für Laien zur Allgemeinbildung. (…) Ich ärgere mich einfach darüber, wenn behauptet wird, dass im Fechten Doping keine Rolle spielen kann“ (zeitonline 8.8.2013).

Der Biathlon-Trainer Wolfgang Pichler zum Dopung in Westdeutschland: „Im Biathlon war eine Doping-Anlaufstelle der Dr. Erich Spannbauer, der Mannschaftsarzt des DSV. Wir haben das Doping, das bei ihm ablief, aufgedeckt und wurden dafür vom Skiverband abserviert.“ – Pichler sagte auf die Frage zur Doping-Situation nach der von der Studie nicht mehr erfassten Zeit nach der Wende 1989: „Das Ziel war, das System der untergegangenen DDR zu übernehmen. Es sind auch heute noch viele am Ruder, die belastet sind“ (Kistner 17.8.2013).

Der Präsident des DLV, Clemens Prokop, „forderte, dass im Aufsichtsrat der Nada künftig keine Vertreter des organisierten Sports sitzen sollen: ‚Es wäre ein Zeichen der Glaubwürdigkeit, jeden Anschein zu vermeiden, dass der Sport Einfluss auf die Doping-Kontrollen nehmen könnte“ (Aumüller, Kistner 8.8.2013). Prokop sagte zur deutschen Doping-Haltung bei der Leichtathletik-WM in Moskau: „Was wir in Deutschland vollziehen, ist ein Trauerspiel“ und machte sich erneut für ein Anti-Doping-Gesetz stark: „Momentan machen sich dopende Sportler nicht strafbar“ (spiegelonline 19.8.2013).
Das ist ja vom Bach-Vesper-DOSB explizit so gewollt. (LINK)

Auch der Präsident der deutschen Fußball-Liga, Reinhard Rauball und der Präsident des Bundes Deutscher  Radfahrer, Rudolf Scharping forderten ein Anti-Doping-Gesetz.  „Während es Ex-DSB-Präsident Manfred von Richthofen befürwortet, hat DOSB-Chef Thomas Bach bisher stets argumentiert, das Arzneimittelgesetz sei ausreichend“ (SZ 26.8.2013).

Der Sport „reagiert“
DOSB-Präsident Bach kündigte Anfang August 2013 eine „unabhängige“ Evaluierungskommission an. Deren Leiter ist ein alter Bekannter von Bach: „Er steht Bach nahe“ (Hacke u. a. 12.8.2013). – „Der Vorsitzende werde der ehemalige Verfassungsrichter Udo Steiner sein, Bachs Allzweckwaffe für elegantes Krisenmanagement. Steiner war es auch, der 2009 der „unabhängigen“ Kommission zur Bewältigung des laxen Umgangs der deutschen Springreiter im Umgang mit verbotener Medikation zu einem unspektakulären Ende verhalf. Die Reiter seien ‚nicht strukturell unredlich’“ (Simeoni 7.8.2013). Ein weiterer Einsatz Steiners: die Weiterbeschäftigung der mit Doping belasteten Trainern der Ex-DDR. „Steiner übernahm die Leitung der angeblich unabhängigen Kommission des DOSB, die Trainer, Trainerinnen und Offizielle mit Doping-Vergangenheit überprüfen sollten“ (Ebenda). Als wenig überraschendes Ergebnis durften die sechs belasteten Trainer weiterarbeiten: „Steiner hatte sie alle zur Weiterbeschäftigung empfohlen“ (Ebenda). Im Fall der neuen „unabhängigen“ Evaluierungskommission sieht der Zeitplan so aus: „Es ist damit zu rechnen, dass die neue Steiner-Kommission nicht vor dem 10. September mit Ergebnissen aufwarten wird. Und auch nicht vor der Bundestagswahl am 22. September, zu der die Regierung keine unerfreulichen Themen gebrauchen kann“ (Ebenda).
Steiner ist laut Evi Simeoni Bachs Allzweckwaffe in der Casa Doping; eine andere Allzweckwaffe im Kampf für den straffreien Besitz von „geringen Mengen an Dopingmitteln“ ist Matthias Jahn.

Nachtrag 1: Bachs Anwalt schreibt
Achim Muth von der Mainpost stellte Bach Fragen zu „Doping in Deutschland“, zu Bachs Unkenntnis jeglicher Dopingvorgänge in seiner Zeit als aktiver Fechter und seiner Verbindung zum Tauberbischofsheimer Fechttrainer Emil Beck, der wiederum enge Verbindungen zu den Freiburgern Reindell und Keul sowie DDR-Trainern hatte. Thomas Bach ließ seinen Anwalt Christian Schertz antworten, der umgehend mit rechtlichen Schritten drohte. Muth: „Eine Presseanfrage wird mit einem anwaltlichen Verfahrenskürzel beantwortet, statt Antworten wird gemauert und gedroht. Nach einer langen Einleitung mit vielen Worten wie ‚Verdachtsberichterstattung‘. ‚Mandant‘, ‚Berichterstattungsanlass‘ schreibt Scherz schließlich: ‚Zu Ihren Fragen kann festgestellt werden, dass sich hier jegliche Verbindung zu Ihrem Mandanten in einem etwaigen Bericht verbietet“ (Muth 29.8.2013). Ähnliches schrieb Schertz auch der Journalistin Grit Hartmann (aufgrund des Artikels vom 13.8.2013, siehe unten), vergleiche hier bei Jens Weinreich. Der Presseanwalt der Mainpost, Johannes Weberling, schrieb: „Das offenbar hinter dem Vorgehen von Herrn Bach stehende Verständnis des Grundrechts der Pressefreiheit in einer freien Gesellschaft hat mich regelrecht erschreckt“ (Muth 29.8.2013).
Kleiner Baustein aus der Sportdemokratur…

Zur Sitzung des Sportausschusses am 2.9.2013 siehe: Die Trickser von DOSB, BISp und BMI

Quellen:
Aumüller, Johannes, „Das ist zwingend geboten“, in SZ 12.8.2013
Aumüller, Johannes, Herrmann, Boris, Hofmann, René, Kistner, Thomas, Gewinnen um jeden Preis, in SZ 3.8.2013
Aumüller, Johannes, Herrmann, Boris, Kistner, Thomas, Brisante Fragen an Genscher und Bach, in SZ 6.8.2013
Aumüller, Johannes, Kistner, Thomas
– Zweckentfremdung, Irreführung, Betrug in SZ 5.8.2013
– Fragwürdige Symbiose, in SZ 8.8.2013
Bach fordert Veröffentlichung des Abschlussberichts, in spiegelonline 4.8.2013
Catuogno, Claudio
– Erkenntnis verschoben, in SZ 7.8.2013
– Fromme Worte gibt’s umsonst, in SZ 13.8.2013
Cramon, Viola von, Dopingforschung in Deutschland: Sondersitzung des Sportausschusses muss Klarheit schaffen, Bündnis 90/Die Grünen, PM 8.8.2013
Der Druck wächst, in SZ 7.8.2013
Doping-Enthüllungen erschüttern deutschen Sport, in SZ 5.8.2013
Doping-Jäger Franke holt zum Rundumschlag aus, in focus.de 5.10.2011
Dopingstudie belastet angeblich Ex-Innenminister Genscher in spiegelonline 7.8.2013
„Es ist an der Zeit“, in SZ 7.8.2013
Eggers, Erik, „Sie blockierten unsere Arbeit“, in Der Spiegel 33/12.8.2013
Exklusiv: Doping in Deutschland – die Akte VF-1220/13/72, in mainpost.de 29.7.2013
Frage der Zeit, in SZ 21.8.2013
Friedrich für Anti-Doping-Gesetz, in Der Spiegel 35/26.8.2013
Friedrich überlegt, in SZ 26.8.2013
Hacke, Detlev, Ludwig, Udo, „Ich will nur eines: Medaillen”, in Der Spiegel 39/26.9.2011
Hacke, Detlef, Ludwig, Udo, Wulzinger, Michael, Weggucken, wegducken, in Der Spiegel 33/12.8.2013
Hartmann, Grit
– Uni-Klinik Freiburg: Die Doping-Uni vertuscht ihre Doping-Vergangenheit, in zeitonline 7.2.2013
– Denn sie widerrufen nicht, in berliner-zeitung.de 7.8.2013
– Schwierige Mentalität, in berliner-zeitung.de 13.8.2013
Hecker, Anno
Doping kennt keine Grenzen, in faz.net 26.9.2011
– Dr. Zabel, in faz.net 30.7.2013
– „Das konnte man alles wissen“, in faz.net 4.8.2013
– Melden Sie sich! In faz.net 7.8.2013
Die Welle rollt, in faz.net 23.8.2013
Herrmann, Boris
– Die Auftraggeber sind Teil des Problems, in SZ 27.9.2011
– Leichenfledderei für Olympia, in SZ 1.8.2013
– Ab damit ins Archiv, in SZ 3.8.2013
– „Substantielle Unterschiede“, in SZ 6.8.2013
– Musterschüler mit erstaunlichem Makel, in SZ 9.8.2013
– Die große Verschwiegenheit, in SZ 17.8.2013
Hofmann, René
– Öffentliche Kontrolle, in SZ 6.8.2013
– Kader ohne Schmiede, in SZ 9.8.2013
Hungermann, Jens, „Das ist wie ein Mini-Mauerfall“, in welt.de 8.8.2013
Kistner, Thomas
– Geschichten aus dem Monsterland, in SZ 3.8.2013
– „Vitaminspritzen? So dumm können die Athleten gar nicht sein“, in SZ 17.8.2013
Leichtathletik-Boss Prokop spricht von „Schande für Deutschland“, in spiegelonline 19.8.2013
May, Philipp, „Intransparenter geht’s kaum“, in dradio.de 17.8.2013
Muth, Achim
– Keine Gnade für Doper, in mainpost.de 29.7.2013
– Das Schweigen des Thomas Bach, in mainpost.de 29.8.2013
Reinsch, Michael
– Staatlich gefördertes Doping, in faz.net 26.9.2011
Doping als Familiensache, in faz.net 27.9.2011
Rüttenauer, Andreas, „Trainer dopten ihre Partnerinnen“, in taz.de 5.8.2013
Schüller stellt Bach an den Pranger, in Münchner Merkur 7.8.2013
Schüller wirft Bach Vertuschung vor, in spiegelonline 6.8.2013
Seehofer will Anti-Doping-Gesetz, in mainpost.de 2.8.2013
„Sie blockierten unsere Arbeit“, in Der Spiegel 33/12.8.2013
Simeoni, Evi, Denken in langen Linien, in faz.net 7.8.2013
Simon, Jana, Kemper, Anna, Willmann, Urs, Schweitzer, Jan, Doping Menschenversuche, in zeitonline 15.8.2013
Sörgel stellt Bachs Aussage infrage, in zeitonline 8.8.2013
Staat förderte Doping-Missbrauch, in Z 3.8.2013
Strang, H., Spitzer, G., „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“, Präsentation von Zwischenergebnissen des Teilprojektes an der Humboldt-Universität zu Berlin, September 2011
Strepenick, Andreas
– Druck auf die Freiburger Sportmedizin: Grüne fordern Aufklärung, in badische-zeitung.de 12.8.2013
– Doping- Kommission: Paoli fühlt sich von Uni-Rektor Schiewer brüskiert, in badische-zeitung.de 19.8.2013
Teuffel, Friedhard, Staatsdoping auch in der Bundesrepublik, in tagesspiegel.de 26.9.2013
„Verletzende Vorwürfe“, in SZ 10.8.2013
Verschlussakte Doping, in spiegelonline 3.8.2013
Wellinski, Patrick, Passender Termin, in dradio.de 15.8.2013
Wende im Streit um Dopingstudie, in handelsblatt.com 16.1.2013
Wikipedia

Aug 052013
 
Zuletzt geändert am 17.09.2013 @ 10:24

Bewertung der geplanten Bewerbung für Olympische Winterspiele „München 2022“ durch das Netzwerk Nolympia
www.nolympia.de, nolympia2018.ludwighartmann.de/
Sylvia Hamberger, Axel Doering und Wolfgang Zängl
11.9.2013

Es ist nicht verwunderlich, dass sich – gerade in Zeiten des Klimawandels – nur schwer ein Ort für Olympische Winterspiele 2022 finden lässt.Nach den USA ist auch die Schweiz mit Graubünden nach einer Bürgerbefragung im März 2013 als Bewerber ausgestiegen. Oslo hat sich am 9.9.2013 mit nur knapper Mehrheit für „Oslo 2022“ entscheiden. Die gesamt-olympische Situation hat sich aufgrund der unbegrenzt wachsenden Gigantomanie durch das IOC und der explodierenden Kosten für die Ausrichtung Olympischer Spiele grundsätzlich geändert. Feststehende, nicht verhandelbare Rahmenbedingungen nehmen den Ausrichterorten jede Selbstbestimmung. Deshalb gibt es immer weniger Bewerber.
Olympische Winterspiele sind deshalb keine unglaubliche Chance“ für die Region, wie uns die Olympialobby für München 2022 glauben lassen möchte.
Ob die Wahl von Thomas Bach zum IOC-Präsidenten die Chancen einer Bewerbung „München 2022“ ändern, ist reine Kaffesatzleserei. Bach ist niemand, der neue Akzente setzen wird. Im Gegenteil: Denn das Geschäftsmodell Olympischer Spiele ist auf Kommerzialisierung, Gigantismus und Intransparenz ausgelegt.
Jeder Bewerber der vergangenen Jahre hatte mit den „
grünsten Olympischen Spielen aller Zeiten‘ geworben – auch für München 2022 wird dieses falsche und irreführende Argument wieder verwendet. 
Olympische Winterspiele können schon allein wegen dieser Größe weder „nachhaltig“ noch „grün“ sein. Sie sind ein Megaevent für 17 Tage,
stellen für den Alpenraum große Eingriffe in die Naturräume und Kulturlandschaften dar und bergen unüberschaubare soziale und finanzielle Risiken.

 


Wir werden dieses Papier laufend ergänzen, da konkrete Planungen der Olympia-Lobby für „München 2022“ bisher nicht vorliegen. Vor allem die Pläne zu den  „Ausrichterorten“ werden sich noch ändern.

