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Graubünden gegen Olympische Winterspiele

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Okt 262010
 
Zuletzt geändert am 11.03.2013 @ 16:58

26.10.2010

BayNatSchG Art. 42: Mitwirkung von Vereinen
(2) Die Anerkennung wird auf Antrag erteilt. Sie ist zu erteilen, wenn der Verein
1. nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert…

Im Vorfeld
Große Ereignisse werfen ihren Schatten voraus. Im Folgenden sollen zwei Schlüsselzitate aus der vorolympischen Schattenwelt des Jahres 2007 die dann kommenden Ereignisse erhellen, über deren Gründe und Bedeutung wir immer noch rätseln…

Thomas Urban, Hauptgeschäftsführer des DAV, am 29.11.2007 in der Süddeutschen Zeitung zum Rollenverständnis des DAV als Naturschutzverband:
»Der DAV hat sich lange Zeit nicht als Sportverband verstanden, sondern wurde als Naturschutzverband gesehen. Das sind wir, sogar gesetzlich anerkannt, aber wir machen keinen altruistischen Naturschutz. Das können andere besser. Wir dagegen sind der Fachverband, der am besten über Bergsport Bescheid weiß und auf die diesbezüglichen Veränderungen reagiert.«

Michael Vesper, Generaldirektor des DOSB, am 10.12.2007 zu Fragen der Olympiabewerbung 2018 und der Rolle des Alpenvereins bei der Bewältigung der olympischen Umweltprobleme:

DOSB-Presse: »… Klimapolitik und Umwelt könnten Faktoren sein, die den Erfolg des Münchener Projekts ausbremsen. Alpine und nordische Wettbewerbe mit Kunst- oder herangefahrenem Naturschnee werden schon von Bedenkenträgern angeprangert. Wie wollen Sie dieses Problem in den Griff bekommen?«
Michael Vesper: »Gerade ich als Grüner bin bestrebt, die Bewerbung gemeinsam mit allen Beteiligten so zu gestalten, dass die Umweltauflagen des IOC nicht nur erfüllt, sondern übererfüllt werden. Deshalb werde ich mit dem Deutschen Alpenverein, aber auch mit vielen anderen Institutionen und Fachleuten darüber sprechen, wie man diese wichtigen Zielsetzungen konkret erreichen kann. Niemand kann die klimatische Situation im Jahre 2018 einschätzen, aber ich gehe davon aus, dass in Garmisch-Partenkirchen genügend Schnee vorhanden sein wird, um die alpinen Wettbewerbe veranstalten zu können. Also, wir werden alles tun, um die Ansprüche der Charta des IOC, aber auch unserer eigenen Ausarbeitung „green olympics“ durchzusetzen.«

Zuspitzung
Am 5.7.2010 waren viele Naturschützer und Bergsteiger wie vom Donner gerührt. Stand doch in den Zeitungen, der Präsident des DAV, Prof. Heinz Röhle, habe seine Präsidentschaft hingeworfen. Die Meldung war kryptisch: Es habe eine Routinesitzung des Verbandsrat des DAV gegeben, es habe keine! inhaltlichen Differenzen zwischen Verbandsrat und Präsidenten gegeben, es habe nur eine heftige Debatte um mehr hierarchischen oder mehr demokratischen Führungsstil gegeben. Dahinter sollte man die Botschaft sehen: Röhle habe sich als Präsident in unerträglich autoritärer Manier durchsetzen wollen! Es klang so, als ob in einer Art demokratischer Notlage der Verbandsrat des DAV und sein Hauptgeschäftsführer den Präsidenten so schnell wie möglich aus dem Amt entfernen mussten. Für das Angebot Röhles, es zur nächsten Jahreshauptversammlung Ende Oktober niederzulegen, gab es kein Votum. War Gefahr im Verzug? Und wenn ja – welche?

Dass bei Röhles „Rücktritt“ nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein kann, das hat man von Anfang an vermutet. Wer Röhle kennt, hat die Geschichten vom allein herrschenden und autoritären Typ und von ansonsten fehlenden Konflikten nie ganz geglaubt. Und die ersten Pressemeldungen gegen Röhle, die genau darauf abhoben, waren zu perfekt, als dass sie spontan entstanden sein könnten. Was also könnte passiert sein?

In den vier Monaten, die seit Juli 2010 vergangen sind, war zumindest durchgesickert, dass es um eine Art Machtkampf zwischen dem Hauptgeschäftsführer Thomas Urban und dem Präsidenten Heinz Röhle gegangen sei. Die folgenden inzwischen öffentlich gewordenen Berichte aus dem inneren Zirkel lassen darüber wenig Zweifel aufkommen:

–       Trojok
–       Erklärung-Kühnl
–       Schreiben-Röhle
–       Beiträge in www.dav-community.de vom 15. & 17.10.2010

Offenbar hatte der Hauptgeschäftsführer den Verbandsrat vor die Wahl gestellt: Er oder ich. Die Frage bleibt, wieso der Verbandsrat dem Hauptgeschäftsführer für dieses Anliegen nicht die rote Karte zeigte – sondern dafür dem von der Hauptversammlung schon zum zweiten Mal gewählten Röhle, und zwar sofort!? Dieser erstaunliche Vorgang wurde kaschiert. Er stand weder in der Mitteilung an die Presse, noch im Brief an die DAV-Sektionsvorsitzenden noch im Protokoll der Verbandsratssitzung, wie in der Zwischenzeit zu vernehmen war.

Risiko
Kryptische Ereignisse erschließen sich manchmal besser über ihre Bedeutung für die Um-, Mit- und Nachwelt – als über eine detektivische Rekonstruktion der aktuellen Vorgänge vor und hinter den Kulissen.

Eigentlich steht alles in den Zeitungen oder im Internet. Die ersten Statements stammen aus dem Jahr 2007 und wurden oben schon zitiert. These: Es geht um den DAV als „gesetzlich anerkannten Naturschutzverband“, die Rolle des DAV im DOSB und seine Haltung zur Olympiabewerbung.

Genau dazu munkelt der Münchner Merkur am 19.1.2010 im Anschluss an die Jahrespressekonferenz des DAV im Januar 2010:
»Wenn dann noch der DAV – mit mehr als 850 000 Mitgliedern der sechstgrößte Sportverband und die stärkste Naturschutz-Organisation in Deutschland – aus dem Aufsichtsrat [der Bewerbungsgesellschaft] und aus der Fachkommission Umwelt austreten würde, wäre die Vision der „grünen Spiele“ kaum mehr zu vermitteln.«

Gian-Franco Kasper, FIS-Weltpräsident & IOC-Mitglied, bestätigt Anfang Oktober diesen Jahres im Deutschlandfunk die entscheidende Rolle der Umweltverbände für die Chancen einer deutschen Olympiabewerbung: „… wenn natürlich in Deutschland jetzt alle die Umweltschutzverbände geschlossen sich plötzlich dagegen stellen würden, was, soweit ich weiß, nicht der Fall ist, dann wird sich das negativ auswirken…“ (Fischer-Solms, Herbert, Konflikte mit Olympiagegnern schaden München, in dradio.de 10.10.2010).
Und der Münchner Merkur fährt in der Berichterstattung der DAV-Jahrespressekonferenz vom Januar fort: „Das weiß auch der DAV-Präsident Professor Heinz Röhle. Selbstbewusst formulierte er deswegen bei der Jahrespressekonferenz des Alpenvereins am Montagabend [18.1.2010] in München Kritik und Ziele. Röhle sieht den DAV gleichermaßen als Sport- und als Naturschutzverband. Doch die zweite Komponente empfindet er gerade als sträflich vernachlässigt.«

Röhle verweigerte also noch im Januar 2010 die Garantie für die Unterstützung der Bewerbung München 2018 durch den DAV als „anerkannter Naturschutzverband“. Damit war Röhle für die Bewerber zum Risiko geworden. Denn die Strategie zur Durchsetzung Olympischer Winterspiele 2018 basiert auf der unmöglich zu leistenden „Nachhaltigkeit“ unter den Bedingungen des Klimawandels. Vesper hatte diese Strategie in seinem Interview schon 2007 (s.o.) anklingen lassen: »Niemand kann die klimatische Situation im Jahre 2018 einschätzen, aber ich gehe davon aus, dass in Garmisch-Partenkirchen genügend Schnee vorhanden sein wird, um die alpinen Wettbewerbe veranstalten zu können.«

Das soll heißen: Welcher „Schnee von morgen“ auch immer vorhanden sein wird – er wird das Prädikat „nachhaltig“ bekommen. Und das soll für die ganze Umweltproblematik gelten. Sie wird umdefiniert in eine beispiellose „Nachhaltigkeit“.

Doch dazu benötigt der DOSB die Deutungshoheit über die olympische Nachhaltigkeitsdiskussion. Es müssen die »Umweltauflagen des IOC« (Vesper) als „Maßstab der Nachhaltigkeit“ akzeptiert werden. Was man von dieser umweltgerechten Selbstbeschränkung des IOC halten kann, zeigt allein schon die strikte Zurückweisung der Nutzung der gerade neu gebauten Anlagen in Inzell und Ruhpolding für 2018 durch die Bewerber, da damit die Chancen der sogenannten „kompakten Bewerbung“ auf Null sinken würden. Nicht der Schutz der Umwelt durch sinnvollen Einsatz vorhandener Anlagen, sondern die kurze Inszenierung eines riesigen Spektakels hat für die Bewerbungsgesellschaft – und offenbar für das IOC – den absoluten Vorrang. Auch wenn Vesper die »Umweltauflagen des IOC« mit dem Etikett »Ich als Grüner …« vorbringt, sie werden damit nicht „grüner“.

Der DOSB ist kein anerkannter Naturschutzverband. Er kann dem „Schnee von morgen“ die Absolution „nachhaltiger Spiele“ nicht erteilen. Aber der DAV als verlässliches Mitglied innerhalb der Bewerbungsphase hat dazu das „gesetzlich anerkannte“ Potential. Er soll damit die Bewerbung aufwerten und den Zuschlag möglich machen.

Doch den DAV drückt in dieser Rolle eine Altlast: Das Grundsatzprogramm aus dem Jahr 1994. Dieses definiert den „Schnee von morgen“ noch ganz vorolympisch: Es geht nicht nur um den Kunstschnee, dessen flächendeckenden Einsatz der DAV 1994 ablehnt, sondern auch um die Formen des Tourismus und der Sportveranstaltungen überhaupt, zu denen der DAV 1994 zukunftsweisend erklärt:

»Übergang zu umweltschonenden Tourismusformen«, »Sportveranstaltungen … in den Alpen nur in Gebieten …, die bereits über geeignete Einrichtungen verfügen«

»Alle Alpenstaaten sind aufgerufen, die Umweltrisiken des technisierten Tourismus zu mildern bzw. durch Ersatzmaßnahmen zu kompensieren. Hierzu sind Modellvorhaben anzuregen und umweltschonende Tourismusformen zu fördern.« (Alle Zitate aus Grundsatzprogramm Teil 3).

