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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Mrz 312010
 
Zuletzt geändert am 26.05.2010 @ 10:11

Vom Leitprojekt zum Leid-Projekt

Die Bewerbungsunterlagen im Mini Bid Book sind abgegeben, und damit ist die „Vision“ von „Grünen Spielen“ geplatzt. Jetzt ist es auch offiziell: Das große ökologische „Leuchtturmprojekt“ des Unesco-Biosphärengebiets für das Werdenfelser Land ist gescheitert. Die Zustimmung in der Region war von Anfang an schleppend. „Wir mussten nun zur Kenntnis nehmen, es geht einfach nicht“, zitiert die SZ am 22.3.2010 Boris Schwartz, den Chef der Fachkommission Umwelt. Man hatte darauf vertraut, die „Magie der fünf Ringe“ würde die Kommunen im Werdenfelser Land, also dort, wo die Schneewettbewerbe und damit der „Winterteil“ der Spiele stattfinden soll, von selbst zur Begeisterung rufen. So hatten die „Planer in München … aber vergessen, draußen mal nachzufragen, ob sich die Menschen dort ein solches Schutzgebiet überhaupt vorstellen können. Konnten sie nicht, was schon Ende 2009 abzusehen war.“ (SZ. 24.3.2010).
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Dez 311997
 
Zuletzt geändert am 09.10.2010 @ 5:55

Januar 1972

Der Garmisch-Partenkirchner Bürgermeister Philipp Schumpp setzte sich für eine Bewerbung des Ortes für die Olympischen Winterspiele 1980 ein.

November 1972

In Denver sprach sich die Bevölkerung in einer Volksabstimmung gegen die Verwendung von Steuergeldern für die Olympischen Winterspiele 1976 aus. Bürgermeister Schumpp bot dem NOK an, dass Garmisch-Partenkirchen (GaP) auch die Olympischen Winterspiele 1976 übernehmen könne. NOK-Präsident Willi Daume sagte ab. Innsbruck erhielt dann den Zuschlag.

Juli 1979

Der Gemeindesrat von GaP beschloss, sich um die XV. Olympischen Winterspiele 1988, alternativ 1992 zu bewerben. November 1979 Laut Bürgermeister Toni Neidlinger sei in GaP bis auf die Eisschnellauf- und Bobanlagen alles vorhanden. Mögliche Partner wären München, Inzell, Oberstdorf und Berchtesgaden. Das ist eine bis zur aktuellen Bewerbung 2018 stets wiederkehrende Beschwörungsfloskel: Es sei fast immer alles schon vorhanden – erstaunlich, was dann doch noch an zusätzlichen Bauten erforderlich ist. Die Region Allgäu verzichtete auf eine Teilnahme an der Bewerbung 1988: Dem Bürger sei es schwer verständlich zu machen, dass das Abpflücken einer einzigen Alpenblume mit einer Geldbuße bestraft wird, die Planierung ganzer Hänge zu „olympiagerechten“ Skipisten aber zu sanktionieren sei. Der Oberstdorfer Gemeinderat lehnte eine Beteiligung wegen der weiteren Belastung der Landschaft sowie der untragbaren Verschuldung ab. Die Region Berchtesgadener Land/Chiemgauer Alpen bewarb sich ebenfalls um die Olympischen Winterspiele 1988. Dort gründete sich die BI „Für Berchtesgaden ohne Olympische Spiele“.

März 1980

Die Gemeinderäte mehrerer Orten in Graubünden/Schweiz (u. a. Davos und St. Moritz) sprachen sich für eine Austragung der Olympischen Winterspiele 1988 aus. Aber 76,8 Prozent der Graubündner Bürger stimmten dagegen. Februar 1982 Garmisch-Partenkirchen bewarb sich um die Olympischen Winterspiele 1992, ebenso das Berchtesgadener Land. Dezember 1982 Der Bund Naturschutz in Bayern sprach sich gegen Olympische Winterspiele in Bayern aus. SPD-Gemeinderäte aus GaP äußerten: „Wir sind für lange Zeit auf den Fremdenverkehr angewiesen und können nicht zulassen, dass wegen zehn Tagen das ganze Tal zugebaut und damit für unsere Stammgäste uninteressant wird.“

Januar 1983

Die SPD von GaP sprach sich zur Minimierung der Schäden für die Verteilung der Wettbewerbe auch auf Inzell, Ruhpolding, Berchtesgaden und eventuell München aus.

„Bürger fragen Bürger zu Olympia“

Bei einer Versammlung des Bund Naturschutz stellte der Ortsvorsitzende der Kreisgruppe und Förster Axel Doering „Für und Wider der Bewerbung“ dar. Die Anwesenden verlangten eine Bürgerbefragung und stellten sich gegen eine Alleinbewerbung von GaP. Kurz danach gründete sich die Bürgerinitiative „Bürger fragen Bürger zu Olympia“ mit den Sprechern Dr. Andreas Keller und Axel Doering.