Die Erfahrung bei der Bewerbung München 2018 hat gezeigt, dass die Eingriffe und Kosten umso größer werden, je weiter die Planungen fortschreiten.

 

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Aug 012013
 
Zuletzt geändert am 15.02.2014 @ 0:31

31.08.13:
DLF: Die verspielte Bewerbung? – In der Türkei sucht man schon jetzt die Schuldigen für eine Olympianiederlage
sid: Medien: IOC sieht Olympia in Rio in Gefahr

30.08.13:
Grüne, KV Berchtesgadener Land: Öffentlich organisierte Landschaftszerstörung am Jenner
SZ: DFB bewirbt sich mit München um die EM 2020
Tagesspiegel: Nein zur EM-Bewerbung von Berlin – Dann eben Olympia
Deutsche Welle: Tokio greift nach den olympischen Ringen
Mainpost: Bund förderte 14 Projekte zu Doping
nolympia.de: Kritisches Olympisches Lexikon: CO2-Biographie
Merkur: Wohnen rund um München erneut drastisch teurer

29.08.13:
Mainpost: Das Schweigen des Thomas Bach
ARD, Monitor: Umstritten: Der designierte IOC-Präsident Thomas Bach
nolympia.de: “Doping in Deutschland”: Randnotizen
Tagesspiegel: Fußball-EM 2020: Berlin oder München? Der DFB muss sich entscheiden
SpOn: WM 2022 in Katar: Platini kritisiert Blatters Advents-Pläne
newsinenglish.no: How to cast an Olympic vote

28.08.13:
jensweinreich.de: IOC-Countdown (13 Tage): Lebenssachverhalte im nationalen Interesse II
TT: Sotschi-Auftritt kostet zwei Mio. Euro
FR: Fußball-WM in Katar: Wendehals
Zeit online: Rhythmische Sportgymnastik: Ein kriminelles Netz aus Freundinnen

27.08.13:
NZ: Doping im Fußball: „Mafiöse Methoden von mafiösen Systemen“
TT: Mair: „Kein Landesgeld nach Sotschi“

26.08.13:
Bürgerinitiative Königssee: Bürgerentscheid in Schönau rückt näher
Berliner Zeitung: DOSB: Nur wir, nie ich
euronews: Menschenrechtler kritisieren Demoverbot für Sotschi 2014
bundestag.de: Grüne erkundigen sich nach Kenntnissen der Bundesregierung über Dopingforschung in der Bundesrepublik vor 1989

25.08.13:
Merkur: 110 Millionen Euro für die Olympiahalle

24.08.13:
BR: Bergsteigerdörfer: Wander-Idylle contra Event-Tourismus
DLF: Wahlkampf im Radsport – Die Wiederwahl des UCI-Präsidenten Pat McQuaid wird immer unwahrscheinlicher

23.08.13:
CIPRA: München 2022: Olympia ohne Worte
Wochenblatt: Kostenlawine für Gemeinden durch Olympia 2022?
Slovak Spectator: Krakow to team with Slovakia on joint 2022 Winter Olympic bid
sid: Sotschi: Putin verbietet Demonstrationen
NZZ: Brasiliens Fussballfest auf Kosten der Steuerzahler
FAZ: Doping: Hohe Dunkelziffer
FAZ: Anti-Doping-Gesetz: Die Welle rollt
3sat, Kulturzeit: Höher, schneller, weiter – Kann es eine Zukunft ohne Doping geben?

22.08.13:
newsinenglish.no: Majority opposes Olympics in Oslo
SpOn: Wut auf Politiker: Rios Bürgermeister nennt Olympische Spiele „eine Schande“
nolympia.de: Kritisches Olympisches Lexikon: Moustafa, Hassan
AZ: EHC Red Bull München: Umbau! Die neue Stierkampfarena
tz: Tourismus in München boomt weiter
Neue Luzerner Zeitung: Jugendspiele: Luzern geht leer aus
Zeit online: Doper müssen vor Gericht

21.08.13:
Berliner Zeitung: Nach Anschlag in Boston: Berlin Marathon wird zum Sicherheitslauf
NRCU: Ukraine to officially bid for hosting 2022 Olympics by mid-November

19.08.13:
newsinenglish.no: Costs, chief’s exit jeopardize ‘OL’
dpa: Almaty ist erster Bewerber für Olympia 2022
StZ: Leichtathletik-WM in Moskau: Missglückte Generalprobe
Zeit online: Der entmündigte Athlet ist das Ziel
BadZ: Doping-Kommission: Paoli fühlt sich von Uni-Rektor Schiewer brüskiert

18.08.13:
citynews-koeln.de: Gast-Kommentar von Richter Dr. Jan F. Orth: „Das IOC ist pervers und obszön“
Tagesspiegel: IOC-Präsident Jacques Rogge: „Sie können Sport und Politik nicht trennen“

17.08.13:
SZ: Thomas Bach und die Dopingstudie – Mächtiger Mann merkwürdig machtlos
DLF: „Intransparenter geht’s kaum“ – Wie geht’s weiter im deutschen Anti-Doping-Kampf?
FAZ: „Warmer Krieg“ – Liebesgrüße nach Moskau
jensweinreich.de: IOC-Countdown (24 Tage): demaskierende IOC-Email nach Fragen an Präsidentschaftskandidaten #anti-gay-law #Sochi2014

16.08.13:
FAZ: Olympische Spiele: Eine eigene Welt

15.08.13:
zentral+: Sportliches Risiko für die Staats-Kassen
DLF: Passender Termin – Sportausschusssitzung zur Dopingstudie ohne DOSB-Präsident Bach
Berliner Zeitung: Die Feigheit des Olympischen Komitees

14.08.13:
DIE ZEIT: Menschenversuche
jensweinreich.de: IOC-Countdown (27 Tage): Kandidat mit Säbel oder: Bach lässt Anwalt Schertz schreiben

13.08.13:
Berliner Zeitung: Schwierige Mentalität

12.08.13:
SZ: Sportfunktionär Thomas Bach: Doping? Kein Thema
Badische Zeitung: Druck auf die Freiburger Sportmedizin: Grüne fordern Aufklärung
taz: Rhythmische Sportgymnastik: Systematischer Betrug von oben

11.08.13:
MDR: Diskriminierung bei Olympischen Spielen: SPD und Grüne für Sotschi-Boykott
DLF: „Problem des Hochleistungssports insgesamt“ – Hält der Leichtathletik-Weltverband unliebsame Forschungsergebnisse zurück?

08.08.13:
Grüne, Bundestagsfraktion: Dopingforschung in Deutschland: Sondersitzung des Sportausschusses muss Klarheit schaffen
sid: Sörgel stellt Bachs Aussage infrage
Welt: Ines Geipel: „Das ist wie ein Mini-Mauerfall“
Welt: Menschenrechte achten – Die Olympischen Spiele in Sotschi sind Thomas Bachs große Chance

07.08.13:
nolympia.de: Chronologie der Ereignisse im Juli 2013
OVB: Aus Feriendorf Vorauf wird kein olympisches Dorf
dpa: Sotschi-Geld abgezweigt: Ex-Manager festgenommen
FAZ: Doping in Westdeutschland: Denken in langen Linien
Berliner Zeitung: Denn sie widerrufen nicht
FAZ: Melden Sie sich!

06.08.13:
nolympia.de: Bewertung der geplanten Bewerbung für Olympische Winterspiele „München 2022“ durch das Netzwerk Nolympia
DLF: Rio 2016: Armenviertel weicht Olympischen Spielen
SZ: Neue Details der Dopingstudie: Brisante Fragen an Genscher und Bach
SpOn: Schüller wirft Bach Vertuschung vor
jensweinreich.de: Düstere Konstanten des deutschen Spitzensports: Ernst Jakob und Freiburgs Ärzteschule
dpa: Winter-WM in Katar: Rogge rief bei Blatter an

05.08.13:
jensweinreich.de: Doping in Deutschland: die Berichte zum Forschungsprojekt
Welt: „Aktenvernichtung mit krimineller Energie“
taz: Sprinterin über BRD-Leistungssport: „Trainer dopten ihre Partnerinnen“
SZ: Studie „Doping in Deutschland“: Zweckentfremdung, Irreführung, Betrug
Tagesspiegel: Dopingskandal ist ein Fall für den Bundestag

04.08.13:
FAZ: Hansjörg Kofink im Gespräch: „Das konnte man alles wissen“
Berliner Zeitung: Ein zu frühes Urteil
Berliner Zeitung: Förderung lädt zum Missbrauch ein

02.08.13:
SZ: Homosexuelle bei Olympia: Umarmen verboten
Mainpost: Seehofer will Anti-Doping-Gesetz – Bause fordert Transparenz
Berliner Zeitung: Wie es den Betrügern gefällt

01.08.13:
SpOn: Russlands Sportminister: Anti-Homosexuellen-Gesetz gilt auch bei Olympia in Sotschi
SZ: Umstrittener Radsportweltverbands-Chef: Der fragwürdige Kampf des Pat McQuaid

weiter zur Presseschau für Juli 2013

Jul 212013
 
Zuletzt geändert am 10.12.2013 @ 16:01

21.7.2013
Der Schmäh mit der Tourismus Initiative München

Das offizielle Vereinsziel
In der Satzung des Vereins Tourismus Initiative München (TIM) e.V. vom 28.8.2012 steht unter § 2 Zweck, Aufgaben des Vereins: „Zweck des Vereins ist die Förderung des Tourismus in München“.
„Wie lässt sich München touristisch besser vermarkten? Die Unternehmen der Stadt ergreifen jetzt die Initiative. Sie haben den Verein Tourismus Initiative München (TIM) e.V. gegründet. Er hat die Aufgabe, die Marke München zu definieren und zu vermarkten… Die eigentliche Vermarktung erfolgt über den Tourismusfonds München, den TIM e.V. und die Landeshauptstadt München zu gleichen Teilen finanzieren werden“ (6). Das Ziel ist „Werbe-Ressourcen bündeln, Leistungen und Angebote zu steigern, Touristen anlocken“ (11). Über TIM e.V. soll eine „Konzeption einer stringent zielgruppenorientierten Tourismusstrategie“ entwickeln (10). „Mit der Gründung des Vereins haben die Vertreter der Tourismuswirtschaft die Grundlage für die künftige Zusammenarbeit mit der Stadt München geschaffen. Nach eineinhalb Jahren intensiver Zusammenarbeit mit Wirtschaftsreferent Dieter Reiter haben Vertreter der Wirtschaft (…) das ‚Münchner Modell entwickelt’“ (10). Starke Unterstützung leistete und leistet auch die IHK für München und Oberbayern.
Dem Vorstand gehörten u. a. an: Thomas Muderlak (BMW-Welt), Reinhard Pfeiffer (Messe München), Andreas von Puttkammer (Flughafen München GmbH), sowie Vertreter von Hotels, Handelsverband Bayern, Dallmayr KG, Löwenbräukeller, etc. (14).
In der Beitrittserklärung werden Angaben für die Beitragsbemessung gemacht: z.B. Festzeltbetrieb Oktoberfest: 3.000 €, Große Partnerunternehmen: 25.000 €, Unternehmen über 50 Millionen € Umsatz: 9.000 €, Große Partnerunternehmen (z.B. Messe, Flughafen) 25.000 €.
Zur Erinnerung: Schon bei der Bewerbung München 2018 hatte OB Ude mit Messe München, Flughafen München, Olympiapark GmbH, Stadtwerke München Zwangsverpflichtete als „Sponsoren“ versammelt.

Der Tourismusfonds München
TIM und Stadt zahlen je zur Hälfte ein: „Die Marke München soll im weltweiten Tourismus noch besser wahrgenommen werden. Diesem Ziel dient der Tourismusfonds München, ein Public-Private-Partnership-Modell… zu 50 Prozent sollen die Mittel für den Tourismus von der Stadt, zu 50 Prozent von der Wirtschaft kommen… Avisiert ist, dass die Wirtschaft im ersten Jahr 500.000 Euro bereitstellen soll“ (3; Hervorhebung WZ).
Als Finanzierungsziel für den Tourismusfonds werden genannt: für 2012 1 Mio. € – je 500.000 € von Wirtschaft und Stadt, in den Folgejahren 2 Mio. € – mit weiterem Entwicklungspotenzial (12; vgl. auch Rede Mayer vom 26.7.2013 (30), S. 3).

Ralph Huber petzt
(Aus der Nolympia-Chronologie)
Am Montag, den 6.2.2012 stellte sich der Münchner Olympiapark-Chef Ralph Huber vor die Presse und gab bekannt, dass ein Kreis von Interessierten, Lobbyisten und Sponsoren der München-2018-Bewerbung existiert, der für München 2022 trommeln würde. Auf die Frage nach den Unterstützern bzw. Hintermännern äußerte Huber: “Da können Sie mich löchern, wie Sie wollen – das halten wir noch geheim” (Kristlbauer, Matthias, Olympiapark-Chef: “X-Games sind greifbarer als Winterspiele”, in Münchner Merkur 13.2.2012). Es soll sich um Wirtschaftsunternehmen, ideelle Träger und Sportler handeln.
„Noch-OB Ude ist nach wie vor Befürworter und lässt schon seit geraumer Zeit Olympiapark-Chef Ralph Huber und Wirtschaftsvertreter an München 2022 arbeiten (16).
Ralph Huber: „Wichtig ist, dass wir das Signal setzen, dass München bereit wäre” (17). „Es sagt natürlich jeder, dass unsere Bewerbung 2018 hervorragend war und dass sich Deutschland erneut bewerben muss… Deshalb gibt es ja ein ‘Team München’, das das Thema mitbegleitet und das eine oder andere schon mal eruiert oder in die Wege leitet, damit man nicht zu viel Zeit verliert, wenn man sich 2022 wieder bewirbt” (18).

Außerordentliche Mitgliederversammlung
Am 22.3.2013 trafen sich über 70 Teilnehmer aus Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel, Kultur- und Tourismuswirtschaft: Sie diskutierten „die zukünftigen Ziele des Vereins und die damit verbundenen Erwartungen der Mitglieder“ (15). Der Vorstandsvorsitzende Thomas Muderlak: „Ich bin angetreten, um TIM zum Erfolg zu führen“ (15).