Wer aus einem solchen Aufruf die Legitimation für Olympische Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen und Schwaiganger ableitet und z.B. die „temporären“ Großanlagen als Modellvorhaben im Sinne dieses Grundsatzprogramm interpretiert, reißt Grenzen nieder, die mit diesem Grundsatzprogramm gegen einen industriell ausgebauten und betriebenen Tourismus formuliert worden sind. Wogegen sonst wäre es denn geschrieben worden, wenn nicht gegen die Größendimensionen von Veranstaltungen wie den Olympischen Winterspielen mit ihrem immensen Bedarf an Natur und Landschaft für nur knapp einen Monat, wenn man die Paralympics mitzählt? Und wo sich solche Größenordnungen an Sportgroßveranstaltungen nicht verhindern lassen, da hat der DAV des Jahres 1994 sich diese nicht zu eigen gemacht, sondern ist mit dem Grundsatzprogramm dazu auf kritische Distanz gegangen.

Die DOSB-Mitgliederversammlung zum Thema München 2018 hat am 8.12.2007 stattgefunden. Genau eine Woche vor dieser Mitgliederversammlung, am 29.11.2007, hat sich der Hauptgeschäftsführer des DAV, Thomas Urban, mit dem Eingangs zitierten Statement vom ideellen („altruistischen“) Naturschutz im Sinne des Artikels 42 BayNatSchG und damit – so muss man es interpretieren – vom eigenen Grundsatzprogramm verabschiedet.

Die Frage ist: Warum gibt der DAV seine Naturschutzidentität auf diese Weise Preis!?

Ist das eine Art Zusage gegenüber der eine Woche später stattfindenden DOSB-Mitgliederversammlung? Ist der DAV erst damit für die ihm zugedachte Rolle in der Olympiabewerbung wirklich interessant geworden? Nach dem Motto: „Dabei sein ist alles“? Noch dazu als „gesetzlich anerkannter Naturschutzverband“, aber mit der Einschränkung ‚ wir sind eigentlich doch keiner mehr? Da sich der DAV somit vom „Altruismus“ des Naturschutzes verabschiedet hat, kann der DOSB nun das Wagnis eingehen, Olympische Winterspiele gegen eine umwelt- und klimakritische Öffentlichkeit dem Oberland und den oberbayerischen Bergen „anzupassen“.

Das DAV-Grundsatzprogramm von 1994 zum Natur- und Umweltschutz, durchaus ideell motiviert, war noch unter der Regie von Professor Heinz Röhle entstanden. Damals war er noch nicht „zurückgetretener“ Präsident, sondern ehrenamtlicher Leiter des Naturschutzreferats. Mit ihm war der DAV aufgebrochen, als Bergsport- und Naturschutzverband die „Zukunft zu schützen“.

Gefahr gebannt?

Pressemeldung des DAV vom 13. September 2010
»Wir sind mittlerweile der Überzeugung, dass München 2018 sowohl bei den Spielen selbst als auch bei der Umsetzung der begleitenden Umwelt-Leitprojekte Maßstäbe für die Durchführung von umweltverträglichen Winterspielen setzen kann. … Der Alpenverein wird auch zukünftig in der Fachkommission Umwelt mitarbeiten und seinen Einfluss geltend machen. Wir unterstützen die Bewerbung

Zwei Monate nach Röhles „Rücktritt“ feiern der Hauptgeschäftsführer Thomas Urban und sein Interimspräsident Ludwig Wucherpfennig die Spiele von 2018 als Maßstab der Nachhaltigkeit. Damit will man dem Ziel näher kommen, der Bewerbung das wichtige Etikett »umweltverträgliche Winterspiele« umzuhängen. Röhle hatte im Januar 2010 auf der Jahrespressekonferenz dies alles noch infrage gestellt.

Ab jetzt soll das Gewicht des DAV als „gesetzlich anerkannter Naturschutzverein“ und das Votum von 850.000 Mitglieder (ob die wollen oder nicht) vorbehaltlos in die Waagschale des DOSB und der Olympiabewerbung geworfen werden. Der „olympische Schnee von 2018“ (metaphorisch gesprochen) wird, ganz gleich, was da kommen mag, das DAV-Zertifikat der Nachhaltigkeit bekommen:

»… einer der drei Gründe, die Münchens Olympiabewerbung nach einem schlimmen Sommer gerettet haben, […ist,] dass nach Ausstieg des Deutschen Naturschutzrings wenigstens der Deutsche Alpenverein bei der Stange blieb – mit dem Gewicht seiner fast 900 000 Mitglieder und seiner politischen Bedeutung im Alpenraum« (FAZ vom 16.10.2010).

Gefahr war im Verzug – sie scheint mit dem „Rücktritt“ Röhles gebannt. Das wird auch die Mehrheit des Verbandsrats so sehen.

Resümee
Der Rücktritt Röhles und die Kryptomania beim DAV dokumentieren die Spaltung, die die Bewerbung für München 2018 in und zwischen die Naturschutzverbände (und nicht nur hier) hineinträgt. Denn diese Bewerbung muss, um erfolgreich zu sein, die massiven Umweltprobleme von Olympischen Winterspielen in eine „Erfolgsgeschichte der Nachhaltigkeit“ umdefinieren (oder sollte man besser sagen: umbiegen). Dass das Nichtmögliche und Unwahre wahr gemacht wird, das führt zur Spaltung. Denn die meisten Naturschutzverbände sind gutbegründet aus der Fachkommission Umwelt ausgestiegen: Sie sehen insbesondere die ökologischen – aber auch die finanziellen – Folgen Olympischer Winterspiele in dieser fragilen Landschaft. Zuletzt ist auch der Deutsche Naturschutz Ring (DNR) wegen der befürchteten Folgen ausgestiegen. Der DAV aber scheint nicht mehr an den guten Gründen und Tatsachen interessiert bzw. orientiert zu sein, sondern in erster Linie an der Durchsetzung von München 2018. Anders kann man die Reaktionen (in diesem Fall von Thomas Urban) nicht interpretieren:

»Der Deutsche Alpenverein (DAV) hat den Ausstieg des Deutschen Naturschutzrings (DNR) aus der Fachkommission Umwelt der Münchner Olympiabewerbung kritisiert. „Wir können das nur als politisches Spiel abtun“, sagte DAV-Hauptgeschäftsführer Thomas Urban am Montag in München und bestätigte der Bewerbungsgesellschaft „München 2018“, sie leiste mit Blick auf die Umwelt „sehr gute Arbeit“.« (Focus-Online vom 27.9.2010)

Im DAV hat man eine Reißleine ganz anderer Art gezogen. Offenbar hat man den verdienten Präsidenten als Exponenten des Naturschutzes geopfert. Wahrscheinlich stand mit Röhle doch die Ungewissheit im Raum, als einer der letzten „Naturschutzverbände“ noch aus der Bewerbung auszusteigen. Wenn die weiteren Olympischen Planungen für den Natur- und Umweltschutz weiterhin so dünn und kontraproduktiv ausfallen wie bisher – und eigene Beschlüsse nicht erfüllt sind? -, Röhle hatte man diese Konsequenz zugetraut. Aus dieser Sicht der Dinge war er zum Risiko für die Strategie geworden, die Bewerbung München 2018 mit einem „gesetzlich anerkannten Naturschutzverband“ aufzuwerten. Und wahrscheinlich (kann man vermuten), waren für die Pragmatiker im Verbandsrat die politischen Unsicherheiten eines späten Ausstiegs so groß geworden, dass sie bereit waren, gegen Röhle und damit indirekt für den Schulterschluss des DAV mit dem DOSB und damit die Durchsetzbarkeit der Bewerbung zu votieren.

Immer deutlicher wird damit, dass die Olympiabewerbung die Naturschutzverbände auseinanderdividiert hat. Ganz gleich, ob München 2018 den Zuschlag erhält oder nicht, die Naturschutzwelt wird hinterher skeptischer vor allem im Umgang miteinander sein: Wer ist warum als Naturschutz-„Tiger“ aufgebrochen (»Wir müssen vor Olympia retten, was zu retten ist!«), um als Bettvorleger im Dienste des DOSB und München 2018 zu landen (»Wir unterstützen den Bewerbung!«)? Symbolisch wird diese Entwicklung mit dem einen Satz dokumentiert, mit dem im Jahr 2007 dem Naturschutz im Sinne des Artikels 42 des BayNatSchG eine Abfuhr erteilt wurde (bei gleichzeitiger Rettung des wertvollen Signums: „anerkannter Naturschutzverein“): » … wir machen keinen altruistischen Naturschutz. Das können andere besser.«

Ohne Idealismus – also Altruismus – ist kein Naturschutz denkbar. Die Mitwirkung der Vereine und das ehrenamtliche Engagement am „kooperativen Naturschutz“ lebt davon und füllt den Naturschutz mit Inhalt. Diese selbstlose Arbeit anderen zu überlassen – und doch an der Reputation „anerkannter Naturschutzverbände“ partizipieren zu wollen, kann man nur als große „Legitimationsleistung“ interpretieren: An den DOSB und damit an das IOC und an die Bewerbung München 2018. Aber ist dies die Aufgabe eines „gesetzlich anerkannten Naturschutzvereins“? Müsste nicht hinterfragt werden, ob und wie lange der DAV diese gesetzlich geregelte und von Staats wegen verliehene Anerkennung noch tragen darf? Aber machen wir uns nichts vor: Auch die Bayerische Staatsregierung entzündet über der Olympiabewerbung die täuschende „Fackel der Nachhaltigkeit“.

Die Bewerbung München 2018 wird zum Exempel einer unwahrhaftigen Politik, die umweltschädigende Großprojekte zu „Märchen der Nachhaltigkeit“ umdeuten muss, um sie vor den Augen einer kritischen (Welt)Öffentlichkeit begründen und durchsetzen zu können:

»… wir werden alles tun, um die Ansprüche der Charta des IOC, aber auch unserer eigenen Ausarbeitung „green olympics“ durchzusetzen.« (Vesper, 2007)

Damit lassen sich garantiert goldene Nasen verdienen und vielleicht auch ein paar goldenen Medaillen gewinnen – eine „grüne“ Zukunft aber sicher nicht.

Sylvia Hamberger, Wolfgang Zängl und Kollegen

Okt 172010
 
Zuletzt geändert am 30.10.2010 @ 13:11

17.10.2010

Am 14.10.2010 präsentierte bild.de unter der Überschrift Unser Traumpaar für Olympia Katarina Witt und Thomas Bach als „die Schöne und das Superhirn“. Einige Aussagen des „Superhirns“ in diesem Interview sollen im folgenden näher beleuchtet werden.

Superhirn zum Vorwurf der Naturzerstörung: „Weit über 90 Prozent der Sportstätten sind schon vorhanden.“

Das ist schlicht und ergreifend falsch und wird nicht richtiger, auch wenn es gebetsmühlenartig wiederholt wird. Die Bewerbungsgesellschaft München 2018 schrieb am 20. Juli 2010 in einer Pressemitteilung, dass von 15 Sportstätten in München sieben fehlen; davon sollen vier temporär errichtet , also nach den Spielen abgerissen werden. In Garmisch-Partenkirchen wird inzwischen das Olympische Dorf und in Murnau die Unterkünfte für die Journalisten temporär geplant. Und in Schwaiganger müssen alle Anlagen wie Tribünen, Loipen, Schießstände, Beschneiungsanlagen und Parkplätze neu gebaut werden – das meiste soll ebenfalls „temporär“ sein, d.h. es soll nach dem 17 Tage-Spektakel wieder abgerissen werden: Dafür werden aber Wald gerodet, Wiesen planiert und Biotope „tangiert“.