Bei einer Veranstaltung des Bayerischen Rundfunks Mitte Januar 1983 erklärte NOK-Präsident Daume: „Ein tröstliches Wort zur Finanzierung – ich sehe überhaupt kein Problem.“ Er musste sich umgehend korrigieren, klammerte aber weiterhin die Folgekosten aus. Im GaP Tagblatt schrieb Redakteur Wolfgang Kaiser einen Kommentar gegen eine Bürgerbefragung, die nur von jenen gewollt würde, „die sowieso dagegen sind“: „Hätte es einst schon all die Permanent-Neinsager und Bedenker gegeben und ihre Einflussmöglichkeiten, dann wären wir wohl noch im Stand des vorigen Jahrhunderts: Bitter arm – und auch nicht glücklich.“ Kaiser schrieb auch in Zukunft in diesem Stil weiter.

Februar 1983

Die Bürgerinitiative „Pro Olympia“ wurde von Hoteliers, Geschäftsleuten und Sportfunktionären gegründet. Tenor: GaP braucht die Spiele, die Autobahn und die Umgehungsstraßen ohne Wenn und Aber.

Die Schutzgemeinschaft Alpen, fünf Bürgerinitiativen, der Alpenverein, der Bund Naturschutz Bayern (BN), Naturfreunde und SPD Berchtesgaden sowie die Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen des BN lehnten die Bewerbung von GaP und Berchtesgaden aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen ab. März 1983 Die Kosten für die Olympischen Winterspiele in GaP 1992 wurden mit 115 Mill. DM angegeben. (In Calgary sollten die Winterspiele 1988 bereits 415 Mill. Dollar kosten; die dortige Olympia-Organisation war schon 1983 so gut wie bankrott.) Der Bund Naturschutz in GaP forderte die Offenlegung der Pläne und eine Bürgerbefragung. Hinterfragt wurde die Entwicklung der ursprünglichen Olympischen Idee und die angebliche Werbewirksamkeit der Spiele. (St. Moritz hatte sie bewusst abgelehnt.)

Juni 1983

Die BI „Bürger fragen Bürger zu Olympia“ stellte in einem Flugblatt Fragen zur Verlängerung der Autobahn, zum Bau von Umgehungsstraßen und des Olympischen Dorfes, dem zweifelhaften Werbeeffekt für GaP bzw. negative Implikationen auf den Sommertourismus, fragwürdige, angeblich „landschaftsschonende“ Bauten für Bobbahn und Parkplätze am Riessersee, Nachfolgelasten durch die Bauten etc.

April 1984

Der SPD-Landtagsabgeordnete Peter Kurz befragte Bürger in Berchtesgaden zur Bewerbung. In vier Wochen sammelte er 1015 Stimmen, wobei 81,8 Prozent gegen die Berchtesgadener Bewerbung waren. Im Juli wuchs der Anteil der Gegner auf 84,6 Prozent. Der Berchtesgadener Gemeinderat verbot der SPD weitere Befragungen und die Aufstellung von Informationsständen..

Oktober 1983

Der Gemeinderat von GaP bestätigte erneut die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 1992.

November 1983

Das NOK stimmte mit 51:29 für Berchtesgaden. Mitkonkurrenten der Winterspiele 1992 waren Cortina d’Ampezzo (Italien), Falun (Schweden), Lillehammer (Norwegen), Sofia (Bulgarien), Anchorage (USA) sowie Albertville (Frankreich). Die „Schutzgemeinschaft Alpen“ protestierte gegen Berchtesgadener Winterspiele 1992.

Februar 1984

Bei einer repräsentativen Befragung in Bad Reichenhall stimmten 50 Prozent der Wahlberechtigten ab: 71 Prozent stimmten gegen und nur 22 für die Olympischen Winterspiele. Der Freilassinger CSU-Landtagsabgeordnete Franz Xaver Werkstätter bezifferte daraufhin die Kosten auf 100 Millionen Mark und die Einnahmen auf das Mehrfache, sodass keine Steuermittel benötigt würden.

Oktober 1984

Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA empfahl die Veranstaltung Olympischer Winterspiele im Alpenraum nur noch an Orten, die schon über die komplette Infrastruktur verfügten. Die tatsächlichen Eingriffe in die Landschaft waren meist umfangreicher, als in den Bewerbungsunterlagen geschildert. Mit DAV und Bund Naturschutz war sich die CIPRA einig, dass die Dimensionen Olympischer Winterspiele dem Gedanken des Sports in freier Natur nicht mehr gerecht würden und die Bürger finanziell stark belasten. Die Gemeinden Berchtesgaden, Bad Reichenhall, Inzell, Königssee, Reit im Winkl, Ruhpolding und Siegsdorf wurden aufgefordert, ihre Olympiabewerbung zurückziehen.