Abold wieder dabei
Die Münchner Agentur Abold begleitete nicht nur die Olympiabewerbung 2016 von Baku, Hauptstadt der Diktatur Aserbaidschan, sondern auch vom ersten Tag an die Bewerbung München 2018 (22; 24), auch wenn Abold daran nicht entscheidend beteiligt war. Andreas Abold war auch eng mit dem zwielichtigen Fußball-Lobbyisten Fedor Radmann verbunden. Er bereitete erfolgreich im Auftrag des FC Bayern und des TSV 1860 den Wahlkampf vor für den Bürgerentscheid über den Bau der neuen Fußballstadions in Fröttmaning („Allianz Arena„) und arbeitete dann mit Albert Speer & Partner bei der Vorbereitung des Stadionbaus zusammen (26, 27, 28, 29).
Auch für die TIM-Aktion pro München 2022 wurde Abold beauftragt: „Die Umsetzung der Kampagne übernimmt das Marketing-Büro Abold“ (5). Andreas Abold äußerte bereits im August 2012: “Die Zeichen stehen besser als je zuvor” (23). Er empfiehlt: „Eine Olympiabewerbung muss generalstabmäßig geführt werden, hierarchisch wie in der Formel 1“ (24)
Bernie Ecclestone lässt grüßen!

Der wahre Zweck: Geld sammeln für München 2022

Der Etikettenschwindel wurde im Juli 2013 bekanntgegeben. Thomas Muderlak, hauptberuflich Chef der BMW-Welt, lud am 19.7.2013 in die Allianz-Arena zum Geldsammeln:
„Von ‚Jetzt erst recht‘ und „die Ärmel hochkrempeln“ ist viel die Rede gewesen, als gestern Repräsentanten aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Sport ein Bündnis mit Namen ‚Team München 2022‘ aus der Taufe gehoben haben. Ziel ist, München erneut als Bewerber um Olympische Winterspiele ins Rennen zu schicken. Gelingen soll das mit dem Geld und dem guten Namen der 150 Mitglieder der ‚Tourismus Initiative München’ (TIM, wir berichteten). (…) Am 10. November werden die Bürger über das von der Stadt München und den potenziellen Gastgebergemeinden Garmisch-Partenkirchen, Berchtesgaden und Ruhpolding initiierte Ratsbegehren abstimmen. Zehn Prozent aller Wahlberechtigten müssen dafür sein – allein in München muss man also gut 104 000 Menschen für die Sache gewinnen. Kurz zuvor, im September, finden die zwei Parlamentswahlen statt, was die Motivation, nochmals an die Urne zu treten, wohl schmälert. ‚Es ist wichtig, die Bürger zu überzeugen’, sagte TIM-Vorstandssprecher Thomas Muderlak gestern nach der Auftaktveranstaltung. Ein ‚breit gefächertes’ Kommunikationskonzept soll das ermöglichen. Bis zu einer Million Euro wird es kosten, zum Beispiel Plakate zu kleben und eine Kampagne in den sozialen Netzwerken anzuschieben. (…) So haben die Münchner Brauereien zugesagt, Olympia-Werbung auf Bierdeckel zu drucken“ (5; Hervorhebung WZ)
Ob TIM bzw. Muderlak den Münchner Brauereien auch mitgeteilt hat, dass bei Olympischen Winterspielen 2022 in München nur der Bier ausschenken darf, der für viel Geld Sponsor ist – siehe Sotschi 2014: „Baltika Breweries has attained the status of ‚Official Beer Supplier of the XXII Olympic Winter Games of 2014 in the City of Sochi‘ in the Beer category“ (21; www.sotchi.com).

„Beteiligen können sich an der Münchner Kampagne auch die anderen Gastgeber-Gemeinden. ‚Aber sie müssen nicht’, betonte Muderlak. ‚Wir stehen allerdings in Kontakt’“ (5).

„Thomas Muderlak, der Vorstandsvorsitzende der Tourismus Initiative München, hat Unterstützer und Sponsoren für eine Olympiabewerbung Münchens für die Winterspiele 2022 geladen… Dabei soll die Vorgehensweise abgestimmt werden, um die Münchner Bevölkerung beim Bürgerbegehren am 10. November zu einem positiven Votum zu bewegen. Da der Stadtrat der Bayerischen Landeshauptstadt die Befragung als sogenanntes Ratsbegehren initiiert hat, muss sich die Stadt neutral verhalten und darf kein Wahlempfehlung geben. „Umso wichtiger, dass wir als TIM eine Unterstützerkampagne gründen. Noch diese Woche starten wir mit einem Bündnis-Kick-off“, sagte Muderlak im Bayerischen Fernsehen. Ursprünglich sollte ein Verein zur Unterstützung gegründet werden, doch dafür war die Zeit schon knapp. ‚Die Konstruktion wird so sein, dass wir als Bündnis völlig losgelöst von der Stadt agieren werden’, so Muderlak. Ein Konzept für die Initiative wurde schon erarbeitet. Gleichzeitig zur Strategie soll auch die Frage der Finanzierung geklärt werden. Thomas Muderlak, neben seiner Tätigkeit für TIM, Chef der BMW-Welt, schätzt den Finanzbedarf bis zur Abstimmung im November ‚auf eine dreiviertel bis eine Million Euro’“ (8; 20).

Die Vorsitzende der Münchner Grünen, Katharina Schulze, merkte zur Tourismus Initiative München“ an: „Beginnend damit wie die Stadt München ihre Neutralitätsverpflichtung im Ratsentscheid über Olympia2022 einhalten möchte, wenn sie so eng mit der „Tourismus-Initiative München“ kooperiert. Laut Herr Muderlak hat die TIM einen Kooperationsvertrag mit der Stadt unter Leitung von Dieter Reiter. Wo da die Neutralität der Stadt bleibt, sehe ich gerade nicht. Außerdem frage ich mich, wie es sichergestellt wird, dass nicht städtische Gelder für die Beeinflussung des Ratsentscheids ausgegeben werden. Da verlangen wir Grüne Aufklärung und Transparenz! Und besonders interessiert mich auch die genaue Anzahl der städtischen Unternehmen in dieser Initiative“ (7).

Der Etikettenschwindel
“Damit entsteht ein finanzkräftiges Gegengewicht zu den Olympia-Gegnern, die für eine Fortsetzung ihres Kampfes bereits in den Startlöchern sitzen… Die TIM übernimmt damit eine Aufgabe, die für die offizielle Rathauspolitik tabu ist. Zwar darf auch die Stadtspitze ihre Sympathie für Olympia kundtun und Argumente liefern. Ein offener Aufruf, beim Bürgerentscheid pro Olympia zu stimmen, wäre aber ein Verstoß gegen das sogenannte Sachlichkeitsgebot” (19; Hervorhebung WZ).

Im Interview im Münchner Merkur äußerte Muderlak in aller Offenheit: „Diesmal strebt die Stadt München einen Bürgerentscheid an. Als Initiatorin des Ratsbegehrens unterliegt sie aber dem Sachlichkeitsprinzip – sie ist also zur Neutralität verpflichtet. Es braucht jetzt grundsätzlich eine Organisation, die die Initiative ergreift und den Leuten sagt: Macht das Kreuz bei ‚Ja’. Es gibt von vielen Seiten in München eine großartige Unterstützung für den Gedanken Olympia 2022. Wir sind dazu da, diese Unterstützung zu bündeln und zu formulieren. Wir wollen das Ratsbegehren fokussiert und professionell bis zum 10. November begleiten.
Wir haben einen Kooperationsvertrag mit der Stadt. Zusammen mit sieben Stadträten formieren wir unter Leitung von Wirtschaftsreferent Dieter Reiter die Münchner Tourismuskommission. Sie verwaltet eine Million Euro, die zur Hälfte von der Stadt, zur Hälfte von TIM in einen Fonds eingezahlt worden sind. Die Kommission gibt die strategischen Leitlinien für die touristische Vermarktung der Stadt München vor“ (4;Hervorhebung WZ).
Zur Frage: „Ist Ihr Engagement für einen Bürgerentscheid pro Olympia dann nicht rechtlich ein Problem?“ antwortete Muderlak: „Überhaupt nicht. Wir sind sowohl politisch als auch juristisch völlig neutral“ (4; Hervorhebung WZ).

Und nun sieht der Zweck des Vereins Tourismus Initiative München (TIM) e.V. laut Muderlak plötzlich ganz anders aus: „Unsere Aufgabe ist mit dem 10. November erfüllt“ (4; Hervorhebung WZ).

Bis dahin wird viel Geld von der „Tourismus Initiative München e.V.“ und der Stadt München in die Pro-München-2022-Kampagne fließen.

Vergleiche auch: Goliath gegen David

Quellen:
1 Beitrittserklärung, www.muenchen.ihk.de
2 Effern, Heiner, Lode, Silke, Olympia-Kampagne im Schatten der Wahlen, in SZ 20.7.2013
3 IHK trommelt für das Münchner Modell, www.muenchen.ihk.de, undatiert
4 Löhr, Johannes, „Wir wollen keine Großkopferten-Kampagne“, in merkur-online.de 19.7.2013
5 Löhr, Johannes, Olympia-Begeisterung auf Bierdeckeln, in merkur-online 19.7.2013
6 Münchner Unternehmen nehmen Tourismus selbst in die Hand, in www.muenchen.ihk.de undatiert (2012)
7 Olympia 2022: Die „Tourismus-Initiative München“ wirft sehr viele Fragen auf, PM www.gruene-muenchen.de 19.7.2013
8 Olympia-Befürworter in München starten Kampagne, in focus.de 15.7.2013
9 Quantensprung im München Tourismus – TIM e.V., www.ipa-presseagency.com 2012
10 Neue Strukturen im München-Tourismus – Gründungsversammlung des Tourismus Initiative München (TIM) e.V., www.muenchen.ihk.de 19.6.2012
11 Schneider, Jochen, München ist mehr als nur die Wiesn, in abendzeitung-muenchen.de 26.7.2012
12 „Tourismus Initiative München (TIM) e.V.“, in www.muenchen.ihk.de
13 Tourismus Initiative München (TIM) e.V., Satzung, www.muenchen.ihk.de 28.8.2012
14 Tourismus Initiative München (TIM) e.V., Statements der Tourismuswirtschaft, München 26.7.2013
15 Ziele des TIM e.V. – 1. Außerordentliche Mitgliederversammlung, www.muenchen.ihk.de
16 Effern, Heiner, Riedel, Katja, Neue Olympia-Chance für München, in SZ 7.7.2012
17 Hahn, Thomas, Eine Prise Absicht, in SZ 4.8.2012
18 Kristlbauer, Matthias, „Wir müssen in den Startlöchern stehen”, in Münchner Merkur 4.8.2012
19 Hutter, Dominik, Der Kampf um die Spiele, in SZ 17.7.2013
20 Olympia-Befürworter in München starten Kampagne, in abendzeitung-muenchen.de 16.7.2013
21 www.sochi2014.com/en/team/partners/44110/
22 Munich 2018 and abold – a successful cooperation … www.abold.de 19.7.2011
23
Schmidt, Thomas, CSU: Ude bremst Olympia-Bewerbung, in Münchner Merkur 18.8.2012
25 Olympia: Was kann München von Sochi lernen, Herr Abold? www.abold.de
26 Bielicki, Jan, Dabei sein ist alles, in SZ 14.1.2010
27 Kistner, Thomas, Perlen für den Vorstand, in SZ 3.7.2010
28 Kistner, Thomas, Fifa-Vorständler unter Korruptionsverdacht, in SZ 18.10.2010
29 Weinreich, Jens, WM-Regisseur im Hintergrund, in dradio.de 12.6.2010

30 Mayer, Conrad, Rede zur Pressekonferenz  der TIM e.V., 26.7.2013

Jul 182013
 
Zuletzt geändert am 18.08.2013 @ 11:57

Wolfgang Zängl 18.7.2013, aktualisiert 18.8.2013
Zur Vorgeschichte:

Korruptionsaffäre
„Siemens steht ab 2006 im Mittelpunkt eines der größten Korruptions-/Schmiergeldskandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte, in dessen Folge der Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld und der Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer das Unternehmen verließen. Die Gesamtkosten mit erwarteten und bereits verhängten Strafen, Beraterkosten und Steuernachzahlungen belaufen sich auf 2,9 Mrd. Euro. Am 15. November 2006 durchsuchten 200 Beamte, Steuerfahnder und Staatsanwälte mehr als 30 Bürogebäude an allen großen Siemens-Standorten, außerdem Privatwohnungen von ranghohen Mitarbeitern, auf Verdacht der Untreue… Die Ermittlungen ergaben, dass bei Siemens über längere Zeit ein System von Schmiergeldzahlungen existierte…
Im Oktober 2007 wurde das Unternehmen vom Landgericht München wegen Schmiergeldzahlungen im Bereich der Telekommunikationssparte Com zu einer Geldbuße in Höhe von 201 Millionen Euro verurteilt. Siemens akzeptierte das Urteil“. Neben der Korruptionsaffäre war die Siemens AG mit verschiedenen anderen Vorwürfen konfrontiert. Im Januar 2007 wurden 11 multinationale Konzerne wegen illegaler Preisabsprachen von der EU zu Geldstrafen von insgesamt über 750 Mio. Euro verurteilt“ (Wikipedia). Auf Siemens allein entfielen 400 Millionen Euro.

Der Löscher-Ude-Parallelslalom
Anlässlich der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen (7. bis 20.2.2011) veranstaltete der Siemens-Konzern nicht nur ein Public Viewing auf dem Wittelsbacher Platz, sondern baute auch eine 40 Meter lange, künstlich beschneite Skipiste auf, (aus „reinstem M-Wasser und Ökostrom“), bot VIP-Zelte und Hüttengaudi nebst nächtlichen Ski-Partys bis 22 Uhr.
Beim Thema Kunstschnee führte Siemens Greenwashing in Reinkultur vor: “Wir sind sauber”, behauptete eine Siemens-Sprecherin: Der Kunstschnee würde nämlich aus Wasser und regenerativer Energie hergestellt. Eine “Snow Box” (Werbeslogan: “Alles andere ist Schnee von gestern”) wummerte laut vor sich hin, um für eine 43 Meter lange und 12 Meter breite Piste 150 Tonnen „Schnee“ – eigentlich eher Eissplitter – zu produzieren – 28 Tonnen pro Tag. Die elektrische Leistungsaufnahme beträgt laut technischem Datenblatt 90 bis 100 kW – das wären unter Volllast in drei Wochen über 50.000 Kilowattstunden (kWh). Die Kosten für das Spektakel hält Siemens geheim.