Superhirn zu Protesten der Garmisch-Partenkirchner Bauern: „Das IOC selbst hat eine Umfrage gemacht, bei der eine Zustimmung von 70 Prozent herauskam.“

Drei Möglichkeiten gibt es: a) Diese IOC-Umfrage ist so geheim, dass sie nie in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Selbst die „Projektleiterin Kommunikation“ der Bewerbungsgesellschaft, Anna Lena Mühlhäuser, schrieb in einer Email am 27.7.2010: „Wir haben leider keine Informationen, wann und unter welchen Umständen diese Umfrage stattgefunden hat.“ b) Diese IOC-Umfrage gibt es gar nicht. c) Superhirn meint die Umfrage vom Sportinformationsdienst (SID), bei der ausschließlich Sportinteressierte befragt wurden, deren Ergebnis also nicht verallgemeinerbar ist.

Siehe auch unter Aktuelles: http://www.nolympia.de/2010/09/vorsicht-mit-statistiken-die-man-nicht-selbst-gefälscht-hat/

Superhirn über „Miesepeter“: „Wir sind in Deutschland in einer gesellschaftlichen Situation, in der Bedenkenträger ein großer Stellenwert eingeräumt wird.“

Als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und IOC-Vizepräsident scheint Bach wenig von demokratischen Prozessen zu halten, Statt der „Bedenkenträger“ sind wohl eher Bedenkenlose und Risikobereite, Hochstapler und Pleitiers, Verharmloser und Gesundbeter gefragt.

Superhirn zu den Kosten: „Olympia wäre eine Investition in die Zukunft. Für die Jugend, gegen Bewegungsarmut, für die Integration in diesem Land. Für die Infrastruktur in Bayern wäre es ein Quantensprung.“

Investition in die Zukunft? Mit zig Milliarden für vier Wochen olympischen Rummels und Spitzensport werden an anderer Stelle Zukunft und Breitensport verhindert. Gegen Bewegungsarmut? Die IOC-Sponsoren McDonald’s und Coca Cola sorgen am ehesten für die Fettleibigkeit der Jugend, die sich die Wettkämpfe auch noch vor dem Fernseher ansieht. Integration? Hochleistungssport sorgt nicht für Integration, sondern für Spezialisierung einer winzigen Minderheit. Infrastruktur? Die geplanten Milliarden für den Autobahnausbau nach Garmisch-Partenkirchen würden in anderen Landesteilen Bayerns und beim Ausbau des Schienenverkehrs fehlen. Die Milliarden könnten wesentlich sinnvoller eingesetzt werden.

Superhirn zu einer konkreten Kostensumme: „Da muss man unterscheiden. Zunächst ein Organisations-Budget, das nach den Erfahrungen der vergangenen Winterspiele mit einer schwarzen Null abschließen wird.“

Die schwarze Null des Organisationsbudgets wird seit langem zurechtgetrickst. Was zu teuer kommt, wird vom Organisationsbudget (OCOG-Budget) in das Nicht-Organisationsbudget (Non-OCOG-Budget) verschoben, wo sich die Kosten für die unverantwortbaren olympischen Bauwerke und Maßnahmen dann auf Milliarden addieren. Dafür muss der Steuerzahler aufkommen.

Superhirn weiter: „Und dann gibt es Infrastruktur-Projekte, die nur beschleunigt werden: Die werden sowieso kommen, auch ohne Olympia.“

Das ist die Standard-Irreführung des IOC und des DOSB, die von der Bundesregierung, der bayerischen Staatsregierung, des Münchner Oberbürgermeisters und aller sonstigen Entscheider übernommen wurde.

Straßenbau-Projekte wie die Ausbauten an der Autobahn A 95 mit Wanktunnel und Kramertunnel rangierten zunächst im Bundesverkehrswegeplan 2003 noch sehr weit hinten, nämlich unter „Weiterer Bedarf“. Das bedeutet: Planungsbeginn frühestens 2015, falls überhaupt. Beim Kramertunnel (140 Millionen Euro) wurde plötzlich die Ski-Weltmeisterschaft 2011 im Planungsprozess als Beschleunigungsvehikel genommen: Der offizielle Baubeginn war dann im Juli 2010. Und für München 2018 sollen plötzlich Wanktunnel (120 Millionen Euro), Auerbergtunnel und Westumfahrung Oberau (240 Millionen Euro) realisiert werden.

Alle temporären Sportstätten (inzwischen ein Drittel aller Sportstätten) müssen wieder abgerissen werden. Hunderte Hektar mit Parkplätzen und technischer Infrastruktur plus feste Installationen von Schneekanonen für Schwaiganger müssen rückgebaut werden. Dreistes Argument in diesem Zusammenhang: Es handle sich dabei um öffentliche Grundstücke und öffentliche Gelder: als ob dies keine Steuergelder seien, die von allen Steuerzahlern aufgebracht werden müssen.

Superhirn zu den Problemen Armut und alte Menschen: „Wir geben diesen Bedenken zu viel Raum. Wir reden die Probleme herbei, statt unsere großen Chancen zu sehen.“

Unsere großen Chancen liegen darin, dem IOC und dem DOSB Milliarden öffentlicher Gelder in den Rachen zu werfen, die dann an anderer Stelle wieder eingespart werden müssen. In Vancouver (Olympische Winterspiele 2010, falls schon vergessen) wurden wegen der Verschuldung durch die Spiele gerade Sozialleistungen und Kulturangebote gestrichen. Teile des Olympischen Dorfes, die als günstige Mietwohnungen angekündigt waren, werden nun als Eigentumswohnungen verscherbelt. Und in London (Olympische Sommerspiele 2012) wurden die Kosten zunächst mit weniger als vier Milliarden Dollar angegeben; inzwischen ist man bei 19 Milliarden Dollar angelangt.

Die Kritiker Olympischer Spiele reden keine Probleme herbei: Ihre Warnungen sind mehr als berechtigt, während die von Bach angesprochenen Chancen geradewegs in das ökologische und ökonomische Desaster führen.

Nicht nebenbei:

Im Juli 2010 wurde der frühere Präsident des Deutschen Alpenvereins, Heinz Röhle, putschartig aus dem Amt gedrängt. Seitdem kann man eine Art olympische Gleichschaltung im deutschen Sportgeschehen beobachten. So lud am 13. Oktober 2010 die Stadt München in Abstimmung mit der Bewerbungsgesellschaft alle 625 Vertreter der Münchner Sportvereine in den Olympiapark ein: 300 kamen. Die unvermeidbare Ex-Stasi-Mitarbeiterin Katarina Witt und der unvermeidbare Oberbürgermeister Ude waren als Promotoren vor Ort. Und als die vorauszusehende Abstimmung erfolgte, waren nur sieben Vereinsvertreter so mutig, gegen die Bewerbung zu stimmen. (Ein Bravo den sieben!)

Gleichzeitig sah „München 2018“-Geschäftsführer Bernhard Schwank „keinen generellen Widerstand mehr gegen die Winterspiele“ und kündigte die nächsten (sündteuren) Aktivitäten an: „Wir starten dieser Tage unsere Werbekampagne mit verschiedenen Maßnahmen – vom Fernsehspot über Zeitungsanzeigen bis hin zu Auftritten bei Veranstaltungen. Unser Eventkalender ist randvoll“ (merkur-online 15.10.2010). Das Geld dafür kommt auch von vielen Unternehmen der öffentlichen Hand, die hier als Sponsoren auftreten, z.B. Flughafen München, Finanzgruppe Sparkassen, Lotto Bayern, Stadtwerke München, Messe München, Olympiapark München sowie von Darlehen der Öffentlichen Hand in Millionenhöhe.

Bedingt durch Denkverbote und Fraktionszwang winkte der Bayerische Landtag in einer größtmöglichen Koalition aus CSU-SPD-FDP-FW am 14. Oktober 2010 das „Olympiagesetz“ durch, das unter anderem eine „unbegrenzte Haftung“ des Landes Bayern für die finanziellen Kosten von München 2018 einräumt. Und im vorauseilendem Gehorsam wurden gleich sämtliche diktatorischen Nebenverträge des IOC mit gebilligt. Der olympische Vollrausch griff um sich.

Die Politik beugt sich einer Handvoll Sportfunktionäre, die in der Tradition des verstorbenen IOC-Präsidenten Samaranch agieren. Die Olympische Invasion geht weiter.

Wolfgang Zängl

Vergleiche auch: Kritisches olympisches Lexikon -> Thomas BachQuelle:
Bewerbungsgesellschaft München 2018, München 2018 gibt Antworten auf Irrtümer zur Bewerbung, PM 20.7.2010
Brügelmann, Matthias, Sulzer, Thomas, Unser Traumpaar für Olympia, bild.de 14.10.2010
Hoffmann, Nadja, Für Olympia: Neue Tunnel an A95, in merkur-online.de 28.1.2010
Kristlbauer, Matthias, Holzapfel, Matthias, „Ich sehe keinen Widerstand mehr“, in merkur-online 15.10.2010
Krügel, Christian, Im Verein für die Spiele, in SZ 15.10.2010

Okt 092010
 
Zuletzt geändert am 11.10.2010 @ 7:56

167 Grundeigentümer in Garmisch-Partenkirchen geben ihren Grund nicht her. Daran hat sich seit August nichts geändert.

9.10.2010

In einem Brief im Namen von 167 Grundbesitzern in Garmisch- Partenkirchen wurde der Gemeinderat VOR DER ABSTIMMUNG zu „München 2018“ darum gebeten, dem Eckdatenpapier nicht zuzustimmen. Denn entgegen der Behauptungen der Bewerber sind die notwendigen Flächen für olympische Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen nicht gesichert.

Viele der Grundbesitzer haben schlechte Erfahrungen mit Wintersportgroßveranstaltungen und Ihren Organisatoren gemacht. Mancher der heute betroffenen Landwirte und seine Familie wurden bereits 1939 und 1940 für die damaligen olympischen Winterspiele enteignet.

Aber auch der Umgang mit den Grundstücken betroffener Grundbesitzer bei der Ausrichtung der alpinen FIS-Ski-Weltmeisterschaft 2011 sorgt immer noch für tiefen Unmut. Den Grundbesitzern wurde hierbei klar, dass so große Veranstaltungen immer als Hebel genutzt werden, den Einzelnen unter Druck zu setzen. Das gleiche Muster zeichnet sich wieder mit „München 2018“ ab. Viele der Flächen für die olympischen Spiele wollen die Grundbesitzer  – entgegen der Behauptungen der Bewerber –  nicht zur Verfügung stellen. Den Grundbesitzern wurde bereits angekündigt, dass man mit Ihnen „Einzelgespräche“ führen wolle.

Schon die Zustimmung des Gemeinderates zum Bid-Book sollte Druck ausüben. Bei einem Zuschlag der Spiele wäre dieser Druck immens und nur sehr schwer auszuhalten.