Oktober 1986

Berchtesgaden schied für 1992 im 1. Wahlgang als schlechtester Bewerber aus, Albertville gewann. GaP wollte sich nach der Niederlage von Berchtesgaden sofort um die Olympischen Winterspiele 1994 bewerben, Berchtesgaden ebenso.

November 1986

Das deutsche NOK erachtete diese geplanten Bewerbungen in den nächsten Jahren für nicht sinnvoll.

Januar 1987

Der Bürgermeister von Berchtesgaden hielt die Bewerbung trotzdem aufrecht.

März 1992

GaP wollte sich künftig um Olympische Winterspiele nicht mehr im Alleingang bewerben.

April 1997

GaP und Seefeld/Tirol wollten sich um die Olympischen Winterspiele 2006 oder 2010 bewerben, gab die Industrie- und Handelskammer bekannt.

August 1997

Der Präsident des NOK, Walther Tröger, gab der Bewerbung Salzburg/Berchtesgaden den Vorzug.

Dezember 1997

Das NOK lehnte die Bewerbung GaP/Seefeld ab. (Salzburg bewarb sich danach auch vergeblich um die Olympischen Winterspiele 2014. Als die Evaluierungskommission im März 2007 nach Salzburg kam, lag kein Schnee. Daraufhin zeigten die Organisatoren Fotos mit Salzburg im Schnee.)

Dez 311936
 
Zuletzt geändert am 09.10.2010 @ 5:51

Die Olympischen Winterspiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen werden heute immer noch im positiven Licht gesehen, obwohl diese sportliche Großveranstaltung zur Glorifizierung des faschistischen Regimes benutzt wurde. Über den rassistischen Hintergrund informiert der Artikel von Andreas Meyhoff und Gerhard Pfeil: Olympia – Die versteckten Spiele (Der Spiegel 3/18.1.2010; sehr gut informiert auch die Website des ehemaligen Garmisch-Partenkirchner Lehrers Alois Schwarzmüller: http://www.alois-schwarzmueller.de)

Antisemitismus

Im WerdenfelserLand war der Antisemitismus so groß und die Plakatierung gegen jüdische Mitbürger so heftig, dass der Chef des Organisationskomitees, Karl Ritter von Halt im Innenministerium Alarm schlagen musste, da er die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin durch die Reaktionen des Auslands gefährdet sah. So fotografierte ein englischer Reporter an der Wand des Vereinshauses vom „Ski-Club Partenkirchen“ das Plakat „Juden Zutritt verboten!“. Das Foto verbreitete sich weltweit. Der NSDAP-Gauleiter sorgte daraufhin für die Entfernung aller antisemitischen Schilder vor Beginn der Olympischen Winterspiele. Bereits im Vorfeld der Olympischen Winterspiele war zum 1. Januar 1935 die Zwangsvereinigung der beiden Orte Garmisch und Partenkirchen erfolgt, um die Organisation der Winterspiele zu optimieren. Nach den Olympischen Winterspielen wurden die antisemitischen Plakate umgehend wieder aufgehängt. 1938 mussten die letzten Juden Garmisch-Partenkirchen verlassen. Ungeachtet dessen wurden im Juni 1939 die Olympischen Winterspiele 1940 vom IOC erneut nach Garmisch-Partenkirchen vergeben. Aber im September 1939 überfiel das Deutsche Reich Polen, und der Zweite Weltkrieg begann.

Mangelnde Vergangenheitsbewältigung

Nach 1945 tat der Ort nichts zur Vergangenheitsbewältigung. Die Festschrift zum 60jährigen Jubiläum der Winterspiele wurde von Gert Sudholt herausgegeben, einem bekennenden Rechtsradikalen und Stiefsohn des einstigen stellvertretenden NSDAPReichspressechefs. Das 1958 erbaute Garmischer Fußball- und Leichtathletikstadion wurde nach Karl Ritter von Halt benannt, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, 1937 bis 1945 im Exekutivkomitee des IOC, Geldbote für den „Freundeskreis Heinrich Himmler“ und von SS-Chef Himmler 1944 zum „Reichssportführer“ ernannt. „Stadion am Gröben“ heißt es seit 2006; die Gemeinderatsmitglieder wurden anlässlich der Umbenennung per Email aufgefordert, „auf eine Behandlung dieses Themas in der Öffentlichkeit zu verzichten“.

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