Siemens, und Skifahren
“Irgendwie schafft er es, Siemens als Skizirkus-Weltmarktführer zu verkaufen. In zwei von drei Skigebieten der Welt werde schließlich Siemens-Technik verwendet… Bis zu 15 Milliarden Euro werden laut Siemens in den kommenden zehn Jahren weltweit in Skigebiete investiert, davon will der Konzern ein Stück für sich” (Hesse, Martin, Der Gipfelstürmer, in SZ 15.1.2011).
Siemens Alpine Technologies liefert Automatisierungen und Pumpstationen für Beschneiungsanlagen und Speicherbecken-Kontrollen. So lieferte der Konzern für die Söldener Bergbahnen Anlagenkomponenten für die Beschneiungstechnik: Antriebe, Steuerungen, Leittechnik. Die Neuanlage beschneit fast 70 Hektar in Höhenlagen von 1970 Metern bis ins Gletschergebiet auf 3.000 Metern” (“Golden Gate ” im Ötztal). Drei Pumpwerke versorgen die Schneekanonen mit Druckwasser.
Vorstandsvorsitzender Peter Löscher: “Mit unseren Lösungen sind wir der ideale Partner für Wintersport-Gebiete… Beschneiungsanlagen mit Siemens-Technik sorgen für schneesichere Pisten zu jeder Jahreszeit.” (siemens.com 14.1.2013).
Motto: “High-tech for cool fun… We give the winter a helping hand – Siemens Alpine Technologies” (Siemens Alpine Technologies, September 2009).
Siemens war auch “offizieller Ausrüster der FIS Alpine Slki-WM 2011″ in Garmisch-Partenkirchen (siemens.com 14.1.2013).
Der Siemens-Konzern macht mit Antriebs- und Steuerungstechnik für Lifte und Seilbahnen jährlich rund 100 Millionen Euro Umsatz (Fasse, Markus, Höpner, Axel, Hofer, Joachim, Konzerne wetteifern bei der Ski-WM, in Handelsblatt 7.2.2011).
Löschers Eltern waren übrigens Seilbahnbesitzer.

Siemens beliefert Olympische Spiele
Siemens ist ein globaler Technikzulieferer für sportliche Großereignisse. Der Konzern liefert auch die Technik für Olympische Sommer- und Winterspiele und erhält Aufträge für Verkehrswege, Stadien, Hotels, Energieversorgung und technische Infrastruktur im weiteren Sinn.
Siemens ist in vielfältiger Weise mit der Geldmaschine IOC verbunden. Der Konzern ist größter Einzelaktionär des IOC-TOP-Sponsors AtoS („Worldwide IT-Partner“) und hatte im Jahr 2012 über 76.000 Mitarbeiter und 8,8 Milliarden Euro Umsatz (Wikipedia). Der französische Konzern Atos Origin übernahm 2010 die IT-Sparte IT Solutions and Services von Siemens (daher stammt das große S im Namen). AtoS ist seit 2002 verantwortlich für die technologischen IT-Lösungen bei Olympischen Spielen: von der Übertragung der Wettkampfergebnisse bis zur Organisation der Informatikinfrastruktur und der Emails für die Wettkampfstätten.
AtoS wird nach London 2012 auch Sotschi 2014 und Rio 2016 organisieren (Deutsch-französischer IT-Dienstleister AtoS, ein diskreter Gewinner der Olympischen spiele in London, www.ambafrance-de.org).
“Siemens hatte in den Jahren 1999 bis 2006 insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro für Schmiergeldzahlungen ausgegeben, um sich lukrative Auslandsgeschäfte zu sichern” (Eisert 14.11.2011). Der berüchtigte Siemens-Schmiergeld-Sumpf erstreckte sich auch auf die Überwachungs- und Sicherheitstechnik bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen (Telloglou, Ott 27.2.2012).
Für die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking stattete Siemens Stadien und Hotels aus und lieferte technische Anlagen für U-Bahnen und ein Gepäcktransportsystem für den Flughafen. Der Konzern gab den Gesamtumsatz für Peking mit 1,1 Milliarden Euro an.
“Im Zuge der fünf Großevents, die 2010 ausgetragen wurden, hat Siemens Aufträge über weit mehr als zwei Milliarden Euro gewonnen – Expo in Shanghai, Fußball-WM in Südafrika, Commonwealth Games in Delhi, Asian Games in Guangzhou, Olympische Winterspiele in Vancouver” (siemens.com 14.1.2012).
Auch Vancouver 2010 lief für Siemens blendend. „In Vancouver lieferte Siemens unter anderem Technik für das Medienzentrum und Antriebe für Hybrid-Busse. Sotschi 2014 ist für die Technikkonzerne deutlich attraktiver, da hier die Infrastruktur praktisch komplett neu aufgebaut werden muss“ (handelsblatt.com 23.3.2010; Hervorhebung WZ).

Siemens und Russland
Die Geschäfte von Siemens mit Putins Russland laufen wie geschmiert.
Bundeskanzlerin Merkel war am 16.11.2012 auf Kurzbesuch beim russischen Präsidenten. Begleitgast Peter Löscher, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, unterzeichnete mit der russischen Staatsbahn eine Absichtserklärung über die Lieferung von 695 E-Loks im Wert von 2,5 Milliarden Euro (manager-magazin.de 16.11.2012). Dazu kommen Pläne zum Kauf von Transformatoren für 350 Millionen Euro (spiegelonline 16.11.2012).
Und für Sotschi 2014 soll Siemens noch mehr Aufträge eingesammelt haben als für Vancouver 2010. Für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi summierten sich die Aufträge bis März 2010 bereits auf 700 Millionen Euro (Ebenda).
Siemens liefert für Sotschi 2014 u. a. 54 Regionalzüge Typ Desiro, Turbinen und Generatoren, sechs SGT-800-Gasturbosätze mit zusammen 282 MW im Rahmen des Olympia-Projekts.
Und nach Sotschi 2014 kommen für Siemens die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro 2016 und die Winterspiele 2018 in Pyeongchang und die Sommerspiele 2020 und die Winterspiele 2024…

Siemens und DOSB-Präsident Thomas Bach
Enge Beziehungen bestanden (bestehen?) zu DOSB-Präsident und IOC-Vizepräsident Thomas Bach. Siemens hatte seit 2000 einen Beratervertrag mit dem DOSB-Präsidenten, IOC-Vizepräsidenten und Wirtschaftsanwalt Bach. Dieser Vertrag wurde 2004 und 2005 verlängert. Zunächst betrug die Jahressumme 250.000 DM, dann 400.000 DM, zum Schluss 400.000 Euro. Dazu kam ein Tagessatz von 5.000 Euro. Selbst der Siemens-Aufsichtsrat missbilligte diesen Vertrag, der erst Anfang April 2008 bekannt wurde. Ende April 2008 nahm Bach deswegen mit der Siemens-Abteilung Compliance Kontakt auf. Der Vertrag wurde dann im Juni 2008 im gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst „wobei Siemens versicherte, es habe alles seine Ordnung gehabt“ (Kistner, Ott, Ritzer 8.8.2008; 25.10.2008).
Vergleiche auch: Kritisches Olympisches Lexikon: Bach, Thomas

Siemens und die Ski-WM 2013 in Schladming
„Siemens ist offizieller Technologiepartner der FIS Alpine Ski WM 2013…
Die Technologiepartnerschaft mit der FIS Alpine Ski WM 2013 in Schladming umfasst folgende Leistungen von Siemens:
Elektrobus für Shuttledienste und Transporte, Ausstattung des internationalen Medienzentrums der Ski WM mit einem hochmodernen Informationssystem, integrierte Lösungen für Rechenzentren zur Ski WM
In Schladming sorgt bereits seit Saisonbeginn 2008/2009 eine neue Pumpstation oberhalb des Planaier Skistadions für eine verlässliche, umweltfreundliche und effiziente Wasserversorgung von bis zu hundert Schneekanonen.“
(Alle Zitate: Siemens ist offizieller Technologiepartner der FIS Alpine Ski WM 2013, www.schladming2013.at)
Zu Schladming vergleiche unter “Aktuelles”: hier
Siemens war auch „offizieller Ausrüster der FIS Alpine Ski-WM 2011“ in Garmisch-Partenkirchen (siemens.com 14.1.2013).

Juli 2013: Siemens in Brasilien – Samba corrupti
Bericht von Peter Burghardt und Klaus Ott in der SZ am 16.7.2013: “Der Konzern hat bei der brasilianischen Wettbewerbsbehörde Cade Selbstanzeige wegen Kartellabsprachen bei Bau und Wartung von U-Bahnen und Zügen in São Paulo und Brasília erstattet. Bei sechs öffentlichen Ausschreibungen sollen die Konzerne Bombardier aus Kanada, CAF aus Spanien, Mitsui aus Japan und eben Siemens ihre Angebote und Preise ausgemauschelt haben. Das betrifft Geschäfte von mehreren Hundert Millionen Euro. Insider berichten von offenbar ‘nachweisbaren Absprachen’ und ‘großen Summen’. Siemens sagt dazu nur, man sei über die Untersuchungen von Cade informiert und kooperiere ‘vollumfänglich mit den Behörden’. Das mea culpa aus München kommt reichlich spät. Die Causa reicht zurück bis ins Jahr 2008, in dem Siemens erste Hinweise auf Verstöße erhalten hatte. Später hatten sich brasilianische Lokalpolitiker sowie ein früherer Siemens-Mitarbeiter wegen angeblicher Schmiergeldzahlungen an heimische Staatsanwälte gewandt. Die wiederum fragten auch bei Siemens an, was es damit auf sich habe. Lange Zeit kam dabei nichts heraus, weil der Konzern angeblich nicht fündig wurde. Später folgte die Selbstanzeige… Bereits im Juni 2008 hatte Siemens sehr konkrete Hinweise auf schmutzige Machenschaften in São Paulo bekommen. Bei der von Siemens für solche Fälle eingeschalteten Anwaltskanzlei Beckstein in Nürnberg ging ein Brief aus Brasilien ein, in dem ein dortiger Abgeordneter auf fünf eng beschriebenen Seiten ganz genau schilderte, wie Siemens mit anderen Konzernen bei großen Nahverkehrsprojekten alles abgesprochen haben soll. Und das angeblich garniert mit Schmiergeld für Regierungsmitglieder und Behördenvertreter… Es geht, unter anderem, um die neue Metro-Linie 5 in São Paulo. Um neue Züge, um Wartungsverträge und um einiges mehr. Alles sehr teuer, alles sehr profitabel für jene, die den Zuschlag erhalten. Alles sehr peinlich, sollte sich erweisen, dass die beteiligten Konzerne sich an Brasiliens Bürgern bereichert hätten. Ach ja, auch die in dem Schreiben von 2008 genannten Konzerne sind größtenteils identisch mit jenen, die heute Gegenstand der Kartelluntersuchung sind” (Burghardt, Ott 16.7.2013; Hervorhebung WZ).
Schließlich stellte sich heraus, dass Siemens eine geheime Bankverbindung in Luxemburg unterhielt, über die allein zwischen 2003 und 2006 rund 6,4 Millionen Euro bewegt wurden (Burghardt, Ott 19.7.2013b). Spätestens ab 1998 bis 2007 sollen Bombardier, CAF, Mitsui und Siemens den südamerikanischen Staat betrogen haben. Siemens-Mitarbeiter in Brasilien packten schließlich aus: „Sie  erzählten von verdächtigen Vorgängen. Von Kartellabsprachen mit anderen Unternehmen zulasten der brasilianischen Auftraggeber und  Abnehmer beim öffentlichen Nahverkehr. Beim Bau von Strecken und Zügen. Bei der wartung und Instandhaltung. Über zwei jahrzehnte hinweg“ (Ebenda).

Wenig Aufklärung im Konzern
Siemens musste wegen diverser Schmiergeldaffären 2007 über eine Milliarde Euro Strafe zahlen und wechselte nahezu alle Vorstandsmitglieder aus. Peter Löscher wurde der neuer Siemens-Vorstandsvorsitzende und damit neuer Saubermann. Aber Löscher löschte nicht.
Von 2008 bis 2010 herrschte Funkstille im großen Siemens-Konzern, auch nach neuen Hinweisen auf schmutzige Deals in Brasilien im Herbst 2010: “Aber auch dann ohne Ergebnis. Wollte Siemens vielleicht gar nicht wissen, was in Brasilien geschah, weil das aufstrebende Land in Südamerika den Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 erhalten hatte? Solche Großereignisse gehen einher mit Großinvestitionen in Stadien, Verkehr, Telekommunikation und anderen Infrastruktur-Projekten, die Milliardenbeträge kosten. Und bei denen meist sehr viele Aufträge für Siemens anfallen, weil der von München aus global agierende Industriekonzern genau auf solche Vorhaben spezialisiert ist. Da liegt der Verdacht nahe, dass Siemens die Auftrags-Aquisation in Brasilien nicht mit peinlichen Untersuchen belasten wollte… Die jetzigen Kartell-Ermittlungen kommen für die meisten der davon betroffenen Konzerne zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Brasilien plant eine Hochgeschwindigkeitsstrecke von São Paulo nach Rio de Janeiro. Um das neue Megaprojekt mit modernsten Schnellzügen bewerben sich gleich mehrere der Unternehmen, die den Staat beim öffentlichen Nahverkehr ausgenommen haben sollen.” (Ebenda: Hervorhebung WZ).
Zuerst der öffentliche brasilianische Nahverkehr plus dies und das, dann der Fernverkehr etc.: Die Siemens-Katze lässt das Mausen nicht. Arme Brasilianer!
Im Frühjahr 2013 soll es zur Kronzeugenregelung gekommen sein, die für Siemens vorteilhaft ist. gleichzeitig musste der Konzern bei der Börsenaufsicht SEC in New York und beim US-Justizministerium Mitteilung machen, da Siemens nach dem vorigen Skandal beobachtet wird (Burghardt, Ott 19.7.2013b). „Die alten Zeiten sind bei Siemens noch lange nicht ausgestanden“ (Ebenda).
Am 31. Juli 2013 war dann das Ende von Löscher bei Siemens gekommen.