Es geht hier nicht darum „Preise in die Höhe“ zu treiben, wie von Mitgliedern der Bewerbungsgesellschaft mehrfach behauptet wurde.

Die Grundbesitzer und mit ihnen viele ihrer Unterstützer wollen das Tal, ihre Heimat, vor weiteren Zerstörungen bewahren.

Okt 082010
 
Zuletzt geändert am 11.10.2010 @ 7:57

Oder: Wie die Machthaber München 2018 durchwinken

8.10.2010

von Wolfgang Zängl

1) Kleine Vorgeschichte zum Olympischen Frieden

Noch ist nicht einmal das Bid Book am 6.1.2011 abgegeben, da macht sich schon deutschlandweit der  berühmte olympische Frieden breit:

–         Im Sommer 2009 traten Bund Naturschutz, CIPRA Deutschland, Mountain Wilderness und Verein zum Schutz der Bergwelt aus der Bewerbungsgesellschaft Fachkommission Umwelt von München 2018 aus. Als Begründung wurde u. a. der Klimawandel und die immer größeren Dimensionen Olympischer Winterspiele genannt, die in den engen alpinen Tälern keinen Platz hätten und dauerhafte Zerstörungen hinterließen.

–         Im September 2010 trat der Deutsche Naturschutzring als Dachorganisation der Umweltverbände aus der Fachkommission Umwelt aus: Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) und der Deutsche Alpenverein (DAV) blieben drin. Auch die Spaltung der Umweltschutzorganisationen in Deutschland ist ein Produkt von München 2018.

–         Der Verwaltungsbeirat des Deutschen Alpenvereins hat Anfang Juli 2010 in einer putschartigen Situation seinen umweltbewussten Präsidenten auf Antrag des Hauptgeschäftsführers gestürzt, der dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) verbunden ist.

–         Die Münchner Stadtgrünen sind gegen, die Münchner Stadträte sind für München 2018.

–         Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag sind gegen, die grünen Spitzenpolitiker Claudia Roth (sitzt im Kuratorium von München 2018) und Renate Künast sind für München 2018.

–         In Stuttgart sind durch den geplanten Bahnhofsneubau 292 Bäume im Schlosspark gefährdet. In München sind durch das Olympische Dorf und weitere Gebäudeverlegungen um die 1500 Bäume in Gefahr. Die kommenden ökologisch-politischen Konflikte kann man sich vorstellen.

–         Die Garmisch-Partenkirchner CSU ist nunmehr mehrheitlich für die Spiele, die Junge Union der CSU gegen die Spiele.

–         167 Grundeigentümer in Garmisch-Partenkirchen haben sich zusammengeschlossen und werden den Grund und Boden nicht zur Verfügung stellen, über den Staatsregierung und Gemeinderat am 7.10.2010 verfügt haben. Der Ort Garmisch-Partenkirchen wird durch München 2018 völlig gespalten werden. (Vgl. Brief von Anna-Maria Reindl unter „Aktuelles“ und Effern 8.10.2010)

Es scheint sich bei der olympischen Bewegung um eine höchst friedensstiftende Initiative zu handeln.

2) München 2018: Der Weltrekord an Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit

Seit kurzem ist endgültig bekannt: In Garmisch-Partenkirchen müssten die Beschneiteiche künstlich gekühlt werden, genau wie in Schwaiganger die Leitungen von der Loisach bis zu den Beschneiungsanlagen entlang der Loipen. 50 Zentimeter Schnee müssten jeweils künstlich erzeugt werden. Weiterer Bergwald würde gerodet. Und in München würden für den Bau des Olympischen Dorfes Hunderte von Bäumen gefällt. Der Anteil der temporären Bauten wird bei den neuen Planungen immer höher – und geht im übrigen in keine CO2-Bilanz ein!

Vom viel gerühmten zweispurigen Ausbau der Bahn zwischen Tutzing und Garmisch-Partenkirchen blieben sechs Kilometer zwischen Uffing und Murnau übrig; dafür werden Autobahnen verlängert und in Tunnels verlegt und Straßen verbreitert: Das geplante Verhältnis der Investitionen von Auto zu Schiene liegt inzwischen bei 4 zu 1. Und zehntausende Parkplätze würden gebraucht, deren genaue Platzierung noch nicht bekannt ist.

Das ganze Projekt wurde im Lauf der Zeit immer absurder, abwegiger, extremer. Und nicht zuletzt werden seit langem alle Olympischen Spielen immer teurer. Der Trick ist stets der selbe: Am Anfang wird – wie bei vielen Großprojekten – mit zu niedrigen Zahlen getrickst, und danach werden die Kosten immer höher und unbezahlbarer. Der Münchner Oberbürgermeister Ude sagte: „Die Spiele dauern sechs Wochen, aber das Erbe bleibt 60 Jahre“: Ude hätte recht, wenn er dabei die von ihm mit verursachten Schulden gemeint hätte.

3) Abstimmungen und Zustimmungen

Am 4.10.2010 stimmte die Münchner Stadtversammlung von Bündnis 90/Die Grünen auf Antrag von Dieter Janecek (Grünen-Vorsitzender in Bayern), MdL Ludwig Hartmann, Katharina Schulze/Grüne Jugend, Sylvio Bohr/Grüne und Christian Hierneis/Grüne mit 92 zu 45 Stimmen gegen die Bewerbungspläne von München 2018. Dies geschah gegen den expliziten Wunsch ihrer amtierenden Stadträte.

Die Grünen-Landesvorsitzende und MdL Theresa Schopper befürwortet als einzige Abgeordnete ihrer Fraktion die Bewerbung: Ihr Ehemann und Grünen-Stadtrat Boris Schwartz verdient sein Geld bei München 2018 als fest angestellter Leiter der Umweltangelegenheiten. Schopper blieb angesichts des Abstimmungsergebnisses unerschüttert: „Ich habe mich immer für Olympia ausgesprochen.“ (Hübner 5.10.2010)

Die Grüne Stadträtin Münchner Sabine Krieger sitzt im Kuratorium von München 2018 und ist natürlich ebenfalls für München 2018. Auch die anderen grünen Stadträte war offensichtlich vom Votum der Basis nicht sonderlich beeindruckt. Stadträtin Sabine Nallinger sagte: „Ich habe kein neues Argument gehört“ – deswegen könnten die Grünen im Stadtrat für die Spiele stimmen. (Bock 5.10.2010) Abgesehen von dieser verqueren Logik hat sich Nallinger offensichtlich nicht einmal den vorliegenden Antrag näher angesehen, in dem neueste Erkenntnisse aus den bewusst erst kurz vorher zugänglich gemachten Bewerbungsunterlagen von München 2018 standen. Aber wer keine Argumente zur Kenntnis nehmen will, hört auch keine.

Fraktionschefin Lydia Dietrich dachte sich folgende Strategie aus aus: „Keiner hat uns aufgefordert, das Bid Book im Stadtrat abzulehnen.“ (Wimmer 6.10.2010) Ihre Folgerung: „Wir werden auf dem eingeschlagenen Weg bleiben und alle für Olympia stimmen.“ (Hübner 5.10.2010)

Der dritte Bürgermeister Josef Monatzeder warnte vorsorglich: „Wenn wir am Mittwoch gegen Olympia stimmen, ist die Koalition am Ende.“ (Sport1.de 5.10.2010) Und der Fraktionsvorsitzende Siegfried Benker äußerte kurz danach auf die Frage, ob die grünen Stadträte zustimmen würden: „Davon gehe ich aus.“ Die Stadträte würden ihrem „Gewissen“ folgen. (Rathaus-Grüne wollen für Olympia stimmen, 5.10.2010) Benker kritisierte dann Dieter Janecek mit den Worten: „Ich werfe ihm Politikunfähigkeit vor.“ (Lode 5.10.2010) Das erinnert doch sehr an die alte Steigerung: Feind, Todfeind, Parteifreund…

Auch der Münchner SPD-Chef Hans-Ulrich Pfaffmann ließ es sich nicht nehmen, seiner Meinung freien Lauf zu lassen: Leute wie Ludwig Hartmann hätten „in Regierungsverantwortung nichts zu suchen“. (sport1.de 5.10.2010) Das wirft ein bezeichnendes Licht auf das Demokratie- und Politikverständnis dieses SPD-Politikers.

Und wenn Peter Fahrenholz am 6.10. in der SZ von „Grüner Verlogenheit“ schreibt und dass doch schon einmal über Olympiapläne abgestimmt wurde, sollte er sich einmal klar machen, dass das Projekt „München plus 2“ aus dem Jahr 2008 kaum noch etwas zu tun hat mit „München 2018“ von Oktober 2010: Oberammergau kam inzwischen hinzu und fiel wieder weg; dafür soll in Schwaiganger alles neu, aber „temporär“ gebaut werden (Abriss und Rückbau nach den Spielen); in Garmisch-Partenkirchen wurde komplett umgeplant Ein endgültiger Stand ist noch nicht abzusehen. In München wurde erstmals eine Auflistung der negativen Folgen im September 2010 von Nolympia aufgezeigt (siehe unter „Aktuelles“). Darf man denn seine Zustimmung nicht zurückziehen, wenn sich das Projekt und die Vertragsgrundlage nach Jahren völlig geändert haben?

4) Die Jasager

Am 6.10.2010 beschlossen in einer bewusst konzertierten Aktion die Bayerische Staatsregierung ihr „Olympia-Gesetz“ für München 2018; der Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat stimmte mit knapp 80 Prozent für München 2018 (mit je drei Gegenstimmen von CSU und SPD), und natürlich war auch der Münchner Stadtrat mit diktaturverdächtigen 90 Prozent dafür – einschließlich aller Stimmen von CSU, FDP, SPD und aller elf grünen Stadträte.

Basisdemokratie sieht anders aus. „Das ist dreist, damit wird die Basis übergangen“, sagte MdL Ludwig Hartmann. Der grüne Münchner Umweltreferent Joachim Lorenz positionierte sich dagegen so: „Leute wie der Landesvorsitzende Janecek müssen lernen, was Regierungsverantwortung heißt.“ (Effern; Lode 7.10.2010)

Das ist schon dreist: wenn ausgerechnet der Umweltreferent unterwürfig und eilfertig München 2018 – dieser Umweltzerstörung par excellence – zustimmt und andere auf Verantwortung verweist. Dabei ist seine eigene Politik unverantwortlich.

Im Hintergrund sorgen demnächst frei werdende lukrative Posten (Münchenstift etc.) und der übliche Hinweis auf den Koalitionsvertrag für Fraktionsdisziplin. Und zwanzig Jahre am Tisch der Großen sind wohl auch für grüne Stadträte ein Zustand, der nur ungern aufgegeben wird.

Und da es in der Geschichte immer mehr Jasager als Neinsager gab – Machthaber, Karrieristen, Postenjäger, Geldversessene etc. – sieht es auf der Welt so aus, wie es aussieht.