Nachtrag: Die Siemens-Korruption im brasilianischen Wahlkampf
Der Siemens-Konzern hatte gestanden, dass der Auftragsumfang bei Zügen und U-Bahnen in Sao Paolo umgerechnet 630 Millionen Euro Schaden betrug. Durch das Kartell von Siemens und den anderen Konzernen waren mehr als 130 Millionen Euro Staatsgeld abgezogen worden. Dies führte zu Protesten im beginnenden brasilianischen Präsidentschaftswahlkampf 2014. „Mit solchen Summen könnte man den Preis für die Tickets von drei Real glatt auf 90 Centavos senken, 30 Cent, glaubt Matheus Preiss von Passe Livre. (…) Siemens habe an Strippenzieher in Brasilien laut der deutschen Justiz umgerechnet mindestens acht Millionen Euro gezahlt. (…) Die Entscheidung über das Projekt eines milliardenschweren Schnellzuges von Rio de Janeiro nach Sao Paolo wurde wegen der Aufregung bereits verschoben“ (Burghardt 14.8.2013).
Vergleiche im Kritischen Olympischen Lexikon: Siemens olympisch
Und unter „Aktuelles“: Brasilianisches Tagebuch

Quellen:
Auslieferung des ersten Desiro RUS an die RZD, in www.lok-report.de 2012
Burghardt, Peter, Ott, Klaus
-Ausgerechnet Siemens, in SZ 16.7.2013
– Geheimes Konto in Luxemburg bringt interne Untersuchungen ins Rollen, in sueddeutsche.de 19.7.2013a
– Geheimkonto in Luxemburg, in SZ 19.7.2013b
– Wahlkampf mit Siemens, in SZ 14.8.2013
Eisert, Rebecca, Siemens-Sumpf nimmt kein Ende, in wiwo.de 14.11.2011
“Golden Gate ” im Ötztal, www.cee.siemens.com Juni 2009
Kistner, Thomas, Ott, Klaus, Ritzer, Uwe
– Leipziger Altlast, in SZ 8.8.2008
– Bedingt wissbegierig, in SZ 25.10.2008
Siemens Alpine Technologies, September 2009
Siemens baut Vorortzüge für Olympiade in Sotschi, in www.aktuell.ru 30.12.2009
Siemens beliefert Olympische Winterspiele 2014 in Sotschi, www.siemens.com 25.3.2010
Siemens-Geschäft mit Schwung an der Skipiste, in www.siemens.com 14.1.2012
Siemens ist offizieller Technologiepartner der FIS Alpine Ski WM 2013, www.schladming2013.at
Siemens liefert 700 Loks nach Russland, in manager-magazin.de 16.11.2012
Siemens profitiert von Olympia in Sotschi, in handelsblatt.com 23.3.2010
Siemens verkauft 700 E-Loks nach Russland, in spiegelonline 16.11.2012
Siemens, Umweltfreundliche Ski-WM, www.cee.siemens.com 3.1.2013
Telloglou, Tasos, Ott, Klaus, Siemens verhandelt mit Athen über Schuldendeal, in sueddeutsche.de 27.2.2012
Wikipedia
www.ambrafrance-de.org
www.siemens.com

 

 

Jul 092013
 
Zuletzt geändert am 04.03.2014 @ 11:04

Pressestimmen zu einem Sport-Drama

Wolfgang Zängl 9.7.2013, aktualisiert 4.3.2014

Vom 15. bis 30. Juni 2013 fand in Brasilien der Confederations-Cup in statt: Das ist ein interkontinentaler Fußball-Wettbewerb für Nationalmannschaften unter der Regie der Fifa. Millionen Einwohner protestierten. Anbei einige Pressereaktionen zum Ablauf.

„Angefangen hatte es am 13. Juni in São Paulo, weil die Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr um 20 Centavos erhöht worden waren. Von 3 Reais auf 3,20 Reais, 1,12 Euro. Das klingt nach wenig und ist für viele Pendler trotzdem eine ganze Menge, Brasilien wird zunehmend unbezahlbar. Immer mehr Autos verstopfen die Straßen, ausgespuckt von riesigen Fabriken und gefüttert mit Benzin und Ethanol. Aber in Transportmittel für jedermann wurde nicht besonders viel investiert“ (Burghardt 19.6.2013).

15.6.2013

Frank Molter, Geschäftsführer der Firma Hightex aus Bernau am Chiemsee, die Membran-Dachonstruktionen für die drei Fußballstadien in Porto Alegre, Natal und Rio (Maracana) liefert, will keine Kritik gelten lassen: „Man könnte stattdessen sagen: Seht her, was für ein tolles Stadion die Metropole Rio jetzt hat. darauf können sie stolz sein. Ein bisschen mehr Spaß am Leben könnte uns auch nicht schaden“ (Myer-Blankenburg 15.6.2013).

17.6.2013

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Eröffnungs-Auspfeifen: Am 15.6.2013 wurde (wie in den Fußball-Stadien inzwischen üblich) Fifa-Präsident Sepp Blatter ausgebuht, dann die daneben sitzende brasilianische Staatspräsidentin Dilma Roussef (Kistner 17.6.2013).

– Demonstrationen: Die Demonstranten wollen „mehr Investitionen in Bildung und Gesundheit anstatt Milliarden von Staatsgeldern für die sportlichen Großanlässe und kritisierten Zwangsräumungen im Zuge der Vorbereitungen. Die Kundgebung in Brasilia wurde von einem Heer von Polizeikräften unter Einsatz von Tränengas und Gummischrot aufgelöst… wer den Diskussionen im Internet folgt, findet Wortmeldungen einer jungen Generation von Brasilianern“ (Brühwiller 17.6.2013). Diese junge Generation schreit „nach einem Ende der Korruption und nach einem funktionierenden öffentlichen Dienst, die die hohen Steuern und Lebenshaltungskosten rechtfertigt“ (Ebenda).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Brot oder Spiele: “Etwa 100.000 Menschen zogen am Montag durch Rios Zentrum. 200.000 sollen in ganz Brasilien demonstriert haben” (Wißmann 18.6.2013). Eine Demonstrantin hielt ein selbstgemaltes Plakat in die Höhe. ‚O circo custaria nosso pao’ – Der Zirkus wird uns das Brot kosten (Ebenda).
Vergleiche im Kritischen Olympischen Lexikon: Brot und Spiele

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Schulsystem: „Zwischen 2002 und 2010 habe fast die Hälfte aller Schulen dichtgemacht, bevorzugt im ländlichen Raum“ (Kistner 18.6.2013).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Blatter 1: „Der Fußball ist stärker als die Unzufriedenheit der Menschen. Wenn der Ball einmal rollt, werden die Menschen das verstehen, und es wird aufhören… Ich finde, diese Personen nutzen die Plattform des Fußballs und die Anwesenheit der internationalen Presse, um bestimmte Proteste klar zu machen. Ich habe Dilma und Aldo gesagt, dass wir ihnen vertrauen“ (kleinezeitung.at 17.6.2013). – „Wie die FIFA betonte,seien die Demonstrationen Angelegenheit des Gastgebers“  (Ebenda).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">18.6.2013

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Der Sportminister: „Nach Einschätzung der Fifa werden die Proteste jedoch nicht zunehmen, der Fußball sei stärker als die Unzufriedenheit. Sportminister Aldo Rebelo wurde deutlicher: „… Die Spiele werden stattfinden. Wir werden keine Gegenbewegung dulden“ (euronews.de 18.6.2013).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Sport-Steuerschulden: Die 80 Profiklubs haben eine Steuerschuld von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro: „Über Rückzahlungen wird da nicht groß nachgedacht. Vielmehr sei schon ein Vorstoß der Fußball-Lobby bei Sportminister Aldo Robelo deponiert, heißt es in Kongresskreisen, demnach soll Staatspräsidentin Dilma Rousseff einen Antrag zur Streichung dieser unschönen Lasten einbringen“ (Kistner 18.6.2013).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">Fifa-WM-Gesetz: „Mit dem WM-Gesetz wurde unter anderem der einheimische Kleinhändlermarkt verdrängt und der Weg der FifaSponsoren wie den US-Braukonzern Budweiser freigeräumt, der sein Bier in den WM-Arenen ausschenken darf. In Stadien, in denen sonst nicht von ungefähr ein striktes Alkoholverbot für ein manchmal allzu leidenschaftliches Publikum gilt“ (Ebenda).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Fußball oder Soziales: „’Was die Brasilianer umtreibt, ist der Verlust ihrer Kaufkraft mit der Inflation und die Unfähigkeit des Staates, konkrete Lösungen zu finden, was die Krise der Bereiche Gesundheit, Bildung, Sicherheit und Transport betrifft’“, schreibt die Zeitung ‚Folha de São Paulo’. Was dagegen definitiv nicht helfe: mehr Fußball“ (Peters 18.6.2013).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Fahrpreiserhöhungen: Mitte Juni 2013 protestieren über 200.000 Menschen in mehreren brasilianischen Städten gegen die FußballWM und ihre Milliarden-Kosten, dazu Fahrpreiserhöhungen in Sao Paolo. „Auslöser war eine Erhöhung der Bus-Fahrpreise Anfang des Monats. Doch längst geht es nicht mehr um die 20 Centavos (ca. 8 Cent; WZ) teureren Busfahrkarten. Der Unmut richtet sich auch gegen die überteuerten Stadien, die Kungelei zwischen Regierenden und Fifa und Kleptokraten in Kongress und Senat“ (spiegelonline 18.6.2013a). – „Brasiliens Wirtschaftswachstum lag im ersten Quartal 2013 nur noch bei 0,6 Prozent. Die Inflationsrate stieg hingegen bis Mai auf 6,5 Prozent, die Lebensmittelpreise stiegen sogar um 13 Prozent“ (spiegelonline 18.6.2013a).
Die Demonstranten „wollen nicht, dass Brasilien immer teurer wird und Milliarden für Stadien ausgibt, statt für Schulen und Krankenhäuser. Sie wollen mehr Wohnungen und weniger Einkaufszentren, billigere Verkehrsmittel und mehr Justiz. Sie wollen weniger Korruption, weniger Gewalt, weniger Straflosigkeit“ (Burghardt 18.6.2013a).

– Martialische Militärpolizei: „Die meisten Widerständler sind junge, friedliche Leute, unter ihnen viele Studenten. Manche hatten sich Brasiliens Nationalfarben in die Gesichter gemalt und trugen Flaggen. Nur eine Minderheit war in Kampfstimmung. Doch die Militärpolizei nutzte auch diesen Anlass, um eine Kundgebung in eine Feldschlacht zu verwandeln. Martialische Sicherheitsleute mit schwarzen Rüstungen waren teils zu Fuß angerückt, teils auf Pferden, über ihnen flog ein Hubschrauber. Sie hatten Hunde dabei und Knüppel und verschossen Gummipatronen und Tränengas. Dazu wurde Pfefferspray versprüht, bis auch Unbeteiligten die Augen brannten, acht Demonstranten wurden verhaftet… Die Demonstranten waren entsetzt, die Ordnungshüter zufrieden. Hauptsache, die Kundgebung kam nicht zu nahe an das Maracanã heran. „Das Ziel der Militärpolizei, dass dieses Ereignis stattfinden konnte, wurde erfüllt“, meldete Oberst Frederico Caldas. Er meinte das Fußballspiel…
Die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Brasilianer sowie der schlechte Zustand von öffentlichen Schulen und Krankenhäusern steht im Kontrast zu den wahnwitzigen Ausgaben der Regierung für die Fußball-WM. Die Generalprobe dafür ist derzeit der Konföderationen-Pokal, hinzu kommen auch die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro. Allein die WM soll elf Milliarden Euro verschlingen, gewaltige Summen scheinen in dunklen Kanälen zu verschwinden, was bei aller Sportbegeisterung nicht wenigen missfällt“ (Burghardt 18.6.2013b).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Ordenflut: Der frühere Verbündete der brasilianischen Militärdiktatur, José Maria Marin (82 Jahre alt) ist heute CBF-Chef und möchte 2014 wiedergewählt werden. Als er jetzt den Verdienstorden von Brasilia erhielt, zeigte er sich bei seinen potentiellen Wahlmännern mit einer Feier in einem Edelrestaurant erkenntlich: „Zum Gelage ließ er sämtliche Cartolas (Sportfunktionäre; WZ) der Erstligaklubs und aller Verbände einfliegen“ (Kistner 18.6.2013). Sein Stellvertreter Marco Polo del Nero wurde ebenfalls geehrt: „2012 waren Haus und Kanzlei des Advokaten von der Bundespolizei durchsucht und er selbst kurzzeitig festgenommen worden. Erst kurz zuvor war del Nero in den Fifa-Vorstand eingerückt“ (Ebenda).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Unbezahlbare Eintrittspreise: Fazit der Kommerzialisierung des Fußballs durch die Fifa-Herren Havelange, Blatter, Teixeira etc.: “Außerdem kann sich der Durchschnittverdiener die neuen, erhöhten Eintrittspreise nicht leisten. Fußball, einst der große Gleichmacher, wird zur Klassenfrage” (Wißmann 18.6.2013).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">„Sao Paulos Bürgermeister Fernando Haddad signalisierte nach den Massenprotesten erstmals, dass es möglicherweise eine Rücknahme der Preiserhöhung geben könne“ (spiegelonline 18.6.2013b).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">19.6.2013

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Graffity an einer Wand in Sao Paulo: „Die Busfahrer sind unser Taksim-Platz“ (Schoepp 19.6.2013).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">Der brasilianische Rapper Emicida: „Unsere Schulen im Land sind miserabel ausgestattet, die Krankenhäuser eine Katastrophe, die Polizei killt Leute, wie sie gerade Lust hat, und der Staat hält sich nicht an Gesetze. Ich bin Brasilianer, ich liebe Fußball, aber ich möchte, dass die Regierung auch die Vorraussetzungen schafft, dass es allen Brasilianern in ihrem eigenen Land gut geht. Und nicht nur den Ausländern, die für ein paar Wochen hier zu Gast sind… Es gibt keinen Wohlstand ohne Korruption und Lügen“ (In Brasilien geht nichts ohne Korruption und Betrug, in spiegelonline 19.6.2013).

Stadien statt Krankenhäuser: In Brasilien sind ähnliche Fehlinvestitionen absehbar, etwa in der Hauptstadt Brasília. Das neue Nationalstadion kostete statt der geplanten 275 Millionen Dollar am Ende mehr als 480 Millionen Dollar. Nach der WM werden die meisten der 72.000 Plätze jedoch höchstens noch für große Popkonzerte gebraucht: Der lokale Fußballclub spielt nur in der dritten Liga. ‚Zwei Kilometer von hier verfallen die Krankenhäuser und Schulen‘, sagt ein Student, der sich den Protesten vor dem Stadion angeschlossen hat. Und auch in Manaus, Natal oder Cuiabá fehlt es an hochklassigen Clubs, um die neuen Stadien nach der WM zu füllen“ (Diekmann 19.6.2013).

Diktatorenfreund. José Maria Marin, Präsident des brasilianischen Fußballverbandes, „war ein glühender Verteidiger der Militärdiktatur, die von 1964 bis 1985 im größten Land Lateinamerikas herrschte. Als Abgeordneter im Landesparlament von São Paulo hielt er eine Lobrede auf einen berüchtigten Folterknecht der Generäle. Präsidentin Rousseff, die für eine linke Splittergruppe im Untergrund kämpfte, wurde von Schergen der Militärs festgenommen und gefoltert. Im kommenden Jahr wird Diktatur-Verehrer Marin voraussichtlich die Fußballweltmeisterschaft eröffnen. ‚Sein Auftritt wäre eine weltweite Schmach für Brasilien’, sagt der Sportjournalist Juca Kfouri. (…)
Marin hat beste Kontakte zu den Streitkräften und ultrareaktionären Kreisen in der Politik. Während der Diktatur gehörte er der rechten Partei Arena an, die von den Militärs gegründet wurde… Menschenrechtler machen Marin mitverantwortlich für den Tod des Diktaturgegners Vladimir Herzog. Herzog leitete den Fernsehsender TV Cultura in São Paulo, als er 1975 von einem Greiftrupp der Militärs festgenommen wurde. Seine Häscher brachten ihn in ein Folterzentrum, dort starb er kurz darauf. Die Militärs stellten seinen Tod als Selbstmord dar, in Wirklichkeit wurde er wahrscheinlich zu Tode gefoltert. Zwei Wochen vor Herzogs Tod hatte Marin im Landesparlament von São Paulo das Programm von TV Cultura kritisiert. Der Sender sei unpatriotisch und von subversiven Elementen unterwandert. (…)

Herzogs Sohn Ivo führt die Kampagne zur Absetzung des CBF-Präsidenten an, er hat über 54.000 Unterschriften gesammelt. ‚Marin gehört nicht zur Welt der Demokratie“, sagt er. „Es ist so, als ob ein Altnazi die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland organisiert hätte’“ (Glüsing 19.6.2013).

„Der 81-Jährige galt während der brasilianischen Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 als Günstling der Generäle. Rousseff befand sich in dieser Zeit im Widerstand und landete gar in einem der berüchtigten Foltergefängnisse. Kaum verwunderlich, wollte sie an diesem Abend keinesfalls mit dem ehemaligen Bürgermeister São Paulos abgelichtet werden. Doch das Protokoll des Abends liess das Unvermeidliche eintreffen: Links der Präsidentin sass Marin und zu ihrer Rechten der ungeliebte Fifa-Präsident Sepp Blatter. Alle drei wurden sie mit Pfiffen und Buhrufen eingedeckt. Für die ansonsten populäre Rousseff eine im höchsten Masse peinliche Erfahrung“ (Sturzenegger 20.6.2013).

– Verheizte Fußballer: „Im Fußballverband haben die Präsidenten der regionalen Verbände das Sagen. Sie sind dafür verantwortlich, dass es insgesamt 27 Meisterschaften der Bundesstaaten gibt, die Spieler werden bis an den Rand der Erschöpfung ausgelaugt. Im vergangenen Jahr besuchten durchschnittlich 13.000 Zuschauer die Spiele der nationalen Meisterschaft. Bei den regionalen Wettbewerben blieben die Stadien zumeist leer. ‚Die Funktionäre tragen die Hauptschuld am Niedergang des brasilianischen Fußballs’, sagt Journalist Kfouri“ (Ebenda; Hervorhebung WZ).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">Adidas-Chef Herbert Hainer: „Aber sobald die WM startet, werden die Demonstrationen vorbei und die Menschen vom Fußball begeistert sein. Die WM wird dem ganzen Land helfen, so wie sie 2006 auch Deutschland geholfen hat“ (Ritzer 19.6.2013).

Blatter 2: „Brasilien hat diese WM verlangt. Wir haben Brasilien diese Weltmeisterschaft nicht aufgezwungen. Sie wussten, um die WM zu bekommen, müssen Stadien gebaut werden“ (spiegelonline 19.6.2013).

„Derweil haben sechs Austragungsstädte des Confed Cups um die Entsendung von Truppen der brasilianischen Nationalgarde gebeten.“ (Ebenda)

Kommentar von Andreas Rüttenauer in der taz: „Hallo! Ist da irgendjemand auf dieser Welt, der die Fifa nicht für eine Mafiaorganisation hält? Gibt es jemanden, der Sepp Blatter für eine ehrliche Haut hält? Ist da jemand, der sich wundert, wenn im Zusammenhang mit dem Internationalen Fußballverband von Korruption die Rede ist?
Nein? Hallo, liebe Fifa-Freunde in der weiten Fußballwelt, wo seid ihr? Es gibt wohl niemanden, der hier die Hand heben würde. Die Fifa ist ein Drecksverein. Jeder weiß das – auch der verrückteste Fußballjunkie. (…)
Und doch ist die Organisation noch immer in der Lage, ganze Staaten zu erpressen. Sie hat den Fußball so groß gemacht, dass die Länder, die sich darum bewerben, die Ausrichtung einer Weltmeisterschaft als Auszeichnung verstehen. Und so ist auch Brasilien auf die Knie gegangen. Es wurden Milliarden in irrwitzige Stadionprojekte gesteckt, es wurden Gesetzte verabschiedet, die der Fifa steuerfreie Gewinne zusichern, die den Sponsoren besonderen Schutz zuteil werden lassen, die jedes Risiko dem Staat zumute (…)
Die wütenden Bürger könnten auch dafür sorgen, dass Staaten, die stolz auf ihre demokratischen Verfasstheit sind, nicht mehr vor der Fifa in die Knie gehen. Jérôme Valcke, der Generalsekretär des Verbandes hat schon mal unverblümt ausgesprochen, dass es nervig ist, Turniere in demokratischen Gesellschaften zu veranstalten: Es müsse so viel verhandelt werden, bis man endlich habe, was man will“ (Rüttenauer 19.6.2013).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">20.6.2013

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Abflug. „Nach seinem Nachtflug aus Brasilien in die Türkei muss sich Joseph Blatter vorgekommen sein wie im Märchen vom Hasen und dem Igel. Egal wo er auch hinkommt – eine Diskussion über Demonstrationen und Gewalt ist schon vor ihm da. Der Fifa-Präsident verlässt das WM-Gastgeberland inmitten der Massenproteste während des Confed-Cups – und jettet ins nächste Krisengebiet, wo die Menschen unzufrieden mit der Politik des eigenen Landes sind“ (sueddeutsche.de 20.6.2013).

21.6.2013

– Keine Absage?!: Fifa-Sprecher Pekka Odrizola: „Es wurde weder darüber diskutiert noch in Erwägung gezogen, den Confederations Cup oder die WM abzusagen“ (spiegelonline 21.6.2013).

– Fußball-Idol Pelé liegt falsch. „’Vergessen wir dieses ganze Chaos, das in Brasilien geschieht, und denken wir daran, dass das brasilianische Team unser Land, unser Blut ist“, verkündete Pelé am Mittwoch in einer Videobotschaft für den Fernsehsender Globo. Das Volk solle nun aufhören mit den Protesten und sich darauf konzentrieren, die Mannschaft zu unterstützen: ‘Ich bitte die Brasilianer, nicht die Themen durcheinanderzubringen. Wir beginnen gerade, uns auf die Weltmeisterschaft vorzubereiten.’ Seit der Ausstrahlung dieses Videos ergeht ein Shitstorm über Pelé. Zehntausende, Hunderttausende machen ihrem Ärger über das Idol auf Facebook und Twitter Luft, nennen ihn einen ‚Verräter’ und ‚Vertreter des Großkapitals’. Bei der großen Demonstration in Rio de Janeiro gestern Abend schwenkten Protestler Transparente gegen ihn. In Belo Horizonte skandierten sie ‚Pelé, verpiss dich’“ (spiegelonline 21.6.2013a).

top-alt: auto; mso-margin-bottom-alt: auto;">– Mehr als eine Million Brasilianer demonstrieren. Am 20.6.2013 protestierten gegen die FußballWM 2014 in Brasilien und die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro: 300.000 Menschen in Rio, 10.000 in Sao Paolo, 50.000 in Recife, 15.000 in Brasilia etc.. Beklagt wurde, dass die Lebenshaltungskosten nach oben geschossen sind, die Steuerlast zugenommen hat, dass sich das Schul- und Krankenhaussystem verschlechtert hätte – bei gleichzeitigen Milliardeninvestitionen in WM und Olympische Spiele. Auf Plakaten stand: “Der Fußball steht über den Rechten – warum, Dilma?” Staatspräsidentin Dilma Rousseff sagte ihre Japan-Reise ab (spiegelonline 21.6.2013c; spiegelonline 21.6.2013b).

– Regierung lenkt ein. In Sao Paulo, Rio de Janeiro und anderen Städten werden die Fahrpreiserhöhungen für Busse zurückgenommen. Sprecher der Bewegung „Movimento do Passe Livre“ (Bewegung für freie Fahrt) feierten die Rücknahme als Sieg; es gehe ihnen aber um mehr: „ein besseres Bildungssystem, weniger soziale Gegensätze, kostenlosen Nahverkehr, mehr Krankenhäuser und weniger Straflosigkeit für korrupte Politiker… Der Bürgermeister von Rio, Eduardo Paes, kündigte indes an, er werde die Kosten bei Bildung und Gesundheit hereinholen“ (Schoepp 21.6.2013).

– Fragen: „Die meisten Revoluzzer kommen aus der Mitte der Gesellschaft, genauso wie in Istanbul, Kairo oder Madrid… Immer mehr Brasilianer fragen sich, ob ein Staudamm in den Regenwald und ins Indianergebiet gerammt werden muss, weshalb Großrundbesitzer die Ureinwohner verjagen, wieso sich Politiker die Taschen vollstopfen und warum Polizisten straflos morden. Stimmen im Parlament wurden gekauft, Richter verdienen fürstlich. Den meisten Brasilianern dagegen reicht das Geld nicht mehr, weil ihr Land mit dem Aufstieg sagenhaft teuer geworden ist. Sao Paulo und Rio de Janeiro haben ein Preisniveau wie New York. Die Leute fragen sich jetzt, wie der weltgrößte Sojabauer Chef des Umweltausschusses werden konnte, obwohl er ein legendärer Kahlschläger ist und von Greenpeace die ‚Goldene Kettensäge’ bekam. Und sie fragen sich, warum staatliche Schulen und Krankenhäuser verfallen, wenn offenbar Milliarden für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 übrig sind“ (Burghardt  21.6.2013).

– Danke, Brasilien! „Damit haben sie nicht gerechnet, die Herren des Weltfußballverbandes (Fifa). Eine Million Menschen demonstrierten am Donnerstagabend in 100 Städten gegen teure Stadien und den Gigantismus der Fifa. Ausgerechnet in Brasilien, dem fußballverrücktesten Land der Welt, in dem Männer auf der Straße stehen, mit einem Ball jonglieren und dafür Geld bekommen. Der Protest richtet sich natürlich nicht nur gegen die Fifa. Den Menschen geht es um die Unfähigkeit ihrer Regierung, die es nicht schafft, die soziale Entwicklung der wirtschaftlichen anzugleichen. Ihnen geht es um Korruption und Inflation. Doch untrennbar damit verbunden ist der Kniefall der brasilianischen Regierung vor der Fifa und dem IOC, den Wächtern über die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016. Die Menschen in Rio, São Paulo und Belo Horizonte tun damit der ganzen Welt einen Gefallen. Ihre Proteste zeugen nicht nur von der demokratischen Reife eines Landes, das noch vor 30 Jahren von Generälen regiert wurde. Sie setzen den Sportgiganten auch ein Stoppschild: Bis hierhin, und nicht weiter. Endlich erhebt sich eine Demokratie gegen die zutiefst anti-demokratische Fifa… Die großen Sportverbände werden umdenken müssen. Das wird allen guttun, auch den Sportlern und den Wettkämpfen, um die es bei diesen Großereignissen längst nur noch am Rande geht. Dafür: Danke, Brasilien!“ (Spiller 21.6.2013).