Ohne Zögern stimmten also in dieser Woche die Jasager im Kabinett, im Münchner Stadtrat und im Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat für München 2018. Damit akzeptierten sie auch von ihnen ungelesene Verträge: Zum Host City Contract und zum Bid Book gehören noch viele umfangreiche Vertragswerke des IOC, die natürlich ebenfalls ungelesen blieben. (Vgl. den Gastgebervertrag 2018 mit meinen Kommentaren unter „Aktuelles“ vom 7.10.2010). Die Jasager waren strikt dafür, auch getrieben vom WIR-Gefühl. Die (Stadtrats-)Mehrheit kann nicht irren, hat noch nie geirrt, fühlt sich stark. Also vorwärts und nicht einhalten oder gar nachdenken.

So werden die größten Irrtümer vorbereitet. Deshalb sind mir die mutigen Neinsager allemal lieber – zumal wenn sie dies gut begründet tun. (Siehe Antrag unter „Aktuelles“ vom 4.10.2010).

5) Der Oberbürgermeister

Ude schwärmte nach der Bestätigung im Stadtrat wie üblich von Olympischen Spielen, die er „nicht mit dem Genörgel der Gegner“ in Verbindung gebracht sehen will. (Klares Votum für die Spiele, 6.10.2010) Der Münchner Oberbürgermeister, der zunehmend wie ein Immobilienspekulant auftritt, hat – neben der Bewerbungsidee – noch eine ganze Reihe von Konsequenzen zu verantworten. Eine der schlimmsten Konsequenzen für München wäre es, wenn aus einem beliebten Naherholungsgelände mit wertvollem Baumbestand ein Olympisches Dorf werden sollte. (Wie es überhaupt zur Regel wurde, mit dem Totschlagargument „Wohnungsbau“ die letzten grünen Oasen in den Städten zuzubauen.) Dabei werden die jetzt angepriesenen Mietwohnungen des Olympischen Dorfes nach 2018 mit Sicherheit als Eigentumswohnungen verkauft werden müssen, um das mit Sicherheit hohe Defizit zu decken.

Ein inzwischen für München verhängnisvolles Stadtoberhaupt organisiert sein verhängnisvolles Erbe. Dafür lobt er sich auch noch. (Vgl. auch: http://www.nolympia.de/kritisches-olympisches-lexikon/ude-christian/) Aber Ude ist nicht allein. Viele andere Amtsinhaber, die angeblich das Volk vertreten, bereiten dieses Desaster München 2018 energisch und in vollem Bewusstsein vor.

6) Die bayerische Regierung

Spätestens seit Franz Josef Strauß sieht man von bayerischen Regierungen öffentliche Gelder als disponibel für gerade genehme politische Projekte an. Auch Horst Seehofer verfährt mit der „Chefsache München 2018“ nach dieser Methode. Nach Gutsherrenart reist sein Staatsminister Siegfried Schneider in das Werdenfelser Land und verteilt dort Millionenbeträge. Insgesamt sind derzeit 230 Millionen Euro für München 2018 eingeplant, u. a.

– 20 Millionen Euro Bürgschaften für das Organisationskomitee, – 100 Millionen für Wohnungen, – 60 Millionen für Wettkampf- und Nichtwettkampfstätten, – 40 Millionen für das Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzept, – dazu Millionen für Straßenbau (vierspuriger Föhringer Ring in München etc.) – plus Zusage für ein Drittel des eventuellen Defizits (die anderen zwei Drittel sollen von Bund und der Stadt München kommen).

„Wir werden uneingeschränkt an dieser Bewerbung festhalten“, bekräftigte Horst Seehofer (Olympia 2018: Tag der Entscheidung, in br-online 6.10.2010). Bislang kannte man eine solch eindimensionale Denkweise nur von Sektenmitgliedern.

7) Die Wirtschaft

Die Bauwirtschaft wartet schon darauf, endlich Radlader, Planierraupen und Zementmischer anwerfen zu können.

Die Autoindustrie will die benötigten 3000 bis 4000 Fahrzeuge liefern. Die Fluggesellschaften freuen sich über hunderttausende Nah- und Fernreisender und ein hohes Luftfrachtaufkommen. Und die bayerische Hotellerie verplant ihre Zimmerfluchten im Februar und März 2018 und bedenkt nicht, dass vorher und nachher niemand zu den Baustellen in München und Garmisch-Partenkirchen anreisen will.

Nur der Sport-Großmonopolist IOC und sein nationaler Ableger DOSB erwarten in aller Ruhe die Überweisungen von Fernsehsendern, Sponsoren und Steuerzahlern: Diese Gelder werden reichlich fließen, an welchem Ort auch immer die Spiele stattfinden.

8) Und danach?

Bislang war die Entwicklung um München 2018 schon ökonomisch, ökologisch und sozial brisant. In Garmisch-Partenkirchen reichten die Aggressionen gegenüber Olympiagegnern von der Beschädigung ihrer Autos bis zu Morddrohungen. Zwischen 2011 und 2018 würde sich die olympische Tonlage noch verschärfen.

Dem Olympiagesetz vom bayerischen Kabinett würden die olympischen Machthaber wohl gern ein olympische Enteignungsgesetz folgen lassen. Denn in Garmisch wurde von Regierung und Gemeinderat über private Flächen verfügt, die nicht zur Verfügung stehen. Und damit würden Parkplätze und Funktionsflächen fehlen. Aber so einfach ist es rechtlich dann doch nicht wie bei einer Atommülldeponie, für die die Merkel-Regierung gerade wieder die Möglichkeit der Enteignung eingeführt hat.

230 Millionen Euro hat, wie erwähnt, die Bayerische Staatsregierung derzeit für München 2018 eingeplant. Dazu kommen dreistellige Millionenbeträge vom Bund und der (schon jetzt überschuldeten) Stadt München: Aber das ist ja nur als Anzahlung zu verstehen. Dafür reist das IOC noch nicht einmal an. Erfahrungsgemäß landen Olympische Spiele mindestens beim Faktor vier der eingeplanten Summe. In Vancouver (dort waren die Olympischen Winterspiele 2010, schon vergessen?) mussten wegen der olympisch-bedingten Verschuldung Sozial- und Kulturausgaben zusammengestrichen und das Olympische Dorf als Eigentumswohnungen verkauft werden.

Bleibt einem wirklich nur ein Hohnlachen wenn das olympische Heulen- und Zähneklappern kommt- und der Offenbarungseid? Oder das Hoffen auf die Südkoreaner?

Aber falls es 2018 nicht klappt, dann kann man es ja mit München 2022 wieder versuchen!

9) Steine in der Olympischen Mauer

Nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema stellt sich immer noch die Frage, wer und welche Motivation im Zeitalter des Klimawandels, zu Ende gehender Ressourcen und Geldknappheit hinter dem völlig überholten Projekt Olympische Winterspiele und speziell München 2018 stehen: Rational ist das Ganze nicht mehr zu verstehen.

–         Ist der Betreiber nur der Industriekonzern IOC mit dem Monopol auf globalen Sport?

–         Ist es eine Art olympische Sekte größeren, wenn nicht globalen Ausmaßes?

–         Ist es ein Regime von Sport-Stalinisten?

–         Ist es die kollektive olympische Besoffenheit, die man in alkoholisierter Form vom Oktoberfest kennt?

–         Ist es eine befreiende Selbstentmündigung im Kollektiv?

–         Existiert die berüchtigte „Sportpolitische Abteilung“ von Horst Dassler immer noch?

Für die Olympischen Spielen 2008 in Peking war zumindest eine Diktatur verantwortlich und für Sotschi 2014 der ehemaligen Obergeheimdienstler Putin mit seiner Mannschaft.

In Deutschland sind Angela Merkel, Horst Seehofer und der Münchner OB zuständig. Dazu kommen zahllose weitere Gehilfen und Handlanger der olympischen Obsession in Kabinetten und Ministerien, Bundes- und Landtagen, Stadt- und Gemeinderäten. Und dazu kommen natürlich die Erfüllungsgehilfen des Deutschen Olympischen Sportbundes, der Deutschen Sporthochschule Köln und anderer mehr. Jeder von ihnen ist ein Helfershelfer, Mit-Jasager, Mitverantwortlicher: ein kleiner Ziegelstein in der olympischen Mauer, die jeden Tag höher wird.

Another Brick in the Olympic Wall

—————————-

In Kurzform:

1) Wer macht München 2018 möglich? Eine größte Koalition aus Bundesregierung, bayerischer Staatsregierung und der Stadtspitze in München, das ist eine Koalition aus CDU, CSU, SPD, FDP und den grünen Stadträten sowie den Freien Wählern.

2) Wie funktioniert das? Weil die olympische Ideologie noch immer auf Gläubige trifft. Weil willfährige Abgeordnete, Bürgermeister, Stadträte und Gemeindevertreter wegen Ämter, Posten und Pfründen nicht widersprechen, weil der Fraktionszwang ein Disziplinierungsmittel ist, weil Denkzwang besteht, weil der Großteil der Volksvertreter hier bequem, angepasst und mutlos agiert. Weil alle ein großes Geschäft wittern.

3) Für wen sind Olympische Spiele seit Jahrzehnten ein Geschäft? Für Immobilienspekulanten, Bauwirtschaft und Banken. Und natürlich für das IOC und seinen nationalen Statthalter DOSB.

4) Wer bezahlt die Spiele? Die Steuerzahler. Die Stadt. Die beteiligten Gemeinden. Die Mieter. Die Anwohner. Die Natur.

5) Und danach? Die zuständigen Politiker, Bürgermeister: in Rente oder verstorben. Und von den Überlebenden wird es wieder einmal niemand gewesen sein. Niemand war dabei. Alles war völlig unvorhersehbar. Hätten wir das doch vorher gewusst … München 2018 würde ablaufen wie London 2012:

Für die Olympischen Sommerspiele 2012 in London waren ursprünglich weniger als vier Milliarden Dollar angesetzt: Nun rechnet man mit 19 Milliarden Dollar. Die zuständige Ministerin Tessa Jowell sagte bereits 2008: „Wenn wir gewusst hätten, was wir heute wissen, hätten wir uns dann um die Spiele beworben? Mit Sicherheit nicht.“

Quellen:
Bayerische Staatsregierung: Kabinett beschließt Olympiagesetz, Pressemitteilung 6.10.2010
Bewerbung wird zur Zerreißprobe für die Grünen, in br-online 6.10.2010
Bock, Willi, Nolympia oder Olympija: Legen die Grünen die Lunte? in Abendzeitung 5.10.2010
„Das stößt auf Ablehnung“, in SZ 6.10.2010
Drei Mal „Ja“ zur Münchner Bewerbung, in br-online 6.10.2010
Effern,. Heiner
– Die Katze im Sack, in suedeutsche.de 6.10.2010
– Die letzte Hürde, in SZ 8.10.2010
Effern; Heiner, Lode, Silke, München will Olympia, in SZ 7.10.2010)
Erste Hürde für Bewerbung genommen, in focus.de 6.10.2010
Fahrenholz, Peter, Grüne Verlogenheit, in sueddeutsche.de
Hübner, Bernhard, Grüne für und gegen Olympia, in taz.de 5.10.2010
Hutter, Dominik, Drei Milliarden Euro für die Spiele 2018, in SZ 28.9.2010
Klares Votum gegen Nörgler, in sueddeutsche.de 6.10.2010
Krügel, Christian, Aufbruchsstimmung im Millionendorf, in sueddeutsche.de 6.10.2010
Kunstschnee und die Kühlung von Beschneiwasser, www.nolympia.de/Aktuelles
Lode, Silke, Grüne stellen Koalition in Frage, in sueddeutsche.de 5.10.2010; SZ 5.10.2010
Olympia 2018: Tag der Entscheidung, in br-online 6.10.2010
Rathaus-Grüne wollen für Olympia stimmen, in sueddeutsche.de 5.10.2010
Riedel, Katja, Szymanski, Mike, Alle Schecks gedeckt, in sueddeutsche.de 6.10.2010
Schäfer, Ulrich, Trennende Ringe, in SZ 6.10.2010
Sport1.de 5.10.2010: Münchens Grüne rütteln an Olympiabewerbung
Um der Koalition willen, in SZ 6.10.2010
Wimmer, Barbara, Olympia 2018 zerreißt die Grünen, in tz-online 6.10.2010

Okt 082010
 
Zuletzt geändert am 08.10.2010 @ 9:52

Vorbemerkung

Der Vertrag mit der Gastgeberstadt der Olympischen Spiele soll auf den ersten Blick beeindruckend wirken – wie die Olympische Charta und andere Werke aus der Rechtsabteilung des IOC. Aber der Schein trügt. Die wenigen sich philosophisch gebenden Inhalte der Olympischen Charta sind nur rudimentär und knapp; die eigentliche Absicht des Vertrags ist die Regelung der Geschäftsbedingungen, in denen vor allem die finanziellen Bedingungen mit der Gastgeberstadt näher festgelegt wird.