22.6.2013

– Blatter 3:
„Es wirkt wie eine Themenreise. Sepp Blatter hat Brasilien am Donnerstag verlassen. Der Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa flog in die Türkei, wo am Freitag die Weltmeisterschaft der U20-Mannschaften begann… In Brasilien, wo gerade der Confederations Cup gespielt wird, der als Generalprobe für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 dient, musste Blatter Massenproteste erleben, die sich auch gegen den Gigantismus richten, die seine Organisation dem Land oktroyiert hat. Und in der Türkei erwartet ihn ebenfalls eine angespannte Lage, welche die gewaltigen sportpolitischen Ambitionen des Landes erschüttern könnte. (…)
… das WM-Vorspiel bietet einen Anlass, gesamtgesellschaftliche Fragen zu stellen: Ist so ein Turnier den Aufwand wert? Ließe sich das viele Geld nicht andernorts klüger investieren? Wieso dürfen die internationalen Sportverbände bei der Vergabe ihrer Großereignisse so viele Bedingungen diktieren? Und wieso gelten für die Besteuerung ihrer Einnahmen so oft Sonderregeln?… Panem et circenses , die alte Ablenkungsformel von Brot und Spielen – sie wirkt nicht mehr. Für die Global Player der Sportindustrie bedeutet das eine einschneidende Veränderung. Als Monopolisten konnten sie sich lange fast alles erlauben. Nun müssen sie reagieren… Die Machtstrukturen, die in der Fifa und im Internationalen Olympischen Komitee herrschen, blockieren Erneuerungsprozesse. Und das althergebrachte Personal ist offenbar unfähig, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Vor seiner Abreise hat Sepp Blatter, 77, den Brasilianern ausgerichtet, er verstehe all ihre Proteste schlicht nicht. Der ‚gute Fußball und die hervorragenden Stadien’ seien doch nur dazu da, ‚zu unterhalten und Emotionen zu geben’“. (Hofmann 22.6.2013; Hervorhebung WZ).

– Es war eimal ein Traumstrand. Thomas Kistner berichtet vom Besuch eines Fußballspiels im Stadion „Castelâo“: „Die Favela ‘Mata Galinha’, frei übersetzt: „Totes Huhn“, liegt weit weg von Fortalezas palmenumwehten Stadtstränden Mucuripe und Meireles. Trotzdem hat das tote Huhn etwas zu bieten: Ein Ufo ist am Rande der Favela gelandet. Es ist von absurder Dimension, beherbergt 65.000 Sitze, Aufzüge über vier Stockwerke, gläserne Luxuslogen und nennt sich Stadion ‘Castelão’. Das Ufo ist so gewaltig, dass es sogar auf das Meer vor Mucuripe und Meireles zugreift.. Zehntausende Protestler gingen hier auf die Barrikaden, denn auch die Nordestinos fragen sich, was so ein Trumm bei ihnen soll… Es gibt keine Taxis in der Favela. Nur viele Gassen. Bleibt also nur der Weg nach vorne, auf der neu asphaltierten Straße Richtung Ufo, es ist ja nicht weit. Rein in die Menge, die überwiegend friedlich demonstriert, aber hin und wieder von Vermummten und Krakeelern auf Trab gebracht wird. Und von den Knallkörpern, die ständig irgendwo detonieren; dunkler Qualm steigt auf, manchen ergreift Panik, Leute rennen andere Leute über den Haufen. Am Himmel knattern Helikopter, dick wattierte Militärpolizisten beugen sich raus. Und die breite Straße hier, die zum Ufo führt, ist bald brechend voll…Was dieses Ufo hier sucht? Man muss das die Politiker fragen, die in den Luxuslogen die Puppen tanzen lassen. Sie haben das Ufo mit Hunderten Millionen Reais gefüttert und dabei ignoriert, dass es im strukturschwachen Nordosten ganz andere Probleme gibt. Etwa das mit der Kanalisation: Leider war kein Geld mehr da, um neue Rohre zu installieren. Deshalb landet der Unrat direkt im Meer. So verschmutzt ist das Wasser, dass die Nordestinos ihre Traumstrände Mucuripe oder Meireles nicht mehr zum Schwimmen nutzen können: Baden verboten.  Fast möchte man auf die Straße gehen“ (Kistner 22.6.2013; Hervorhebung WZ).

– „Olympischer Friede“:Rousseff kündigte Maßnahmen an, um die Mängel im öffentlichen Dienstleistungssystem zu beseitigen: ‚Wir können sehr viele Dinge viel besser machen.’ Es solle ein Plan zur Verbesserung des öffentlichen Transportwesens entwickelt, mehr Geld aus den Öleinnahmen in die Bildung investiert und Ärzte aus dem Ausland nach Brasilien geholt werden… Am Freitagabend protestierten in mehreren Städten des Landes erneut Tausende von Menschen gegen Korruption und soziale Missstände. In Barra da Tijuca im Westen Rios, wo das olympische Dorf für die Sommerspiele 2016 entsteht, setzte die Polizei kurzzeitig Tränengas ein“ (spiegelonline 22.6.2013).

23.6.2013

– „Teflon-Sepp“,  von Jens Weinreich:Joseph Blatter ist eigentlich hart im Nehmen. Teflon-Sepp nennen manche den Präsidenten des Fußball-Weltverbandes Fifa. Seit mehr als einem Jahrzehnt wird Blatter in den Stadien der Welt nun schon ausgepfiffen. Sein Verband gilt vielen Menschen als Synonym für Vetternwirtschaft und Korruption, für skrupellose Geschäftemacherei… Brot und Spiele. Fußball als Opium fürs Volk. Es hat irgendwie immer funktioniert. Bis jetzt… Im fußballverrücktesten Land des Planeten demonstrieren Millionen Menschen nicht nur für bessere Lebensbedingungen, für Bildung, Gesundheitsfürsorge und eine faire Chance an der gesellschaftlichen Teilhabe. Sie demonstrieren gegen das Fußball-Geschäft! Gegen Geschäftemacherei, Korruption, gegen Gigantismus und die Verschleuderung von Steuermitteln für den Bau überdimensionierter Arenen, die nach der Sause – ob nun nach der Fußball-WM 2014 oder den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro – kaum vernünftig genutzt werden können (…)
Die Menschen demonstrieren gegen diese White Elephants genannten sportiven Investruinen – und damit direkt gegen die Fifa und deren Pflichtenhefte. Gegen Sepp Blatters engste Freunde und Geschäftspartner: die kriminellen Cartolas, Brasiliens Fußballfunktionärsclique, die seit Jahrzehnten den Lauf der Dinge bestimmt und zu denen Blatters Fifa-Vorgänger João Havelange zählt. Ausgerechnet in Brasilien scheint sich die Fifa-Welt zu ändern. Dabei hat Blatter so fleißig Portugiesisch gepaukt. Doch nun hört ihm niemand mehr zu. (…)
Blatter verkauft seine Fifa konsequent als Weltverbesserungsanstalt, er will den Weltfrieden retten, die Armut und den Hunger bekämpfen und den Analphabetismus abschaffen. Die Welt retten, darunter macht es die Fifa nicht, „Für den Fußball – für die Welt“ lautet nicht umsonst ihr Slogan. Aber zur Erinnerung: Es ist nicht der Slogan der Caritas, sondern eines Milliardenkonzerns mit Sitz in Zürich, der deshalb statuarisch als Verein organisiert ist, weil er sich damit gewissen steuerlichen Verantwortlichkeiten und einer stärkeren Kontrolle durch Gesetzgeber entziehen kann“ (Weinreich, Jens, Wir sind das Fußball-Volk! In spiegelonline 22.6.2013).

– Rechte Fußballfunktionäre: „Man nennt sie die Cartiolas. Eine Kaste korrupter brasilianischer Sport- und Fußballfunktionäre… Die Cartolas um Havelange und den amtierenden Präsidenten des brasilianischen Fußballverbandes CBF, José Maria Marin, 81, gehörten stets den Ultrarechten an. Immer an der Seite der Militärdiktatoren, ob nun im eigenen Land zwischen den Sechziger- und Achtzigerjahren, oder in Argentinien, wo Havelange 1978 die WM ausrichten ließ. In Argentinien machte Havelange Privatgeschäfte mit General Videla und anderen aus der Mörder-Clique der Junta. Mit Admiral Carlos Alberto Lacoste, der als Fifa-Vizepräsident eingesetzt wurde und lange für die Finanzen des Weltverbandes zuständig war (…)
Ein Schützling der Junta-Generäle heißt Julio Humberto Grondona, 81, er wurde 1979 als Chef des argentinischen Verbandes Afa installiert. Grondona ist Erster Vizepräsident und Finanzchef der Fifa. Blatters wichtigster Mann. Grondona, der angeblich Schwarzkonten in mehreren Ländern unterhält, die mit mehr als 100 Millionen Dollar gefüllt sein sollen, widersetzt sich allen zarten Reformansätzen. (…)
Havelanges ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Terra Teixeira war seit 1989 CBF-Präsident, er hatte einen quasi lebenslangen Sitz im Fifa-Exekutivkomitee und war Boss des Organisationskomitees der WM 2014 in Brasilien. Als solcher hatte er mit sich selbst als CBF-Präsident einen Vertrag abgeschlossen: Eventuelle Millionengewinne des WM-OK sollten auf sein Privatkonto fließen. Für Verluste wäre er nicht verantwortlich gewesen. (…)
Die WM 2014 in Brasilien ist ein Gemeinschaftsprodukt der Cartolas des CBF, der Fifa und der südamerikanischen Fußballkonföderation Conmebol, als deren Präsident nun Nicolás Leoz, 84, aus Paraguay ins Spiel kommt. Leoz hat mehr als eine Million Franken Schmiergeld von der ISL erhalten und trat deshalb im Frühjahr von seinem Posten in Fifa und Conmebol zurück. Den WM-Plan hatte er aber einst mit Havelange, Teixeira, Grondona und Blatter ausgeheckt “ (Weinreich 23.6.2013; Hervorhebung WZ).

24.6.2013

– Reich und Arme: „Öffentliche Busse, Züge und Straßen sind teilweise eine Beleidigung für ihre Nutzer, ebenso staatliche Schulen und Krankenhäuser. Wer jemals stundenlang in einem Stadtbus in Rio eingequetscht war oder in São Paulo Ewigkeiten im Stau stand, der ahnt das – viele Brasilianer erleben es jeden Tag. Nur die Elite kann sich erstklassige Versorgung, beste Wohnlagen oder gar Hubschrauber leisten. Für Normalverdiener sind Brasiliens Metropolen angesichts von Immobilienpreisen wie in New York und unverschämten Telefongebühren kaum mehr zu bezahlen. Vor diesem Hintergrund wirken die zwölf neuen Luxusarenen für die WM wie eine Provokation. Wie Monumente von Verschwendung und Bestechung. ‚Copa pra quem?’, fragt die kritische Masse, eine berechtigte Frage: WM für wen? Für Fifa, VIPs, Unternehmer, Politiker, Oberschicht. Die Stadien sind Erste Welt, die Versorgung ist Dritte Welt, spotten Kritiker. Brot und Spiele“ (Burghardt 24.6.2013).

– Mehr Brot, weniger Spiele: „Beim Aufstand in Brasilien prallten das große Geld der wenigen und die leeren Taschen der vielen aufeinander. Das war ein besonders fantasievolles Transparent bei den jüngsten Protesten in Brasilien: ‚Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten, wir verändern soeben Brasilien! (…)
‚Brot und Spiele’, mit dieser politischen Zauberformel haben römische Kaiser ihr Volk beruhigt. Wer genug zu essen hat und genug Unterhaltung hat, ist ruhig. Das war wohl auch eine Überlegung der politisch Verantwortlichen und der Sportfunktionäre in Brasilien. Die zwei Mega-Sportevents sollten den Nationalstolz beflügeln und dem sogenannten Wirtschaftswunder unter Präsidentin Dilma Rousseff die Krone aufsetzen. Völlig unerwartet ist dieser Schuss nach hinten losgegangen. Denn für viele Brasilianerinnen und Brasilianer stimmt die Rechnung nicht mehr, Sie haben wenig Brot und sehen nur teure Spiele. (…)
Brasilien ist in den vergangenen Tagen zu einem Brennpunkt des großkapitalistischen Spiels geworden: Weltmeisterschaften und Olympia sind ganz nach dem Geschmack von Grundstückspekulanten, Bauherren und Tourismusmanagern. Wer schon bisher im unteren Drittel der Einkommenspyramide gelegen ist, geht bei diesen Spielen der Großen leer aus.
Die Botschaft der Demonstranten ist eindeutig: Mehr Brot, weniger Spiele!“ (Bruckmoser 24.6.2013).

– 4 bis 5 Milliarden Fifa-Gewinn. Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke plauderte zum vermuteten Gewinn der Fifa bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien: „Die genaue Zahl weiß ich nicht, es werden ungefähr vier Milliarden US-Dollar sein… Dies ist eine vorsichtige Schätzung – Berater gehen eher davon aus, dass der Betrag bei fünf Milliarden Dollar liegen wird“ (Sinnott 24.6.2013). Der ehemalige brasilianische Fußballstar Romario ist inzwischen im brasilianischen Parlament und kritisierte die Fifa: „Sie kommen, installieren den ganzen Zirkus, sie bezahlen überhaupt nichts, und dann nehmen sie alles mit.“ – „Der wirkliche Präsident unseres Landes ist die Fifa. Die Fifa kommt in unser Land und errichtet einen Staat im Staat“ (Ebenda).
Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young zählen zu den üblichen Schönrechnern von Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. Sie berechneten, dass die WM 2014 der brasilianischen Wirtschaft zusätzliche 50 Milliarden Dollar bringen würde, wovon 12,4 Milliarden $ in die Infrastruktur fließen und 28 Milliarden $ als Einkommen für die Bevölkerung bleiben würden. Das Gastgeberland Brasilien würde zusätzliche acht Milliarden $ einnehmen (Ebenda). Dabei wird allein die Fifa-Steuerfreistellung Brasilien 248,7 Millionen Dollar kosten. Das IOC wird dann 2016 vergleichbare Steuerbefreiungen erhalten (Ebenda).