Nun hat das IOC schließlich über 100 Jahre Erfahrung mit der Durchführung Olympischer Spiele – und damit auch viel Übung darin, Bewerberstädte über den Tisch zu ziehen. Für diese sind Olympische Spiele ein jeweils singuläres Ereignis, und sie haben kaum Erfahrungen mit dem olympischen Gewerbe. Seit der Ära Samaranch (1980 bis 2001) – mit der Abschaffung des Amateursports, dem massiven Auftreten von Dopingfällen und dem Verkauf der Spiele an Großsponsoren und Fernsehsender – haben sich die Geschäftsbedingungen entsprechend verändert.

Der vorliegende Host City Vertrag für 2018 zeigt die grundsätzlich geforderte Unterwerfung der Gastgeberstadt unter die Spielregeln des IOC. Die Gesamtversion umfasst 58 Seiten.

Ich habe den Vertrag auf die wesentlichen Punkte gekürzt. Der Charakter des Vertrages wird so noch deutlicher: Er zeigt die juristische Diktion, die allein vom IOC vorgegeben wird. Der Vertrag und seine zahlreichen Anhänge begründen die hohen Anforderungen und die juristisch schwache Stellung des Austragungsortes und des organisierenden OCOG (Abkürzungsverzeichnis am Ende des Vertrages), aber auch des austragenden Landes und seiner staatlichen Stellen. Salzburger Juristen, die mit dem Host City Contract wegen der Bewerbung der Stadt für 2006, 2010 und 2014 befasst waren, bezeichneten den Vertrag nicht umsonst als „Knebelvertrag“.

Der Vollständigkeit halber ist der gesamte Vertragstext aufgeführt. Wichtige Stellen habe ich fett gekennzeichnet, die eher unwichtigeren kleiner gesetzt. Meine eigenen Kommentare sind in Klammern und mit WZ gekennzeichnet.

Dr. Wolfgang Zängl, München, 7.Oktober 2010

… weiter zur PDF-Fassung des Vertrages

Okt 042010
 
Zuletzt geändert am 04.10.2010 @ 14:52

4.10.2010

Sylvia Hamberger und Axel Doering

Unter dem Slogan „Cool down the water“ bietet die Firma ABG „Speziallösungen für Beschneiungsanlagen” an: „Da hat man die schönste Beschneiungsanlage … und trotzdem schafft man nur selten, Schnee in wirklich erstklassiger Qualität zu erzeugen. Der Grund dafür liegt dann meist am Wasser bzw. bei seiner Temperatur“ (www.abg.co.at)

Das „Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzept“ der Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2018 nimmt diese Entwicklung auf: „Eine Kühlung des Beschneiwassers ist zur effizienten Schneeerzeugung unabdingbar“.

Garmisch-Partenkirchen
Dieses Problem hat man auch im Garmisch-Partenkirchener Skigebiet erkannt, denn der Wasserverbrauch für die Kunstschnee-Produktion steigt an. Die alten Garmisch-Partenkirchener Trinkwasserquellen und der Hammersbaches hatten für die Beschneiung schon längst nicht mehr ausgereicht. Deshalb wurden zwei große Speicherseen mit einem Wasser-Fassungsvermögen von zusammen ca. 110.000 m3
(einhundertzehntausend Kubikmeter) in den Bergwaldbereich (1250 m ü. NHN und 1350 m ü. NHN) hinein gebaut („Schnee?“). Diese Teiche sollen das Wasser für die Beschneiungen in kurzer Zeit liefern – nicht nur für die WM 2011, sondern auch für 2018.

Für die Olympischen Winterspiele gibt es genaue Vorgaben über die Menge des benötigten Kunstschnees: Mehr als bisher. Nicht nur 30 cm für die Grundbeschneiung erscheinen notwendig, sondern olympische 50 cm – als Nachbeschneiung kommt etwa die gleiche Menge Kunstschnee hinzu.

Schon jetzt wird zur Füllung der Beschneiteiche das Wasser aus dem Tal herauf gepumpt; damit verschlechtert sich die Energiebilanz der Schneekanonen weiter. Trotzdem reicht der Wasserbedarf nicht für die gleichzeitige Beschneiung der Wettkampfpisten und des normalen Skibetrieb aus. Der Gesamtwasserbedarf für die Grund- und Nachbeschneiung beträgt bereits mindestens 170.000 m3 pro Saison.

Es musste entweder ein weiterer Speichersee gebaut oder weiteres Wasser aus dem Tal nachgepumpt werden. Deshalb schloss man Ende 2009 die Beschneiungsanlagen an den Tiefbrunnen an der Degernlahne an: Das fehlende Wasser wird seither aus Garmisch-Partenkirchner Tiefbrunnen entnommen. Zunächst wird es in den unteren Beschneiteich, dann weiter in den oberen gepumpt.

Damit entstand ein neues Problem: Das Beschneiwasser ist zu warm. Man pumpt inzwischen so viel Wasser (Grundwasser) nach, dass die natürliche Kühlung durch niedrige Außentemperaturen an der Teichoberfläche alleine nicht mehr reicht. Auch der Pumpvorgang aus dem Tal erhöht die Temperatur – und verschlechtert wiederum die Energiebilanz!

Bisher wurde das Wasser durch Umwälzung über die Wasseroberfläche gekühlt. Die Außentemperaturen steigen im Durchschnitt aber an – und es ist oft zu warm. Zudem muss in kurzer Zeit mehr Schnee produziert werden, da die möglichen Beschneizeiten von Jahr zu Jahr kürzer werden und immer häufiger bereits produzierter Schnee durch Regen verloren geht.

Die Kunstschnee kann nur mit Wasser um den Gefrierpunkt produziert werden. Deshalb muss eine neue und aufwendige Wasserkühlung her – Kühlanlagen mit je vier Kühltürmen sind am unteren Beschneiteich an der Kandahar in Garmisch-Partenkirchen bereits im Bau. Damit soll das Wasser auf Temperaturen von etwa 1,5° bis 0°C heruntergekühlt werden. Kosten der im Bau befindlichen Anlage: 700.000 Euro. Wieder fallen Bäume, und über die Lärmentwicklung darf man spekulieren. Schon die laufenden Schneekanonen selbst sind im Winter sogar nachts im ganzen Tal zu hören.

Das ist keine Satire!

Nachhaltig? Nein. Nachhaltig kann das nicht sein. Es ist pure Verschwendung von Wasser, Energie und Landschaft in großem Umfang.

In den Bewerbungsunterlagen für die Olympischen Winterspiele „München 2018“ wird diese Nachhaltigkeit umdefiniert. Für Kandahar und Hausberg in Garmisch-Partenkirchen wird dargestellt, daß „im Zuge der Olympiaaustragung keine zusätzlichen Beschneiunganlagen oder Speichermöglichkeiten im Bereich der bestehenden Wettkampfstätten notwendig“ seien. Damit wird der „Bestand“ und alles, was im vorauseilenden Vollzug gebaut wird – wie jetzt die Kühltürme am unteren Beschneiteich -, ökologisch legitimiert. Mit dieser Argumentation kann man aber jede noch so klima- und umweltschädliche Anlage schönreden.

Zudem sind die Angaben unwahrscheinlich, denn acht Jahre (bis 2018) sind im Klimawandel – und im Skisport – eine sehr langer Zeitraum. Da wird noch viel passieren – auch auf dem Sektor „Klima und  Beschneiung“.

Gelände Gut Schwaiganger, August 2010

Schwaiganger
Für das „Nordische Zentrum Schwaiganger“ gilt dies ohnehin nicht: Die Biathlon- und Langlaufanlagen existieren bisher nur auf dem Papier.

Alles müsste hier neu gebaut werden – wie es heißt; „temporär“. Danach soll alles wieder abgerissen werden. Alles?

Schwaiganger liegt noch tiefer als Garmisch-Partenkirchen: „Nur eine fest installierte Beschneiungsanlage ist technisch in der Lage, innerhalb einer vorgegebenen Zeit von 65 h die Strecke mit ausreichend Schnee (50 cm Mächtigkeit) zu belegen“. Die Beschneiung für Schwaiganger wird komplett neu gebaut – Wasser will man aus der Loisach holen. Das gilt bei den Betreibern aus wirtschaftlicher Sicht als „hervorragend.“ Hierzu sind aber noch Genehmigungsverfahren notwendig.

Beschneiungswasser muss Badewasserqualität besitzen. Die Loisach führt gerade im Winter mit größerer Wahrscheinlichkeit Niedrigwasser und da sie auch als Vorfluter für Kläranlagen dient, ist sie somit in dieser Zeit stärker mit Keimen belastet.  Aufgrund der zu hohen mikrobiellen Belastung wäre dann u.U. eine UV-Behandlung notwendig, oder es müsste eine „Bevorratung“ erfolgen, sprich noch ein Speichersee gebaut werden.

Auch in Schwaiganger gilt die Kühlung des Beschneiwassers als unabdingbar. Eine umfangreiche Anlage mit Hauptpumpen, Leitungen und Kühltürmen wäre dafür erforderlich. Der Energieverbrauch für die Grundbeschneiung der Nordischen Loipen mit 50 cm Kunstschnee wird mit ca. 65.000 kWh angesetzt. Hinzu kommt die „Nachbeschneiung“in etwa gleicher Höhe – und dies alles für 17 Tage.

Da das Loipennetz weit verzweigt ist und über 10 Hektar Pistenfläche umfasst, ist die „zeitnahe“ Beschneiung nur über ein fest installiertes Leitungsnetz gewährleistet werden. Das bedeutete: „.. das Leitungsnetz muss ins Erdreich verlegt werden“.

Wie will man das aber mit der Vorgabe des „temporären Wettkampfstandort“ Schwaiganger verbinden?

Die für die Olympischen Winterspiele geplanten Anlagen sind zu groß und weder ökologisch noch nachhaltig. Im „täglichen Betrieb“ nach den Spielen werden sie weit überdimensioniert und deshalb unwirtschaftlich sein. Schon jetzt belastet der Ausbau für die Ski-WM 2011 die Finanzen der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen und der Bayerischen Zugspitzbahn über Gebühr. Der Klimawandel verstärkt diese Problematik zusehends.

Trotz all dieser Erkenntnisse feiern die Bewerbungsgesellschaft 2018, das Land Bayern, die Landeshauptstadt München, fast alle Münchner Stadträte und die beteiligte Gemeinde Garmisch-Partenkirchen die Olympischen Winterspiele München 2018 als umweltpolitische Großtat.

Quelle:
Die Bewerbung um die XXIII. Olympischen und die XII. Paralympischen Winterspiele 2018 – Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzept – Zitate aus: 4.2 „Technische Beschneiung im Schnee-Park“

Okt 012010
 
Zuletzt geändert am 26.05.2014 @ 0:40

31.10.10:
dradio.de: Grüne Zerreißprobe – Parteitagsantrag zur Ablehnung der Olympiabewerbung Münchens 2018
gruene-partei.de: Nein zur Olympiabewerbung München 2018!

30.10.10:
Die Presse: Geipel: „Athleten sind verführbar, das System kriminell“

29.10.10:
taz: Quo vadis Alpenverein?
tz: Zerbricht jetzt der Alpenverein?

27.10.10:
SZ: Münchens Olympia-Konkurrent in Bedrängnis

26.10.10:
nolympia.de: Der DOSB, der DAV und der Schnee von morgen. „München 2018“: Legitimation durch „Naturschutz“
chiemgau-online.de: Politiker schuld an Olympia-Sumpf?
dradio.de: Jeder im Business weiß darüber Bescheid

25.10.10:
dapd: Murnau: Widerstand gegen Olympia-Wettbewerbe in Ohlstadt
dradio.de: Frauen-Skispringen, Ski-Halfpipe oder Snowboard-Slopestyle müssen warten
klimaretter.info: Lasst die Klimakeule auch mal stecken!

23.10.10:
jensweinreich.de: Olympia 2018: München darf hoffen

22.10.10:
dradio.de: In Konkurrenz zu Pyeongchang und Annecy – Münchens Chancen auf die Olympischen Winterspiele 2018
Landesgericht Salzburg: Parlamentarischer Untersuchungsausschuß des Salzburger Landtages

21.10.10:
jensweinreich.de: “Festival of Friendship”

20.10.10:
ludwig-hartmann.de: Nationale Förderer und Ausstatter der Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018 mit Unternehmensbeteiligung des Freistaats
ludwig-hartmann.de: Finanzierung des OCOG-Budgets bei Durchführung der Olympischen Winterspiele 2018 in München I
ludwig-hartmann.de: Finanzierung des OCOG-Budgets bei Durchführung der Olympischen Winterspiele 2018 in München II

19.10.10:
FAZ: Der schwere Gang

18.10.10:
dradio.de: Grassierende Bestechungskultur im Sport
SN: Die Olympiabewerbung spaltet Garmisch

17.10.10:
dradio.de: Ist der Widerstand in Garmisch gegen die Olympiabewerbung gebrochen?
nolympia.de: Bach-Blüten

15.10.10:
ND: Streitfrage: Sollte sich München um die Olympischen Winterspiele 2018 bewerben?
innsalzach24.de: „Das ist ein Trauerspiel“

14.10.10:
Bayerischer Landtag: Erste Lesung zum Olympiagesetz
Merkur: Freie Wähler: Stau und Chaos mit Olympia vorprogrammiert
dpa: Grüne warnen vor massiven Verlusten bei Olympia 2018

13.10.10:
BR: Kritik an Bürgschaften in unbegrenzter Höhe
SZ: Infrastruktur im Freistaat – Volle Konzentration auf Oberbayern
Radio Oberland: Kreis-SPD sagt Nein zu Olympia-Bewerbung
SPD, Ortsverein Murnau: Antrag „Olympiabewerbung von Garmisch-Partenkirchen“ (01.08.10)
muenchen.business-on.de: Helmut Röscheisen zum Umweltkonzept Olympia 2018
IHT: The Games Game

12.10.10:
muenchen.business-on.de: Martin Geilhufe zum Umweltkonzept Olympia 2018

11.10.10:
dpa: FIS-Präsident sieht Risiko für München 2018
muenchen.business-on.de: Christian Hierneis zum Umweltkonzept Olympia 2018

10.10.10:
dradio.de: Konflikte mit Olympiagegnern schaden München
dradio.de: Unrühmliche Tradition – Weiterhin viele Fragen offen zur Münchner Olympia-Bewerbung 2018

09.10.10:
nolympia.de: Another Brick in the Olympic Wall
nolympia.de: Gemeinderat von Garmisch-Partenkirchen ignoriert die Grundbesitzer

08.10.10:
Merkur: WG mit 1800 Journalisten
klimaherbst.de: Grüne Jugend gegen Olympia
nolympia.de: Auszüge aus dem “Vertrag mit der Gastgeberstadt“ (Host City Contract) XXIII. Olympische Winterspiele des IOC für 2018
gap-fakten.blog.de: Anna Maria Reindl für 167 Grundeigentümer: Wir geben unseren Grund nicht her!

07.10.10:
klimaretter.info: „Die olympische Idee ist tot“
Mannheimer Morgen: Mahner ernst nehmen

06.10.10:
Merkur: Schwaiganger: Rodungen geplant, Biotope berührt
ludwig-hartmann.de: Blankoscheck für das IOC
BR-Video: Ein „Ja“ und Geld aus München
BR-Video: Go, go, go aus Garmisch-Partenkirchen?
BR: Drei Mal „Ja“ zur Münchner Bewerbung
Merkur: Auf dem Sprung zu Olympia 2018
SZ: Die Katze im Sack
SZ: Alle Schecks gedeckt
ND: Grüne Basis gegen grüne Stadtfraktion

05.10.10:
jensweinreich.de: Vertraulich: alle Bürgschaften und Garantien, die deutsche Volksvertreter dem IOC für München 2018 geben
Merkur: Olympische Winterspiele 2018: Kreis-SPD droht Zerreißprobe
taz: Grüne für und gegen Olympia
SZ: Rathaus-Grüne wollen für Olympia stimmen
Grüne München: Grundsatzentscheidung – Basis der Münchner Grünen spricht sich mit großer Mehrheit gegen Olympia 2018 aus
Grüne Jugend München: Münchner Grüne gegen die Bewerbung Münchens für die Olympischen Winterspiele 2018
SZ: Olympia-Bewerbung: Grüne stellen Koalition in Frage
jensweinreich.de: Infantiles PROlympia 2018

04.10.10:
Junge Union, Kreisverband Garmisch-Partenkirchen: Junge Union fordert NEIN zu Olympia 2018!
dpa: Garmisch-Partenkirchen: Junge Union gegen Olympiabewerbung
nolympia.de: Kunstschnee und die Kühlung von Beschneiwasser
DER SPIEGEL: Angst vor Enteignung

02.10.10:
Antrag an die Münchner Stadtversammlung der Grünen: Nein zur Olympiabewerbung München 2018!

01.10.10:
Merkur: Geld für Paralympics – 35 Millionen Euro zugesagt

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Sep 242010
 
Zuletzt geändert am 25.09.2010 @ 8:55

24.9.2010

Axel Doering, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen und Sprecher des AK Alpen des Bund Naturschutz in Bayern

Die Erfolgsmeldungen der letzten Tage verwundern. Es hat sich nichts Entscheidendes geändert, außer dass die Mitteilungen jetzt von der PR-Abteilung der Staatsregierung kommen. Bisher wurden statt neuer Ideen nur neue (und alte) Absichten aufgezeigt. Es ist nichts wirklich geregelt. Wenn die beteiligten Stadt- und Gemeinderäte auf dieser Basis dem Bewerbungsbuch (Bid-Book) zustimmen, begeben sie sich auf unverantwortliche Weise in die Hände des IOC und liefern sich unweigerlich entstehenden Sachzwängen aus.

In der chaotischen Bewerbung „München 2018“ wird es zunehmend schwieriger, auf konkrete Planungen der Bewerbungsgesellschaft einzugehen, da sich die Planungen inzwischen fast im Vierzehn-Tage-Rhythmus ändern. Jede Änderung wird als Erfolg oder „Durchbruch“ verkauft, obwohl sie meist das Resultat eines Misserfolgs ist.

Die Bewerbungsgesellschaft steht zunehmend mit leeren Händen da, was das ursprüngliche vollmundige Versprechen einer „nachhaltigen und grünen“ Bewerbung angeht. Die Auseinandersetzungen mit den Grundbesitzern, deren Flächen überplant wurden, ohne dass mit ihnen geredet wurde, überdecken nur die Grundproblematik der Bewerbung. Der Umgang mit Beteiligten vor Ort gibt einen Vorgeschmack, was nach einem Zuschlag der Spiele passieren wird.

Auch ihre Finanzen hat die Bewerbungsgesellschaft nicht im Griff. Von zunächst geplanten 30 Millionen Euro, ausschließlich aus Sponsorenmitteln sind die Anforderungen auf 33 Millionen gestiegen. Davon wurden bisher ca. 22 Millionen eingeworben, allerdings stammen mehr als 11 Millionen aus Firmen und Einrichtungen, die ganz oder teilweise der öffentlichen Hand gehören, wie der Münchener Flughafengesellschaft, der Münchner Messegesellschaft, den Münchner Stadtwerken oder zuletzt die Lottogesellschaft sowie Darlehen der LH München, des Landes Bayern und der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen. Dieses trickreiche Zahlenjonglieren ist auch ein Markenzeichen der olympischen Bewerbungen der letzten Jahre.

Es gibt nur einen Trend: hin zu öffentlichen Flächen, also zu Gemeinde- und Staatsgrund als auch zu öffentlichen Finanzmitteln. Damit zeigt sich, dass die Bewerbung „München 2018“ ein Projekt nach dem Willen führender Politiker ist. Mit diesem Rückzug auf öffentliche Ressourcen demonstriert die Politik, dass sie an den Bürgern und an der Wirtschaft vorbei agiert.

Die Baumaßnahmen

Die Langlauf- und Biathlonwettbewerbe sollen im Alpenvorland, auf sonnigen, von der Eiszeit gestalteten Flächen des Gestüts Schwaiganger stattfinden. Dort sind sie heftigen Fön- und Warmlufteinbrüchen ausgesetzt. Für Stadien müssen ca. neun Hektar Fläche eingeebnet werden. Alle Anlagen müssen  künstlich beschneit werden.