25.6.2013

– Die Fußball-Funktionärs-Welt: „So ist nur logisch, dass die Fifa-Führer beim aufgewühlten Confed Cup die Weltentrücktheit fremder Sternbewohner offenbaren. Das Ganze beruhigt sich, wenn erst der Ball rollt, meinte Weltverbands-Präsident Sepp Blatter, ehe er den Brennpunkt Richtung Türkei verließ. Seitdem repräsentiert sein Statthalter Jérôme Valcke glänzend die verbandspolitische Ignoranz. Als in Salvador Steine gegen Fifa-Busse flogen, erzählte der Fifa-Generalsekretär der Zeitung O Globo : „Ich denke nicht, dass die Fifa das Gefühl haben sollte, etwas falsch gemacht zu haben. Wir sind nicht dafür verantwortlich, was passiert.“ Valcke, ein von Affären umwölkter Ex-Rechtehändler, ist der Mann, den man anhören sollte in diesen Tagen. Er vermittelt, wie weit sich der Planet Fußball von der Welt entfernt hat. Schon im April hatte er gesagt: „Um eine WM zu organisieren, ist weniger Demokratie manchmal besser.“ Stimmt. Das gilt auch für Olympia und ist seit Berlin 1936 bekannt. Es ist das Vergabemuster, das den WM-Turnieren 2018 in Putins Russland und 2022 in Katar zugrunde liegt. Es ist das Denkmuster auf Planet Fußball. (…)
Brasiliens katzbuckelnden Politikern zwangen sie ein WM-Gesetz auf, das Zehntausende Kleinhändler entrechtet und Kommunen ermächtigt, für das Event mehr Schulden aufzuladen als sonst erlaubt. Wenn die Cartolas mit ihrem Cup wedeln, zeigen auch demokratische Politiker demütig Einsicht in die Notwendigkeit von immer größeren Stadien, Flughäfen, Hotels. (…)
Als es los ging in Brasilien, ergriff IOC-Thronanwärter Thomas Bach (dessen Kandidatur Blatter fast als Erster begrüßte) das Wort. Im Hinblick auf die Spiele 2016 in Rio meinte er, Olympia sei ein ‚großartiger Katalysator, um positive Veränderungen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft anzustoßen’. Als einen Kernpunkt führte Bach den Straßenbau an. Doch freie Fahrt zu leeren Reit- oder Rugbystadien hilft nicht weiter im Kampf ums Brot. (…)
Wie wichtig ist heute der Sport? Ist er zu wichtig, als dass man ihn in den Händen von ein paar Dutzend Kameraden lassen darf? Gesellschaftsbewegende Ereignisse, die alle öffentlichen Bereiche durchdringen, wären unterm Dach von Institutionen wie der Uno besser aufgehoben. Wenn also die Welt auch künftig eine spannende Fußball-WM will, muss das ja nicht unbedingt eine Fifa-WM sein“ (Kistner 25.6.2013; Hervorhebung WZ).

– „Private Money“: Der damalige brasilianische Sportminister Orlando Silva versprach 2007: „Die Stadien für die Fußball-WM werden mit privatem Geld gebaut. Es wird kein Cent öffentliches Geld für die Renovierung der Stadien benötigt“ (Homewood 25.6.2013; Hervorhebung WZ).

26.6.2013

– Rousseffs Versprechungen: „Sie will ein Plebiszit einberufen und so die seit Jahrzehnten verschleppte Reform des politischen Systems anschieben. Im August sollen die Brasilianer darüber abstimmen, wie sie die Korruption bekämpfen und den Kongress transparenter gestalten wollen. Rousseff will alle Exekutivebenen – Präsidentin, Gouverneure und Bürgermeister – zu strenger Ausgabenkontrolle verpflichten, um die Inflation einzudämmen. Ärzte aus den Krisenstaaten Südeuropas sollen in den armen Regionen Brasiliens aushelfen, wo brasilianische Ärzte ungern arbeiten. Eine Steuerreform soll den öffentlichen Nahverkehr zur Priorität machen, bislang hat die Regierung vor allem die Produktion von Autos gefördert. Sämtliche Royalties aus den Einnahmen der Ölförderung sollen ins öffentliche Bildungssystem fließen. Ein neues Gesetz soll Korruption als ‚Schwerverbrechen’ ahnden. (…)
Letztendlich müsste für einen nachhaltigen Umbau des politischen System die Verfassung geändert werden. Das hatte die Präsidentin zunächst auch angestrebt, aber am Dienstagabend ruderte die Regierung zurück: Sie will die Reformen per Volksentscheid durchsetzen. Für eine Verfassungsreform fehlt ihr die Unterstützung in ihrem eigenen Regierungsbündnis“ (Glüsing 26.6.2013).

„Mensalao“: „Viele Abgeordneten lassen sich ihr Stimmverhalten bezahlen: Sie erwarten Vergünstigungen in Form von gut dotierten Posten bei Staatsunternehmen, Finanzspritzen für ihren Wahlkreis oder halten einfach die Hand auf: Auf allen Ebenen des Staates kommt es immer wieder zu Stimmenkauf. (…) Vertraute von Präsident Lula hatten den Stimmenkauf während dessen erster Amtszeit praktisch institutionalisiert: Die Regierung überwies Abgeordneten der verbündeten Parteien monatliche Beträge, damit sie wichtige Abstimmungen nicht blockierten. Dieses Schema, ‚Mensalao’ genannt, wuchs sich zum größten Skandal der Ära Lula aus, die Verantwortlichen wurden zur Rechenschaften gezogen und zu hohen Haftstrafen verurteilt“ (Ebenda).

27.6.2013

– Abtauch-Übung. “Längst sind die Fifa-Fahnen eingeholt vor dem nobelsten Hotel am Platz, dem Copacabana Palace direkt am Strand von Rios feinem Stadtteil. Das Emblem des Fußball-Weltverbandes wird in Brasilien allmählich zu einer Gefahr für alle, die es zeigen oder tragen. Brasiliens Sportfunktionäre, die Cartolas, sind gleich nach dem Eröffnungsspiel abgetaucht, bei dem Staatspräsidentin Dilma Rousseff und Fußball-Weltverbands-Chef Sepp Blatter ausgepfiffen wurden…
Brasiliens Nationaltrainer Felipe Scolari forderte am Freitag erzürnt die Medien auf, der Welt mitzuteilen, dass die Fifa seiner Seleção gar verboten habe, vor heimischem Publikum zu trainieren. Weil sich aber nun auch der staatstragend eskortierte Vergnügungstrip ins Stadion für die Fußball-Familie in einen Kreuzweg verwandelt hat, bot der Weltverband erstmals beim Confed Cup Sicherheitsmaßnahmen für Werbepartner und Gäste an – sagte zumindest ein Vertreter des Autosponsors Kia dem Landesportal UOL. Allein Kia unterhält mehr als 50 internationale Gäste, die zum Feiern kamen. Der Sprecher wollte nicht bestätigen, dass es einen Plan B gebe, der den Wechsel von Sponsor-Autos auf neutrale Fahrzeuge vorsieht.
Zum Halbfinale in Belo Horizonte hat sich das Oberhaupt der Fußball- Familie zurückgemeldet: Sepp Blatter kommt von der U20-WM in der Türkei zurück. Vor der Partie wollte er noch ein Forum mit dem Namen ‚Fußball für die Hoffnung’ eröffnen. Am Montag teilte die Fifa aber mit, dass ‚aufgrund einer unvorhersehbaren Änderung des Veranstaltungsortes die Eröffnungszeremonie, die für die Medien zugänglich sein sollte, abgesagt werden muss’. Jeder Auftritt Blatters kann ein neuer Zündfunken sein. Nun wird der Hoffnungs-Konvent vier Tage hinter verschlossenen Türen ablaufen. Und Blatter? Wurde direkt ins Stadion Mineirão expediert. Mit welchem Untersatz, wurde nicht verraten“ (Kistner 27.6.2013).

„Besonders enttäuscht sind die Demonstranten darüber, dass das Maracana-Stadion nicht mehr dasselbe ist. Es war kein Zufall, dass die Stadtplaner von Rio Ende der vierziger Jahre ausgerechnet dieses Grundstück für den Bau des Stadions wählten. Es liegt an einer zentralen Stelle in der Stadt, wo sich die armen Viertel des Nordens und die reichen Viertel der Südzone miteinander verbinden. (…) Ganz vorn weht eine Fahne, auf der das Stadion abgebildet ist. ‚O maracana é Nosso!‘ steht darauf. Das Maracana gehört dem Volk! (…) Und dann diese unglaubliche Nachricht: Die Regierung des Bundesstaates von Rio de Janeiro kündigte die Privatisierung des Stadions an. Die nächsten Jahrzehnte hat jetzt ein Konsortium das Sagen, an dem der Baukonzern Odeprecht das Sagen hat“ (Blasberg, Fischermann 27.6.2013).
28.6.2013

– Kampf gegen Favelas: „Für die Fußball-WM 2014 räumt Rio de Janeiro in seinen Favelas auf. Mit Panzern und Kampfhubschraubern dringen Spezialeinheiten in die Slums ein, um Drogengangs zu verjagen. Dabei zeigt die Besetzung der Elendsviertel vor allem eines: was schiefläuft im Land. (…) Jeder vierte der zwölf Millionen Einwohner des Großraums lebt laut Stadtverwaltung in einer illegal errichteten Siedlung. (…)
Und der ‚Komplex des Deutschen’, benannt nach einem frühen Siedler, war besonders verrufen: Epizentrum des Kokain-Handels, Heimat des Comando Vermelho, des Roten Kommandos. Die Gangster kontrollierten den Alemão und seine geschätzten 85.000 Einwohner, sie dealten, raubten, lieferten sich Bandenkriege mit den Nachbar-Slums – ungestört von der Polizei, die sich nur sporadisch herwagte. (…) Aber dann bekam Brasilien die Fußball-WM, Rio die Olympischen Spiele 2016, und die Regierung des Bundesstaats Rio beschloss: Dieses Bild können wir den Besuchern nicht zeigen. Sie schickte das Militär in den Alemão, um das Rote Kommando zu verjagen. (…) Rio räumt auf, Rio wird sicher, so lautet die Botschaft ein Jahr vor der Fußball-WM. (…) Doch so prächtig die Fassade aussieht – tatsächlich kontrolliert das Gesetz gerade mal drei Dutzend der 1071 Favelas rund um Rio. Und dort ist der Frieden brüchig. (…)
Und spätestens 2016 werde das Comando Vermelho sowieso zurück kehren, glauben Bewohner: nach Olympia, wenn sich Rio nicht mehr so ums Image sorgen muss“ (Hecking 28.6.2013).

29.6.2013

– Die Schule neben dem Maracana-Stadion: „Gleich neben dem Maracanã-Stadion in Rio steht eine Grundschule, die nun für Parkplätze und ein Einkaufszentrum weichen soll. Der Widerstand der Eltern und Lehrer des kleinen Instituts ist zum Symbol des Aufstands geworden, der sich gegen Habgier und Willkür der Herrschenden richtet. Man übersieht die Schule in diesen Tagen fast, dabei klebt sie am Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro. Vor der berühmtesten und derzeit umstrittensten Fußball-Bühne der Welt stehen Absperrgitter und weiße Zelte, sie verdecken die Escola Municipal Friedenreich. Aber der Unterricht geht während dieses Konföderationen-Pokals weiter und der Aufstand erst recht. (…)
Doch dieses Bildungsinstitut für Sieben- bis Zwölfährige soll zur WM oder spätestens vor Olympia 2016 in Rio verschwinden, wenn es nach Politikern und Unternehmern geht. Sie wollen das Gebäude mit der weinroten Fassade von 1965 abreißen und den Unterricht in einen Neubau irgendwo anders hin verlegen, damit Investoren an dieser Stelle Parkplätze und Shopping- Center bauen können. (…)
Es begann 2009, als die Pläne für den Umbau des mythischen Maracanã bekannt wurden. Die Friedenreich-Schule demonstrierte gegen Zerstörung und Größenwahn. Gemessen am Notenschnitt ist sie die zehntbeste Volksschule Brasiliens, auch Bedürftige und Behinderte werden unter ihrem Dach betreut. Wieso sollen sie Konzernen weichen? (…)
Mittlerweile haben Millionen Brasilianer erkannt, dass etwas schiefläuft im vermeintlichen Wunderland. Stadien wie das neue Maracanã sind ein Auslöser, sie gelten als Monumente der Verschwendung. Drei Jahre lang wurde die Betonschüssel nach den Wünschen des Fußball-Weltverbandes Fifa renoviert, die Friedenreich-Kinder und -Erwachsenen litten unter Krawall, Staub und Gestank. Und als das Werk wieder eingeweiht wurde, merkte man, was passiert war: 1,2 Milliarden Reais haben die Bauherrn verschleudert, mehr als 400 Millionen Euro. Das meiste davon Steuergeld. Insgesamt soll die WM mit ihren zwölf Austragungsorten elf Milliarden Euro kosten. Öffentliche Schulen wie diese und Krankenhäuser wehren sich derweil gegen den Verfall, und auf den Straßen vor den Toren kollabiert der Verkehr. (…)
Zumal dem legendären Maracanã die Seele genommen wurde, weil sich die Veranstalter allen Wünschen der Fifa fügten. Früher passten 200 000 Menschen hinein, ein Heiligtum für jedermann. Nun ist es ein durchgestylter Tempel der Elite, mit VIP-Logen und Champagner und ohne Fahnen und Musik. Farbige aus den umliegenden Armenvierteln in den Hängen findet man auf den Rängen kaum mehr, die Eintrittskarten sind zu teuer. Obendrein wurden das Leichtathletik-Stadion und das Schwimmbad am Maracanã geschlossen, dort hatten Leichtathleten und Schwimmer trainiert. (…)
So gehen sie alle auf die Straße, immer wieder. Lehrer und Eltern sind zusammengerückt. Sie unterstützten auch die wenigen Ureinwohner nebenan, die dennoch von der Militärpolizei aus der Ruine eines ehemaligen Indianermuseums gezerrt wurden. Sie ertragen das Tränengas und das Pfefferspray und die GummigeschosseUnd sie fuhren mit Bussen zum Rathaus, wo über die Causa Friedenreich befunden wird. „Vorher wussten wir nicht mal, dass man bei solchen Sitzungen zusehen kann“, sagt die Lehrerin Aline Mora. „Jetzt wissen wir, dass wir nicht nur beim Wählen Verantwortung tragen.“ Die erste Abstimmung der Stadträte ging unter ihrem Jubel knapp zu ihren Gunsten aus, die zweite folgt demnächst. Der Bürgermeister will aber sein Veto einlegen, falls der