Das gilt auch für die Ski-Abfahrten in Garmisch-Partenkirchen, die samt  Zufahrten und Zielräumen massiv umgebaut werden müssen. Die Lebenserfahrung sagt, dass sogar die Weltmeisterschafts-Abfahrt  „Kandahar“ umgestaltet werden wird, da sie zum Zeitpunkt der Spiele bereits zehn Jahre alt ist.

Das Snow-Village und das Media Village werden seit Beginn der Planungen herum geschoben wie heiße Kartoffeln, da die Landschafts-Eingriffe dafür zu groß sind. Ein Ende ist noch nicht abzusehen. Einmal ist das Media-Village auf den Riessäckern geplant, dann im amerikanischen Hotel und am Stieranger, dann auf dem Golfplatz, jetzt in der Bundeswehrkaserne in Murnau. Ähnliches gilt für das Snow-Village, mit neuer Kongress-Halle, mit oder ohne Eisstadion.  Es ist eine unendliche Geschichte voller Peinlichkeiten.

Sind wir bei Plan B, Plan C oder schon viel weiter. ? Mit großer Wahrscheinlichkeit sind wir bereits bei „Plan X: Das wird wohl NiX“

Wenn alle geplanten Verkehrsbauten kommen, werden in weniger als sechs Jahren im Loisachtal ca. sechshundert Millionen Euro für Bundesfernstraßen verbaut.  Weitere  Straßen werden gebraucht, um den Verkehr zwischen den Sportstätten zu sichern. Wo die ca. 14.000 PKW-Parkplätze und ca. 800 Bus-Parkplätze hinkommen sollen, ist von den Organisatoren noch nicht zu erfahren. Die sehr artenreichen Wiesen vertragen die Belastung der Bauten und Parkplätze nicht – auch nicht „temporär“.

Risiken für die Orte

Orte, die die Spiele ausrichten verlieren jede Selbstbestimmung. Es gilt nur noch, was das IOC fordert. Da sind z.B.  „Kremlspuren“, also exklusive, für andere Benutzer gesperrte Fahrspuren (380 km) oder Garantien, dass die „olympische Familie“ keine Steuern zahlt, noch die kleinsten Probleme. Das IOC bürdet seinen „Partnern“ alle! Lasten und Risiken auf, übernimmt aber selbst keinerlei Haftung. Bei der vergeblichen Bewerbung von Salzburg wurde dieser sogenannte „Host-City-Vertrag“ von Landesjuristen als „sittenwidriger Knebelungsvertrag“ bezeichnet. Dem IOC geht es weitestgehend um seinen eigenen Gewinn, deshalb wurde auch den Paralympics 1983 der „Missbrauch“ der olympischen Ringe verboten, da dies die Vermarktungsmöglichkeiten der Ringe ausschließlich für die IOC-Olympischen-Spiele verbesserte.

Untersuchungen vergangener Winterspiele und anderer Großveranstaltungen zeigen auf, dass die erhofften wirtschaftlichen Impulse und die Stärkung des Tourismus, wenn überhaupt, nur kurzfristig sind, die Kosten sich jedoch meist vervielfachen. Sowohl Turin als auch Vancouver haben mit einem Defizit geendet, das den Steuerzahler trifft.

Der Tourismus in Garmisch-Partenkirchen ist eine wichtige Einnahmequelle. Er ist allerdings weit entfernt von den gebetsmühlenartig beschworenen „ wir leben zu 80 Prozent vom Tourismus“. Garmisch-Partenkirchen hat ca. 46 Übernachtungen pro Einwohner. Nach Bätzing entspricht das einer  mittleren Tourismusfrequenz. Es gibt im Gesundheitsbereich mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse als im Tourismus. Außerdem kommen mehr als 60 Prozent der Gäste im Sommer und wünschen sich eine intakte Landschaft. Diese Stärken sollten gepflegtwerden. Denn das ist erfolgversprechender als Riesenveranstaltungen die in kein langfristiges Tourismuskonzept  passen und die „sanfteren“ Tourismusformen aufs Spiel setzen.

Die Hauptprobleme der Bewerbung liegen im Oberland und vor allem in Garmisch-Partenkirchen, aber auch die Münchner werden nicht ohne Belastungen davon kommen. Dort sind für das olympische Dorf an die 1500 Bäume bedroht, intakte Gebäude müssen abgerissen und woanders wieder aufgebaut werden  und die finanziell klamme Stadt kann sich die Olympischen Winterspiele eigentlich nicht leisten. Es gibt keinerlei Angaben darüber, wo das Geld herkommen soll.

Unterschriftensammlung

Vielen Bürgern in Garmisch-Partenkirchen, aber auch im Landkreis und dem Bundesgebiet wird immer klarer, welches Spiel mit den Spielen hier mit den Ausrichterorten getrieben wird und welche dunkle Seite die strahlende Olympiaplakette hat. Deshalb unterschreiben sie auf unseren Listen und lehnen damit Olympia ab: Nolympia. Jede Unterschrift ist eine kleine rote Karte für das olympische Komitee. Je mehr Unterschriften wir sammeln, desto deutlicher wird diese Ablehnung. Allein aus Garmisch-Partenkirchen haben wir ohne gezielte Aktionen bereits mehr als 2500 Unterschriften. Das sind deutlich mehr, als man für ein Bürgerbegehren bräuchte. Ob ein Bürgerbegehren kommt, hängt auch von den Bewerbern und den rechtlichen Möglichkeiten ab. Insgesamt haben wir weit über 5000 Unterschriften gesammelt.

Wenn Sie die Gelegenheit haben, sammeln Sie weitere Unterschriften und unterschreiben Sie auch selbst. Hier macht es auch die Anzahl! (Einfach auf der Website rechts oben anklicken: „Jetzt unterschreiben!“ oder Listen ausdrucken)

Bewerbung einstellen!

Den Bewerbern laufen die Umweltverbände davon. Derzeit beteiligen sich noch der LBV und der DAV. Der  DAV ist in einer merkwürdigen Zwitterposition als anerkannter Umweltverband und Mitglied des Deutschen Olympischen Sportbundes und geht immer mehr den Weg eines  reinen Sportvereins. Das wird auch manifest durch den plötzlichen Rückzug seines Präsidenten Prof. Mimo Röhle.

Es kann nicht Zweck eines anerkannten Umweltverbandes sein, durch Mitarbeit den Bewerbern die Steine aus dem Weg zu räumen und höhere Chancen für die Bewerbung zu erwirken!

Der Klimawandel  läuft unerbittlich. Olympische Winterspiele im Klimawandel auf 700 m Meereshöhe sind heute ein Anachronismus. Jetzt wurde im Gemeinderat von Garmisch-Partenkirchen bereits beschlossen, das Wasser in den Beschneiungsteichen zu kühlen. Deutlicher kann die Absurdität dieser  Spiele nicht aufgezeigt werden.

Die Olympischen Winterspiele sind für ein Gebirgstal inzwischen zu groß und zu teuer. Nach andauernden Umplanungen bleiben  weder ein „grünes“ noch ein olympisches Erbe, sondern nur noch immense Belastungen. Auch temporäre Stadien-, Hallen und Parkplatzbauten in Millionenhöhe, gebaut für den Abriss nach den Spielen, können per se nicht nachhaltig sein, sondern belasten Finanzen, Klima und Umwelt.

Die heutige Farce zeigt sich schon daran, dass bestehende hochwertige und teure Anlagen wie die Loipen in Oberstdorf und die Biathlonanlagen in Ruhpolding nicht mit einbezogen werden dürfen.

Die Randbedingungen Olympischer Winterspiele haben sich also in den letzten Jahrzehnten verändert: Ihr Programm wurde laufend ausgeweitet; der Klimawandel erfordert einen immer höheren technischen und energetischen Aufwand; die ökologischen und ökonomischen Bedingungen einer solchen globalen Sport-Großveranstaltung sind zu einer untragbaren Belastung für die Austragungsorte und für die Natur geworden. Es gibt nur eine Chance, Olympische Winterspiele im 21. Jahrhundert verträglich zu gestalten: Das IOC muss das kommerzielle Konzept der Spiele ändern, es muss die Spiele wieder auf ein tragbares Maß verkleinern, und es muss dem Schutz der Natur in den Gebirgstälern Vorrang nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität einräumen.

Sep 242010
 
Zuletzt geändert am 16.10.2010 @ 12:03

23.9.2010, aktualisiert 16.10.2010

Wolfgang Zängl, Gesellschaft für ökologische Forschung

Aus gegebenem Anlass ist dies eine Ergänzung zum früheren Statement.

Eine Online-Umfrage der Augsburger Allgemeinen ergab im Sommer 2010, dass München 2018 von 65 Prozent der Befragten NICHT gewollt wird und nur 29 Prozent dafür waren.

Dagegen meldete der Sportinformationsdienst (SID) im August 2009, dass eine Umfrage des Dortmunder Marktforschungsinstitutes promit mehr als 80 Prozent Zustimmung für die Bewerbung München 2018 ergeben hätte. Und am 15.9.2010 berichtete der Sport-Informations-Dienst (SID) erneut über ein Umfrageergebnis zu München 2018: Eine repräsentative Umfrage von 1202 Personen von promit hätte eine Unterstützung der Bewerbung München 2018 von 78,3 Prozent ergeben; nur 19,2 Prozent seien dagegen (zeitonline 15.9.2010). Dies wurde bundesweit als seriöse Nachricht verbreitet.

Erneut verwendete der Chef der Bewerbungsgesellschaft München 2018, die Zahlen in einem Interview mit dem Münchner Merkur am 16.10.2010. Bernhard Schwank nannte Zustimmungswerte von 76 Prozent für München und zwei Drittel der Befragten in Garmisch-Partenkirchen sowie „bundesweit knapp unter 80 Prozent“  und bezog sich unverfroren auf den Sportinformationsdienst und seine getrickste Umfrage. (Olympia-2018-Chef: „Ich sehe keinen Widerstand mehr“, in merkuronline 16.10.2010)

Das Umfrageergebnis hat nämlich mit der Realität nichts zu tun. Auf der Website von promit kann man unter quickCheck nachlesen, dass bei dieser Umfrage „rund 1.200 repräsentativ ausgewählte sport- und/oder fußballinteressierte Personen ab 14 Jahren“ befragt werden.

Jeder Statistiker wird einer solchen Umfrage angesichts der bewusst verzerrten Auswahl der Grundgesamtheit Unseriosität attestieren. SID, DOSB und promit haben natürlich ein Interesse, die Zustimmungsraten möglichst hoch zu tricksen.

Der Grüne Landtagsabgeordnete Ludwig Hartmann sagte deshalb schon zu der Umfrage 2009: “Das ist, wie wenn ich die Betreiber von Atomkraftwerken befrage, ob sie gerne die Laufzeiten verlängern würden.”

Ein Vorschlag an die Befragungskünstler: Noch besser fiele das Ergebnis pro München 2018 aus, wenn ausschließlich Mitarbeiter der Bewerbungsgesellschaft München 2018, des DOSB in Frankfurt, des Sport-Informationsdienstes in Köln und von promit in Dortmund befragt würden. Das ergäbe Diktatur-kompatible Zustimmungsraten von weit über 90 Prozent.

Das Original-Zitat geht so: „Ich traue nur den Statistiken, die ich selbst gefälscht habe.“

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